Test: Tokyo Mirage Sessions #FE (Rollenspiel)

von Mathias Oertel



Tokyo Mirage Sessions #FE (Rollenspiel) von Nintendo
Shin Megami Fire Emblem Persona
Publisher: Nintendo
Release:
17.01.2020
24.06.2016
Erhältlich: Digital (Nintendo eShop), Einzelhandel
Spielinfo Bilder Videos
Als Nintendo 2013 per Video den Crossover-Titel Shin Megami Tensei X Fire Emblem ankündigte, war die Freude unter den Rollenspielern groß. Zwei starke Serien vereint unter einem Banner, entwickelt bei den Persona-Spezialisten von Atlus, bergen enormes Potenzial. Mittlerweile ist das Spiel veröffentlicht, wobei in Tokyo Mirage Sessions #FE nur noch das Kürzel hinter dem Kreuz aus der Notenschrift an Fire Emblem erinnert. Wie viel jeder Serie in dem musikalischen Abenteuer steckt und ob die ungewöhnlich wirkende Mischung überzeugen kann, klären wir im Test.

Persona macht auf Personenkult

Schon mit dem ersten Blick auf das knallbunte Design, das sich nicht nur durch die Menüs, sondern auch u.a. durch die Gesprächsbildschirme zieht, wird klar, dass Atlus bei Tokyo Mirage Sessions #FE die Nähe zur eigenen Persona-Serie sucht, die in Amerika noch dieses Jahr mit Teil 5 starten möchte. Und das setzt sich bei Ähnlichkeiten der Story bzw. Hauptfiguren fort. Beide setzen auf Jugendliche bzw. junge Erwachsene  als Protagonisten. Elemente, die sich um Verantwortung, Loyalität oder das Erwachsenwerden drehen, findet man ebenfalls hier wie da. Sowohl in Persona als auch in Tokyo Mirage kämpfen die Hauptfiguren gegen eine geheimnisvolle Macht, die sich in ihrer Welt breit macht. Doch wo die Persona-Serie auf düstere Mystery setzt, in der die High-School-Schüler mitunter auch noch in einer Art „Lebensimulation light“ ihren Tagesablauf bzw. ihr Schulleben planen, konzentriert man sich hier auf die Kernelemente des japanischen Rollenspiels: Dialog, Level- bzw. Dungeonerforschung, Kämpfe und Charakteraufstieg – in dieser Schleife als Dauerberieselung.

Die aufwändig inszenierten Rundenkämpfe gehören zu den Höhepunkten von Tokyo Mirage Sessions.
Die aufwändig inszenierten Rundenkämpfe gehören zu den Höhepunkten von Tokyo Mirage Sessions.
Zudem entfernt man sich vom High-School-Thema und verlagert die Erzählung in die Welt der leichten Unterhaltung, der darstellenden Künste und der japanischen Pop-Kultur mit ihrer Idolisierung. Die Protagonisten sind Gesangsstudenten, Schauspielschüler oder Performance-Künstler. Und die geheimnisvolle Macht, die in diesem Fall das reale Tokyo mit seinen Sehenswürdigkeiten und Distrikten wie Shibuya oder Harajuku heimsucht, wird ebenfalls passend in Personenkult und Künste eingebunden. Im Prolog wird man Zeuge eines geheimnisvollen Vorfalls, bei dem das Publikum eines gesamten Opernhauses – mit Ausnahme einer der Hauptfiguren – verschwindet und ist sogar Zuschauer einer japanischen Casting-Show, die dann allerdings aus dem Ruder läuft. Später kommen ständig weitere Referenzen zu J-Pop, Personenkult und Pop-Kultur hinzu – auch wenn die Story keine großen Überraschungen bietet und zu Vorhersehbarkeit neigt, wird sie unterhaltsam dargestellt. Teilweise auch über Social-Media-Dialoge, denen man auf dem Wii-U-Gamepad folgt, das ansonsten aber kaum sinnvoll genutzt wird und auch kein Spiel abseits des TV ermöglicht.

FE-Mirage statt Persona

Die Präsentation ist durchgehend stimmungsvoll und auf die Themen Popkultur sowie Idolisierung zugeschnitten, könnte aber hier und da aufwändiger sein.
Die Präsentation ist durchgehend stimmungsvoll und auf die Themen Popkultur sowie Idolisierung zugeschnitten, könnte aber hier und da aufwändiger sein.
Um dem Shin-Megami-Tensei-Ansatz weiterhin gerecht zu werden, gibt es hier mit den so genannten „Mirages“ eine Variation der Personas, die in der „Hauptserie“ beschworen werden können. Darunter fallen aber nicht nur die Gegner, sondern auch quasi „gute Geister“ aus einer anderen Dimension, die mit der jeweiligen Spielfigur im Kampf zu ihrer „Carnage Form“ verschmelzen.  Und hier kommt endlich Fire Emblem ins Spiel. Denn die Mirages der Spielerfiguren, die unter dem Deckmantel einer Künstleragentur (ja, alles ist ein wenig skurril) in etwa die Mirage-Version der Ghostbusters darstellen, stammen alle aus der Welt von Nintendos hoch gelobter Taktik-Rollenspielserie. Chrom z.B., der den Hauptcharakter Itsuki Aoi unterstützt, stammt ebenso aus Fire Emblem: Awakening wie Tharja oder Virion. Draug wiederum ist u.a. in Fire Emblem: Mystery of the Emblem spielbar, während andere Figuren aus der Akaneia Saga auf SNES stammen. Die Verbindung der Serien in dieser Form wirkt zwar leicht konstruiert, aber niemals erzwungen und wird zum einen plausibel erklärt und zum anderen harmonisch eingebunden.

