Optimale Entwicklung per Early Access
Während ich bei Titeln wie
Prison Architect oder
Grim Dawn schon seit gefühlten Ewigkeiten darauf warte, dass sie endlich vom Early Access in den "Live-Betrieb" übergehen, hat Haemimont mit dem Hack&Slay Victor Vran ein Beispiel abgeliefert, wie eine optimierte Early-Access-Entwicklung aussehen kann. Kurz nach dem Start im Februar hat man einen Zeitplan veröffentlicht, der die nächsten Schritte über inhaltliche Ergänzungen bis hin zu Cut-Scenes und vorgesehener Lokalisierung aufgeschlüsselt hat. Updates folgten in regelmäßigen Abständen - meist pünktlich. Dazu nahm man sich des Feedbacks der Spieler an, bekämpfte weiter erfolgreich Bugs und hat nun auch den Abspann mit den letzten Informationen ergänzt. Im Großen und Ganzen kann man also von einer zumindest terminlich erfolgreichen Entwicklung sprechen. Doch wie sieht es inhaltlich aus?
Inhalt sowie spröde Präsentation der Geschichte stehen in krassem Gegensatz zu den hervorragenden Leistungen der Sprecher.
Nun, die Story wird keine Preise gewinnen: Der Dämonenjäger Victor Vran, der in seinem Standardkostüm leicht an Neocores
Van Helsing erinnert, wird in die Steampunk-Stadt Zagoravia (bei Van Helsing: Borgovia) gerufen, um dort das Mysterium anderer verschwundener Jäger aufzuklären. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, muss er auch das Rätsel seiner eigenen Vergangenheit lösen - und erfährt auf diesem Wege vielleicht auch, was es mit der merkwürdigen Stimme auf sich hat, die ihn ständig piesackt und seine Aktionen süffisant kommentiert. Die Geschichte wirkt in vielen Momenten umständlich bemüht und wird zumeist nur über spröde Standbilder inszeniert. Dennoch schafft sie es, dank sehr guter Sprecher für Atmosphäre zu sorgen. Im Englischen ist der Protagonist mit Doug Cockle besetzt, dessen markante Stimme zuletzt auch Geralt von Rivia Charakter verlieh, während der ebenfalls Videospiel-erfahrene Andrew Wincott als "Die Stimme" dagegen hält. Im Deutschen ist das Gespann sogar noch dynamischer besetzt: Martin Keßler (Victor Vran), den die meisten als deutsche Stimme von Nicholas Cage oder Vin Diesel kennen, liefert sich herrliche Duelle mit Torsten Michaelis (Sprecher von u.a. Wesley Snipes, Sean Bean oder Martin Lawrence), der in seiner Rolle voll aufgeht. Die beiden schaffen es, der Story mehr Leben einzuhauchen, als sie eigentlich herzugeben scheint. Immerhin gibt es abseits der Geschichte zahlreiche Anspielungen und Easter Eggs, von denen Elsa als Name einer mit Frost um sich schmeißenden Zwischengegnerin oder die Spinnen Itsy & Bitsy (basierend auf dem englischen Kinderreim "An itsy bitsy spider" noch die offensichtlicheren sind.
Hack&Slay mit Kick
Victor Vran setzt auf effektreiche Monsterjagden und ordentliche Beute-Ausschüttung - und auf starke Einflüsse aus dem Action-Adventure.
Aber warum soll mich die fehlende Dramaturgie stören? Die Erzählung ist bei einem Hack&Slay oder Action-Rollenspiel oder Kloppmist oder wie man es auch immer nennen mag nur Mittel zum Zweck. Und der ist wie üblich "Jagen&Sammeln". Oder genauer: Monster dem Erdboden gleich machen und Beute einheimsen. Im Gegensatz zum Raubgut-Überfluss, den man von Blizzard oder Runic kennt, lässt es Victor Vran vergleichsweise gemütlich angehen. Die Ratio aus getöteten Feinden, ausgeschütteter Beute und dabei gefundenen sinnvollen Gegenständen ist sehr angenehm und ein Stützpfeiler der Motivation. In den gut 13 Stunden, die ich mit der Kampagne beschäftigt war, habe ich gerade mal zwei legendäre Waffen gefunden. Sehr schön: Haemimont hat auch abseits der Jagd nach immer besserer Ausrüstung einige Mittel und Wege gefunden, wie man die Spieler auch nach Abschluss der Geschichte nach Zagorovia locken kann.
Mit Charakterstufe 25 (je nach Spielweise in etwa nach drei Viertel der Kampagne) wird z.B. eine Mehrspieler-Arena freigeschaltet. Mit Stufe 36 kommt ein zufällig generierter Endlos-Dungeon für Solisten hinzu. Zusätzlich warten auf jeder der über 40 Gebietskarten jeweils fünf Herausforderungen, für die es als Belohnung entweder Gold, Erfahrungspunkte oder Ausrüstungsgegenstände gibt. Zu diesen optionalen Aufgaben gehören das Entdecken von Geheimnissen, Zeitlimits, Gesundheitswerte, die nicht unterschritten werden dürfen, Gegner, die man nur mit bestimmten Waffen töten darf und vieles mehr. Doch damit nicht genug: Nach Abschluss der Kampagne kommen noch jeweils fünf Elite-Herausforderungen pro Gebiet hinzu, so dass schließlich über 400 dieser Mini-Missionen auf Bewältigung warten. Und wem das alles nicht reicht, kann über fünf so genannte Flüche den Schwierigkeitsgrad manipulieren, so dass z.B. auch vermehrt Elite-Monster auftauchen oder die Gegner automatische Regeneration haben. Im Gegenzug bekommt man mehr Erfahrung und eine erhöhte Chance auf Gegenstände. Selbstverständlich sind für manche Herausforderungen einer oder mehrere Flüche Pflicht.
Action-Rollenspiel? Action-Adventure? Beides!
Die häufig mehrstufigen Bosskämpfe können überzeugen.
Zwar kann man dieses Abenteuer auch per klassischer Mausklick-Steuerung erleben, doch um die Neuerungen in vollem Umfang genießen zu können, sollte man die Kontrollmethode auf "Action" (direkt per WASD) oder noch besser auf Gamepad stellen. Zwar wirken die Optionen der Ausweichrolle sowie des Sprunges auf dem Papier mehr oder weniger irrelevant. Doch mit ihnen gewinnt das Abenteuer nicht nur eine neue Dynamik, sondern bekommt auch zunehmend den Charakter eines Action-Adventures. Für Konsolenspieler von Diablo 3 ist die Ausweichrolle zwar nicht neu, doch sie verfehlt auch hier ihre Wirkung nicht. Wenn man im letzten Moment durch diese Aktion einem gegnerischen Angriff ausweichen und ihn dann hinterrücks attackieren kann, möchte man nicht mehr zu den starren Haudrauf-Orgien anderer Hack&Slays zurückkehren.