EVE: Valkyrie12.07.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Eine neue Dimension

Ich könnte jetzt schreiben, dass ich wegen Eve: Valkyrie (ab 13,98€ bei kaufen) unverschämt viel Geld für eine Hardware ausgegeben habe, die in gewisser Weise noch in den Kinderschuhen steckt. Ich könnte fortfahren, dass sich die Investition nur wegen Eve: Valkyrie auch tatsächlich gelohnt hat. Ich könnte sogar behaupten, dass Eve: Valkyrie diese Virtual Reality den heutigen Möglichkeiten entsprechend nahezu perfekt ausnutzt. Nichts davon wäre gelogen! Und trotzdem: Am Ziel ist auch eins der Vorzeigespiele der neuen Hardwaregeneration noch lange nicht.

Alleine ist man verlassen

Die meisten wissen es inzwischen, aber da die Frage in der Vergangenheit häufig aufkam: Eve: Valkyrie ist ein reines Multiplayer-Spiel. Es ist weder Elite Dangerous noch Star Citizen, kein Wing Commander und auch kein Freespace. Im Gegensatz zu deren Solo-Kampagnen, ihren offenen Online-Galaxien oder gelegentlichen Scharmützeln menschlicher Piloten feuern sich hier fast ausschließlich zwei jeweils acht Spieler große Teams Laser und Raketen um die Ohren.

Ja, es gibt Inhalte für Solisten. Doch ganz ehrlich: Vergesst, dass die existieren! Die zwei klassischen Missionen sind schneller vorbei, als ihr „Krieg der Sterne zum Selberspielen“ jubeln könnt. Klar dürft ihr in allen Mehrspieler-Arenen (an deren Grenzen stößt man beim behutsamen Zu-weit-Fliegen recht schnell) immer stärkere Wellen an Gegnern bekämpfen – nennen wir das mal eine nette Übung. Und dann gibt es noch Erkundungsflüge in denselben Gebieten.

Eine neue Dimension des Spielens: Besser als Eve: Valkyrie nutzt derzeit kein halbwegs herkömmliches Spiel die Möglichkeiten der neuen Hardware.
Ohne Feindkontakt fliegt man da vier Punkte ab, an denen Audioaufzeichnungen Stichpunkte einer Art Geschichte erzählen. Außerdem findet man versteckte Container, mit deren Inhalt man ein wenig Geld zum Kauf neuer Raumschiffe oder Verzierungen erhält. Aber spätestens diese Einsätze sind spielerisch nicht der Rede wert.

Die tote Lady der Sci-Fi

So, genug gemeckert! So profan der erzählerische Hintergrund präsentiert wird, so unterhaltsam ist zumindest die Geschichte um Ran Kavik, eine Klon-Pilotin im Universum von Eve Online, die sich ihren Unterhalt als Piratin verdient. Gesprochen wird die junge Dame noch dazu von Katee Sackhoff – es gibt Schlimmeres für die Nerd-Seele. Das verleiht dem Tumult im Weltall, der nichts Anderem dient als einem spektakulären Einsteig in die Welt der Virtual Reality, eine notwendige Minimaltiefe, also rein ins Cockpit!

Endlich angekommen

Und genau das ist es eben: Man sitzt wirklich in einem Cockpit, umgeben von den Verstrebungen der Verglasung, inmitten des Metalls und Kunststoffs, aus dem die bulligen Flieger gebaut sind. Schaute man in Strike Suit Zero (ein Patch machte die nie für Oculus Rift gedachte Weltraumaction kompatibel zu dessen Entwickler-Kit) noch auf die flachen Anzeigen eines typischen Bildschirm-Spiels, sitzt man in Elite Dangerous dank offizieller VR-Unterstützung

Ran "Starbuck" Kavik ist die Hauptfigur der Hintergrundgeschichte. Die Piratin meldet sich allerdings nur akustisch zu Wort.
schon vor dreidimensionalen Anzeigen und ruft Menüs durch Drehen des Kopfes auf.

Doch nur Eve: Valkyrie wurde von Beginn an für Virtual Reality entwickelt. Und so sitzt man buchstäblich zwischen um den Sitz angeordneten Metallteilen sowie Hologrammen und liest den für einen Boost verbleibenden Treibstoff von einem plastischen Balken ab, während man den Geschützen direkt an der Seite des Cockpits beim Auswurf ihrer Ladungen zusieht. Das Mittendringefühl in Elite ist klasse – hier ist es nahezu perfekt.

