Die Sims 428.11.2017, Mathias Oertel

Im Test: Ein Schritt vor, drei zurück

Dass ein Spiel mehr als drei Jahre nach seiner PC-Premiere auf Konsolen erscheint, ist eher ungewöhnlich. Doch was ist bei Electronic Arts’ Sims schon gewöhnlich? Über 16 Jahre ist es her, dass der erste Teil von Will Wrights Geniestreich für schlaflose Nächte unter PC-Spielern sorgte. Die trotz leichter Startschwierigkeiten ungebrochene Faszination, die sich auch in Die Sims 4 (ab 3,99€ bei kaufen) fortsetzte, soll nun auch Konsolenspieler begeistern. Mehr dazu im Test.

Die Erfahrung aus drei Jahren

Ja, es gibt sie: Swimming Pools, Geschirrspüler, Kleinkinder – auch wenn Letztere nicht nur auf "natürlichem" Wege ins Spiel finden, sondern auch adoptiert werden können. Und damit zeigt sich schon,  dass Electronic Arts für die Konsolenversionen von Die Sims 4 nicht auf die mehr als drei Jahre alte Ursprungsvariante am Rechner zurückgreift, sondern die weitgehend aktuell gepatchte Basis verwendet. Das heißt aber auch, dass keines der so genannten Accessoire- oder Erweiterungspakete integriert ist. Das ist aus mehreren Gründen bedauerlich: Zum einen, weil hier die Möglichkeit verpasst wurde, die Konsolenversion im Vergleich zum PC-Grundspiel aufzuwerten. Und zum anderen, weil die sechs schon jetzt im Hauptmenü vorgesehenen Plätze (mehr werden sicherlich nachgeliefert) bereits gefüllt werden können, wenn man das nötige Kleingeld investiert. Ja: Schon zum Start bietet Electronic Arts Erweiterungspakete an, mit denen man den Anschaffungspreis von 50 Euro für die Standardversion gut und gerne verdreifachen darf, um auf alle Inhalte Zugriff haben zu können. Es sei denn, man schnappt sich für etwa 50 Euro das „Sparpaket“ mit der Erweiterung „Großstadtleben“ (regulärer Preis: 39,99 Euro), der Gameplay-Erweiterung „Vampire“ (19,99 Euro) und Glamour-Accessoires (9,99 Euro).

Mit einer größeren Familie nimmt natürlich auch das Mikromanagement zu. Allerdings zeigt sich die KI-Autonomie trotz kleiner Aussetzer als kompetent.
Dabei geht es mir nicht um die grundsätzliche Add-On-Politik, die zu den Sims gehört wie der Fuß zum Ball und die am PC seit 2001 praktiziert wird. Doch dies gleich zur Veröffentlichung anzubieten, anstatt das Grundprogramm mit weiteren Inhalten auszustatten, geht für mich einen Schritt zu weit und überdreht die Schraube der Gewinnmaximierung. Obwohl dies natürlich zu einem Jahr passt, in dem man bei Need for Speed Payback und vor allem Star Wars Battlefront 2 mit den Mikrotransaktionen bzw. Beutekisten unnötige Nebenkriegssschauplätze öffnete, die von der Qualität der Spiele ablenkte. Denn dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass alle PC-Spieler, die keine Add-Ons wollten, zwar auf die mechanischen Erweiterungen verzichten mussten, aber immerhin in der Community-Börse zahllose Inhalte herunterladen und in ihre Spielwelt integrieren konnten. Auf Konsolen hat man diese Option nicht – was nicht nur wegen der Preisgestaltung und Erweiterungs-Politik irritiert, sondern weil z.B. Bethesda mit der Skyrim Special Edition sowie Fallout 4 gezeigt hat, dass auch an Konsolen der Austausch von Community-Inhalten möglich ist.

Spannende Seifenoper

Dabei bietet Die Sims 4 natürlich auch auf Konsolen ohne irgendwelche Erweiterungen einen hohen Unterhaltungswert mit einer enormen Langzeitmotivation. Nachdem man im potenten, aber nicht immer einfach zu bedienenden Editor seine(n) Sim(s) erstellt  hat, kann man sich in drei idyllischen Kleinstädten (zwei weitere gibt es nur mit Add-Ons, werden aber bereits zum Kauf lockend angezeigt) ein Domizil suchen oder baut sich mit ebenfalls mächtigen Gebäude-Werkzeugen sein Traumhaus. Und alleine mit dem Erstellen von Figuren oder Immobilien kann man eine Menge Zeit verbringen.

