PayDay 215.08.2013, Eike Cramer
PayDay 2

Im Test:

Mit drei Freunden kooperativ eine Bank ausrauben, Juweliergeschäfte leerräumen und vor der Nase der Drogenkartelle das Koks verschwinden lassen? Mit Payday 2 (ab 14,90€ bei kaufen) ist das alles möglich. Ob das virtuelle Räuber-und-Gendarm-Spiel aus dem Hause Overkill auch spielerisch überzeugen kann, klärt der Test.

Hände hoch, das ist ein Überfall!

„Time to get rich“ – mit diesem Worten setze ich mir nach genauer Inspektion des Juweliergeschäftes meine Totenkopf-Maske auf und entsichere meine 9mm mit Schalldämpfer. Jetzt nur keinen Fehler machen. Zwei gezielte Schüsse strecken den Wachmann nieder, der in der Gasse hinter dem Laden patrouilliert. Nachdem ich dessen Einsatzzentrale via Pager davon überzeugt habe, dass alles in bester Ordnung ist, dringe ich mit meinen drei Kollegen über ein rückseitiges Fenster in den Innenraum ein. Jetzt muss alles sehr schnell gehen: Zwei Männer sichern den Verkaufsraum und nehmen Geiseln, während ich in das Büro des Inhabers stürme und ihn daran hindere den Panic-Button zu drücken. Wenige Sekunden später liegen er und seine Sekretärin gefesselt am Boden, der Bohrer arbeitet am Safe und ich sacke den Schmuck ein.

Bis zu diesem Moment wirkt Payday 2 durchaus überzeugend. Der schnelle Koop-Einbruch, die Möglichkeit Geiseln zu nehmen, das Verhindern des Alarms durch Geschick und Werkzeuge: alles deutet auf eine spannende Überfall-Erfahrung hin, in der es vor allem darum geht den Kontakt mit der Polizei zu vermeiden. Doch dann passiert es: Irgendjemand löst, wie auch immer, den Alarm aus. Sofort rückt die Polizei in Hunderschaftsstärke an, zunächst Streifenpolizisten, dann das SWAT und schwer gepanzerte Anti-Terror-Einheiten. Diese eröffnen prompt und ohne Vorwarnung das Feuer. Rücksicht auf Geiseln? Verhandlungen?  Taktik? Bullshit! Stattdessen rückt die dumpfe KI geradeaus auf das Geschäft vor und lässt sich von unserem Team reihenweise niedermähen. Die städtische Polizei müsste alleine nach diesem Einsatz arge Personalprobleme bekommen – auch wegen der Verfahren angesichts erschossener Zivilisten, was selbst mir einen saftigen Abzug einbringt.

All cops are schießwütig

"Hände über den Kopf und keine Heldentaten" - Der Einbruch auf das Juweliergeschäft beginnt.
"Hände über den Kopf und keine Heldentaten" - Der Einbruch auf das Juweliergeschäft beginnt. (PS3)
In diesem Moment wird Payday 2 zu einer Abwandlung des Horde-Modus, bekannt aus vielen anderen Shootern wie Gears of War. Stellung halten, Sachen greifen, ab zum Fluchtfahrzeug, hin, zurück, hin, zurück, fliehen. Die Gefechte erinnern dabei nicht nur wegen der Zombie-KI frappierend an Left 4 Dead: Hunderte Polizeibeamte beißen während eines kleinen Überfalls ins Gras, oft auch einige Zivilisten. Das wäre auch in Ordnung, würden die Shooter-Elemente gut funktionieren und das Spiel gut aussehen. Ich mache es kurz: das tut es nicht!

Vor allem auf technischer Seite macht Payday 2 eine extrem bescheidene Figur. Die Kulisse ist ihrer Zeit auf Jahre hinterher: Oberflächen, Animationen, Lichteffekte, alles das hat man gefühlt schon 2005 hübscher gesehen (Stichwort Half Life 2). Während auf PS3 und Xbox360 zudem ein durchgehendes Ruckeln den Spielfluss bremst und das Bild vor allem durch starkes Kantenflimmern glänzt, zerreißt auf dem PC massives Tearing immer wieder das Bild. Schaltet man V-Sync dazu, fällt im Test die Bildrate ins Bodenlose. Darunter leiden vor allem die Schusswechsel mit der Polizei: oft kann man im Flimmern und Ruckeln nicht so richtig erkennen, worauf man eigentlich gerade schießt. Gerade größere Gefechte schrammen deshalb an der Grenze zur Unspielbarkeit vorbei.

