Strider19.02.2014, Mathias Oertel
Strider

Im Test:

Klassiker wiederbeleben ist in: Micky Maus z.B. stattete dem Schloss der Illusion einen Besuch ab und Capcom veröffentlichte ein neues Kapitel der Duck Tales. Mit Strider (ab 12,95€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) bemühen die Japaner eine ähnlich alte Marke, die Ende der 80er Jahre für anspruchsvolle Ninja-Action sorgen konnte. Kann die Neuauflage überzeugen? Die Antwort gibt der Test.

Stereotype Story

Dass die Geschichte des Ur-Strider aus der Endphase des Kalten Krieges stammt, ist überall zu spüren. In einer dystopischen und technisch fortgeschrittenen Zukunft hat ein finsterer Russe die Weltmacht an sich gerissen und regiert von Kasach City aus mit eiserner Hand. In der Rolle des Hightech-Ninjas Hiryu muss man versuchen, seinen Weg durch die Stadt zu finden, um schließlich den "Großmeister" zu töten. Diese Geschichte hat schon Ende der 80er Jahre keinen Hund hinter dem Ofen interessiert.

Heutzutage hätte ich zwar zumindest in Ansätzen mehr erwartet als diese simple Story. Doch das Team von Double Helix bleibt dem Original nicht nur in dieser Hinsicht treu. Zwar wird versucht, mit Sprachausgabe und minimalistisch inszenierten Zwischensequenzen der Hauptfigur dieses seitwärts scrollenden Action-Adventures Leben einzuhauchen, doch es bleibt beim Versuch. Die Geschichte ist zu stereotyp, zu platt und zu banal. Doch was erzählerisch billig wirkt, geht bei der Mechanik voll und ganz auf: Der Fokus auf alte Tugenden.

Retro in neuem Gewand

Strider hält an den Mechaniken fest, die seinen Urahn mit seinen Spielhallen-Wurzeln vor mehr gut 25 Jahren zu einem Geheimtipp sowie ernsten Herausforderer für Segas ähnlich gelagertes Shinobi gemacht haben: Man läuft und klettert. Dabei wirkt die Steuerung bei Übergängen zwischen horizontaler und vertikaler Fortbewegung allerdings manchmal unnötig hakelig. Man springt, man kämpft und zerteilt die robotischen Gegner - genau wie früher. Das Geschehen scrollt flüssig in alle Richtungen,  die mit zwei Knöpfen auskommenden und auf einen Block verzichtenden Attacken fließen aus den Fingern. Dynamik und schnelle Action statt Schleichen und langsames Meucheln stehen auf dem Programm. Allerdings würde ich vorschlagen, den Experten-Schwierigkeitsgrad A zu wählen. Denn auf allen anderen wird man höchstens bei den Zwischen- und Endbossen einigermaßen gefordert. Die Standard-Gegner sind auf den C- und B-Stufen nicht mehr als Kanonenfutter. Das war damals anders: Strider war zwar kurz, aber intensiv und nicht einfach zu bewältigen. Im Gegensatz zum vergleichsweise linearen Ansatz des Vorgängers baut Double Helix aber noch auf ein zweites Element: Levelerforschung.

Ähnlich wie bei Shadow Complex (erschienen auf 360) oder den besten Teilen der zweidimensioalen Metroid- oder Castlevania-Titel findet man überall Türen oder Wege, die man erst passieren kann, wenn man die entsprechende Fähigkeit gefunden hat – was wiederum meist erst nach speziellen Bosskämpfen passiert.

Hiryu kann seine Gegner aus allen Lebenslagen angreifen.
Dementsprechend plätschert die erste halbe bis ganze Stunde weitgehend vor sich hin: Man läuft, man schnetzelt, man wird unterhalten, aber nicht genug gefordert. Doch je mehr Fähigkeiten man bekommt, umso variantenreicher werden nicht nur die Gefechte mit Gegnern, die zunehmend Resistenzen gegen bestimmte Elemente zeigen. Auch die Umgebungsrätsel, die es zu lösen gilt, wenn man auch dem letzten Upgrade oder dem letzten Geheimnis auf die Spur kommen will, werden knackiger. Es gibt Türen, die sich nur mit elementaren Kräften wie Feuer oder Eis öffnen lassen. Man muss Laserfallen, Kreissägen und anderen Umgebungsgefahren ausweichen, während Gegner auf einen zustürmen. Mitunter muss man in einem kurzen Zeitfenster mehrere Fähigkeiten kombinieren, um zum Ziel zu kommen, bevor man in den Abgrund stürzt. In diesen Momenten steht Strider Titeln wie Castlevania - Symphony of the Night kaum nach.

Moderate Qual

Wie übrigens auch bei den Bossen, die sich nur mit der klassischen Mischung aus guten Reflexen und Kenntnis der variantenreichen Angriffsmuster bewältigen lassen und auf diese Weise stets volle Aufmerksamkeit erfordern.

Nicht nur mit dem ersten Boss nimmt der moderne Strider immer wieder Bezug auf seinen Urahnen.
Das Problem: Diese Momente tauchen zwar immer wieder auf, doch sowohl der Spannungs- als auch Motivationsbogen bekommen auf dem Weg dorthin immer wieder kleine Dellen. Es wirkt immer wieder so, als ob Double Helix sich nicht einig war, ob man bei der Kampagne nun die Hardcore-Fans ansprechen oder einen größeren Markt bedienen wolle, den man nicht so schnell frustrieren darf. Dementsprechend handzahm knabbern die gegnerischen Angriffe die Lebensleiste runter, die man an den gut, aber für meinen Geschmack zu häufig gesetzten Kontrollpunkten immer wieder per Knopfdruck auffüllen kann. Und kommt es zwangsläufig doch einmal zu einem Ableben, kann man sicher sein, dass man nicht all zu weit weg wieder mit voller Energie aufwacht und einen neuen Versuch unternehmen kann.

