Rocksmith 201423.10.2013, Mathias Oertel
Rocksmith 2014

Im Test:

Die Zeit der Musikspiele schien mit dem Ende von Rock Band und Guitar Hero sowie dem Einmotten der Plastikklampfen vorbei zu sein. Doch stattdessen setzte Ubisoft auf den Einsatz echter Sechssaiter und veröffentlichte mit Rocksmith einen ambitionierten Mix aus interaktivem Gitarrenlehrer und Rhythmus-Unterhaltung. Die Fortsetzung soll das Prinzip auf eine neue Stufe hieven.

Technik 2.0

Je nach Herangehensweise konnte man Rocksmith bei seiner Veröffentlichung im letzten Jahr wegen einiger teils kleiner, teils schwerwiegender Mankos schelten, doch in einem Punkt gab es keine Zweifel: Die Technik, mit der die Töne einer E- bzw. halbakustischen Gitarre oder eines Basses über das "Real-Tone-Kabel" abgegriffen und von dem Spiel erkannt sowie weiterverarbeitet wurden, war klasse. Je nach Konfiguration aus Fernseher und Soundanlage musste man zwar unter Umständen mit Lags leben, doch im Wesentlichen konnte die technische Seite überzeugen.

Das ist in Rocksmith 2014 (ab 18,89€ bei kaufen) immer noch der Fall. Es wurde sogar optimiert, um das Lag zu minimieren. Je nachdem, was für einen Bildschirm man benutzt und wie man den Sound ausgeben lässt, kann es zwar weiterhin zu einer minimalen Verzögerung zwischen dem Anschlag der Saite und der Ausgabe des Tons kommen. Doch beim Üben und Nachspielen der über 50 Songs spielt das hinsichtlich der Erkennung nahezu keine Rolle mehr - vor allem, wenn man einen kleinen Trick beachtet: Achtet man nur auf die ausgespielte Musik und schlägt die erforderlichen Saiten und Akkorde im entsprechenden Takt anstatt sich auf die visuellen Signale zu konzentrieren, die durchaus leicht asynchron zum Ton abgebildet werden können und dann zu Fehlern führen, arbeitet die Technik sehr akkurat.

Die Darstellung der "Noten-Autobahn" ist gewöhnungsbedürftig.
Die Darstellung der "Noten-Autobahn" ist gewöhnungsbedürftig.
Um diese Fehlerquelle so gut wie möglich ausschließen zu können, kann man natürlich den Ton separat ausgeben lassen oder in den Optionen die Verzögerung manuell zu optimieren. Leider gibt es keine Möglichkeit wie seinerzeit bei Rockband, die Diskrepanz zwischen Bild und Ton vom Spiel ermitteln zu lassen. So ist man auf Trial-&-Error angewiesen, bis man seine optimale Einstellung gefunden hat.

Spaß statt Karriere

An der Grundprämisse hat sich ebenfalls nichts geändert: Rocksmith ist und bleibt eine Mischung aus virtuellem Gitarrenlehrer und Spiel, wurde aber auch hier in jeder Hinsicht optimiert und hinsichtlich des Spielflusses harmonischer gestaltet. So muss man z.B. nur noch beim Spielstart einmal die Gitarrenstimmung abgleichen, anstatt wie bislang vor jedem „Gig“ oder einer Session im Probenraum. Natürlich hilft Rocksmith 2014 einem auch, die Klampfe umzustimmen, wenn ein Song eine andere Grundstimmung erfordert oder gibt einem die Option, jederzeit auf den Tuner zuzugreifen, um die Saiten zu überprüfen. Eine Karriere im eigentlichen Sinne ist ganz rausgefallen – was ich nicht bedaure, da sie im Vorgänger schwach inszeniert wurde und nur ein Pseudo-Vorwand war, um einen durch die Songs zu lotsen.

Stattdessen sucht man sich einen Weg aus (Lead- oder Rhythmus-Gitarre, Bass – ein Wechsel ist immer möglich) entscheidet sich für einen der gut ausgewählten Songs, die ein breites Spektrum an Genre, Epoche und Schwierigkeitsgrad abdecken und legt los. Zwar stelle ich mir ab und an die Frage, wieso man von einem bestimmten Künstler ausgerechnet dieses statt jenem Lied ausgewählt hat.

