Im Test: Laharl & Co Rerereloaded
Meisterklasse Rerereloaded
Natürlich ist Disgaea nicht das erste Taktik-Rollenspiel auf Konsolen, das mich mit Fantasy und isometrischer Kulisse stundenlang an den Bildschirm fesselte. Dies blieb Titeln wie Ogre Battle auf dem N64 sowie Final Fantasy Tactics auf der PSOne vorbehalten. Beide haben mich als US-Import Unsummen gekostet, die ich allerdings bis heute nicht bereue. Doch so richtig bei mir durchgestartet ist das Genre erst mit Nippon Ichis Disgaea, das 2004 auf der PlayStation 2 erschien. Mit den Fortsetzungen sowie weiteren Spielen wie Phantom Brave, dem außerhalb Deutschlands vor Disgaea, aber hierzulande erst später veröffentlichten La Pucelle: Tactics oder Makai Kingdom stellte Nippon Ichi das Gros der Taktikrollenspiele auf der Konsole. Mit einem Hang zu einer notorisch altmodischen Pixelkulisse, abgefahrenen Geschichten sowie häufig komplex verzahnten Mechaniken machten die Spiele der Japaner einem den Einstieg nicht leicht. Doch wer sich einmal darin verbissen hatte, kam nicht mehr so schnell davon los.
Inhaltlich in die Jahre gekommen
Doch worum geht es in Disgaea? Laharl, der junge Kronprinz der dämonischen Unterwelt, hat einige Probleme: Nicht nur, dass er die letzten zwei Jahre verschlafen hat – in dieser Zeit ist sein Vater gestorben und ein Kampf um die Thronfolge entbrannt. Zusammen mit der stets gut aufgelegten Etna und ihren immer zu Scherzen aufgelegten Pinguin-Vasallen („Prinnies“) macht er sich auf, um die versammelte Unterwelt davon überzeugen, dass er der einzige Kandidat für den Titel des Overlords ist. Doch er weiß nicht, dass himmlische Mächte sein Treiben beobachten... Zugegeben: Das klingt nach Standard-Blabla. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass Disgaea weder sich noch irgendwelche anderen Themen ernst nimmt und absolut alles
Und letztlich ist die humorvolle Erzählung nur ein ergänzendes Stilmittel, um zumindest einen rudimentären Grund zu haben, sich auf die isometrischen Schlachtfelder zu begeben und den variantenreichen Dämonentypen einen Tritt in den Allerwertesten zu geben. Denn spielerisch sieht sich Disgaea in einer Linie mit Klassikern wie Final Fantasy Tactics oder Ogre Tactics: Man ist mit maximal zehn Gefährten unterwegs, um auf abwechslungsreichen sowie mit Überraschungen gespickten Schauplätzen alle Gegner zu plätten. Doch das alleine ist noch nicht spektakulär und wird angesichts der oben angeführten Kultvorbilder sowie zahlreicher seit der Disgaea-Premiere veröffentlichter rundenstrategischer Titel auch nur wenige beeindrucken. Zumal natürlich auch viele der erweiterten Mechaniken fehlen, die bei den Nachfolgern bis hin zu Disgaea 5 für eine stets größer werdende Fangemeinde sorgten.
Unnachahmliches Inhaltsmonster
Doch selbst wenn einige der Elemente fehlen, mit denen die Fortsetzungen punkten konnte, stecken in Disgaea noch mehr als genug miteinander verzahnte Inhalte und Mechaniken, dass es für drei Spiele reichen könnte. Auf dem Feld der Ehre z.B., auf dem man zuerst mit all seinen Figuren alle möglichen Aktionen plant und durchführt, bevor alle dann noch übrigen Gegner ziehen, ist nicht nur der Höhenunterschied zum Gegner wichtig, sondern vor allem, ob und welche Freunde neben oder hinter einem zum Zeitpunkt des Angriffs platziert sind. Hat man die richtigen Kameraden beisammen (wobei Gevatter Zufall auch eine gewisse Rolle spielt), findet eine verheerende Attacke mit vier Figuren statt, die Gegner schnell auf den Friedhof schickt. Die Sonderfähigkeiten wie z.B. Heilung, aber auch offensive Angriffszauber verbessern sich im Laufe der Zeit nicht nur durch Erlernen neuer Varianten, sondern durch Benutzung. Bei anderen Fähigkeiten wiederum muss man aufpassen, dass zur Ausführung vor oder neben dem anvisierten Ziel genug Platz ist oder dass eigene Figuren nicht durch Kollateralschaden in Mitleidenschaft gezogen werden.