Zumal Valkyrie die Blickrichtung nicht nur zum Zeigen cooler Perspektiven nutzt, sondern auch zum Aufschalten von Gegnern. Als Pilot eines Jägers nimmt man etwa mit gehaltener Taste einen Feind ins Visier; abgefeuert werden die Raketen beim Loslassen der Taste. Als Unterstützer visiert man auf dieselbe Weise Kameraden an, um ihren Schild aufzuladen, oder auf Gegner, um deren Schildenergie zu stehlen.

Gängelei trotz hohem Preis

Mir wäre eine etwas „realistischere“ Funktionsweise der Raumschiffe zwar lieber, aber das Spiel folgt nun mal der Mode vieler Multiplayer-Shooter wie Rainbow Six: Siege oder Overwatch, in denen verschiedene Kämpfer spezifische Eigenschaften haben – nur dass Kämpfer hier natürlich Schiffe sind, die mit Fähigkeiten wie „Heilstrahlen“ eben ein wenig wie Spielzeug anmuten. Sei's drum, in der Welt von Eve Online ist das zumindest plausibel, weil schon seit Jahren vorhanden. Schön wäre nur gewesen, wenn Waffentypen und Spezialfähigkeiten an irgendeiner Stelle erklärt würden, damit man keine Hilfe außerhalb des Spiels in Anspruch nehmen muss.

Was mir zudem sauer ausstößt ist das übermäßig lange Freischalten aller „Protagonisten“. Man muss sich ja pro Klasse (Jäger, schwere Flieger und Unterstützer gibt es derzeit – Tarnschiffe kommen allem Anschein nach hinzu) den Zugang zu jeweils sieben bis neun Schiffen erspielen. Durch das Fliegen der Schiffe einer Klasse erhält man dabei immer mehr Pilotenscheine – was spätestens ab dem vierten Flieger allerdings unverschämt lange dauert.

Carrier Assault heißt der Modus, in dem das feindliche Trägerschiff zerstört werden soll.

„Unverschämt“ deshalb, weil Eve: Valkyrie nicht kostenlos spielbar ist, Entwickler und Publisher CCP auf diesem Weg aber zusätzliches Geld verdienen will. Wie? Man darf das Freischalten beschleunigen, indem man die berüchtigten Booster kauft. Auch in einem Free-to-play-Spiel stören lange Freischaltphasen! In einem Vollpreis-Titel wie diesem empfinde ich sie zusätzlich als unverschämt. Schade, dass sich CCP nicht darauf beschränkt Verzierungen zum Kauf anzubieten. Das ist je nach Lackierung, Cockpit oder Aufkleber immerhin sowohl mit der Spielwährung Silber als auch dem per Echtgeld erhältlichen Gold möglich – leider ausschließlich mit dem einen oder dem anderen.

Schnick, schnack, schnuck

Schon wieder gemeckert – dabei inszeniert Eve: Valkyrie explosive Weltraumschlachten, wenn erfahrene Teams mit einer bunten Mischung unterschiedlicher Flieger aufeinandertreffen! Dann ist neben Geschick am Joystick oder am Gamepad vor allem taktisches Verständnis gefragt: Welche Gegner attackiert man zuerst und auf welche Aufgaben konzentriert man sich?

Valkyrie erfindet das Prinzip weiß Gott nicht neu. Tatsächlich ist das Muster „Schere, Stein, Papier“ nicht nur aufgrund der Anzahl der drei Klassen sogar offensichtlicher als anderswo. Die Formel funktioniert aber und es gibt innerhalb

Schere, Stein, Papier: Die Wahl des Schiffs entscheidet über die Rolle im Gefecht.
einer Klasse interessante Variationen. So könnte man z.B. einen Jäger fliegen, dessen Hauptwaffe blitzschnell Schilde zerstört. Koordiniert man diese Angriffe mit denen eines Kumpels, dessen Schiff vor allem Metall zerstört, ist man schon ein mächtiges Team.

