NHL 1412.09.2013, Benjamin Schmädig
NHL 14

Im Test:

Endlich kracht's mal richtig! Wo sich die NHL-Skater in den vergangenen Jahren nach vorgefertigten Body Checks oder einem Stockschlag aufs Eis gelegt haben, gehen die Profis jetzt in die Vollen: EA testet ihre physische Belastbarkeit und berechnet Kollisionen nach Bewegungsgeschwindigkeit und Aufprallwinkel. Der neue Körperkontakt modernisiert den Spielfluss – abseits davon träumt NHL 14 (ab 3,18€ bei kaufen) aber von der Vergangenheit.

Sam Beckett wäre stolz!

Genauer gesagt ist es das Jahr 1993, von dem die Entwickler schwärmen, denn vor 20 Jahren erschien mit NHL '94 ein Meilenstein des virtuellen Eishockeys. Und den will EA feiern. Mit einer Spielvariante, in der blaues Eis und schnelle Arcade-Action an den Opa erinnern.

Ohne ihn allerdings richtig zu imitieren. Immerhin verwendet auch der '94-Modus die Physik des aktuellen Spiels und wirkt deshalb nur wie ein Flashback, der während eines Augenschlags im Geiste vorüber fliegt. Der nutzt zwar die schon in den vergangenen Jahren vorhandene Zwei-Knopf-Steuerung sowie ein zugunsten mächtiger Checks vereinfachtes Regelwerk, mir fehlen aber damalige Spieler, 16-Bit-Geräusche oder ähnlich nostalgische Einfälle. Onlinematches bietet EA ebenfalls nicht an.

Damals - Heute

Abgehakt – Geschichte ist Geschichte. Modern ist eine Physik, die eine glaubwürdige Simulation erlaubt und da ist NHL 14 ganz stark. Kam im Vorgänger das großartige Skaten in Abhängigkeit der Geschwindigkeit hinzu, so passierte es immer wieder, dass der stärkste Profi auf einen Gegner traf, um mitten in der Bewegung einfach stehen zu bleiben. Mit der Realität hatte das natürlich wenig gemein. Es fiel nur nicht auf, weil es immer so gewesen ist. Doch nachdem ich die diesjährige Ausgabe einige Stunden lang gespielt hatte, habe ich den Vorgänger noch einmal zum Vergleich herangezogen. Und jetzt fällt es auf!

Denn ab sofort stolpert ein Angreifer, fällt hin oder auf die Knie, wenn ein Verteidiger seinen Weg kreuzt. Ich darf Body und Hip Checks zwar wie bisher über den rechten Stick auslösen, aber dank der neuen Physik ist Körperkontakt kein losgelöstes Knopfdruck-Element mehr – er ist jetzt integraler Bestandteil jeder Situation, was das Spiel natürlicher und glaubwürdiger macht. Ganz wichtig dabei, dass viele Situationen nach einem Rempler fortgesetzt werden, denn das verleiht dem rauen Tanz eine fortlaufende Dynamik, anstatt den Fluss bei einem plötzlichen Stopp zu unterbrechen.

"We. Are. Live!"

Ein Fortschritt sind auch die fließenden Übergänge zum Handgemenge: Prallt der Angreifer direkt auf den Torhüter, sieht der das womöglich gar nicht gerne und lässt umgehend den Schläger fallen. Noch während er auf den Kontrahenten zu stürmt, streift er dann die Handschuhe ab und schnappt sich den Übeltäter. Das Duell beginnt ohne einen Wechsel der Perspektive und dauert, bis der erste KO geschlagen oder auf den Boden

Statt manueller Checks entscheidet jetzt Geschwindigkeit und Aufprallwinkel über die Art der Kollision.
Statt manueller Checks entscheiden jetzt Geschwindigkeit und Aufprallwinkel über die Art einer Kollision.
gerungen wird. Mit dem rechten Stick schlage ich ähnlich wie in Fight Night, mit dem linken ziehe ich den Gegner, mit den Schultertasten weiche ich aus. Das Ergebnis ist immer ein Energiegewinn für beide Teams. Realistisch ist das selbstverständlich nicht, doch das trifft ohnehin auf die wie MMA-Kämpfe kommentierten Schlägereien zu.

Wenn die Mannschaften bei Auseinandersetzungen von mehr als zwei Spielern in gut sortierten Zweiergrüppchen zusammenfinden, ist das ebenfalls ärgerlich. Abgesehen gibt es so wenige Animationen, dass Übergänge und Kämpfe stets gleich aussehen – das dämpfte recht schnell meine Freude über die gute Inszenierung. Dass ich die Geplänkel in meiner Karriere trotzdem aktiviert habe, darf NHL 14 gerne als Kompliment verstehen. Und immerhin kann ich oft selbst entscheiden, ob ich nach einer Tätlichkeit die Fäuste fliegen lasse oder die Kämpfe gar komplett abschalte.

