Daylight30.04.2014, Michael Krosta

Im Test: Tod durch Langeweile

Daylight – nein, das ist nicht das offizielle Spiel zur Hit-Single der No Angels. Statt Girlband-Horror inszenieren die Zombie-Studios lieber einen Überlebenskampf durch zufällig generierte Schauplätze, in denen ein paranormales Killer-Weibsbild ihr Unwesen treibt. Bekommt der Slenderman eine kleine Grusel-Schwester mit ähnlichen Schockerqualitäten? 

Der Weg zur Erleuchtung

Tja, da ist er wieder: der klassische Gedächtnisverlust. Zwar spricht mich eine mysteriöse Stimme aus dem Handy mit dem Namen Sarah an, doch weiß ich weder genau wer ich bin, noch wie ich mitten in der Nacht in dieses verlassene Hospital gekommen bin. Die kreuz und quer verteilten Notizzettel, Zeitungsausschnitte und Fotos geben mir immerhin erste Hinweise darauf, dass an diesem Ort scheinbar etwas nicht stimmt, obwohl es mir etwas schwer fällt, die Ereignisse richtig zu sortieren. Manche Meldungen stammen aus dem frühen letzten Jahrhundert, andere aus den Siebzigern und Achtzigern. Und wie aktuell

Die Abschnitte werden zufällig generiert, sehen sich aber auch sehr ähnlich.
sind eigentlich die Tagebucheinträge? Wann ist jetzt? Bei der wirr und damit unglücklich erzählten Geschichte den Durchblick zu behalten ist nicht leicht, doch spielt die eher uninspirierte Handlung ohnehin eine Nebenrolle.

Wirre Zettelwirtschaft

Schnell wird klar, worauf es ankommt: Genau wie bei Grusel-Kollege Slender gilt es auch hier, eine bestimmte Anzahl an mehr oder weniger gut versteckten Relikten zu finden, bei denen es sich meist um die besagten Zettel handelt. Erst danach ist man qualifiziert, einen symbolischen Schlüssel wie einen Teddybären, eine Schere oder eine Bibel aufzunehmen, um mit seiner Macht ein Siegel zu brechen, das bis dahin den Weg versperrt. Und dieser Kreislauf wiederholt sich. Immer und immer wieder – egal ob man aus dem Hospital, einem Gefängnis, der Kanalisation oder dem abschließenden und grafisch durchaus ansprechenden Wald entkommen will. Zwar wird der Trott ab und zu durch minimale Schalter- und unglücklich umgesetzte Kistenrätsel unterbrochen, doch viel Abwechslung darf man nicht erwarten. Ja, der erste Auftritt von Slender war sehr ähnlich und auch der Nachfolger Slender: The Arrival spulte oft das gleiche Programm in leichten Variationen ab.

Manche Durchgänge sind durch ein Siegel versperrt.
Dafür geht von der schlaksigen, gesichtslosen Kreatur und seinem Kumpanen ein viel größeres Gefühl der Bedrohung aus – der panische Kampf ums Überleben ist nicht nur dort, sondern z.B. auch bei Outlast oder Amnesia ausgeprägter, intensiver, Furcht einflößender.

Alma lässt grüßen

Trotzdem hat auch Daylight seine Momente, denn vor allem das gute Sounddesign trägt abgesehen von den repetitiven Monologen der Protagonistin und den kryptischen Worten der oft fehlplatzierten Telefonstimme zur Spannung bei. Nicht nur die Musik sorgt mit zitternden Streichern für Atmosphäre – vor allem Effekte wie stampfende Schritte, mysteriöses Knarzen und Pochen sowie markerschütternde Schreie aus dem Nichts erzeugen besonders am Anfang die eine oder andere Gänsehaut. Das gilt auch für die Spektralgestalt mit ihrer hässlichen Fratze, die sich zunächst nur aus der Entfernung zeigt, mir aber mit jedem gefundenen Relikt immer dichter auf die Pelle rückt und mir manchmal sogar nach dem Umdrehen direkt in meine Augen starrt – ein toller, wenn auch mittlerweile altbekannter Trick für einen Schockeffekt!