In der Guitarcade warten elf Minigames, mit denen man neue Techniken spielerisch erlernt.
In der Guitarcade warten elf Minigames, mit denen man neue Techniken spielerisch erlernt.
Doch unter dem Strich kann sich die Auswahl hören lassen. Es geht los bei simplen Akkord-Songs (Bob Dylan – Knockin' on Heaven's Door, Tom Petty – Mary Jane's Last Dance) über Classic Rock von Queen (We are the Champions) oder den Rolling Stones (Paint it Black) bis hin zu bekannten Riffs (Aerosmith - Walk this Way). Und natürlich finden sich auch Metal-Songs von Iron Maiden bis Pantera, von Mastodon bis Rise Against, die einen bis zum letzten Ton fordern. Wem das nicht reicht, kann auch auf die Download-Bibliothek des Vorgängers zurückgreifen und sogar die Songs der ersten Disc importieren. Der Import schlägt allerdings mit etwa zehn Euro zu Buche und ist nicht ganz vollständig - nach ursprünglich über einem Dutzend fehlenden Songs des ersten Rocksmith sind es mittlerweile nur noch fünf Tracks, die außen vor  bleiben, der Rest wird hervorragend an die neuen Techniken und Optionen angepasst.

Egal ob Anfänger oder Fortgeschrittener: An die Darstellung der zu spielenden Saiten muss man sich nach wie vor gewöhnen - vor allem nach einer längeren Pause oder wenn man bislang hauptsächlich anhand von Tabs oder mit der Band gespielt hat. Zwar unter dem Strich logisch aufgebaut, aber nur eingeschränkt intuitiv, braucht man ein paar Minuten, bis man die Zahlen (entsprechen Bünden), Farben (Saiten) sowie nochmals Zahlen (als Anzeige, welche Finger man nutzen sollte) soweit differenzieren kann, dass die Anzeige Sinn ergibt. Insofern ist es begrüßenswert, dass man am Anfang seiner Rocksmith-2014-Laufbahn quasi bei Null anfängt.

Lila ist das Ziel: Diese Bereiche hat man zu 100 Prozent gemeistert.
Lila ist das Ziel: Diese Bereiche hat man zu 100 Prozent gemeistert.
In den ersten Anläufen werden nur minimale Kenntnisse abgefragt - mitunter muss man nur ein oder zwei Noten bzw. Akkorde pro Takt spielen. Doch der sich dynamisch anpassende Schwierigkeitsgrad greift ebenso schnell wie die aus einem breit gefächerten Pool stammenden "Missionen" - wobei dieser Begriff häufig irreführend ist. Denn darunter finden sich nicht nur Aufgaben wie "Schaffe eine Kombo von X Noten", sondern auch z.B."Schlage im Akkordbuch E5 nach"; vor allem, wenn das Spiel feststellt, dass man im letzten Song Schwierigkeiten damit hatte. Während die Dynamik beim Hochschalten der Schwierigkeit gut funktioniert, hapert es nach unten immer noch. Im Vergleich zum Vorgänger wurde dieses Problem zwar deutlich reduziert. Aber mitunter passiert es, dass man auf eine Passage stößt, die man partout nicht bewältigt, Rocksmith sich aber ebenso beharrlich weigert, einem die nächstleichtere Stufe zur Verfügung zu stellen. Dafür jedoch stellt sich das Spiel auf den allgemein wachsenden Fähigkeitsstatus ein: Hat man ein paar Songs hinter sich gebracht, beginnt man bei neuen Liedern in etwa auf dem Durchschnittslevel, den man bislang erreicht hat.