Herausschauen statt Draufsehen

Was Valkyrie nicht neu erfindet, überträgt es zudem fast perfekt in die echte dritte Dimension: Wer hier in einem Cockpit Platz nimmt, blickt nicht mehr auf eine Mattscheibe, deren Blickrichtung man dreht – man schaut nach oben, unten, rechts, links, nach vorne und nach hinten in den Weltraum, muss sich völlig neu im „realen“ Raum orientieren. Fliegt ein Gegner am Cockpit vorbei, dreht man die Sicht nicht einfach in dessen Richtung – man taucht gefühlt unter ihm hindurch, während das feindliche Schiff in der „Höhe“ auf einen möglichen Treffer lauert. Dass man beim Umsehen leichter die Kontrolle über Flug- und Blickrichtung behält, weil es der natürlichen Bewegung entspricht, ist dabei ein großer Unterschied zu herkömmlichen Spielkonzepten.

Ständig lehne ich mich sogar so nach vorne oder zur Seite, dass ich an den Verstrebungen der Cockpitscheiben vorbei schaue; denn der Kopf ist in der virtuellen Realität ja nicht an einen festen Punkt gebunden. Dadurch verlangt Eve Valkyrie, ähnlich wie andere VR-Titel, mehr körperlichen Einsatz, als ich erwartet hatte – und belohnt ihn mit einem großen Plus an Übersicht! Auch der Blick nach hinten, um Verfolger im Blick zu behalten, oder das Beobachten anderer Brennpunkte verleiht dem Raumkampf eine Dimension, die der Kameradreh per Maus oder Coolie-Hat nicht einfängt. Elite Dangerous gelingt Ähnliches. Allerdings sind die Cockpits in Eve: Valkyrie fast durchgehend „offener“, bieten also einen noch freieren Ausblick als die der Braben-Flotte.

Vertraut der Macht!

Im Vordergrund sollten aber übrigens nicht die futuristischen Dogfights stehen, sondern die Planerfüllung – dann jedenfalls, wenn man im Team-Deathmatch nicht nur Gegner dezimiert, sondern Kontrollpunkte hält oder in einem dritten Spielmodus das feindliche Trägerschiff angreift. Wie üblich streichen Sieger schließlich mehr Punkte ein als Besiegte, weshalb man sowohl im Kampf um Gebiete als auch um den feindlichen Träger schnellstmöglich Drohnen in

Mit Joystick ist das Fluggefühl übrigens noch eine ganze Stufe besser. Dass man die virtuelle Welt quasi anfasst, steigert das Mittendringefühl erstaunlich stark.

Noch werden nicht alle Joysticks unterstützt - geläufige Modelle wie der X52 sind aber dabei und funktionieren nach der ebenso notwendigen wie etwas umständlichen Tastenbelegung hervorragend.

Ein Tipp: In welche Richtung ihr beim Zuweisen der Achsen zum Bewegen des Schiffs die entsprechende Achse drückt, entscheidet darüber, ob sie in richtiger oder invertierter Richtung "gelesen" wird. der Nähe der Kontrollpunkte absetzen sollte. Je mehr Teammitglieder das machen, desto schneller erobern die Drohnen den Punkt; man muss die schwach geschützten Helfer nur aufmerksam verteidigen, während man gleichzeitig Drohnen der Gegner zerstört.

Im Rangeln um Gebiete ist dieses Tauziehen die einzige Aufgabe, im Kampf um die Mutterschiffe nur der erste Schritt. Da fahren eine gewisse Zeit gehaltene Kontrollpunkte nämlich die Schilde eines der Trägers herunter – das ist der Moment, an dem sich das komplette Team auf die Kühlaggregate des großen Potts stürzt, während sie das Sperrfeuer der gegnerischen Geschütze kreuzen und feindliche Flieger natürlich ihre Basis verteidigen.

Sind die Kühler nach meist mehreren Anläufen zerstört, liegt der Kern des Trägers frei und es ist an der Zeit, in eine Art Tunnel zu fliegen, wo sich weitere Geschütze sowie das offene, aber noch immer dick gepanzerte Ziel befinden... Lead Game Designer Andrew Willians nannte dieses offensichtliche  Verneigen vor Lukes Flug durch den Todesstern-Canyon ganz offen beim Namen und tatsächlich sind Angriffe auf die großen Pötte coole Höhepunkte der Weltraumaction!