Mangelnde Spieltiefe und Abwechslung

Allerdings gibt es gleich mehrere Probleme, die den Puls schnell wieder senken: Neben den üblichen Abnutzungserscheinungen und dem Mangel an spielerischer Abwechslung schafft es Daylight leider viel zu selten, die Angst über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Das liegt zum einen daran, dass die paranormale Kreatur meist viel zu harmlos agiert und im Gegensatz zum Slenderman keine echte Bedrohung ausstrahlt - auf der mittleren der drei Stufen endete die Begegnung nach der knappen Spielzeit von zwei bis drei Stunden nur zwei Mal tödlich. Einfaches Weglaufen reicht in der Regel schon aus, limitierte Fackeln bieten zusätzliche Sicherheit, denn in der relativ langen Leuchtphase ist man genau wie Alan Wake nicht angreifbar. Zum anderen verpassen die Entwickler die Chance, mit mehr Spieltiefe auch den Terror undHorror zu intensivieren. Warum darf ich mich nicht wie in Outlast oder Silent Hill: Shattered Memories verstecken? Warum ist das Handy mit einem Super-Akku ausgestattet, der den Dauerbetrieb als Taschenlampe gestattet und mir abgesehen von vereinzelten Störungen immer einen Blick auf das Karten-Display erlaubt? Warum lässt meine Kondition bei den Flucht-Sprints nicht irgendwann nach? Hier wäre so viel mehr drin gewesen!

Mit dem Zünden von Fackeln hält man sich die Bedrohungen vom Leib.
Man hätte z.B. das Handy auf einer Flucht verlieren können und es anschließend wieder suchen müssen – vergleichbar mitdem kurzzeitigen Verlust der Kamera bei Outlast. Hier spult man dagegen immer und immer wieder das gleiche redundante Programm ab. Dabei wird die Suche nach den Artefakten auch noch künstlich erleichtert, indem man einen der maximal vier Leuchtstäbe aktiviert: Mit seiner Hilfe werden u.a. Objekte hervorgehoben, die man durchsuchen kann. Aber eigentlich hätte das genauso wenig sein müssen, wie die kleinen Leuchtpunkte auf den Zetteln, die das Finden erleichtern sollen. Zusammen mit den zufällig generierten Copy&Paste-Kulissen, in denen die Unreal Engine 4 aufgrund schwacher Texturen und durchschnittlicher Beleuchtung mehr ernüchtert als begeistert, wird aus der jüngsten Grusel-Hoffnung nach Doorways und dem grausigen Montague's Mount leider die nächste Enttäuschung für Horror-Fans.

Fazit

Es hätte so schön werden können: Daylight bringt mit seinen unübersehbaren Anleihen bei Slender  alle Voraussetzungen für packenden Survival-Horror mit. Im Ansatz gelingt es den Zombie Studios sogar, dank des guten Sounddesigns eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen. Doch zu schnell fördert die ständig aufgewärmte Suche nach Zetteln und Siegeln eine Ideenlosigkeit zutage, die sich auch in der oberflächlichen Spielmechanik manifestiert. Schlimmer noch: Die übernatürliche Kreatur kann trotz ihrer hässlichen Fratze und visuellen Anleihen bei japanischen Horror-Klassikern wie The Grudge oder The Ring kaum Panik entfachen. Warum nicht? Weil ich mich dank meiner unbändigen Sprint-Kondition, Endlos-Akku im Handy und Anti-Geist-Fackeln meist viel zu sicher fühle! Die prozedural generierten Abschnitte sind ja eine tolle Idee und erhöhen den Wiederspielerwert. Aber leider sieht man der Kulisse deutlich an, dass sie aus einer sehr begrenzten Auswahl an mäßig texturierten Vorlagen besteht. Ich hätte mehr von der neuen Unreal Engine erwartet, denn auch die Darstellung von Licht und Schatten bewegt sich hier höchstens auf einem durchschnittlichen Niveau. So enttäuscht Daylight nicht nur spielerischer, sondern auch technisch.

Pro

atmosphärische Grusel- und Schockmomente
fesselnde Klangkulisse
prozedural generierte Abschnitte
Handy mit automatischer Kartenfunktion
nur Fackeln und Leuchtstäbe als Hilfsmittel

Kontra

redundantes Spiel
und Leveldesign
sehr oberflächliche, mitunter schwache Mechanik
überwiegend detailarme Copy&Paste-Kulissen
Sprüche der Protagonistin wiederholen sich
kurze Spielzeit
Bedrohungsgefühl hält sich in Grenzen
enttäuschende Technik
uninspirierte und verwirrend erzählte Geschichte

Wertung

PlayStation4

Daylight kann weder Slender noch Outlast das Fürchten lehren! Terror und Horror blitzen nur im Ansatz auf, verlieren angesichts der mangelnden Spieltiefe und Abwechslung aber zu schnell an Reiz.

PC

Daylight kann weder Slender noch Outlast das Fürchten lehren! Terror und Horror blitzen nur im Ansatz auf, verlieren angesichts der mangelnden Spieltiefe und Abwechslung aber zu schnell an Reiz.

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