Volume21.08.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Schneller Schleicher

Mit seinem ersten Spiel hatte Mike Bithell gleich einige Aufmerksamkeit erregt: Thomas Was Alone war kein gutes Spiel, erzählte aber auf warmherzige Art von behäbigen blauen und zynischen orangefarbenen Rechtecken. Mit seinem zweiten Projekt will Bithell noch höher hinaus, schließlich spricht kein Geringerer als Andy Serkis (Der Herr der Ringe, Planet der Affen: Revolution) eine zentrale Rolle. Doch ist Volume auch ein spielerisch gelungener Geschlichkeits-Test?

Thief!

Locksley ist ein Dieb, wenn auch kein gewöhnlicher. Von Heimlichtuerei hält er nämlich wenig: Er überträgt sein Tun über ein Gerät namens "Volume" an die Öffentlichkeit. Er bestiehlt die Reichen und lässt es die Allgemeinheit wissen. Während der Langfinger dabei in gut bewachte Häuser eindringt, gibt eine virtuelle Repräsentation sein Tun als digitale Skizze wieder. Dieser stilvolle Minimalismus gelingt Bithell ähnlich gut wie das Abstrakte in Thomas Was Alone.

Ein Kämpfer ist Locksley allerdings nicht: Er geht Wachen aus dem Weg, anstatt sie anzugreifen. Er schlägt sie nicht einmal lautlos KO, sondern lenkt sie höchstens ab, damit sie ihren Posten verlassen. Dafür betätigt er die Spülung einer Toilette, pfeift oder zeigt sich kurz. Daraufhin untersuchen Wachen die Störung und im besten Fall schlüpft Locksley in diesem Moment hinter ihrem Rücken durch. Wird er gesehen, muss er sich schnell wieder verstecken, denn

Stilvoller Minimalismus: Im Jahr 2044 überträgt der moderne Robin Hood seine Einbrüche über eine digitale Darstellung an die Öffentlichkeit.
nach einer festen Sekundenfrist haben die meisten Wachen zum tödlichen Schuss angesetzt.

Geräuschmacher, die der Dieb an eine beliebige Position wirft, helfen ihm, nicht entdeckt zu werden. In jedem der 100 Level muss er solche Geräte allerdings erst finden, kann nur jeweils eins tragen und hat mitunter die Wahl zwischen verschiedenen.

In der Ruhe liegt die Kraft

Es ist ein flottes Spiel. Im Handumdrehen landet Locksley nach einem schnellen Tod an einem der zahlreichen Rücksetzpunkte und Wachen, die einer Störung auf den Grund gehen, drehen nach wenigen Sekunden schon wieder um. Ein langes Katz-und-Maus-Spiel findet nie statt. Schnelle Stealth-Action zwischendurch? Volume!

Ein gutes Spiel ist Volume allerdings nicht. Bithell hat nämlich wichtige Kleinigkeiten übersehen, die für eine packende Highscorejagd wichtig sind – die ist neben dem geheimnisvollen, gut geschriebenen und noch besser gesprochenen Cyberpunkkrimi immerhin der größte Anreiz, mit dem modernen Robin Hood Wertgegenständen einzuheimsen. Was zählt, ist die Geschwindigkeit, mit der Locksley alle Objekte einsackt und das Ziel erreicht.

Spielemacher Mike Bithell ist sich einiger Probleme seines Spiels übrigens bewusst: In einem Eintrag auf der offiziellen Webseite kündigt Bithell ein zukünftiges Update an, das Volume um einen Schwierigkeitsgrad erweitert.

In diesem wird es nicht nur einen anderen Protagonisten geben. Rücksetzpunkte werden auch unbrauchbar, so lange dieser entdeckt ist und in einer speziellen Rangliste gibt es Punktabzug, wenn der Eindringling von einer Wache gesehen wird.

Wären diese Inhalte schon in der hier besprochenen Version enthalten, hätte Volume das Potential, ein deutlich besseres Spiel zu sein.

