Legends of War22.04.2013, Eike Cramer
Legends of War

Im Test:

Mit Legends of War (ab 29,95€ bei kaufen) kehrt Publisher Slitherine zusammen mit Entwickler Enigma unter dem Zeichen des History-Channels auf die virtuellen Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges zurück. Ob die Rundentaktik an die Qualität von Klassikern wie Silent Storm herankommt, klärt der Test.

Alter Wein in alten Schläuchen?

Rundenstrategie hat eine lange Tradition. Von den Hexfeldern eines Panzer General bis zu den Kommandos von Jagged Alliance wurde auf teils hohem Niveau gekämpft. Dennoch war das Genre in den letzten Jahren nur eine Nische. Nicht nur nachdem im vergangenen Jahr mit dem Neustart von X-COM ein moderner Vertreter überzeugen konnte, wird auch den alten Schlachtfeldern wieder häufiger ein Besuch abgestattet. Sehr alten in diesem Fall, denn Legends of War ist eine Umsetzung des gleichnamigen Spiels für PSP aus dem Jahre 2011.  

In der Kampagne führt man in der Rolle von General Patton die dritte US-Armee durch Frankreich im Jahr 1944. Dabei nimmt man in 21 Missionen an vier Operationen teil, die von der Sicherung der Normandie bis zur legendären Befreiung der 101.Luftlandedivision bei Bastogne führen. Je nach Aufgabentyp muss man entweder alle Feinde auf der Karte eliminieren, unentdeckt einen bestimmten Zielpunkt erreichen, Objekte sabotieren oder eine bestimmte Einheit bzw. Bereich verteidigen. Warum der General dabei höchstpersönlich die kleinen Kommandos  leitet,  in denen nur wenige Einheiten zum Einsatz kommen, bleibt bis zum Ende unklar. Der Lebenslauf des berühmten Patton wird gar nicht erst thematisiert. Auch die Einführung  in die Kampagne sowie alle Briefings sind dröge Textwüsten, die in knappen Worten die Situation beschreiben.

Aufstiegschancen und Verluste

Die Kampagneneinführung ist langweiliger als ein Lehrfilm im Geographie-Unterricht.
Die Kampagneneinführung ist langweiliger als ein Lehrfilm im Geographie-Unterricht.
In den Einsätzen kommandiert man auf kleinen Schlachtfeldern das zuvor zusammengestellte Team, welches aus bis zu acht Einheiten besteht.  Dabei kommen nicht nur die obligatorischen Infanteristen wie Scharfschützen, Fallschirmjäger oder Sanitäter zum Einsatz, sondern auch Panzer, Flugzeuge sowie einige wenige Sondereinheiten. Unter diesen sorgen vor allem die weiblichen Kämpfer der Résistance zusammen mit den Soldaten der spanischen Republik für optische Abwechslung.  Jede Einheit besitzt eigene Erfahrungswerte, Auszeichnungen sowie Ränge und kann in spätere Missionen mitgenommen werden.

Dies führt zu einem gewissen Grad zu einer Bindung und macht Verluste schmerzhaft. Ein starkes emotionales Verhältnis zu seinen Kämpfern wie in X-COM will sich jedoch nicht einstellen, da es keine persönlichen Porträts gibt und sich die Soldaten einer Klasse auf dem Schlachtfeld nicht unterscheiden. General Patton verfügt ebenfalls über eine Reihe von Fähigkeiten, die im Laufe des Spiels aufgewertet werden können. So lässt sich über seine Entwicklung etwa die Gesundheit der eigenen Männer erhöhen oder die Schussgenauigkeit verbessern, was sich im Kampf direkt bemerkbar macht.  

Statische Feuergefechte

Der Tiger (im) Tank. Auch bei Legends of War ist die Raubkatze absolut tödlich.
Der Tiger (im) Tank. Auch bei Legends of War ist die Raubkatze absolut tödlich.

Die Spielmechanik ist bestenfalls Mittelmaß:  Die Soldaten besitzen nur eine sehr rudimentäre Anzahl an Aktionen – heutige Standards wie das Betreten von Gebäuden, Klettern über niedrige Hindernisse oder aktives Ausnutzen von Deckung gehören nicht dazu. Auch das Bilden von Kampfgruppen oder Teams ist nicht möglich. Positive oder negative Effekte, die z.B. aus der taktischen Kooperation, oder, wie in Jagged Alliance 2 über Sympathie der Soldaten zueinander entstehen könnten, gibt es nicht.  Daraus folgt, dass sich die Kämpfe statisch anfühlen und keine Schlachtfeldatmosphäre aufkommen will, wenn man seine Einheiten über die Karte bewegt. Auch die Deckung ist fragwürdig, da Zäune zwar als blickdichte und schusssichere Deckung gelten, die Gegner-KI aber , bedingt durch eine fehlerhafte Kollisionsabfrage, schon mal durch ganze Häuser schießen kann.

