Blood Bowl 209.10.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Rasensport auf Granit

Als der Vorgänger der originalgetreuen Tabletop-Umsetzung erschien, bin ich nicht damit warm geworden. Ein verkorkster Echtzeitmodus wollte die vom Würfelglück bestimmte Rundentaktik für Videospieler interessant machen – gemeinsam mit der unhandlichen Steuerung gelang Blood Bowl allerdings das Gegenteil. Also war ich skeptisch, als der Nachfolger aufs Feld trat. Auf einen Test habe ich es trotzdem ankommen lassen.

Real und digital

Was macht Blood Bowl 2 (ab 2,55€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) denn so besonders? Zunächst einmal gar nichts. Immerhin ist nahezu jedes taktische Verschieben auf dem Bildschirm nichts weiter als eine Weiterführung des Tabletop-Gedankens, also jener Spiele, die mit realen Figuren meist auf einer Tischplatte (Engl.: tabletop) gespielt werden. Schiebt man in dem 1986 zum ersten Mal veröffentlichten Blood Bowl also die Profis einer Art American Football in einer Abwandlung des Warhammer-Universums über den Rasen, gleicht das einem Videospiel wie Frozen Cortex, in dem der Ball ebenfalls die Endzone erreichen muss, um mit einem Touchdown einen Punkt zu erhalten.

Anders als in Videospielen entscheiden im Original allerdings nicht nur die Werte der Athleten über Erfolg oder Misserfolg einer Aktion: Auch das Würfelglück hat einen großen Anteil. Will ein Spieler an einem Gegner vorbei sprinten, muss er deshalb würfeln. Will er den Ball aufnehmen, ebenfalls. Um das Leder zu werfen, fallen erneut die Würfel, vor dem KO-Schlagen eines Kontrahenten sowieso.

Möge der Underdog gewinnen!

Und das kann frustrierend sein. Die Würfel folgen ja keiner Logik. Ein noch so winziger Hänfling kann – natürlich mit viel Glück – einen bulligen Ork aus den Socken hauen. Das kommt nicht häufig vor, aber es passiert. Digitale

Die stilvolle Darstellung des Warhammer-Ablegers zählt zu den Stärken der Umsetzung.
Taktikfüchse müssen deshalb umdenken. Sie ziehen nicht den Fähigkeiten ihrer Spieler gemäß, sondern setzen zuerst jene, die sie ohne Würfelwurf bewegen können. So bringen sie ihre Mannschaft selbst dann in eine vorteilhafte Position, falls ihr Star-Läufer die anschließende Ballaufnahme verpatzt.

So sperrig und frustrierend das in einem Videospiel mitunter wirkt: Dem französischen Studio Cyanide, das mit Styx: Master of Shadows zuletzt ansprechende Stealth-Action in seinem eigenen Fantasy-Universum Of Orcs and Men inszenierte, gelingt damit eine liebevolle und originalgetreue Digitalisierung des Warhammer-Ablegers Blood Bowl. Das fängt bei der stilvollen Gestaltung aller Stadien und Figuren an, geht über das begeisterte Publikum und hört erst bei dem Duo auf, das jedes Match mit sympathisch albernen Sprüchen kommentiert.

Klare Sicht

Vor allem aber vermittelt Cyanide die Regeln der Vorlage diesmal um ein Vielfaches besser als im Vorgänger. Musste man damals noch mutmaßen, warum eine Aktion misslang oder wie gut die Chancen auf einen erfolgreichen Sprint liegen, zeigen Prozentangaben die Wahrscheinlichkeiten diesmal an. Bei wichtigen Aktionen sieht man zudem die Würfel rollen. Das allein erhöht die Erfolgschancen selbstverständlich nicht. Es macht das Spiel aber transparenter, nimmt Einsteigern den Frust, weil sie verstehen, wie Fehler zustande kamen, und erleichtert es selbst erfahrenen Videospielern, am Ball zu bleiben.

Für ein schnelleres Hineindenken sorgt auch die Kampagne für Solisten, in der sie das Training eines menschlichen Teams übernehmen. Die Reikland Reavers sind nur ein Schatten ihrer Selbst – man möge sie zu neuem Ruhm führen. Mit zunächst vereinfachten Regeln lernen Anfänger in den ersten Partien dabei die Grundlagen, bevor nach und nach das komplette Regelwerk greift und man irgendwann Personal einstellt, darunter Apotheker, die verletzte Spieler fit machen oder halb tot geschlagene vor dem Ableben bewahren.

