Virtue's Last Reward13.03.2013, Jörg Luibl
Virtue's Last Reward

Im Test:

Wer anspruchsvolle Adventures außerhalb der Welt von Prof. Layton mag, wurde auf Nintendos 3DS oder gar PS Vita bisher nicht fündig. Dabei konnte man sich auf dem DS noch durch großartige Geschichten wie Hotel Dusk: Room 215 (Wertung: 90%) oder 999: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors (Wertung: 88%) rätseln. Umso erfreulicher, dass Letzteres mit  Virtue’s Last Reward fortgesetzt wird. Ein Student namens Sigma wacht als Geisel in einem bösen Spiel auf!

Willkommen im bösen Spiel

Die Situation ist ebenso mysteriös wie gefährlich: Neun scheinbar wildfremde Charaktere erwachen als Geiseln eines durchgeknallten Irren. Sie wissen nicht, wo sie sich befinden und tragen seltsame Uhren mit unterschiedlichen Farben sowie Ziffern. Einer von ihnen wurde sogar in einen Roboteranzug gezwungen und kann sich angeblich an nichts erinnern! Was zur Hölle geht hier vor? In Gestalt eines Hasen kommuniziert der anonyme Entführer über eine Großbildleinwand sein perfides Vorhaben. Er fordert kein Lösegeld, sondern will ein tödliches Spiel namens „Nonary Game“ mit ihnen treiben.

Nur wer es schafft, die Ziffer auf seiner Uhr von der aktuellen Drei auf die Neun zu bringen, wird überleben; sobald man auf Null landet, wird ein tödliches Gift injiziert. Und wie kann man diese lebenswichtigen Punkte gewinnen? Das ist die psychologische Crux: Nur indirekt über Vertrauenswetten, die man in wechselnden Dreierteams untereinander abgibt. Im Laufe des Abenteuers muss man in einem Minispiel namens „Ambidex Game“ geheim wählen, ob man die anderen betrügt oder als Verbündete akzeptiert. Je nach Abstimmung gewinnt oder verliert man also Punkte auf seiner Uhr – so entstehen innerhalb der Gruppe recht früh Spannungen.

Eskalation nach der Wahl

Das Adventure ist in Story-, Rätsel- und Wettabschnitte unterteilt, in denen man die lebenswichtigen Punkte bekommt oder verliert.
Die Rätsel sind sehr abwechslungsreich: Von Schiebe-Puzzles bis hin zu Logikaufgaben.
Denn die Ergebnisse der Wahl werden sofort für alle veröffentlicht: Ach, du hast mich betrogen? Wie, du hast gelogen? Wut, Verzweiflung und Enttäuschungen prägen diese manchmal dramatischen, manchmal zähen Story-Abschnitte im Animestil. Dazu gibt es lediglich japanische Sprachausgabe (nur in der US-Version kommen die amerikanischen Sprecher zu Wort!) mit englischen Untertiteln. Die neun zunächst skurril bis albern wirkenden Figuren vom vollbusigen Babe bis zum zynischen David-Copperfield-Verschnitt entwickeln sich zu markanten Charakteren, hinter denen mehr steckt als die oberflächliche Hülle zunächst vermuten lässt.

Die Geschichte, die in naher Zukunft spielt und von Science-Fiction-Elementen geprägt ist, geht über einen einfachen Geiselkrimi hinaus: Was will der Entführer wirklich? Steckt mehr dahinter als ein sadistischer Irrer? Warum passen die Zeiten der Entführungen nicht zusammen und was hat es mit diesem Virus auf sich? All das macht neugierig und treibt dazu an, mehr zu erfahren. Dabei kann sich die Gruppe noch nicht einmal in der Opferrolle sicher sein: Kannten sich etwa der Junge Quark und der alte Tenmyouji? Ist vielleicht eine der Geiseln auch der Entführer? Dann muss es doch der Robotertyp sein, oder? Es kann doch nicht die schüchterne Alice sein oder gar der Junge! Oder doch? Zwar erreicht die Story nicht die außergewöhnliche Qualität eines Hotel Dusk, aber ein sehr gutes Niveau.