Besser gelöst ist das System der aktiven Sichtbereiche: Betritt eine Einheit das entsprechend markierte Areal, wird diese automatisch unter Feuer genommen. Hier entsteht tatsächlich so etwas wie Spannung, da auch Deckung mit registriert wird und schon das Aufstehen direkten Beschuss zur Folge haben kann.  Nervig hingegen ist, dass sich dieses Verhalten nicht abschalten lässt. So zieht man in den spärlich gesäten Schleichmissionen oft ungewollte Aufmerksamkeit auf sich, weil eigene Soldaten das Feuer eröffnen. Ohnehin ist die Mechanik in diesen Einsätzen merkwürdig: Ein Balken zeigt die Anzahl der Schüsse, die bis zum Auslösen des Alarms abgegeben werden können. So kann ein hochrangiger Scharfschütze durchaus die Hälfte des Wachpersonals ausschalten, bevor Verstärkungen alarmiert werden. Dies wirkt sehr unrealistisch, vor allem da sich die Feinde untereinander nicht auf Gefahren aufmerksam machen.

Stein, Schere, Panzerfaust

Diese von uns zerstörte V2-Basis ist eine von wenigen Karten, die nicht aus einem kleinen Dorf bestehen.
Diese von uns zerstörte V2-Basis ist eine von wenigen Karten, die nicht aus einem kleinen Dorf besteht.
Der Schwierigkeitsgrad der Kampagne befindet sich auf einem moderaten Level, der auf dernormalen Einstellung geübte Strategen vor keine allzu großen Herausforderungen stellen sollte. Die Intelligenz des Computergegners hält sich in Grenzen und die größte Gefahr entsteht durch ein permanent desaströses Kräfteverhältnis. Nicht selten steht das Team aus acht Einheiten einem mindestens doppelt bis dreifach so großen Kontingent deutscher Truppen gegenüber, die zudem auf höheren Schwierigkeitsgraden unglaublich viele Treffer aushalten. Hinzu kommt, dass auch die eigene KI durchaus an Aussetzern leiden kann. So kann es passieren, dass Granaten, die eigentlich über Deckung geworfen werden sollen, von dieser abprallen und vor den Füßen der eigenen Leute explodieren.

Der Frust in Legends of War entsteht auch durch fehlende Informationen in den Briefings. Die Truppenzusammensetzung des Gegners bleibt bis zum Betreten des Schlachtfeldes ein Geheimnis. Umfangreiche und realistische Briefings, in der eine taktische Einschätzung der Situation präsentiert wird, fehlen. Statt die Kommandos also ordnungsgemäß vorbereitet und der Situation angemessen ausgerüstet zu entsenden, stolpert man ahnungslos in die Schlacht. Hier stellt man ein ums andere Mal fest, dass Kugeln gegen Panzer nichts ausrichten können oder ein einzelner Sherman gegen vier Jagdpanther wohl auch im echten Krieg relativ alt ausgesehen hätte. Aufgrund des fehlenden Speichersystems während der Einsätze ist man immer wieder zu Neustarts gezwungen, die manche Missionen in regelrechtes Trial & Error ausarten lassen. Dass mir zuvor mitgeteilt wurde, der Gegner würde „bewaffnete Truppen“ gegen mich aussenden, hilft dabei nur wenig.

Mit der Nase im Dreck

Nachteinsatz - dies ist übrigens die maximale Zoomstufe!
Nachteinsatz - dies ist übrigens die maximale Zoomstufe!
Während die eigenen Einheiten nicht in der Lage sind, sich kriechend fortzubewegen, hatman als Spieler permanent das Gefühl, sich mit der Nase höchstens wenige Zentimeter über dem Boden aufzuhalten. Die Kamera schwebt viel zu dicht über den Köpfen der Soldaten und verhindert so einen Überblick über das Kampfgebiet. Zudem erzeugen viele Aktionen im Spiel automatisierte Kameraschwenks, bei denen man oft den letzten Rest Orientierung verliert. Selbst die manuell einblendbare Karte ist keine Hilfe, weil sie ungenau ist.  Zudem werden eigene und gesichtete gegnerische Einheiten nicht hinter Deckung oder Bäumen hervorgehoben

Auch auf technischer Seite kann Legends of War nicht überzeugen: Die Kulisse wirkt aufgrund der verwaschenen Texturen und detailarmen Modelle nicht mehr zeitgemäß. Schwache Effekte bei Explosionen und Schusswechseln sowie eine vollständig fehlende Physik hinterlassen ebenfalls einen schlechten Eindruck. Zudem sehen sich die Karten oft sehr ähnlich, denn man kämpft immer in ländlichem Gebiet. Stadtkampf sucht man vergeblich – wie auch, ohne die Möglichkeit innerhalb von Gebäuden Deckung zu suchen.