Diese Party-Bar gibt es in der Deluxe Edition. Man kann sie aber auch zusätzlich im "Deluxe Party Edition Upgrade" erwerben, dass wie vier andere Mini- bzw. ausgewachsene Erweiterungen mit Preisen zwischen 9,99 Euro un 39,99 Euro gleich zum Start weg verfügbar ist.
Wobei die fehlende Community-Anbindung natürlich einen Motivationsbaustein vermissen lässt, der dafür sorgte, dass man sich doch vielleicht etwas länger mit den Editoren beschäftigt, um die Villa von Tony Soprano oder das Playboy-Mansion bzw. akkurate virtuelle Versionen von Angelina Jolie, Johnny Depp oder Chris Hemsworth zu erstellen. Wieso sollte man sich zusätzlich anstrengen, wenn man es ohnehin nicht mit anderen Spielern teilen kann – außer, um das eigene (Alter) Ego zufrieden zu stellen?

Ungeachtet dessen haben sich die Qualitäten der Sims-Serie auch mit der Konsolenversion von Teil 4 schadlos gehalten. Es macht nach wie vor richtig Spaß, sich mit diesem „Zeitmanagement-Spiel Deluxe“ zu beschäftigen. Bedingt durch einige Änderungen von Teil 3 zu Teil 4 und damit auch auf den Konsolen, stehen die körperlichen Bedürfnisse nicht mehr derart im Fokus wie zuvor, zumal die mittlerweile recht potent agierende (aber auch abschaltbare) Autonomie-KI in entscheidenden Punkten bzw. wenn man einfach nur zuschauen möchte, rechtzeitig eingreift. Stattdessen geht es verstärkt um die Interaktionsmöglichkeiten mit Umgebung und natürlich anderen Sims, die allesamt mit unterschiedlichen Wünschen, Bedürfnissen, Vorlieben und Abneigungen ausgestattet wurden, die in überzeugenden, wenngleich Sims-typisch immer etwas überzogenen Emotionen und Handlungen gipfeln. Dass dies immer wieder zu mitunter absurden, dann wiederum herzerwärmenden oder gar dramatischen Situationen führt, ist eine der auch hier ungebrochenen Traditionen der Serie. Mal ist man nur interessierter Zuschauer, dann wiederum liebenswerter, experimentierfreudiger oder einfach nur schadenfroher Regisseur, wenn man die Handlungen seiner Sims aneinanderreiht und voller Spannung beobachtet, wie sie mit sich, ihrer Umgebung und natürlich anderen Figuren umgehen oder Situationen zu meistern versuchen, in die man sie gewollt oder unbewusst manövriert hat.

Der Charme ist da

In diesen Momenten wird nicht nur die Grundfaszination deutlich, die der Serie seit dem allerersten Teil am PC innewohnte und die in dieser Klasse so dicht am Rechnervorbild noch nicht auf Konsolen zu spüren war. Die „Wohnzimmer-Versionen“ der Teile 2 und 3, die auf den Konsolen der letzten bzw. vorletzten Generationen erschienen, bemühten sich, ein eigenes Flair zu erzeugen, das allerdings nie wirklich an das PC-Spielgefühl heranreichte. Gleichzeitig spürt man, wie Die Sims seinerzeit und immer noch der Gesellschaft einen amüsanten Spiegel vorhalten und mit ihren karikierenden Aktionen sowie der überbordenden Mimik bzw. Gestik das Leben zu einer Kunstform erheben, die in der Kunstsprache „Simlisch“ gipfelt. Nach einigen Stunden mit den Sims hat man beinahe das Gefühl, die Figuren auch ohne die mit Symbolen versehenen Sprechblasen verstehen zu können. Die interaktive Seifenoper ist immer noch so charmant wie eh und je. Auch wenn die offene Welt des dritten Teils fehlt, die seinerzeit auf Konsolen nicht in dieser Form möglich war und nun den überschaubaren Kleinstädten mit ihren überschaubaren Parzellen wich, zwischen denen man hin- und herchauffiert wird. Und ähnlich wie seinerzeit am PC vermisse ich diese Option zur sozialen Interaktion nur eingeschränkt. Denn ob man nun zu Fuß durch eine offene Welt zum Fitnesscenter oder der Bibliothek gelangt oder per Reise-Teleport, ist beinahe egal – nur die Möglichkeit, spontane Bekanntschaften auf dem Weg zu machen, fehlt aus mechanischer Sicht. Dass man kein Gefühl für die Größe der Spielwelt bekommt, steht auf einem anderen Blatt, beeinflusst aber das von Emotionen oder Bedürfnissen bestimmte Treiben nur unwesentlich.