Flucht aus dem Rätselraum

Man erkundet die Anlage nicht frei, sondern entscheidet sich an Knotenpunkten für eine Tür.
Man erkundet die Anlage nicht frei, sondern entscheidet sich an Knotenpunkten für eine Tür.
Plötzliche Morde sorgen für noch mehr Verwirrung, denn manche der scheinbar Unbescholtenen haben kein Alibi. Diese dramatischen Zwischenfälle werten den Krimi trotz teilweise zäher Dialogphasen erzählerisch auf. Gerade im Einstieg wird etwas zu viel erklärt und wiederholt, so dass man im ersten Rätselabschnitt regelrecht aufatmet: Endlich den Stylus schnappen und knobeln! In der Rolle der männlichen Geisel Sigma erkundet man in wechselnden Teams jeweils andere Räume innerhalb des riesigen Komplexes. Den kann man leider nicht aktiv frei erforschen, sondern entscheidet sich an Knotenpunkten jeweils für andere Türen.

Dahinter verbergen sich ganz unterschiedliche Aufgaben in einem oder mehreren Räumen, die es in klassischer Point&Click-Manier zu lösen gilt: Das kann z.B. eine Bar sein, in der zig Getränke und Reste von Globen herum liegen. Das kann eine Rettungsstation mit seltsamen Erste-Hilfe-Accessoires samt Körperscanner oder ein Billardzimmer mit Dartscheibe und beweglichen Ritterstatuen sein, die aufeinander einschlagen. Was soll man da bloß machen?  Ziel dieser Rätselabschnitte ist es immer, mindestens einen der zwei

Im Inventar lassen sich die 3D-Objekte drehen und zoomen sowie kombinieren.
Im Inventar lassen sich die 3D-Objekte drehen und zoomen sowie kombinieren.
versteckten Codes für den Safe zu finden, wobei es einen einfachen und einen schwierigeren gibt. Ersterer reicht zum Verlassen des Raumes aus, Letzterer beschert weitere Hinweise auf die Story.

Parallele Lösungsfindung

Bis man den Code bekommt, muss man ganz unterschiedliche Logik-, Kombinations-, Rechen-, Schiebe- und Ausschlussaufgaben lösen. Auch Licht, Luftdruck und Physik spielen teilweise eine Rolle; die dritte Dimension wird allerdings nicht exklusiv für Rätsel auf dem 3DS eingebunden. Meist bekommt man zunächst vage Hinweise über eine Notiz oder einen Dialog und sammelt erstmal alle Gegenstände ein. Diese 3D-Objekte lassen sich im Inventar manchmal kombinieren, so dass ganz neue Dinge entstehen. Schade ist nur, dass man nicht öfter über das mögliche Drehen und Zoomen weitere Geheimnisse entdeckt; meist reicht ein Klick auf „Examine“, damit man etwas an einem Gegenstand entdeckt – z.B. einen versteckten Schraubendreher in einem Queue.

Die zunächst kitschig wirkenden Figuren überraschen im Laufe der Story als markante Charaktere.
Die zunächst kitschig wirkenden Figuren überraschen im Laufe der Story als markante Charaktere.
Sehr gut gelungen ist die Verknüpfung von visuellen Hinweisen mit der aktiven Rätselsituation auf dem 3DS: So kann man sich oben z.B. ein Bild der farbigen Billardkugeln samt Zahlen anzeigen lassen und unten das entsprechende Rätsel mit farblosen Kugeln lösen, die in der richtigen Reihenfolge in die sechs Löcher bugsiert werden müssen.

Auch die eigenen manuellen Notizen, die man jederzeit per Stylus zusammen tragen kann, lassen sich oben einblenden. Und es gibt viele Situationen, in denen es sich lohnt, etwas aufzuschreiben oder aufzumalen – seien es Texte, Symbole oder Ziffern. Immer wieder muss man logisch Lücken füllen oder Zusammenhänge zu Hinweisen herstellen. All das wird vorbildlich im Archiv gesichert, so dass man jederzeit nachschlagen kann.

Irrgarten der Entscheidungen

Wem kann man trauen? Spätestens als die ersten Morde passieren, herrscht Verunsicherung...
Wem kann man trauen? Spätestens als die ersten Morde passieren, herrscht Verunsicherung...wer steckt eigentlich hinter dem Roboteranzug?
Nach knapp vier bis fünf Stunden hat man erst eines von über 20 möglichen Enden gesehen, wobei es sowohl tragische als auch neutrale und im klassischen Sinne gute Auflösungen gibt. Wie auch immer: Zurück bleiben nach dem ersten Durchlauf viele erzählerische Fragen sowie ausgelassene Rätsel und Extremsituationen. Die Motivation ist also groß, sich nochmal dem verrückten Hasen zu stellen: Wo hätte man anders entscheiden können? Was wäre passiert, wenn man durch eine andere Tür gegangen oder jemanden betrogen hätte?

