DriveClub07.11.2016, Michael Krosta

Im Test: Mit Vollgas durch die virtuelle Realität

Was für ein Comeback für DriveClub (ab 12,99€ bei kaufen): Es dürfte kaum ein anderes Spiel geben, das sich nach einem derart verkorksten Start noch so grandios gefangen hat wie der Arcade-Racer der mittlerweile geschlossenen Evolution Studios. Kann der VR-Ableger von der konstanten Weiterentwicklung profitieren oder wird das immersive Rennerlebnis mit PlayStation VR durch technische Einschränkungen ausgebremst?

Das bewährte Feeling

Die gute Nachricht zuerst: Im Kern der VR-Version steckt immer noch DriveClub! Man genießt also auch mit Sonys VR-Brille auf dem Kopf ein großartiges Arcade-Fahrgefühl, wenn man hinter dem Steuer der lizenzierten Boliden aus dem ansprechenden Fuhrpark sitzt. Und wieder wartet innerhalb der etwas mäßig präsentierten Tour oder beliebigen Einzelveranstaltungen die gewohnte Mischung aus Rennen und Zeitfahren auf Rundkursen oder A-B-Strecken, Drift-Wettbewerben sowie kleinen Meisterschaften. Punkte erhält man nicht für die Position beim Überfahren der Ziellinie, sondern auch Fahrmanöver wie das Heransaugen im Windschatten, fehlerfreie Sektoren oder das Schlittern durch Kurven. Dazu gesellen sich wieder die eingestreuten Mini-Herausforderungen, bei denen man z.B. möglichst präzise auf der markierten Ideallinie bleiben oder die Durchschnittsgeschwindigkeit möglichst hoch halten sollte.

Das Fahrgefühl im Cockpit ist mit PlayStation VR unglaublich immersiv.
Darüber hinaus finden sich hier Elemente, die es bei der ursprünglichen Version erst nachträglich per Update ins Spiel geschafft haben: Dazu gehören z.B. das Anlegen privater Lobbys abseits des automatischen Matchmakings im Mehrspielermodus oder Wiederholungen, die man hier sogar als Beifahrer erleben darf. Zudem darf man sich optional mit Fahrhilfen unter die Arme greifen lassen oder auf der anderen Seite ein Hardcore-Handling aktivieren, wenn man etwas mehr hinter dem Steuer und an den Pedalen arbeiten will, um die Pferdchen unter der Haube zu zähmen. Wer es  abseits nervenaufreibender Positionsduelle gegen die Gummiband-KI, dem rasanten Kampf gegen die Uhr oder der Punktejagd beim Driften lieber etwas entspannter angehen will, bekommt ebenfalls die Gelegenheit dazu: Im Cruise-Modus darf man sich stressfrei und ohne Druck hinter das Lenkrad klemmen, sogar jederzeit aussteigen, um die Landschaft zu genießen oder einen Schnappschuss zu machen.

Gewaltige Kompromisse

Kleiner Blick in den 3D-Außenspiegel? Eine ganz natürliche Kopfbewegung reicht.
Allerdings ist das, was man dort zu sehen bekommt, alles andere als schick oder würdig, per Share-Taste festgehalten zu werden. Denn für die VR-Edition mussten die Entwickler offensichtlich gewaltige Kompromisse auf der technischen Seite eingehen. Von der einstigen Pracht des PS4-Rennspiels ist hier jedenfalls nicht mehr viel übrig: Der Detailgrad der Kulisse wurde genauso nach unten geschraubt wie die Auflösung, dazu brennen sich hässliche Flimmerkanten in die Augen und störende Pop-ups werden zur traurigen Normalität. Auf das großartige Wettersystem, das beim ursprünglichen Spiel später nachgereicht wurde, wird sogar komplett verzichtet, weil der PS4-Hardware vermutlich die Ressourcen fehlen, die aber immerhin noch für Rennen bei Nacht ausreichen. Nur ab und an wird man mit kleinen Überbleibseln wie den sehenswerten Lichteffekten bei Sonnenuntergängen, aufgewirbelten Objekten oder wehenden Fahnen im Wind daran erinnert, wie gut der Titel auf der PS4 ausgesehen hat. Das ist dann wohl der Preis, den man für das VR-Erlebnis und die dafür nötige hohe Bildrate zahlen muss. Zur Erinnerung: DriveClub lief damals zwar nur mit 30 Bildern pro Sekunde, bot im Gegenzug aber deutlich detailliertere Landschaften, das besagte Wettersystem und eine ordentliche Kantenglättung. Nicht zu vergessen, dass man für VR auch beim Starterfeld auf die Bremse drücken und die Anzahl von ursprünglich zwölf auf acht Fahrzeuge stutzen musste.