Um es bis zu einer Hochzeit zu schaffen, muss man die betreffenden Sims immer wieder anleiten. Man kann natürlich auch versuchen, jetzt für einen Eklat zu sorgen. Der Spieler ist der Regisseur dieser im Kern hoch motivierenden Seifenoper.
Problematischer gestaltet sich die Steuerung. Wurden die bisherigen Konsolensims hinsichtlich der Steuerung an Pads angepasst, was sich auch in einer mehr oder weniger direkten Steuerung der Figuren manifestieren konnte, versucht man hier, die PC-Steuerung und –Benutzerführung über das Pad wiederzugeben. Zumindest hinsichtlich der Benutzerführung funktioniert dies. Man kann über einen Tastendruck zwischen den Menüs und dem Cursor wechseln, so dass zumindest das genaue Platzieren per Stick auf den am Bildschirmrand aufgereihten Menüpunkten als Störfaktor keine Rolle spielt. Doch im Live-Betrieb ist eine akkurate Auswahl von Gegenständen oder Personen, um Interaktionen zu beginnen, mitunter eine Tortur – umso mehr, je weiter man mit der Kamera entfernt ist. Im Großen und Ganzen kann man sich daran gewöhnen. Doch wenn man Gast einer Party ist oder diese selbst veranstaltet, passiert es immer wieder, dass man sich durchwurschteln muss, bis man den gewünschten Gesprächspartner findet – hier ist die punktgenaue Maussteuerung des PCs schlichtweg nicht an der Konsole emulierbar. Auch im Baumodus kann das genaue Platzieren von Wänden, Farben oder Tapeten mitunter mit Problemen einhergehen. Darunter ist zwar nichts, was man nicht mit etwas Geduld und Routine lösen kann, doch störend ist dies dennoch. Insbesondere da dadurch der flüssige Spielablauf gestört werden kann.

Geduld oder Dummheit?

Wenigstens sind die Pausen im Allgemeinen geringer ausgefallen, die sich die Sims zwischen Aktionen seinerzeit bei der PC-Premiere genommen haben. Zumeist wird die Liste zügig abgearbeitet, sobald sich die Gelegenheit bietet und z.B. das Gespräch oder Essen beendet wurde. Dennoch trifft man auch auf PS4 und One auf Momente, in denen man unschlüssig ist, wieso der nächste in der Liste aufgereihte Befehl nicht ausgeführt wird und die Figur aktions- und emotionslos in der Gegend herumsteht. Das kann übrigens auch im Rahmen der autonomen Versorgung passieren. Über einen Großteil der Zeit

Die Steuerung ist nicht optimal aufs Pad gebracht worden. Sowohl im "normalen" Betrieb als auch beim Bau gibt es Probleme.
kümmert sich der Sim ordentlich um seine Bedürfnisse. Aber man darf sich auch nicht wundern, wenn er mal eine Minute (Echtzeit) vor einer Wand steht und absolut nichts macht. Dann wiederum kann es Probleme mit internen Priorisierungen geben.

