Shovel Knight11.11.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Can you dig it?

Ein Schaufelritter hat es nicht einfach. Ob riesige Drachen, Ritter, wild gewordene Alchemisten oder rumpflose floureszierende Adlerkopf-Monster: Im Jump-n-Run Shovel Knight (ab 25,39€ bei kaufen) gibt jeder Gegner sein Bestes, dem Spieler das Leben zur Hölle zu machen. Endlich hat der mit Kickstarter ermöglichte Plattformer auch auf Wii U und 3DS seinen Weg nach Europa gefunden.

To Shovelry!

In diesem Spiel ist ein Ritter noch ein echter Ritter – selbst, wenn er wie in der 8-Bit-Ära aus nur wenigen Pixeln besteht und auf ein paar schmalen Plattformen patrouilliert. Sobald ich mich ihm nähere, sprintet er wie von der Tarantel gestochen auf mich zu und lässt nicht locker, bis ich entweder keine Energie mehr habe, in die Lava stürze oder über einen weiten Abgrund geflüchtet bin. Und mit nicht locker lassen ist nicht gemeint, dass er lediglich ein paar Schlagroutinen abspult. Er schnellt vor und zurück, hebt den Schild über den Kopf, um meine Schaufelattacke aus der Luft abzuwehren und setzt sofort nach. Selbst wenn ein paar meiner Hiebe seine Deckung durchbrechen, dauert der Kampf eine ganze Weile. Sicher, wer sich die Attacken der Feinde einprägt, kann sie auch in Shovel Knight irgendwann relativ einfach aushebeln – aber für einen stinknormalen Gegner schlägt sich der Widersacher in schwerer Rüstung richtig gut.

Boing, boing: Die nach unten ausgestreckte Schaufel funktioniert ähnlich wie der Pogo-Stock aus Duck Tales: Remastered.
Auch die metaphysischen Biester geben ihr Bestes. Einem bildschirmgroßen Blasen spuckenden Drachen muss ich z.B. erst ein paar Mal mit der ausgefahrenen Schaufel auf den Kopf springen, bevor er nachgibt. Selbst einfache Frösche sind nicht so harmlos, wie sie zunächst wirken: Manche springen mir urplötzlich an den Hals, um ein paar elektrische Blitze auf mich niederzucken zu lassen oder zerplatzen nach meinem Hieb sogar in einer gefährlichen Explosion. Noch kniffliger wird es in den Bosskämpfen: Die Ritter vom „Order of no Quater“ machen mir das Leben besonders schwer. Zusammen mit einer geheimnisvollen Magierin terrorisieren sie das Königreich, welches in thematische Welten aufgeteilt ist. Ihre Geschichte hält sich allerdings so sehr im Hintegrund wie in uralten Spielen.

Härter als der Tod?

Beim Kampf gegen einen teleportierenden Sensemann muss ich z.B. mit gutem Timing über seine durch die Luft wirbelnde Klinge springen, während immer wieder neue Skelettkrieger aus dem Boden wachsen. Und weil das offenbar nicht reicht, findet das Ende des Kampfes in der Dunkelheit statt, welche nur von kurzen Blitzen erhellt wird.

Boulder Dash lässt grüßen: Manche Steine muss man in der richtigen Reihenfolge abtragen. Auch Erdhaufen lassen sich gewinnbringend aus dem Weg schaufeln.
Ich muss mich also wie bei einem nächtlichen Stromausfall auf die einstudierten Abstände verlassen. Mit nur noch einem halben Energiepunkt schicke ich den Sensemann schließlich selbst über den Jordan, indem ich ihn mit Feuerbällen bombardiere. Die lodernden Projektile sind eines der Extras, die in Geheimkammern versteckt liegen oder sich durch gefundenes Gold im Dorf freischalten lassen. Dazu gehören z.B. so nützliche Dinge wie ein Wurfanker, Lebenskraft- und Mana-Aufrüstungen oder neue Schaufel-Angriffe. Verrückte Attacken oder neue Ideen wie im erfrischend kreativen Fly'N sind nicht dabei – stattdessen baut das Spiel ganz auf seine Hommage an 8-Bit-Plattformer.

Erinnerungen an Firebrand & Co

Der Spielrhythmus und das urige Design haben mich schon nach kurzer Zeit angenehm an Spiele wie Gargoyles Quest oder Toki erinnert. Das zum Teil aus WayForward-Veteranen bestehende Team hat seiner Fantasie freien Lauf gelassen: Auf den Burgzinnen lauern Feuer speiende Riesengreifvögel, unter der Erde schweben blau floureszierende Adlerköpfe durch die Luft und in einer Burg voller Zauberkessel wirft ein wild gewordener Alchemist mit explosiven Fläschchen um sich, bevor er einen tiefen Schluck nimmt und zu einem Mr. Hyde mutiert. Unter Wasser werde ich sogar von einem gigantischen Laternenfisch verfolgt: Statt einer kleinen Leuchte hängt eine Schatzkiste vor seinem Kopf, welche als Köder für gierige Ritter dient. Auch die abwechslungsreichen, verspielten Chiptune-Melodien sind prima gelungen und haben mir als Kind der Achtziger immer wieder Gänsehaut beschert. Weniger schön ist, dass sich die Entwickler auch bei der Steuerung an alten NES-Titeln orientieren. Im Vergleich zu Rayman, Super Meat Boy, Guacamelee & Co bewegt sich der Schaufelritter etwas träge und hüftsteif voran, was sich vor allem im Kampf gegen blitzschnelle Endgegner wie den Plague Knight als mühsam erweist. Wenn der Boss mit explosiven Projektilen um sich schmeißt, sorgt der Mangel an Agilität schnell für Frust.