Spielerischer Gitarrenlehrer 2.0

Die eigentliche Stärke von Rocksmith ist das leichtfüßige Erlernen von Gitarren-Fähigkeiten, die mit ihrem praxisorientieren, verspielten Ansatz und den virtuellen Verknüpfungsmöglichkeiten weit über das hinausgeht, was ein Gitarrenlehrer zu leisten imstande ist. Wobei ich weder die Leistungen dieser Berufsgruppe schmälern noch ihre Daseinsberechtigung in Frage stellen möchte - ganz im Gegenteil. Um dem Gitarren-Gott in spe die richtige Haltung einzuimpfen oder mit ihm die ersten Rhythmus-Schritte zu gehen, ist das in dieser Hinsicht feedbackfreie Rocksmith weiterhin ungeeignet. Doch sobald Grundkenntnisse vorhanden sind, spielt die Verknüpfung aller Elemente ihre ganze Stärke aus. Die elf an 16-Bit-Retro-Titel angelehnten Minispiele locken einen mit ungezwungener Unterhaltung und bringen einem quasi "nebenbei" Skalenläufe, Power-Akkorde und viele andere nötige Techniken bei.

Videosequenzen werden mit praktischen Übungen zu Unterrichtsstunden vermengt.
Videosequenzen werden mit praktischen Übungen zu Unterrichtsstunden vermengt.
Wenn man sie schon beherrscht, sind diese Nebenaktivitäten, zu denen auch eine Autoverfolgungsjagd gehört, bei dem man das Fahrzeug über die korrekten Noten einer Skala an den Hindernissen vorbeiführt, eine gute Auffrisch-Übung. Besonders zu gefallen wussten auch die Akkord-Shooter, die sich an Spielen wie House of the Dead oder Rebel Assault orientieren.

Dazu gesellen sich interaktive "Stunden", die teils mit Videos verknüpft werden, damit man dort auch die letzten Feinheiten sehen und versuchen kann, sie sich im praktischen Betrieb anzueignen. Man hat nahezu von überall Zugriff auf Akkord-Tabellen. In den Songs kann man den "Riff Repater" verwenden, um sich eine Taktschleife zurechtzuschneiden, die immer und immer wieder abgespult wird. Natürlich darf man die Geschwindigkeit verlangsamen, damit die Sololäufe, Licks und Riffs in das motorische Gedächtnis eingebrannt werden können.  Zu guter Letzt kann man den so genannten "Session-Modus" aktivieren.

Rhythmus-"Spiel" 2.0

Dahinter versteckt sich eine virtuelle Band, deren vierköpfige Zusammensetzung man aus einem breit gefächerten Spektrum von  Presets auswählen oder aus über 70 Instrumenten nach eigenem Geschmack zusammenstellen kann. Dann entscheidet man sich für eine Skala von pentatonisch über chromatrisch bis hin zu mixolydisch, legt die Geschwindigkeit fest, in der der Song gespielt wird, entscheidet, wie viel kreativen Freiraum sich die KI-Musikanten genehmigen dürfen und legt los. Um einem die ersten Schritte zu erleichtern, wird nicht nur die Skala per se über das Griffbrett gelegt, sondern auch angezeigt, welche Note man als nächstes Spielen könnte, um eine saubere Melodie zu erzeugen.

Ohne teures Equipment an Sounds herumschrauben: Der Editor in Rocksmith 2014 macht es möglich.
Ohne teures Equipment an Sounds herumschrauben: Der Editor in Rocksmith 2014 macht es möglich.
Nach den ersten Noten (oder Akkorden) setzt die Band ein und versucht, sowohl hinsichtlich Intensität oder Geschwindigkeit als auch Abwechslung mit einem mitzuhalten. Dementsprechend spielt sie lauter oder der Drummer drischt auf sein Kit ein, als ob es kein Morgen gäbe, wenn man selber härter anschlägt und zu einem Crescendo ansetzt. Im Gegenzug passen sich die virtuellen Musikanten auch an, wenn man leiser oder langsamer wird.