Direkte Dekes

Im Mittelpunkt steht schließlich immer noch das rasante Taktieren auf dem Eis, das im Wesentlichen dem des Vorgängers gleicht. Neu sind Ausweichbewegungen, die ich entweder wie bisher ausführe oder indem ich auf die linke Schultertaste tippe. Je nach Situation führt mein Profi so den Puck um einen Gegner herum – falls das Manöver gelingt. Dadurch erhält die Offensive auch ohne genaue Kenntnisse aller akrobatischen Finessen eine zusätzliche Option. Apropos: Meine Mitspieler sowie die Angreifer des

Die Inszenierung wiederholt sich zwar schnell, die Kämpfe sind aber dynamisch ins Spiel eingebunden.
Die Inszenierung wiederholt sich zwar schnell, die Kämpfe sind aber dynamisch ins Spiel eingebunden.
Kontrahenten skaten jetzt aggressiver in Richtung Tor und bringen sich für Abpraller in Position. Dadurch gewinnen scharfe Torschüsse an Bedeutung, obwohl sie oft schon vor dem "Nachschlag" zum Erfolg führen.

Tatsächlich führen bestimmte Situationen auffallend häufig zum Tor – dazu gehören Fernschüsse nahe der blauen Linie sowie One-Timer, die bei einem ungedeckten Mann ankommen. Dass cleveres Passen in eine Lücke belohnt wird, ist natürlich sinnvoll. Hier landen jedoch sehr viele Handgelenkschüsse aus der Distanz im Netz, während die Torhüter fast alle gut platzierten Schüsse aus einer gewöhnlichen Situation heraus abfangen. Positiv ist natürlich die gute Defensivarbeit der Verteidiger, weil sie Angreifer früh und hart attackieren. Mir gefällt außerdem, dass die Künstliche Intelligenz dank Fehlpässen und Abseitsfehlern vor allem im Spielaufbau menschliche Züge zeigt.

Sei ein Star!

Das kommt vor allem meiner Karriere zugute, in der ich als einzelner Profi eine Laufbahn in der CHL oder NHL erlebe. Hier hat sich wenig verändert, allerdings kommentiere ich vor dem Bildschirm eben die Fehlpässe meiner Kollegen und könnte mich sogar im Spiel von ihnen distanzieren. Gelegentlich werde ich nämlich zum Interview gebeten, in dem ich mich mal über das kommende Spiel äußern, mal für einen Werbepartner entscheiden muss. "Lebe das Leben" ist deshalb der offizielle Titel der Be-a-Pro-Karriere...

… der bedeutend mehr verspricht als er hält, weil sämtliche Aktivitäten lediglich Multiple-Choice-Texte sind. Je nach gewählter Antwort steigere ich dabei mein Ansehen bei den Fans, bei den Mitspielern oder beim Management. Doch die Ergebnisse sind reine Tabellenwerte, ein Gefühl für den Alltag meines zukünftigen Stars erhalte ich nie. Ärgerlich! So verspielt EA die Möglichkeit, der Karriere endlich mehr Leben einzuhauchen.

Multiple-Choice statt Star-Allüren: Der Alltag dieses NHL-Profis ist ein trockenes Textfenster.
Multiple-Choice statt Star-Allüren: NHL-14-Profis erleben ihren Alltag in trockenen Statistikfenstern.
Zumindest verbessere ich durch dich richtigen Antworten meine Chancen beim Aufstieg innerhalb des Teams und gewinne das Vertrauen der Mitspieler. Die passen mir dann eher zu, während mir wohlmeinende Fans stärker zujubeln als missmutig gesonnene.

Gut abgestanden

Die Fans gehen ohnehin richtig mit, wenn ein Spieler gefoult wird oder mit Wucht gegen die Bande gecheckt. Die Kommentatoren begleiten alle Partien souverän, heben die Stärken auffälliger Spieler in kurzen Zusammenschnitten hervor und erzählen Wissenswertes. Einläufe fangen den spannenden Nervenkitzel ein, wenn die Mannschaften die Kabinen verlassen. Toll – nur war das in den vergangen Jahren genau so. Tatsächlich übernimmt EA die Präsentation zum größten Teil unverändert – das Spiel fühlt sich nicht veraltet, aber auch längst nicht mehr frisch an. Das Gleiche gilt für die trägen, unübersichtlichen Menüs mit ihren langen Ladezeiten.

Und noch eine Schwäche bügelt Ausgabe 14 nicht aus: Es gibt in der Be-a-Pro-Karriere nach wie vor keine Kamera, die das Spielfeld so darstellt, dass ich in jeder Situation sowohl meinen Spieler als auch das Geschehen um den Puck sehe. Das wäre aber wichtig, um etwa im richtigen Moment mit der richtigen Geschwindigkeit in die Spitze zu stoßen. Oft sehe ich meinen Verteidiger außerdem nur als Pfeil am Bildschirmrand, was es z.B. schwierig macht, ihn zum Auswechseln an die Box zu manövrieren. Im Mannschaftsspiel bewegt sich die Kamera nach Puckverlusten zudem so spät in die andere Richtung, dass in schnelle

Schnelles Teamplay: Trotz Schwächen stagniert die Serie zu ihrem Jubiläum auf sehr gutem Niveau.
Schnelles Teamplay: Trotz Schwächen stagniert die Serie zu ihrem Jubiläum auf sehr gutem Niveau.
Angreifer glatt aus dem Bild skaten. Nicht zuletzt fehlen erneut ausführliche Anleitungen und Übungen, die Einsteiger an die Feinheiten der Steuerung heranführen. In der Be-a-Pro-Karriere vermisse ich schließlich die taktischen Anweisungen meines Trainers, die ich im Mannschaftsspiel vorgeben kann.