Sprachlos

Dabei geht es selbst hier nicht ganz ohne zu meckern: Es ist ja kein Schwein online! Nun will ich das nicht einem Spiel ankreiden, das mit viel Risiko auf die Besonderheiten einer brandneuen Hardware und deren überschaubaren Anzahl an Besitzern zurechtgeschnitten wurde. Tatsache ist aber, dass die Gefechte auch deshalb noch nicht ihr volles Potential entfalten, weil es viel zu wenige Spieler gibt. Lobenswert, dass die aktiven

Zwischen menschlichen Piloten knallt es leider selten so eindrucksvoll, denn noch sind nur wenige mit dem Oculus Rift überhaupt unterwegs.
Teilnehmer jeder Partie halbwegs fair auf beide Teams verteilt und die restlichen Plätze mit Bots gefüllt werden! Dennoch können Letztere trotz ihres nicht mal schlechten Flugverhaltens natürlich weder Gegner noch Kameraden aus Fleisch und Blut ersetzen.

Einen richtigen Patzer erlaubt sich allerdings auch CCP; die Mitglieder eines Teams dürfen nämlich nicht miteinander kommunizieren. Das wäre in Anbetracht der taktischen Scharmützel aber enorm wichtig. Man darf zwar einen Trupp aus maximal fünf Teilnehmern erstellen und in diesen immerhin Freunde der Oculus-Plattform einladen. Die Gruppe geht mit Beenden des Programms jedoch verloren. Eine Corporation, also die Eve-Online-Variante eines Clans kann man leider nicht gründen. Sowohl der jederzeit offene Funkkanal als auch beständige Gruppen fehlen dem Spiel zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach.

Fazit

Es ist wirklich so: Ich habe das Oculus Rift bestellt, nachdem ich mal wieder Eve: Valkyrie gespielt hatte. Denn kein Spiel vermittelt die Illusion in einem Raumschiff zu sitzen so überzeugend wie die exklusiv für Virtual Reality entwickelte Weltraumaction! Wer den Oberkörper zur Seite neigt, um hinter eine Verstrebung des Cockpits zu blicken, versinkt auf eine Weise in dieser Welt, wie es mit herkömmlichen Spielen gar nicht möglich ist – zumal das Umsehen als aktives Element ein wichtiger Teil der Steuerung ist. Die Gefechte überzeugen dazu mit gut aufeinander abgestimmten Schiffen, deren Eigenheiten erfahrene Teams clever kombinieren. Als unangenehm empfinde ich allerdings den übertrieben zähen Fortschritt beim Freischalten aller Flieger. Und was dem Spiel derzeit dringend fehlt, sind neben einem Leitfaden für Einsteiger vor allem ein Sprachchat, der alle Piloten eines Teams verbindet, sowie Clans, deren Mitglieder gemeinsam in Partien starten. Gut, dass CCP die Raumschlachten weiter entwickeln will – das haben sie nötig. Inhaltlich fertig ist Eve: Valkyrie noch nicht. Die Virtual Reality beherrscht es aber schon jetzt hervorragend!

Pro

vereinnahmendes Mittendringefühl dank umfassend an Virtual Reality angepasster Cockpitgestaltung, Anzeigen und Flugphysik
Umsehen als aktives Element der Steuerung
zahlreiche Schiffe mit verschiedenen Fähigkeiten ergänzen sich sehr gut
spannende Gefechte vor allem beim Angriff auf feindliche Trägerschiffe
Umgebungsgeräusche in und außerhalb des Cockpits können unabhängig voneinander heruntergefahren werden

Kontra

sehr langes Freischalten aller Schiffe
kein Sprachchat in für jeweilige Partie zusammengewürfelten Teams
keine Clans bzw. Corporations oder dauerhaft bestehende Trupps
keine Einführung in Waffenarten und Spezialfähigkeiten
winzige Einsätze für Einzelspieler Kampf gegen Gegnerwellen ist einzig ernstzunehmendes Element

Wertung

OculusRift

Überzeugende Virtual Reality zeigt die Möglichkeiten der neuen Hardware. Inhaltlich ist Eve: Valkyrie derzeit allerdings noch nicht ganz fertig.

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