Die landschaftlichen Details mussten massiv zurückgeschraubt werden, um den höheren Performance-Ansprüchen in VR gerecht werden zu können.
Bei den überwiegend sportlichen Flitzern fällt die grafische Magerkur allerdings etwas geringer aus, denn vor allem die Cockpits bestechen immer noch mit ihren aufwändig nachmodellierten Schaltern, Armaturen sowie weiteren Komponenten. Das wird besonders im Schauraum offenkundig, wo man die Boliden in Ruhe erkunden darf. Hier erkennt man die Liebe zum Detail, wenn man sich im Cockpit umsieht und auch mal ganz nah an die Instrumente heran geht, selbst wenn Aufmachung und Interaktion nicht an das fantastische ForzaVista aus der Forza-Reihe heran reicht. Doch auch während der Fahrt erfreut man sich an Kleinigkeiten wie der leichten Staubschicht auf der Windschutzscheibe, die von einfallenden Sonnenstrahlen offenbart wird. Oder den Innen- und Außenspiegeln in echtem 3D, in denen man die Verfolger im Auge behält. Schön auch, wie man die Bildschirmanzeigen auf einem separaten Monitor im Cockpit untergebracht hat, wo man Infos wie Ziele, Rundenzeiten oder die Streckenkarte am Digipad durchschalten darf. Nur das visuelle Schadensmodell bleibt weiter enttäuschend. Immerhin lässt sich die gewünschte Sitzposition vor jedem Rennen hinsichtlich Höhe und Abstand zum Lenkrad anpassen. Mit einem Druck auf die Options-Taste darf außerdem das Bild wieder zentriert werden. Das ist auch bitter nötig, denn im Rahmen unserer Test-Ausflüge wurden wir mehrmals Zeuge, wie sich der Bildausschnitten während der Fahrt verschoben hat und dabei z.B. das Lenkrad immer mehr auf Augenhöhe wanderte. Übrigens muss man nicht zwingend in der Cockpitperspektive fahren, sondern darf auch andere Ansichten nutzen. Die packende VR-Erfahrung entfaltet sich dort aber einfach am besten.

Mitten drin statt nur dabei

Rast man zum ersten Mal selbst über die Pisten, lässt das tolle Fahrgefühl in Kombination mit der fantastischen Immersion die enormen grafischen Rückschritte zunächst vergessen. Wie schon Project Cars profitiert auch DriveClub enorm von VR, denn neben dem gesteigerten Mittendrin-Gefühl lassen sich auch Brems- und Scheitelpunkte besser abschätzen. Sogar die alternative Steuerung mit den Bewegungssensoren des DualShock-Controllers harmoniert überraschend gut mit VR, doch erst mit einem Lenkrad wird die Illusion nahezu perfekt. Allerdings klagten viele Spieler und Tester über starke Übelkeit sowie Schwindelgefühle, sicher auch bedingt durch die mitunter starken Höhenunterschiede bei den Strecken. Während der Fahrt habe ich mich eigentlich immer wohl gefühlt – sowohl beim Fahren mit dem Controller als auch mit Lenkrad. Nur bei den Drift-Wettbewerben oder nach harten Einschlägen inklusive unkontrollierten Drehungen wurde mir ein wenig schummerig. Insgesamt  überwog zunächst die Begeisterung über den gesteigerten Fahrspaß in VR, der mit zunehmendem Blick auf die Technik sowie weitere schmerzhafte Einschnitten aber spürbar abnahm.

Alles zurück auf Anfang

Der KI merkt man immer noch den Gummiband-Effekt und ein leicht rüpelhaftes Verhalten an.
So stellt sich z.B. die Frage, warum man sein bisheriges DriveClub-Profil nicht importieren darf. Stattdessen muss man wieder bei null anfangen und sogar einen separaten Club für den VR-Ableger gründen. Wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, die VR-Erfahrung einfach in einer separaten Tour direkt ins Hauptspiel zu integrieren? Zumal man ohnehin exzessives Recycling betreibt, denn neben dem Fuhrpark wurde auch ein Großteil der Streckenauswahl in grafisch abgespeckter Form 1:1 übernommen. Abseits der neuen Erfahrung hat die VR-Edition inhaltlich also fast nichts Neues zu bieten. Hier selbst Besitzer eines Season Pass erneut zur Kasse zu bitten – wenn auch mit einem Rabatt – ist schon etwas dreist.