Der große Maskenball

Die Sondereinheit der Stadt hat nach diesem Einsatz ein Personalproblem!
Die Sondereinheit der Stadt hat nach diesem Einsatz ein Personalproblem! (PS3)
Das ist ärgerlich, da Payday 2 an anderer Stelle sehr viel richtig macht. So gibt es die Möglichkeit gegen Bares aus vielen verschiedenen Sturmgewehren und Pistolen auszuwählen, die alle mit Griffen, Schulterstützen oder Visieren versehen werden können. Zudem können, ähnlich wie in Army of Two neue Masken freigeschaltet und gestaltet werden, die mein alter Ego dann während eines Überfalls trägt. Alle Ausrüstungsgegenstände werden nach Einsätzen zufällig freigeschaltet. Das ist motivierend, führt jedoch teilweise zu Grind-ähnlichen Zuständen, um endlich die schusssichere Weste oder das Reflexvisier freizuschalten.

Zudem gibt es vier Fähigkeitenbäume, in denen sich einzelne Überfall-Skills verbessern lassen. So kann ich als Mastermind etwa eine Medizintasche platzieren und bin „überzeugungskräftiger“ im Umgang mit den Zivilisten, während der Vollstrecker mehr Schaden austeilt und eine Munitionstasche mit sich führt. Ein ausgewogenes Team ist für die Coups Gold wert, da jeder Charakter sein eigenes Spezialgadget mitbringt und dem Team wertvolle Dienste leisten kann. Im Keller des eigenen Versteckes kann man ausprobieren, was diese anrichten können; zudem kann das Safeknacken, Türöffnen oder Schießen geübt werden. Dies gibt einen ordentlichen Überblick über die vielfältigen Einbruchsmethoden und ermöglicht Neulingen einen einfachen Einstieg.

Dynamisches Verbrechen

Immerhin: Die Auswahl im Schnapsregal stimmt! (PC)
Immerhin: Die Auswahl im Schnapsregal stimmt! (PC)
Damit sich die Spieler nicht nach drei Durchgängen blind in den Levels auskennen, haben die Entwickler einen Kniff verwendet: Die rund dreißig Schauplätze verändern sich dynamisch. Mal steht der Safe in einem anderen Raum, Wachleute finden sich an anderer Position wieder oder andere Fluchtwege sind geöffnet oder versperrt.  Dies fordert eine genaue Umgebungssondierung und -Beobachtung, gerade wenn man nicht entdeckt werden möchte. Zudem gibt es mehrtätige Coups: So muss etwa ein Methlabor ausgeraubt, weitere Drogen beschafft und diese letztendlich gegen Informationen ausgetauscht werden. Erst nach Abschluss des letzten Einsatzes gibt es am Zahltag den Großteil der Belohnung auf das Offshore-Konto überwiesen.

Damit man auf seinen Raubzügen zumindest ein wenig planen kann, gibt es die Möglichkeit die Objekte zunächst im Planungsmodus zu besichtigen. Als scheinbar harmloser Kunde oder Passant kann ich durch die Banken, Juweliergeschäfte oder Einkaufszentren streifen, die ich im Anschluss für meine zwielichtigen Auftraggeber Vlad, Bain oder ein südamerikanisches Drogenkartell ausraube oder verwüste. Hier können Wachleute ausgespäht, Kamerapositionen im Kopf festgehalten und wichtige Ziele ausgekundschaftet werden. Trotzdem enden die meisten Überfälle im Chaos: Trotz des Versprechens der Publisher habe ich noch keinen Einsatz erlebt, der nicht in eine wüste Schießerei mit den Gesetzeshütern mündete.