Geschwindigkeit als Makel

Doch das ist ein Problem, denn die Geschwindigkeit ist der spielerisch anspruchslose und uninteressante Teil. Zwar gibt es knifflige Situationen, in denen Wachen geschickt den Weg versperren; das notwendige Timing und die richtigen Hilfsmittel können schwer zu finden sein. Zum einen sind solche Situationen aber in der Unterzahl und zum anderen lässt sich das Spiel auf eine Art linken, die den Spielfluss unterbricht. Oft ist es nämlich ein Leichtes, einen benötigten Gegenstand zu schnappen und mit den aufmerksam gewordenen Wachen im Schlepptau durch einen Rücksetzpunkt zu laufen. Völlig egal, ob sie Locksley dann erschießen oder nicht: Er taucht an dem Checkpunkt wieder auf, die Wachen sind verschwunden – Problem gelöst. Die minimale Verzögerung ist das unsaubere Spielen oftmals wert.

Während des Versteckspiels reicht es zudem, wenn er für den Bruchteil einer Sekunde hinter einer Wand verschwindet, um sofort wieder aufzutauchen. Schon steht der Zähler vor einem tödlichen Schuss auf Null, das Ergebnis ist eine seltsame Dynamik der Verfolgungsszenen.

Schwer wiegt auch die Tatsache, dass es für die Punktzahl unerheblich ist, ob Locksley gesehen wird oder heimlich ans Ziel gelangt. Erfahrenen Schleichern fehlt so die Herausforderung und damit der Spaß. Dafür sorgt auch die oberflächliche Suche der Wachen, denn die laufen genau dorthin, wo sie ein Geräusch gehört oder den Einbrecher

Leider spielt es keine Rolle, wie Locksley sein Ziel erreicht.
gesehen haben, keinen Schritt weiter. Nicht einmal um die nächste Ecke schauen sie. Zu guter Letzt bewegt sich Locksley auf sehr überschaubaren Wegen: In den engen Gängen findet er kaum alternative Routen. Er kann Wachen zwar auf verschiedene Art umgehen, wie ein offenes Spiel, das clevere Ideen belohnt, fühlt sich Volume aber nicht an.

Gemeinsam kreativ

Dass Bithell seine Spieler trotz der schwachen Punktejagd zusammenführt, liegt vor allem an dem Editor, in dem mit wenigen Handgriffen eigene Level entstehen – noch ein Klick und die Kreationen sind landen in einer großen Online-Bibliothek. Auf PlayStation 4 kann es dabei passieren, dass das Spiel keine Verbindung zu dieser Datenbank herstellt und im Anschluss daran sogar abstürzt. Das ist ein seltener und aufgrund des schnellen Neustarts kein schwerwiegender Makel. Ärgerlich ist es allemal.

Fazit

Seltsam: Da erschafft Mike Bithell schnelle Stealth-Action, die vor allem im Wettstreit um Punkte für eine weltweite Rangliste spannend sein könnte. Er übersieht aber wichtige Eckpfeiler, die aus seinem guten Ansatz auch ein gutes Spiel machen. Das schäbige Ausnutzen der Rücksetzpunkte hätte er unterbinden müssen oder zumindest mit Punktabzug bestrafen, das Entdecktwerden ebenfalls. Derzeit ist es jedenfalls viel zu einfach, sich flink an den Wachen vorbei zu mogeln – auch deshalb geht Volume nach 20 kurzen von hundert Herausforderungen schon die Puste aus. Die stilvolle Gestaltung, das schnelle Erstellen eigener Level sowie der flotte Rhythmus sind immer wieder eine Runde wert. Wie in Thomas Was Alone erzählt Bithell zudem eine clevere Geschichte. Ein gutes Spiel steckt aber nicht dahinter.

Pro

fordernde Herausforderungen
zahlreiche Checkpunkte, schnelle Neustarts
gut geschriebene geheimnisvolle Cyberpunk-Geschichte mit guten Sprechern
unkompliziertes Erstellen und Teilen eigener Level
stilvolles Artdesign

Kontra

vorwiegende Suche nach richtigem Weg statt offenem Spiel
Gegner suchen nicht nach entdeckter Figur
kurzes Verstecken setzt Zähler vor tödlichem Schuss zurück
Ausnutzen der Checkpunkte: Rücksetzen setzt auch Gegner zurück
für Ranglistenpunkte zählt nur Geschwindigkeit, nicht "ungesehen bleiben" o.a.
Schwierigkeiten mit Netzwerkverbindung kann zu Absturz führen (PS4)
Musik wiederholt sich schnell und passt nicht gut zu Szenario

Wertung

PlayStation4

Aufgrund kleiner Programmfehler ist die PlayStation-4-Version die etwas schwächere Fassung.

PC

Flotte Stealth-Action, der ein unausgewogenes Checkpunkt-System und fehlende Herausforderung im Kampf zu schaffen machen.

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