Hinzu kommt eine traurige „Nebenwirkung“, denn während das ursprüngliche DriveClub auch mit dem Ansturm der Spieler zu kämpfen hatte, ist hier das Gegenteil der Fall: Kaum jemand scheint die VR-Version zu spielen! Als Folge dessen kommen Rennen im Mehrspielermodus gar nicht erst zustande, weil das Matchmaking nicht genügend Spieler findet. Und auch öffentliche Community-Herausforderungen für asynchrone Wettbewerbe sind Mangelware – selbst am Wochenende finden sich kaum Veranstaltungen, an denen man teilnehmen könnte. Die Bestenlisten abseits der Tour-Events zeigen ebenfalls ein erschreckend deutliches Bild: Oft sind nicht einmal zehn Fahrer vertreten! Das ist eigentlich das Todesurteil für ein Spiel, das die soziale Komponente und Interaktion in den Mittelpunkt rücken will. So bleibt es meist bei privaten Herausforderungen unter Freunden und damit in einem kleinen Kreis. Das kann auch spaßig sein, keine Frage. Aber es ist einfach schade, dass man hier mangels Spielern nicht die große Auswahl hat, die das normale DriveClub auch heute noch bietet.

Fazit

So sehr ich DriveClub VR für seine gelungene Fahrphysik, das generelle Konzept und die gesteigerte Immersion hinter dem Steuer der aufwändig modellierten Cockpits auch liebe: Die vielen schmerzhaften Kompromisse, die Sony auf der technischen Seite für die VR-Realisierung eingehen musste, sind auf Dauer ein echter Spielverderber. Das geschrumpfte Starterfeld lässt sich noch verschmerzen, aber die detailarmen und niedrig aufgelösten Flimmer-Landschaften drücken genauso auf die Stimmung wie fehlende Mitspieler, gegen die man sich in direkten Duellen oder asynchronen Wettbewerben messen dürfte. Ärgerlich zudem, dass man im VR-Ableger wieder ganz von vorne anfangen und sogar einen separaten Club gründen muss, anstatt sein bestehendes Profil zu importieren. Für das intensive Fahrerlebnis drückt man zunächst noch beide Augen zu und ich habe zwischendurch immer wieder Lust, mich kurz mit PlayStation VR hinters Steuer zu klemmen. Denn DriveClub VR zeigt trotz der Einbußen bereits eindrucksvoll, wie die Wirkung von Rennspielen durch die neue Technologie bereichert werden kann – sofern man nicht zu den Leuten gehört, denen speziell diese Erfahrung auf den Magen schlägt. Aber auf Dauer lässt sich dieser grobe Pixelmatsch leider nur schwer ertragen. Vor allem, wenn man das normale DriveClub als Vergleich heran zieht, das sich nach dem vermasselten Start sowohl inhaltlich als auch technisch prächtig weiterentwickelt hat.     

Pro

spannende (asynchrone) Duelle zwischen Clubs & Fahrern
gelungene, durchaus anspruchsvolle Arcade-Fahrphysik
gute Club-Einbindung
ansprechender Fuhrpark...
alle Spieler starten unter gleichen Bedingungen
mitunter kernige Motorenklänge...
sehenswerte Kulissen & Schauplätze
gutes Punktesystem für Fahrmanöver
stimmungsvoller Tag-/Nachtwechsel
dynamische Mini-Herausforderungen während Rennen
sehr immersive Cockpitansicht in VR 3D-Spiegel inklusive
anpassbare Sitzposition
sehr gut integrierte (optionale) Bildschirmanzeigen im Cockpit
motivierende Karriere mit verschiedenen Levelzielen
Schauraum erlaubt in VR detaillierte Betrachtung der Boliden
viel Freischaltbares (Autos, Lackierungsmuster)
Flaggen zeigen Kurvenschärfe an
Wiederholungen darf man als Beifahrer erleben

Kontra

Gummiband-KI mit Rowdie-Attitüde
mäßiger Design-Editor (nur vorgefertigte Muster)
übersichtliche Streckenauswahl
...der etwas klein geraten ist und einige Hersteller vermissen lässt
nur kosmetisches Schadensmodell
...aber sehr gedämpfter Klang im Cockpit
sehr niedrige Auflösung und abgespeckte Umgebungsdetails
kein Wettersystem mehr
z.T. fragwürdige Strafen
schwache Präsentation innerhalb der Karriere
reduziertes Starterfeld
Spielstände und Club-Rang aus DriveClub werden nicht übernommen
Club-Events unterscheiden sich kaum von Solo-Herausforderungen
derzeit nur sehr wenige Spieler
vereinzeltes Bildwandern

Wertung

VirtualReality

DriveClub überzeugt auch in VR mit einem herrlichen Fahrgefühl und steigert die Immersion im Cockpit immens, muss auf technischer und inhaltlicher Seite aber zu viele schmerzhafte Kompromisse eingehen.

PlayStationVR

DriveClub überzeugt auch in VR mit einem herrlichen Fahrgefühl und steigert die Immersion im Cockpit immens, muss auf technischer und inhaltlicher Seite aber zu viele schmerzhafte Kompromisse eingehen.

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