Für jemanden, der nicht die Möglichkeit hat, sich mit seinen Kumpels in einen Proberaum zurückzuziehen, ist der Session-Modus ein interessanter, wenngleich nicht vollwertiger Ersatz - auch wenn man hier im Zweifelsfall zu zweit in die Saiten greifen kann. Allerdings sollte schon ein Hang zum Lead-Gitarristen oder zum Bassspiel vorhanden sein. Versucht man sich als Rhythmus-Klampfer, gibt die Band zu schnell auf. Zudem hat sie generell einen Hang, schneller zu werden. Zwar kann man über das Pad bzw. Sprachkommando per Kinect versuchen, die Jungs im Zaum zu halten und wieder einzupegeln, doch im Zweifel dauert es nicht lang, bis sie wieder schneller werden. Natürlich liegt es auch an der Art und Weise, wie man spielt, doch hier hätte eine stärkere KI-Autonomie geholfen. Dennoch ist der Session-Modus eine prinzipiell fantastische Idee, die in dieser Form im nächsten Teil durchaus ausgebaut werden dürfte - z.B. in Form von Songs, die man von der Festplatte einspielen kann und auf die sich die Rhythmus-KI einstellt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es in Rocksmith 2014 auch wieder die Option gibt, sich über eine breite Auswahl an (teils freizuspielenden) Verstärkern und Effektgeräten seine eigenen Sounds zu zimmern und diese z.B. für seine Gitarre im Session-Modus einzusetzen.

Fazit

Mit dem ersten Rocksmith hat Ubisoft die Tür für eine neue Form des Rhythmus-Spiels geöffnet, das nicht nur Spaßmacher, sondern auch gleichzeitig Lehrer ist. Dieses Jahr geht man diesen Weg konsequent weiter, tritt die Tür quasi ein und liefert ein in jeder Hinsicht verbessertes Erlebnis ab. Zwar kann man wegen des nicht in jedem Bereich möglichen direkten Feedbacks den Gitarrenlehrer nicht komplett ersetzen, so dass Anfänger das Potenzial von Rocksmith 2014 nicht ganz ausschöpfen können. Doch schon mit Grundkenntnissen betritt man eine musikalische Welt, in der einem nur durch den eigenen Enthusiasmus und den Willen eine Grenze gesetzt wird, sich in Riffs und Sololäufe zu verbeißen. Die Songauswahl ist breiter gefächert als im Vorläufer und deckt von ultraleicht über hammerhart bis fast unmöglich alles ab. Die Minispiele im Retro-Look, der Session-Modus, der dynamische Schwierigkeitsgrad, der nach unten allerdings weiterhin unsensibler reagiert als nach oben, die mit Videos und praktischen Übungen unterstützen Gitarrenstunden: Alles greift sehr gut ineinander. Zwar gibt es auch dieses Jahr noch Schönheitsfehler wie das zwar stark verbesserte, aber immer noch unter bestimmten Konfigurationen auftretende Lag oder den kostenpflichtigen sowie leicht unvollständigen Import der Vorgängertracks. Dennoch ist Rocksmith 2014 eine klare Empfehlung für alle, die eine Gelegenheit suchen, ihre Gitarren- bzw. Basskenntnisse mit spielerischer Leichtigkeit aufzufrischen oder auszubauen.

Pro

akustische Lags minimiert...
gute Songauswahl aus zahlreichen Epochen und Schwierigkeitsgraden
Songs des Vorgängers können importiert werden...
coole Minispiele mit Retro-Feeling
umfangreiche, praxisverbundene Videos und "Lehrstunden"œ
Schwierigkeitsgrad passt sich dynamisch den Fähigkeiten an
dynamisch ausgewählte „Mini-Missionen“
übersichtliche Präsentation
cooler Session-Modus mit haufenweise Optionen und dynamisch reagierender KI-Band
eigene Sounds über virtuelle Verstärker und Effektgeräte erstellbar
Sprachkommandos erleichtern Navigation (Kinect)

Kontra

... aber je nach TV immer noch spürbar
als interaktiver Gitarrenlehrer wegen mitunter fehlenden Feedbacks nur eingeschränkt nützlich
... allerdings nur kostenpflichtig (ca. 10 Euro) und nicht komplett (fünf Songs fehlen)
Session-Modus für Rhythmus-Gitarre sehr sperrig
Skalieren des Schwierigkeitsgrades nach unten immer noch nicht optimal

Wertung

360

Überzeugende Weiterentwicklung der Mischung aus Rhythmusspiel und virtuellem Gitarrenlehrer.

PlayStation3

Überzeugende Weiterentwicklung der Mischung aus Rhythmusspiel und virtuellem Gitarrenlehrer.

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