Allein unter Feinden

Entsetzlich! Und dabei haben wir noch nichtmal unsere Maske aufgesetzt.
Ihr steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben! Und dabei haben wir noch nichtmal unsere Maske aufgesetzt. (PC)
Dies ist jedoch eine Frage des Teamspiels. Gerade eingespielte Vierergruppen, die ihre Fähigkeiten geschickt spezialisiert haben, sind sicher in der Lage den einen oder anderen Raub ohne überbordende Gewalt zu durchzuziehen.  Was in öffentlichen Matches schon schwieriger wird, ist mit KI-Kameraden völlig unmöglich. Die Verbündeten CPU-Strunzköpfe sind noch nicht mal in der Lage einfachste Missionsziele selbstständig auszuführen.

Während eines Einsatzes musste mein Team z.B. Taschen voll mit Koks aus einem LKW schnappen und ein Stück weiter auf einen Pickup werfen, während die Polizei aus allen Rohren feuerte. Zwar schossen meine Kollegen halbwegs zurück, waren aber nicht in der Lage, mir beim Schleppen unter die Arme zu greifen. Der Coup ging daneben, da ich beim sechsten Weg zurück zum LKW erschossen wurde. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Tote Geiseln kommen nirgends gut an: Nicht auf dem Konto, nicht bei der Polizei und nicht beim Richter.(PC)
Tote Geiseln kommen nirgends gut an: Nicht auf dem Konto, nicht bei der Polizei und nicht beim Richter.(PC)
Hintergründige Videoserie,  geschichtsloses Spiel

Wer mehr über die Hintergrund der Welt von Payday erfahren möchte, sollte sich die Youtube-Webserie zu Gemüte führen. Hier werden die vier Charaktere in mittlerweile vier Episoden genauer beleuchtet und einige Hintergrundinformationen geliefert. Innerhalb des Spiels gibt es zwar wenige Videosequenzen, die Einsatzort und –Art vorstellen, eine echte Handlung oder gar Geschichte existiert aber nicht. Auch die Auftraggeber bleiben nebulös. Ebenfalls verzichtet wurde auf eine Charakterzeichnung der vier Protagnonisten. Das ist schade, bietet doch gerade Gangster-Action die Möglichkeit schillernde und durchgeknallte Charaktere à la Kane & Lynch zu zeichnen.

Fazit

Payday 2 bringt viele gute Ansätze mit: Die dynamischen Karten, die Möglichkeit, den Tatort vorher auszuspähen sowie unauffällige Raubzüge versprechen ein spannendes Räuber-und-Gendarm-Spiel. Die umfangreichen Freischaltungen und Verbesserungsmöglichkeiten motivieren und die Anzahl der Einsätze kann sich durchaus sehen lassen. Sobald der Titel aber bei Kontakt mit der Polizei zu einem Shooter mutiert, gehen viele dieser guten Ansätze verloren. Die Shootermechanik ist durchschnittlich und die Gegner-KI enttäuschend. Gefahr kommt nur durch massive Überzahl und den präzisen Beschuss der Polizisten auf, die selbst bei kleinen Überfällen in lächerlich großer Zahl ins Jenseits befördert werden. Dazu kommt die überaus unsaubere und extrem unansehliche Kulisse, die unter Tearing (PC) sowie Dauerruckeln (PS3, 360) leidet und das Spiel oft an die Grenze der Spielbarkeit bringt. Dennoch kann der Shooter gerade im Koop mit Freunden solide unterhalten, insbesondere wenn ein Überfall nach guter Planung erst sehr spät in eine wüste Schießerei ausartet.

Pro

umfangreich, viele Maps, Waffen und Gadgets
Fähigkeitenbäume
individuelle Maskengestaltung
Beobachtungsmodus und unaufällige Raubzüge
Koop-Ausrichtung

Kontra

unansehnliche Kulisse
starkes Tearing (PC), Dauerruckeln und Kantenflimmern (PS3, 360)
furchtbare Feind und Verbündeten-KI
mittelmäßige Shootermechanik
langweiliger Shooter-Part
keine Verhandlungen oder schlüssige Polizeitaktiken
lächerlich viele tote Polizisten bei kleinen Überfällen

Wertung

360

Raub-Shooter mit vielen interessanten Ansätzen, aber starken technischen Unzulänglichkeiten.

PC

Auf dem PC dank stabilerer Framerate und Kantenglättung eindeutig die beste Version, auch wenn Tearing zeitweise ein Problem darstellt.

PlayStation3

Raub-Shooter mit vielen interessanten Ansätzen, aber technischen Unzulänglichkeiten auf allen Plattformen.

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