PS-Spielplatz Amerika
Nach etwas weniger als 25 Stunden war es soweit: Ich habe in der Rolle des PS-Junkies und "Lenkrad-Wunderkinds" Alex Taylor den Tod meines Bruders Dayton gerächt - und damit gleichzeitig die fünf Jahre Knast, die ich wegen eines korrupten FBI-Agenten aufgebrummt bekam. Ich habe dabei die gesamten USA kennen gelernt, von Ost nach West, von Nord nach Süd. Ich habe meine Runden in Detroit gedreht und habe in Chicago, New York oder Miami die 5-10s, eine Auto-Gang, die mein Bruder geleitet hat, wieder auf Vordermann gebracht. Ich habe in Las Vegas, Nashville, San Francisco und Los Angeles Gummi auf den Asphalt gebrannt, während ich ständig neue Teile für meine Fahrzeuge gesammelt und eine Crew an zuverlässigen und vertrauenswürdigen Kumpanen zusammen gestellt habe. Und obwohl ich mittlerweile den Maximallevel 50 erreicht habe, gibt es noch zahlreiche blinde Flecken auf der stufenweise zoombaren Karte der Vereinigten Staaten von Amerika. Zig weitere Stunden in der gut 5000 Quadratkilometer großen sowie mit tausenden Straßenkilometern bepflasterten Welt warten auf mich. The Crew ist ein Monster.
Die Spielwelt ist riesig: Es warten über 5000 Quadratkilometer komprimierte USA auf ihre Erkundung.
Das Team von Ivory Tower setzt sich aus einer Reihe von Rennspiel-Veteranen zusammen, die als Eden Studio bereits Titel wie die V-Rally-Serie oder Test Drive Unlimited 1 und 2 veröffentlicht haben. Und die Erfahrung, die sie vor allem mit den Letztgenannten hinsichtlich offener Rennspiel-Welten gesammelt haben, zahlt sich hier aus. Im Vergleich zum deutlich größeren, aber erschreckend leeren Motor-Rummelplatz Fuel haben sie das komprimierte Amerika gut gefüllt. Man hat fast 70 Story-Missionen zu bewältigen und darf hunderte Fähigkeitsprüfungen in neun Kategorien ablegen, für die man je nach Ergebnis neue Verbesserungen für seinen Fuhrpark erhält. Es gibt über 200 Sehenswürdigkeiten, man kann Bauteile für "geheime" Fahrzeuge finden, darf sich an Missionen probieren, die mit den fünf übergeordneten Fraktionen der 5-10s zusammenhängen und einiges mehr. Bleifüße mit Entdeckerdrang oder dem Hang zum Jagen und Sammeln finden hier viel Stoff vor. Eines jedoch hätte man sich sparen oder zumindest anders lösen dürfen: Die Satellitenantennen, die so eindeutig wie kein anderes Element dem Griff in den Open-World-Baukasten von Ubisoft entstammen. Sie sind das Gegenstück zu den Türmen, die man in Assassin’s Creed oder den letzten Far-Cry-Titeln erklimmt. Einmal gefunden, wird die Gegend um die Schüssel aufgedeckt und eine Kamerafahrt gibt einem Hinweise auf visuelle Höhepunkte des Gebiets.
The Fast and the (Online-)Crew
Ab Level 50 kann man alle Herausforderungen und Missionen auch mit Platin-Auszeichnung und besonderen Belohnungen bestehen.