Ich mach mir mein Spiel
Wem das nicht reicht, hat neben Standards-Shops mit der Gegenstandswelt sowie der so genannten „Dark Assembly“ weitere Elemente zur Hand, die sich nicht nur massiv aufs Spiel auswirken, sondern mitunter weitere dutzende Stunden auf die Spielzeituhr drehen. Denn wenn man sich in die „Item-World“ hinab lässt, hat man nicht nur ein probates Mittel, um die Stufen der Figuren zu steigern – die Eigenschaften jedes Gegenstandes können hier über 100 (!) Stufen aufgebessert werden. Die Meister, die in jedem Ausrüstungsteil leben, können zwischen den Items hin und hergeschoben werden, nachdem man sie besiegt hat. So kann man versuchen, die Waffen, Rüstungen usw. ganz gezielt aufzurüsten und an seine bevorzugte Spielweise anzupassen. Natürlich gilt das für jede Spielfigur. Und davon kann man im Laufe der Zeit mit 150 ebenfalls mehr als genug freischalten. Angefangen von Standard-Fantasyfiguren wie Kämpfer, Magier (in verschiedenen Geschmacksrichtungen), Dieb, Ritter oder Heiler gibt es zahlreiche Hybridklassen, die immer wieder zum Ausprobieren locken. Und Disgaea macht auch vor
Man will teurere und damit bessere Ausrüstung im Shop? Man will zusätzliche Items? Man will doppelte Erfahrungspunkte beim nächsten Einsatz einsammeln? Dann geht man in die „Dark Assembly“ und lasst das Unterwelt-Parlament darüber abstimmen. Je nach Beliebtheit der Figur, mit der man den Antrag stellt sowie deren Status in der Dämonenwelt stehen einem die Senatoren wohl gesonnen oder ablehnend gegenüber. Doch bevor man zur Abstimmung ruft, kann man die ewigen Neinsager noch durch Geschenke überzeugen, doch für einen zu votieren. Und wenn alle Stricke reißen, kann man sie auch mit Gewalt überzeugen. Die Möglichkeiten, sich das zu verschaffen, was man am ehesten braucht, sind enorm, lenken aber nicht vom Hauptspiel ab, sondern sind wie alle Elemente sorgsam miteinander verzahnt und sorgen damit für ein rundum gelungenes und durchdachtes Strategiespiel mit immensem Tiefgang. Doch der hat wie vor 14 Jahren seinen Preis, der nicht in der trotz Aufhübschung unter dem Strich biederen Kulisse zu finden ist. Trotz einfacher Steuerung, die auf Switch im mobilen Betrieb leider keine Berührungsoptionen beinhaltet, können die ganzen Funktionen, die Disgaea beinhaltet, Anfängern über den Kopf wachsen. Doch je mehr man sich in das Spiel hinein findet und je mehr man entdeckt, umso mehr steigt die Motivation.
Fazit
Obwohl es erst zwei Jahre her ist, seit ich mit der PC-Version von Disgaea mit Laharl sowie seinen Freunden und Feinden durch die Unterwelt gezogen bin, konnte mich auch die Complete Edition wieder begeistern. Die Motivationsspirale mit ihrem herrlich absurden Humor sowie den sorgsam verzahnten Mechaniken funktioniert so gut wie vor 14 Jahren und lässt mich weiterhin die mittlerweile hochaufgelöste Kulisse vergessen, die jetzt wenigstens den Stand von Disgaea 5 erreicht hat, aber damit immer noch herrlich unzeitgemäß ist. Inhaltlich ein wahres Monster, findet man hier eine rundherum gelungene Umsetzung eines Meilensteins der Taktik-Rollenspiele. Natürlich sind die Fortsetzungen in vielerlei Hinsicht weiter und auch wenn sie dadurch noch komplexer sind, vermisse ich hier mittlerweile das eine oder andere Element, das Disgaea 2 bis 5 auszeichnete, während ich nicht nachvollziehen kann, dass man auf Switch nicht wenigstens eine optionale Berührungs-Steuerung eingebaut hat. Dennoch: Disgaea bietet mit seinen facettenreichen sowie gut miteinander verbundenen Inhalten und dem speziellen Humor, der auch den zwangsläufigen Grind zu einem Vernügen macht, immer noch viel Substanz. Ein in allen Ehren ergrauter Rundentaktik-Greis, der den ganzen Jungspunden immer noch Respekt einflößen dürfte.
Pro
Kontra
Wertung
Switch
Auch wenn das Taktik-Rollenspiel spürbar in die Jahre gekommen ist, gehört es immer noch zu den besten seiner Art.
PlayStation4
Auch wenn das Taktik-Rollenspiel spürbar in die Jahre gekommen ist, gehört es immer noch zu den besten seiner Art.
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