Zwar wachen die Sims nachts auf, wenn man vergessen hat, sie vor dem „Ab-ins-Bett“-Befehl aufs Klo zu schicken und holen dies nach, nachdem sie mit zusammengekniffenen Beinen ins Bad geschlurft sind. Doch sowohl Essen als auch Notdurft werden im Rahmen der Autonomie als erstes vernachlässigt, wenn sich die Figuren um emotionale Bedürfnisse wie Musizieren, Fernsehen oder Gespräche mit anderen Charakteren kümmern. Dennoch wurde das nötige Mikromanagement, das bei einer größeren Familie durchaus stressig werden kann, angenehm reduziert, so dass man sich auf das Zuschauen, die Verbesserung von Talenten und Fähigkeiten oder (bei bösen Regisseuren) das Herbeiführen von dramatischen Situationen konzentrieren kann. Denn im Zweifelsfall erledigen die Sims ihre körperlichen Grundbedürfnisse auch am Arbeitsplatz, den man nach wie vor nicht begleitend erlebt, sondern sich in diesem Zeitraum entweder mit den anderen Familienmitgliedern beschäftigt oder den Zeitraffer bestaunen darf.

Fazit

Muss man den Sims-Freunden auf Konsole gleich zum Start das Gefühl geben, ein unvollständiges Spiel erworben zu haben? Man bezahlt 50 Euro für die Basisversion, nur um schon im Hauptmenü mit der Nase auf die ersten bereits erhältlichen Erweiterungen gestoßen zu werden. Das hätte man gerade bei dieser Premiere eleganter und kundenfreundlicher lösen können. Immerhin hat die auf der PC-Version basierende Seifenoper rund um Emotionen, Bedürfnisse und absurde Situationen auch auf PS4 und One unter dem Strich genug zu bieten, um langfristig zu motivieren - schließlich wurden auch alle inhaltlichen Updates der PC-Patches integriert. Trotzdem gibt es nach wie vor kleine Mankos sowie Aussetzer innerhalb der Autonomie-KI, außerdem hinterlässt die Steuerung per Gamepad einen trägen sowie unoptimierten Eindruck. Die Sims 4 macht im Kern immer noch richtig Spaß – zumal kein Sims auf Konsolen bislang so nah an der Tiefe des PC-Originals war. Doch der Fokus, den EA in diesem Herbst bei allen Titeln auf Gewinnmaximierung anstatt auf inhaltliche oder mechanische Qualität legt, hinterlässt mal wieder einen faden Beigeschmack.

Pro

mächtiger, einfach zu bedienender Immobilieneditor
umfangreicher Figuren-Generator...
Emotions-System sorgt für Interaktion und Tiefgang
verbesserte Selbstständigkeit der Sims
übersichtliche Benutzerführung
zehn Berufspfade, haufenweise Klamotten und Mobiliar zur Personalisierung
soziale und Welt-Interaktionen rücken statt Bedürfnisbefriedigung in den Vordergrund
Sims können kontextabhängig mehrere Aktionen gleichzeitig ausführen
farbenfrohe, lebendige Kulisse
aufwändige Mimik und natürliche, wenngleich häufig überzogene Animationen
gelungenes Zusammenspiel von emotionaler Aktion und Reaktion
witzige Sitcom mit dem Spieler als Regisseur
viele Annehmlichkeiten sorgen für Fokus auf die Sims-Beziehungen und Wünsche

Kontra

Inhaltsverknappung durch bereits zum Release erhältliche Add-Ons
... der im Detail aber frickelig zu bedienen ist
keine Community-Inhalte auf Konsolen
Autonomie manchmal mit Aussetzern
sehr kleine Gebiete
Ladezeiten beim Betreten neuer Areale
gelegentlich Schwierigkeiten bei der Wegfindung
Sims können nicht zur Arbeit begleitet werden
trotz Optimierung weiterhin Pausen zwischen Aktionen möglich
grafisch nicht immer sauber (Clipping, mitunter hässliche Levelgrenzen)
Pad-Steuerung nicht optimiert

Wertung

PlayStation4

Inhaltlich bietet Die Sims 4 ein rundes sowie motivierendes Gesamtpaket. Doch die Add-On-Politik und die häufig unrunde Steuerung hinterlassen Sorgenfalten.

XboxOne

Inhaltlich bietet Die Sims 4 ein rundes sowie motivierendes Gesamtpaket. Doch die Add-On-Politik und die häufig unrunde Steuerung hinterlassen Sorgenfalten.

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