Ein Blick auf die 3DS-Version.
Ein weiteres Ärgernis ist der Umstand, dass der Held bei einem einen Treffer nicht nur Energie verliert, sondern auch mehrere Meter zurückgeschleudert wird. Ersteres wäre im Kampf auf schmalen Lava-Plattformen nicht weiter wild, doch der „Rückstoß“ hat mich verdammt oft in den Abgrund plumpsen lassen und zum letzten Speicherpunkt zurückgeschickt.

Geld löst alle Probleme

Das Problem wird ein wenig durch das gelungene Währungs- und Speicher-System entschärft: Am Ort meines Todes bleiben ein paar flatternde Goldsäcke zurück, die ich mit etwas Geschick beim nächsten Mal einsammeln kann. So gnadenlos schwer wie in Spelunky oder anderen Roguelikes wird es zum Glück nicht, stattdessen orientiert sich der Schwierigkeitsgrad eher an MegaMan 9 und 10. Ganz wagemutige können sogar die Checkpoints selbst zerstören und bekommen im Gegenzug klingelndes Gold. Auch einige versteckte Abschnitte und Rätsel finden sich immer wieder in den Levels. Einen Raum unter mir erreiche ich z.B. nur, wenn ich zunächst ein paar explosive Plattformen aus dem Weg räume, mich aber nicht mit der Schaufel voran nach unten fallen lasse. Damit in der Grube nicht auch gleich alles in die Luft fliegt, muss ich zunächst einmal auf einer Anhöhe landen und springe dann ohne ausgefahrene Schaufel nach unten.

Feuer!

Fast wie auf dem PC

In Europa wurden die Umsetzungen für Wii U und 3DS erst fünf Monate später veröffentlicht; inhaltlich gibt es kaum Unterschiede zur PC-Fassung. Mit der kleinen Analog-Scheibe oder dem Digitalkreuz des 3DS lässt sich der Schaufelritter natürlich einen Deut weniger präzise und bequem steuern als mit dem Gamepad. Grafisch gibt es aufgrund des gering aufgelösten Pixel-Designs so gut wie keine Abstriche. Der 3D-Effekt passt recht gut zum Spiel: Die wenigen Parallax-Ebenen erinnern ein wenig an ein Diorama. Lediglich beim Wechsel von einem Bild zum nächsten ruckelt es ein wenig, was etwas anstrengend auf die Augen wirkt. Auf Wii U lässt sich das Spielgeschehen wahlweise auf den Touchscreen verlegen - andernfalls sieht man dort das Menü mit der Ausrüstung, Relikten und dem Tagebuch.

Fazit

In Shovel Knight steckt viel Liebe zu den Klassikern der 8-Bit-Ära: Entwickler Yacht Club Games hat sich den knallharten Schwierigkeitsgrad von MegaMan zum Vorbild genommen und ihn mit dem mystischen Design von Oldies wie Gargoyles Quest verschmolzen. Sicher: Etwas Besonderes ist solch eine Hommage angesichts der Flut von Pixelplattformern nicht mehr – und im Gegensatz zu Titeln wie Fly’n stecken auch keine coolen neuen Mechaniken im Spiel. Und doch sticht das Spiel heraus, weil die verbissen angreifenden Monster meist sehr geschickt in die ohnehin kniffligen Levels eingebaut wurden. Auch der unheimlich eingängige und abwechslungsreiche Chiptune-Soundtrack ist schon jetzt ein Klassiker! In manchen Punkten übertreibt Yacht Club Games es aber mit der Liebe zur Vergangenheit: Fiese Stürze bei gegnerischen Treffern und einige übertrieben schwere Bosse haben mich fast zur Weißglut gebracht. Wirklich übel nehmen konnte ich es dem Spiel aber nicht, denn der Rest des Abenteuers macht einfach zu viel Spaß!

Pro

knackig-motivierendes Hüpfen alter Schule
sehr fantasievolles Figuren-Design
mystische Welt voller Magie, Lava und todbringender Fallen
meist ausgefeiltes Level-Design
durchdachtes Checkpoint-System mit Goldverlust
abwechslungsreiche verspielte Chiptune-Melodien

Kontra

langsame Steuerung und frustige Stürze
einige frustrierend schwere Bosse und Passagen
rudimentäre Geschichte spielt kaum eine Rolle

Wertung

3DS

Der pixelige Retro-Ritter glänzt mit fantasievollen Monstern und tollem Level-Design - nur die träge Steuerung und einige übertrieben knifflige Bosse stören den Spaß.

Wii_U

Der pixelige Retro-Ritter glänzt mit fantasievollen Monstern und tollem Level-Design - nur die träge Steuerung und einige übertrieben knifflige Bosse stören den Spaß.

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