Weltkrieg im Wohnzimmer

Kurzversion?

Während man auf Sonys Handheld 2011 mit Patton (historisch falsch!) in 3 weiteren Akten quer durch Deutschland bis nach Berlin vorstoßen konnte, fehlt dieser Abschnitt mit insgesamt 14 Missionen vollständig. Dennoch wird auf der Packung auf die „kriegsgezeichneten Straßen Berlins“ hingewiesen. Schlampig, Slitherine. In der Version für die Konsolen zeigt sich, dass die Bedienung eher auf Controller abgestimmt ist. So steuert sich das Spiel mit dem Gamepad wesentlich direkter und griffiger, ist aber immer noch weit vom Optimum entfernt. Zum Glück ist dies auch am PC möglich, sodass auf die mies umgesetzte Maussteuerung verzichtet werden kann. Technisch bleibt die ohnehin schwache Kulisse auf Playstation 3 und Xbox 360 etwas hinter dem PC zurück. So sind die Schatten etwas gröber und einige Oberflächen noch verwaschener. Inhaltlich unterscheiden sich die Versionen nicht: Selbst die Menüs wurden ohne Überarbeitung in die PC-Version übernommen.  Absoluter Tiefpunkt ist die Version für die PS Vita – neben der mit Abstand schwächsten Kulisse sind viele der Symbole zu klein und undeutlich. Außerdem ist die Schrift verschwommen und die Steuerung nicht an die vielen zusätzlichen Optionen des Handhelds angepasst worden.     

Relativ kurzweilig ist der Hot-Seat Multiplayer, der auf allen Plattformen zur Verfügung steht. Hier können zwei Spieler auf bereits in der Kampagne absolvierten Karten offline gegeneinander antreten. Weitere Karten oder Online-Spielmodi fehlen jedoch.

Fazit

Dass Slitherine sich dazu entschieden hat, das auf der PSP halbwegs passable Legends of War: Patton’s Campaign auch für PC und Konsole zu veröffentlichen, finde ich prinzipiell in Ordnung. Dass dabei ein dermaßen schlecht umgesetztes Spiel herauskommt, das sich spielerisch nicht von der Handheld-Version von 2011 unterscheidet, ist allerdings eine Frechheit.  Was vor zwei Jahren auf der PSP in Ordnung war, ist es heutzutage noch lange nicht. Die Steuerungsmängel (vor allem mit der Maus), die altbackene Kulisse und der langweilige Spielablauf auf viel zu ähnlichen sowie kleinen Karten erzeugen bei mir eher Frust als Lust. Zwar kann die Rundentaktik mit guten Ansätzen wie Pattons Fähigkeiten und dem Erfahrungssystem der Soldaten aufwarten, setzt diese in letzter Konsequenz aber schwach um.  Negativ fällt auch das Kürzen der Kampagne von sieben auf vier Operationen im Vergleich zur PSP auf. Vom vollmundig angekündigten „Kampf um Berlin“  fehlt nämlich jede Spur - in den Ardennen ist Schluss.

Pro

Erfahrungssystem der Soldaten bindet den Spieler an Truppen
Fähigkeiten von Patton haben direkten Einfluss
Einsatz von Infanterie und Fahrzeugen
Schleichmissionen
vier unterschiedliche Einsatzarten (Kampf, Verteidigung, Stealth, Sabotage)
Hot-Seat Multiplayer auf allen Plattformen
Steuerung per Controller auch am PC möglich

Kontra

schlimme Automatikkamera
technisch hoffnungslos veraltet
Aktionsrepertoire der Soldaten viel zu klein
fehlende Aufklärung vor den Einsätzen
kein Speichern während der Einsätze
keine frei belegbare Steuerung
keine physikalische Zerstörung
hakeliges Auswahl
und Steuerungssystem. (PC)
generell miserable Maussteuerung (PC)
Steuerung nicht an den Touchscreen angepasst (PS Vita)
viele Symbole sind zu klein und die Schrift ist verschwommen (PS Vita)

Wertung

360

Langweilig, statisch und unansehnlich. Diese Rundentaktik im Zweiten Weltkrieg kann nicht überzeugen.

PS_Vita

Die miserable Umsetzung, insbesondere bei der Kulisse, Schrift und Symbolgröße, beschert der PS Vita den letzten Rang.

PC

Langweilig, statisch und unansehnlich. Diese Rundentaktik im Zweiten Weltkrieg kann nicht überzeugen.

PlayStation3

Langweilig, statisch und unansehnlich. Diese Rundentaktik im Zweiten Weltkrieg kann nicht überzeugen.

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