Dennoch werden sich Fire-Emblem-Fans vermutlich wünschen, dass „ihre“ Inhalte besser und häufiger zur Geltung kommen würden. Denn im Kern ist Tokyo Mirage ein hinsichtlich der Komplexität und damit der Zugänglichkeit heruntergeregeltes Shin Megami Tensei, bei dem die Figuren mit Ausnahme von Tiki, die hier als Vocaloid auftaucht, nur einen gelungenen Cameo-Auftritt hinlegen. Der wertet das Rollenspiel zwar auch hinsichtlich des Artdesign auf, hätte aber auch problemlos mit x-beliebigen anderen Figuren erledigt werden können. Immerhin kommt auch beim rundenbasierten Kampfsystem die Vermengung beider Serien zum Tragen. Während man aus Fire Emblem das Schere-Stein-Papier-Prinzip hinsichtlich der Effektivität bestimmter Waffen kennt, wurden aus Shin Megami Tensei die Anfälligkeiten für bestimmte Elemente übernommen.

Kommentare

yopparai schrieb am
Schön zu wissen, den hab ich gestern Abend gerade noch betreten und dann gespeichert :)
Beam02 schrieb am
yopparai hat geschrieben:Ansonsten muss ich nach dem ersten echten Dungeon noch lobend erwähnen, dass man da nicht einfach durchrennen kann, sondern Rätsel lösen muss. Das hab ich in den letzten Jahren bei Rollenspielen irgendwie vermisst und gerade hier nicht erwartet. Bei Persona waren die Dungeons für mich immer das langweiligste.
Ohne zuviel verraten zu wollen (habe auch gerade erst Kapitel 2 beendet), der zweite Story-Dungeon hat auch eine Art Rätsel zu bieten. Scheint sich wohl durch das gesamte Spiel zu ziehen, was ich persönlich sehr begrüße. Gibt nix langweiligeres als einfach nur stundenlang irgendwelche Korridore abzulatschen, von daher schön, dass man die Prozedur in Tokyo Mirage mit kleinen Rätseln auflockert.
yopparai schrieb am
eigentlichegal hat geschrieben:Ich zitiere dich nur, damit dir angezeigt wird, dass ich was von dir will. :) Du hast doch Tokyo Mirage (TM) und kannst mir vielleicht weiterhelfen. Ich habe bisher noch kein einziges Persona gezockt, bin aber leidenschaftlicher JRPG-Fan (auch wenn sich das für den ein oder anderen widersprechen mag :P) und bin auch dem "Mainstream-Anime" (was immer man sich genau darunter vorstellt) sehr zugetan. Nun meine Frage an dich, die ich bisher aus den Reviews nicht herauslesen konnte: Ist die Story von TM aufgrund des Settings zum Fremdschämen? Ich kann mir unter diesem Banner der Kreativen eigentlich nur ziemlichen Unsinn vorstellen. Generell hätte ich nämlich schon Bock auf dieses Japansetting und finde den Animelook sehr ansprechend und über das Kampfsystem hört man ja allenthalben nur positives.
Schwierige Frage, denn ob was zum fremdschämen ist, ist glaub ich von der Person abhängig. Von der Story her bin ich auch noch gar nicht so weit, vll. 4 oder 5h drin. Die Songtexte sind jedenfalls total zum fremdschämen, aber die sind ja zum Glück nicht übersetzt ^^...
Es ist jedenfalls total kitschig. Viel kitschiger als ein Persona. Man braucht schon ein dickes Fell. Man kennt das aus entsprechenden Anime. Selbstverständlich wollen alle immer nur Idols werden, weil sie alle Menschen glücklich machen und ihre Herzen durch Musik erreichen wollen (während ich dies tippe läuft hinten der Schmalz aus der Tastatur...)
Mag sein, dass sich das im Lauf des Spiels noch gibt, wie gesagt, ich bin erst knapp 5h drin (Zero Time Dilemma ist etwas dazwischengegrätscht...). Auf die von Levi angesprochenen satirischen Momente versuch' ich mal zu achten, angesprungen ham sie mich aber bisher nicht.
Auf der anderen Seite empfinde ich das Kampfsystem durchaus auch als originell, man versucht quasi immer erstmal Schwächen bestimmter Gegner zu ermitteln und dann Ketten zu bauen, denn immer wenn man eine Schwäche ausnutzt, kann ein anderes Partymitglied, das eine...
LP 90 schrieb am
Wie Levi bereits erwähnt hat, parodiert die Story viele dieser Klischees regelrecht und die Figuren die diese am stärksten darstellen sind prinzipiell auch so angelegt, dass man diese erkennt (z.B. strunzdumm). Die meisten der Charaktere kommentieren dieses Verhalten dann aber auch kritisch bzw. humoristisch. Dieses Spiel beinhalte ja eigentlcih auch eine explizite Kritik der japanischen Popkultur, was leider durch die Zensur natürlich nicht ganz so erkenntlich ist, (Siehe Entfernung der Pinup-Bilder und Pinup-Vergangenheit eines bestimmten Charakters.)
Levi  schrieb am
bin nicht yopparai aber ich antworte trotzdem mal:
Die Story hat Fremdschäm-Charakter ... aber sie spielt auch regelrecht damit.
So gibts zum Beispiel eine Stelle, bei der du explizit von einen "jüngeren" Charakter mit "Onii-Chan" angesprochen wirst. ... (Als Anspielung auf gewisse Anime-Trope) Deinem Charakter ist das aber praktischerweise ähnlich peinlich wie dem Spieler selbst :ugly:
Sowieso hilft der Hauptchar mit seiner "Ablehnung" des ganzen Idol-Krams dafür, dass man gut mit zurecht kommt ... bzw später mit reinwächst?! (hab erst Prologue beendet ... blödes RL :( )
schrieb am