Ganz anders die Herausforderungen, die man freischaltet und die einem von A bis Z alles abverlangen.

Immerhin macht die Kulisse einem dabei keinen Strich durch die Rechnung. Die technokratische Welt wurde mit viel Liebe zum Detail erdacht. Sie bietet zwar kaum belebte, aber dennoch gut aussehende Areale, die von den goldglänzenden Kuppeln der Regierungsgebäude über mit glühendem Schleim gefüllten Kanalisationen bis hin zu kühlen Klon-Fabriken reichen. Das Figurendesign ist ähnlich comichaft und plakativ wie die Story oder die Raucheffekte, schafft damit aber einen Spagat zwischen modernem Design und Anlehnung an die Charaktere der Vorlage - immer wieder tauchen Gegner auf, die man in dieser oder leicht abgewandelter Form auch vor gut 25 Jahren bekämpfte.

Allerdings fällt auf, dass der Edel-Ninja sich zwar geschmeidig bewegt oder Salti schlägt, sein Bewegungsrepertoire aber unter dem Strich überschaubar ist. Man hat schnell alles gesehen, was er zu bieten hat. Gleiches gilt auch für die Gegner, die darüberhinaus keinerlei Gruppentaktik bei den Angriffen kennen, sondern auf Blickkontakt losstürmen, was das Zeug hält. Doch mit diesen Schemata bleibt man dem Retro-Ansatz weiterhin zu 100 Prozent treu.

Versions-Qual?

Die Action ist schnell und dynamisch - aber abseits des höchsten Schwierigkeitsgrades zu leicht.
Wer in der glücklichen Lage ist, aus mehreren Versionen seinen Favoriten heraussuchen zu können, sprich: wer mehrere Systeme in seinem Domizil versammelt hat, liegt mit jeder veröffentlichten Fassung richtig. Die neuen Konsolen PlayStation 4 und Xbox One sowie der PC (auf dem allerdings ein 64-Bit-Betriebssystem arbeiten muss) liegen zwar hinsichtlich Bildschärfe und vor allem bei der Anzahl an Partikeleffekten vorne. Doch der grafische Fortschritt gegenüber den alten Plattformen ist nicht so stark, als dass man dafür eine andere Wertung bemühen müsste.

Denn der Rest ist identisch: Es spielt sich gleich, die Geschichte ist gleich, die Steuerung (wenn am PC ein Pad genutzt wird) ist auch gleich. Es gibt auf keinem System irgendwelche exklusiven Inhalte oder modifizierten Level-Aufbau. Es ist auf allen fünf Plattformen identisch, was den sehr moderaten Standard-Schwierigkeitsgrad betrifft .

Fazit

Double Helix hat mit Strider das Kunststück vollbracht, die alte Mechanik mit neuer Kulisse in Einklang zu bringen, ohne einer Seite all zu große Zugeständnisse machen zu müssen. Das Ergebnis ist ein sehr modern aussehendes, aber im Kern erzkonservatives Action-Adventure, das Ninja-Action à la Shinobi mit intensiver Gebietserforschung verbindet, wie man sie seit Urzeiten mit Metroid oder Castlevania in Verbindung bringt. Das Kampfsystem ist trotz gerade mal zwei Knöpfen fordernd, lebt dabei aber weniger von defensiven Momenten, sondern setzt auf Angriffs-Dynamik, die sich in wilden Kombos, Sprüngen, reflektierten Schüssen und dem Einsatz von Spezialfähigkeiten widerspiegelt. Allerdings hätte Strider fordernder sein können - erst der höchste Schwierigkeitsgrad und die gut gelungenen Bosse setzen einen unter Druck. Zudem hätte das Klettern bei den Übergängen von vertikalen zu horizontalen Passagen etwas flüssiger sein dürfen. Dennoch ist Capcom nach Duck Tales mit Strider erneut eine gelungene Modernisierung einer alten Marke gelungen. Als nächstes könnte gerne Gargoyle’s Quest auf dem Programm stehen.

Pro

stimmungsvolles Artdesign
einfaches, aber forderndes Kampfsystem
gute Bosskämpfe
viel zu entdecken
große, verschachtelte Spielwelt
zahlreiche Anspielungen auf den Klassiker

Kontra

Klettern manchmal unnötig hakelig
auch auf "Normal"€œ geringes Anforderungsprofil
magere Story
biedere Musikuntermalung

Wertung

360

Gelungene Neuauflage der Ninja-Action, die hektisch-dynamische Kämpfe mit Gebietserforschung der 2D-Castlevanias verbindet.

XboxOne

Inhaltlich identisch, grafisch dank höherer Auflösung und mehr Partikel-Effekten visuell eindrucksvoller als die PS3- oder 360-Geschwister.

PC

Inhaltlich identisch, grafisch dank höherer Auflösung und mehr Partikel-Effekten visuell eindrucksvoller als die PS3- oder 360-Geschwister.

PlayStation4

Inhaltlich identisch, grafisch dank höherer Auflösung und mehr Partikel-Effekten visuell eindrucksvoller als die PS3- oder 360-Geschwister.

PlayStation3

Gelungene Neuauflage der Ninja-Action, die hektisch-dynamische Kämpfe mit Gebietserforschung der 2D-Castlevanias verbindet.

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