Dem eigenen Stadion fügt man außerdem Erweiterungen hinzu, die bestimmte Werte beeinflussen. Wer das Pass- und Laufspiel bevorzugt, ist vielleicht an einem Rasen interessiert, der die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen verringert. Wer seinen Konkurrenten hingegen gerne alle Knochen bricht, könnte einen Boden aus Astrogranit ins Auge fassen. In der Karriere spielt beides noch keine große Rolle, zumal die Menschen Alleskönner ohne nennenswerte Stärken oder Schwächen sind. Wer später eine separate Liga mit den verletzlichen Elfen spielt, sollte die stinkigen Orks allerdings großräumig umgehen.

Würfel und Wahrscheinlichkeiten zeigen an, warum Aktionen gelingen oder fehlschlagen.

Grazie vs. Grobian

Acht Völker nehmen an dem brutalen Wettkampf teil: Menschen, Orks, Zwerge, Skaven, Hoch- sowie Dunkelelfen, Bretonen und die Profis des Chaos'. Beim Kauf entscheidet man sich zudem, ob man Waldelfen oder Echsenmenschen in den Kader aufnimmt. Die restlichen Parteien werden wohl im Rahmen kostenpflichtiger Inhalte veröffentlicht.

Auf die bin ich u.a. deshalb gespannt, weil die Eigenheiten aller Teams und vor allem die Besonderheiten bestimmter Spieler schon jetzt ein interessantes Taktieren erlauben. Wo sich die Zwerge etwa so wuchtig und langsam wie eine Dampfwalze übers Feld schieben und an jeder zweiten Ballannahme scheitern, stehen die geschickten Waldelfen nach einer Balleroberung praktisch schon hinter der gegnerischen Touchdown-Linie. Einzelne Spieler können zudem besser ausweichen, noch mehr Schaden

Sollen Zwerge über die Abwehr rollen, Elfen durch Lücken schlüpfen oder ganz anders?
anrichten oder haben einfach Pech: Mancher Würfelwurf lässt den mächtigen Center schon mal etliche Runden lang am Fleck stehen.

Pech, mehr Pech oder großes Pech

Aber egal, welches Team: Von fairem Wettstreit halten sie alle wenig. Mit der eleganten Zukunftsvision in Frozen Cortex hat die martialische Fantasy wenig zu tun – blutige KO-Schläge stehen in Blood Bowl auf der Tagesordnung. Ohne skrupellose Kinnhaken kommt die schwächste Verteidigung nicht aus. Hat ein Gegner Glück, wird er nach einem Schlag nur ein Feld vom Angreifer weg geschoben. Hat er Pech, setzt er eine Runde lang aus. Hat er noch mehr Pech, erlebt er den Rest der Partie im Dämmerzustand. Außerhalb des Spielfelds. Und erwischt er einen richtig rabenschwarzen Tag, stirbt er sogar.

Das Tüpfelchen auf dem i ist das absichtliche Nachtreten auf einen am Boden liegenden Kontrahenten. Klar: Wenn's der Schiri sieht, fliegt der Übeltäter vom Platz – es sei denn, sein Trainer besticht den Unparteiischen. Aus diesem und anderen Gründen sollte man immer so genannte "Anreize" kaufen. Dazu zählen ebenjene Bestechungen, die erwähnten Apotheker oder ein Koch, der einen zusätzlichen Wurf ermöglicht, wenn die Würfel ein ungünstiges Ergebnis zeigen.

In der Liga stark

In einzelnen Spielen und mit einer gut besetzten Ersatzbank ist so ein Toter ja kaum ein Problem. Wer seine Mannschaft im Ligamodus trainiert, den wird ein solcher Ausfall allerdings hart treffen. Immerhin muss er Ersatz teuer einkaufen, während auch Anreize, der Ausbau des Stadions sowie das Einstellen von Stars (Spielern mit einer Vielzahl wertvoller Fähigkeiten) Geld kosten. Auch alternde Spieler muss man irgendwann ersetzen.

Das ist spätestens dann interessant, wenn bis zu 128 menschliche Spieler um die Meisterschaft kämpfen. Mir fehlt in Blood Bowl 2 zwar das aus Frozen Cortex bekannte schnelle Hin und Her zwischen einzelnen Onlinepartien. Dafür wächst mir hier ein Team ans Herz, das ich tage- und wochenlang... na ja, zumindest konkurrenzfähig mache. Mit der Onlineanbindung des Ligasystems glänzt diese Tabletop-Umsetzung!

Ringelpiez mit Rückstand

Sie zeigt allerdings große Schwächen, wenn Solisten abseits des Internets aktiv sind. Dann bekommen sie es nämlich mit Gegnern zu tun, die selbst auf dem höchsten von drei Schwierigkeitsgraden abstruse Fehler machen. Die KI beherrscht zwar grundlegende Taktiken, ich vermisse allerdings den dringenden Zug in Richtung Endzone. Selbst wenn mein Gegenüber dringend punkten müsste und ihm dafür nur ein einziger Zug bleibt, schiebt er schon mal einen

Nicht so harmlos, wie es scheint: Der Schiedsrichter kann das Zünglein an der Waage sein.
unbeteiligten Mittelfeldspieler ein Feld weiter, anstatt mit aller Kraft den Ballführenden zu attackieren. Ich habe erlebt, wie die KI einen ihrer Profis um seinen Mitspieler im Kreis laufen lässt. Schade, aber mit dieser KI ist das Solospiel – sowohl in der Kampagne als auch im Ligasystem – auf lange Sicht nicht zu gebrauchen.