Man muss dafür nicht wie noch in 999 komplett neu anfangen: Einfach den alten Spielstand nutzen und eine andere Route wählen! Sehr schön ist, dass man den Weg der Möglichkeiten jederzeit nachvollziehen kann. Unter „Flow“ befindet sich ein Diagramm der Ereignisse vom Start bis zu allen Enden. Was man bisher erlebt hat, wird farbig markiert; alles andere als graues Fragezeichen dargestellt. Klickt man auf einen bereits erkundeten Knotenpunkt, wo sich der Plot aufspaltet, gelangt man umgehend dorthin. Sehr komfortabel sind zudem die Vorspulfunktionen, denn so muss man sich nicht nochmal alle Dialoge einer Szene anhören.

Einfach und hart, 3DS und PS Vita

Das Adventure ist in Story-, Rätsel- und Wettabschnitte unterteilt.
Das Adventure ist in Story-, Rätsel- und Wettabschnitte unterteilt.
Die Schwierigkeit der Rätsel kann knackig sein, wenn man nicht auf Anhieb alles findet oder die kausale Verbindung nicht erkennt – man muss des Öfteren um die Ecke denken. Es gibt auch weder eine Hotspotanzeige noch ein klassisches Hilfesystem. Dafür hat man jedoch die Möglichkeit, die anderen Charaktere weiter in die Lösung einzubinden.

Wer in einem Raum stecken bleibt und freiwillig von „Hard“ auf „Easy“ schaltet, bekommt von ihnen Hinweise zur aktuellen Situation. Der Nachteil ist, dass man dann beim Verlassen des Raumes und Öffnen des Safes vielleicht nicht alle Hintergründe erfährt, die es nur auf „Hard“ gibt. Dieser kleine Dämpfer bei Inanspruchnahme der Hilfe ist eine gute Entscheidung, denn so steigt die Motivation, es ohne sie zu schaffen.

Das Spiel profitiert auf PS Vita zwar ein wenig von der höheren Auflösung sowie dem größeren Touchscreen, aber dafür kann man mit dem Stylus präziser auf kleine Gegenstände klicken. Das Navigieren innerhalb der Räume ist wiederum auf beiden Systemen ab und an etwas fummelig; gerade das Schauen nach oben oder unten. Ansonsten halten sich beide Systeme hinsichtlich der Präsentation sowie Steuerung die Waage - es gibt keinerlei exklusive inhaltliche Vorteile.

Fazit

Virtue’s Last Reward ist ein sehr gutes Adventure! Zwar gibt es gerade zu Beginn einige zähe Textpassagen, leider keine deutsche Lokalisierung und ein etwas enges Erkundungskorsett. Aber wer Lust auf eine überraschende Krimistory mit Science-Fiction-Flair, dramatische Psychokonflikte, tolle Gruppendynamik inkl. Wettspannung und ebenso abwechslungsreiche wie knackige Rätsel hat, kommt um diesen Thriller nicht herum. Je länger man spielt, desto mehr Facetten ergeben sich hinsichtlich der Charaktere sowie der Motive der Geiselnahme. Und je nach Spielweise wartet ein anderes der vielen Enden - dreimal so viele wie im Vorgänger, die man jetzt komfortabler auch mit einem Spielstand erreichen kann. Dass man nach einem Durchlauf noch neugierig auf Antworten ist, unterstreicht die Stärke der angenehm mysteriösen und verschlungenen Geschichte. Ein Adventure-Highlight sowohl für 3DS als auch PS Vita!

Pro

über 20 mögliche Enden, hoher Wiederspielwert
psychologische Gruppen-Spannung
markante Charaktere
nicht-lineare Story mit bösen Überraschungen
abwechslungsreiche, teils knackige Rätsel
Items drehbar, zoombar, kombinierbar
komfortable Vorspul- & Rücksetzfunktionen
optionales Hilfesystem (easy, hard)
jederzeit speicherbar
Spielzeit bei fünf (ein Ende) bis über 50 Std.
teilweise Sprachausgabe (Japanisch)

Kontra

zu lange Erklärungen zu Beginn
einige zähe Textphasen ohne Dialogeinfluss
keine aktive/freie Erkundung der Anlage
manchmal fummelige Kamerabedienung
keine deutsche Lokalisierung, nur engl. Texte (engl. Sprachausgabe nur in US-Version)

Wertung

PS_Vita

Der Nachfolger des DS-Hits 999 macht auch auf Vita eine sehr gute Figur - ein klasse Adventure!

3DS

Interessante SciFi-Story, abwechslungsreiche Rätsel, markante Charaktere - ein klasse Adventure!

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