Endlich online!

Eine wichtige Ergänzung erhält dafür das Hockey Ultimate Team, wo ich mithilfe von Sammelkarten eine Mannschaft aufbaue: Ähnlich wie in FIFA darf ich mein Team ab sofort in Onlinemeisterschaften führen und mit jedem Spiel um Punkte für die aktuelle Saison kämpfen. Ziel ist natürlich der Aufstieg in die nächsthöhere Division oder zumindest der Klassenerhalt. Schade, dass es diesen Ligamodus noch immer nicht für ein schnelles Spiel mit bekannten Mannschaften gibt – das Hockey Ultimate Team wertet die Ergänzung aber stark auf!

Nicht zuletzt darf ich in GM Connected zum ersten Mal in einem sechs Spieler großen Team online gegen eine menschliche oder vom Spiel gesteuerte Mannschaft antreten, wobei ich die Profis bewege, die auf einer bestimmten Position auflaufen. Vom Manager bis zum Onlineprofi deckt NHL 14 damit nahezu alle möglichen Spielvarianten ab.

Fazit

Allzu viel hat sich auf dem Eis gar nicht getan, aber die kleinen Änderungen haben es in sich! Aus den glaubwürdigen Kollisionen ergibt sich z.B. ein deutlich besserer Spielfluss, weil die Profis nicht mehr in der Bewegung innehalten – der fließende Übergang von Eis- zu Kampfsport stärkt die neue Dynamik. Dass Angreifer schnell zum gegnerischen Tor stürmen und auf Abpraller warten macht, das Spiel zudem schneller und taktischer, auch wenn die meisten Tore aus fast vorhersehbaren Situationen heraus fallen. Auch die neuen Onlinemeisterschaften im Ultimate Team sowie das Onlinespiel in GM Connected sind kleine Erweiterungen, die mir wichtig sind. Die Hommage an NHL 94 zum 20-jährigen Jubiläum empfinde ich allerdings als Enttäuschung, weil blaues Eis und eine Zwei-Knopf-Steuerung noch keine Zeitreise ausmachen. Vor allem ärgere ich mich aber über die Neuerung der Be-a-Pro-Karriere: Anstatt Schwachpunkte auszumerzen, inszeniert EA das groß angekündigte "Leben" meines Profis in trockenen Statistiktexten. Während der Hockey-Altmeister spielerisch also einen Schritt nach vorne macht, stagniert er insgesamt auf dem sehr guten Niveau des Vorjahres.

Pro

glaubwürdige Kollisionen bei Körperkontakt
fließende Bewegungsübergänge statt plötzlicher Stopps
Kämpfe ergeben sich sichtbar aus Spielsituationen
Mitspieler ziehen offensiv zum Tor, reagieren auf Abpraller
umfangreiche Karriere
Fehlpässe und Abseitsspiele bei Mitspielern und Gegnern
umfangreiche Steuerung mit vielen taktischen Möglichkeiten
leicht zugängliche Schlenzer erleichtern offensives Spiel
sinnvolle, komplett überarbeitete Steuerung in Kämpfen
Publikum jubelt und buht sicht- und hörbar
gutes Kommentatorenduo...
Interviews, Sponsorenverträge und mehr in Be-a-Pro-Karriere...
umfangreiche Einzel- und Teamkarrieren
Onlinesaisons in Hockey Ultimate Team
spielbare Höhepunkte der aktuellen und vergangenen Saison
etliche Spielvarianten on- und offline
zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten für Spielgefühl, Steuerung und Schwierigkeit

Kontra

Kamera nach Richtungswechseln oft nicht am Geschehen
Be a Pro: Spieler/Anspielstationen oft nicht sichtbar
auffällig viele Tore in bestimmten Situationen
müder, ausschließlich offline spielbarer '94-Modus
praktisch unveränderte Präsentation in Menü, bei Einläufen usw.
Kämpfe sehen immer gleich aus, keine großen Handgemenge
nur grundlegende Tutorials und Trainingsmöglichkeiten
keine taktischen Vorgaben in Be a Pro
träge Menüs, lange Ladezeiten
keine schnelle Teamkarriere ähnlich FIFAs Saisonmodus
... dessen viele bekannte Sprüche abgegriffen klingen
... die als reine Statistiktexte abgehandelt werden

Wertung

360

Glaubwürdige Kollisionen und dynamische Kämpfe sorgen für einen besseren Spielfluss. Das 20-jährige Jubiläum feiert EA aber zu verhalten.

PlayStation3

Glaubwürdige Kollisionen und dynamische Kämpfe sorgen für einen besseren Spielfluss. Das 20-jährige Jubiläum feiert EA aber zu verhalten.

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