Es ist ja nicht die einzige Schwäche, die der Tabletop-Umsetzung zu schaffen macht, denn die Matches dauern trotz eines engen Zeitlimits für jeden Zug mitunter ausufernd lange. Ich möchte einfach keine geschlagene Stunde für jede Partie einplanen, während der ich den Fortschritt anders als in Frozen Cortex nicht einmal speichern darf. Warum bietet Cyanide kein schnelles Ausführen der Züge an, damit sich erfahrene Spieler auf die Taktik konzentrieren können, anstatt die Animationen ihrer Figuren zu bewundern?

Der starre Blick

Apropos: Während die Kamera mit ihren festen Höhenstufen selten, aber immer wieder mal wichtige Informationen verdeckt, fehlt mir das freie Bewegen der Linse auch deshalb, weil ich gerne die hübsche Kulisse genießen oder meine Spieler in Nahaufnahme ansehen möchte.

Eine ganz andere Schwäche betrifft das Blood-Bowl-Original selbst: Etliche Spiele drehen sich um einen taktisch interessanten, auf Dauer aber ungemein zähem Grabenkampf im Bereich der Mittellinie. Wenn ich zum tausendsten Mal dieselbe Klickfolge zum Schlagen eines Gegners abspule, dann fehlt mir die Abwechslung, die das Video- dem Gesellschaftsspiel eigentlich voraus hat.

Fazit

Dem vergleichsweise langsamen Würfeln fehlt die Dynamik eines modernen Videospiels und das mangelhafte Mitdenken der vom Spiel gesteuerten Kontrahenten verhindert packende Duelle: Die schwache KI macht Blood Bowl 2 am stärksten zu schaffen. Dass es trotzdem großen Spaß macht, liegt an der stilvollen und durchdachten Übertragung des Tabletop-Originals. Die Fähigkeiten der Teams erlauben unterschiedliche Taktiken, Trainer bestechen den Schiedsrichter, sogar das Wetter beeinflusst den Spielverlauf. Eine ausführliche Kampagne führt Einsteiger behutsam in die Welt des Würfelsports ein und sowohl Steuerung als auch Darstellung aller Züge bieten jetzt genug Übersicht, um sinnvolle Entscheidungen zu treffen - anders als beim Vorgänger freue ich mich auf jeden Anpfiff! Wer nicht online spielen möchte, sollte sich den Einstieg gut überlegen, denn die schwache KI erstickt die Spannung oft im Keim. Wer seine Mannschaft in eine der Onlineligen führt und für jede Partie genug Zeit mitbringt, kann allerdings wochenlang in Blood Bowl 2 versinken.

Pro

originalgetreue Umsetzung des Tabletop-Originals mit schickem Artdesign
forderndes taktisches Stellungsspiel
verschiedene Fähigkeiten, Aktionen und Wetter beeinflussen das Spiel
unterschiedliche Teams ermöglichen verschiedene Spielweisen
lange Kampagne mit guter Einführung in das Regelwerk
transparente Würfel-Würfe
ordentliche, mitunter amüsante Kommentatoren
verschiedene Ligen mit umfangreicher Spielerentwicklung und Stadionausbau
bis zu 128 Spieler in einer Onlineliga
Wiederholungen und Live-Übertragungen der Partien anderer Spieler
Freundschaftsspiele für zwei Spieler vor einem Monitor

Kontra

vom Spiel gesteuerte Gegner machen etliche schwere Fehler
viele Partien gleichen sich zu sehr
ermüdend langsamer Spielablauf
kein Speichern während laufender Matches
unübersichtliches Speichern eigener Formationen
unlogisches Würfelglück wirkt in einem Videospiel frustrierend
zahlreiche Teams kommen wohl erst mit zukünftigen Erweiterungen hinzu
wenig äußerliche Variation bei den vom Zufall erstellten Figuren

Wertung

PC

Originalgetreue Umsetzung des Tabletop-Spiels mit umfangreicher Onlineanbindung, aber sehr schwacher KI.

XboxOne

Originalgetreue Umsetzung des Tabletop-Spiels mit umfangreicher Onlineanbindung, aber sehr schwacher KI.

PlayStation4

Originalgetreue Umsetzung des Tabletop-Spiels mit umfangreicher Onlineanbindung, aber sehr schwacher KI.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.