Und wo wir gerade dabei sind: Was soll der Online-Modus in dieser Form? Wieso "always on"? Nicht nur, dass mir beim initialen Laden auf der Karte der USA die Spieler-Bilder angezeigt werden, die in diesem Moment mit mir in einer Session durch Amerika rasen. Selbst beim Cruisen flirren immer wieder Symbole auf den Bildschirm, die mir anzeigen, wer gerade in meiner Nähe oder wie weit er entfernt ist. Das ist mir zu penetrant. Zwar finde ich es gut, dass man die Story- und Fraktionsmissionen mit bis zu vier Fahrern in Angriff nehmen darf, so dass man im Zweifelsfall "um Hilfe rufen" und Unterstützung anfragen kann - oder natürlich, wenn man mit seinen Freunden durch die Staaten rasen möchte. Doch eigentlich lässt sich die gesamte Story auch solo bewältigen. Bei zwei Missionstypen, die glücklicherweise nicht allzu häufig vorkommen, ist jede Hilfe zwar eine ordentliche Frustminimierung, doch letztlich geht es auch ohne. Darüber hinaus gibt es Balancing-Probleme. So kann man in der Anfangsphase bereits Hilfe von hochstufigen Spielern bekommen, für deren hochgezüchtete Karren die meisten Aufgaben natürlich superleicht sind. Andererseits gab es auf meine Anfragen häufig keine Antwort und auch ich habe mich ab und zu geweigert, mit meinem Auto, das einen hohen Leistungsindex besitzt (möglich sind 1 bis 1200+), Anfängern unter die Arme zu greifen. Hier wäre es sinnvoller gewesen, eine Abfrage einzubauen, so dass ad hoc zusammengewürfelte Crews in etwa den gleichen Fahrzeugindex haben, so dass der Spaß und die Belohnungen für alle weitgehend identisch sind.
Die Satelliten-Antennen sind das Gegenstück zu den Türmen aus Far Cry oder Asssassin's Creed - ein klares Versatzstück aus Ubisofts Standard-Open-World-Baukasten.
Und die anderen Online-Features? Die bestehen aus üblichen Wettbewerben, die man entweder für eine Rangliste oder nur zum Spaß, öffentlich oder privat starten kann. Doch sowohl die Duelle zu viert (Jeder-gegen-Jeden) als auch die Crew- bzw. Fraktions-Auseinandersetzungen (Vier-gegen-Vier) hätte man auch losgelöst von der "Solo"-Karte anbieten können – so, wie es z.B. Assassin's Creed Unity vorgemacht hat. In dieser Form wirkt es auf mich, als ob es am Anfang ein interessantes Konzept gab, das On- und Offline-Welt nahtlos miteinander verknüpfen sollte. Dann wurden die Online-Komponenten Stück für Stück zurückgefahren, bis der jetzt verfügbare Rest übrig blieb. Doch dieser "Rest" wirkt wie auf ein Einzelspieler-Erlebnis getackert und ergibt so weniger Sinn als in Driveclub. Zumal es auch nicht dem Gedanken des MMO-Rennspiels entspricht: Schaut man sich einschlägige Online-Rollenspiele an (auf die das Wortspiel "CaRPG" verweist), konzentriert man sich als Spieler auf eine Klasse und versucht, diese so gut wie möglich auszufüllen – das hat übrigens auch das leider wenig erfolgreiche Auto Assault von NCsoft schon besser beherzigt. Hier hingegen kann jeder eigentlich alles, die Aufgaben laufen auf kompetitive Standard-Kost hinaus, so dass sowohl die Crew-Mitglieder als auch letztlich deren Karossen austauschbar wirken. Wer den heißesten Schlitten hat, ist meist der Star. Nee, danke. Ich spiel The Crew in erster Linie "solo". Zwar kann ich mit dieser Einstellung bei der freien Erforschung auch nicht den Vollpfosten aus dem Weg gehen, die nur darauf aus sind, das Spiel der anderen zu (zer-)stören und die trotz polizeilicher Überwachung als Geisterfahrer und Bremsblöcke versuchen, die Geschicklichkeitsprüfungen anderer zu behindern. Doch in den Missionen habe ich meine Ruhe. Das scheinen in dieser Form bislang relativ viele Spieler zu beherzigen. In der gesamten Testwoche ist es nur wenige Male gelungen, genug Fahrer für ein PvP-Fraktionsrennen zusammen zu trommeln - die teils dann aber in der Lobby wegen Sync-Problemen wieder gegangen sind oder rausgeschmissen wurden. Und damit scheint das Konzept des Online-Rennspiels auch aus technischer Sicht auf verlorenem Posten zu stehen. Denn auch während der Rennen hat man nicht nur mit den aggressiv fahrenden Gegnern, sondern zusätzlich mit Lags zu kämpfen, die dafür sorgen können, dass die Fahrzeuge der anderen wie wild auf der Fahrbahn hin und her springen. Und das gilt sowohl für Duelle von zwei Vierer-Teams als auch bei den reduzierten Jeder-gegen-Jeden-Jagden mit einem Spieler-Quartett.