Im Test:
Mit Zeit kommt Qualität?
Auch wenn sich die Vita-Version laut VGChartz.com beinahe 900.000 Mal verkauft hat - die meisten dürften Assassin's Creed 3 Liberation nur aus der Erwähnung im Einstieg von Assassin's Creed 4 kennen. Die jetzt auf den üblichen digitalen Vertriebswegen veröffentlichte Version, die ohne Zahl im Namen auskommt, dafür aber ein "HD" anhängt, gibt allen, die seinerzeit nicht auf Sonys Unterwegs-System gemeuchelt haben, eine erneute Chance. Da auch ich zu dieser Gruppe gehöre, habe ich mich auf Benjamins Vita-Test (Wertung: 57%) aus dem November 2012 gestürzt, um eine Grundlage für die Argumentation zu haben - vor allem aber auch, um zu sehen, ob sich die Ubisoft-Studios in Sofia und Montreal nicht nur der Kulisse, sondern auch einiger Kritikpunkte angenommen haben.
Große Sprünge darf man aber vor allem erzählerisch nicht erwarten, die Geschichte wird zwangsläufig 1:1 übernommen: In der Rolle der farbigen Aveline (ihr Vater war Franzose, ihre Mutter eine Sklavin) ist man in New Orleans, den Bayous Louisianas und in Mexico unterwegs, um ein weiteres Kapitel des ewigen Kampfes zwischen Templern und Assassinen aufzudecken. Mit dem zentralen Thema der Sklaverei als Hintergrund (die Geschehnisse laufen teilweise parallel zu denen aus Assassin's Creed 3) müht sich Ubisoft aber größtenteils vergeblich, die erzählerische Qualität der übrigen Konsolenableger zu erreichen. Die Probleme sind vielfältig und nicht nur darin zu suchen, dass der Ursprung auf einem Handheld-System zu finden ist. Denn auch auf mobilen Plattformen können gute Geschichten erzählt werden.
Völlig losgelöst
In Ansätzen ist immer wieder spürbar, welches Potenzial in Aveline steckt -immerhin ist sie die erste weibliche Figur, die man in der Serie spielen darf. Allerdings hat sie das Problem, dass ihre Geschichte bis auf einen Berührungspunkt mit Connor in New York in keinerlei Zusammenhang mit den anderen, den PS3-, PC- oder 360-Spielern größtenteils bekannten Story-Elementen rund um Altair, Connor oder Edward Kenway gebracht wird - die Anbindung an die Meta-Ebene fehlt. Dafür wird immerhin über einen anonymen Hacker, der mit dem Spieler Kontakt aufnimmt, eine spannende neue Facette der Gegenwartsgeschichte beleuchtet.
Technisch aufgewertet
Das "HD" im Titel deutet es zaghaft an: Die bereits gut aussehende, aber gelegentlich von technischen Mankos gebeutelte Vita-Version wurde für die neuen, alten Systeme aufgehübscht.Und sie kann sich in der Tat sehen lassen: Das Geschehen läuft ruckelfrei über den Schirm, die Animationsprobleme der Handheld-Version wurden ebenfalls weitgehend ausgemerzt. Alles sieht runder, weicher, schicker aus - aber es erreicht unter dem Strich dennoch nur in etwa die Qualität, wie sie z.B. Assassin's Creed 2 bietet. Und bei Effekten wie Explosionen, aufspritzender Gischt etc. lässt sich der Ursprung auf Vita ebenfalls ablesen. Kein Vergleich zu dem Aufwand, den man bei den Teilen 3 und 4 visuell auf sich niederregnen lassen kann.
Doch auch in anderen Bereichen lässt sich erkennen, dass Liberation nachträglich auf den stärkeren Systemen erscheint: Die drei Gebiete sind vergleichsweise klein, durch das verschneite Umland New Yorks wird man ohnehin nur schlauchartig durchgelotst. Zudem ist New Orleans im Vergleich zu Boston oder dem Big Apple in Assassin's Creed 3 erschreckend schwach bevölkert. Es kommt zu keinem Moment das Gefühl auf, das man hier durch eine der bedeutendsten Südstaaten-Metropolen läuft - auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt eine deutlich geringere kulturelle Rolle spielt als heutzutage. Architektur und allgemeine Atmosphäre können sich sehen lassen, doch in vielen anderen Bereichen bleibt man oberflächlich und hinter den von den anderen Teilen definierten Standards zurück.
Mechanisch bieder
Auf den ersten Blick beinhaltet Liberation mechanisch alles, was ein Assassin's Creed ausmacht: Kämpfe, Schleichen, Meucheln, unter dem Strich abwechslungsreiche Missionen, Erforschung, zahlreiche Nebenaufgaben, die jedoch wie die Hauptaufträge zu 95 Prozent aus bekannten Standards bestehen. Und oben drauf gibt es auch ein paar neue Elemente. Das Wichtigste: Die Heldin kann an bestimmten Punkten ihre Kleidung wechseln und so als Assassine, als Edelfrau oder als Sklavin durch die Gebiete ziehen. Da mit dem jeweiligen Kostüm auch entsprechende Vor- und Nachteile mit angezogen werden (als Dame z.B. kann man nicht klettern), steckt hierin eine Menge Potenzial. Doch das bleibt wie vieles andere größtenteils ungenutzt. Denn Liberation nimmt mich an die Hand und schreibt mir in den entscheidenden Situationen vor, was ich nutzen muss bzw. steckt mich beim Szenenwechsel automatisch in das entsprechende Kostüm.
Überhaupt wird die ohnehin reduzierte Größe der Karten noch dadurch geschmälert, dass man meist durch einen Missionsschlauch geleitet wird, der durch hell erleuchtete Techno-Bälle markiert ist. Im Vergleich zur ursprünglichen Vita-Version hat man zwar die Missionswege etwas geöffnet und suggeriert wenigstens etwas Freiheit. Doch nimmt man die Teile 1 bis 4 als Maßstab, ist Liberation nicht mehr als ein kleiner, weitgehend risikofrei inszenierter Ableger, dem das gewisse Etwas fehlt. Die Auseinandersetzungen sind zwar einfach wie immer (gefühlt sogar noch einfacher), wirken aber trotz gelungener Animationen, die wieder einmal zum Eindruck eines Kampfballetts beitragen, immer wieder erstaunlich träge. Und der Rest ist wie auf der Handheld-Plattform: Die Gegner-KI bei Verfolgung und Entdeckung ist schwächer als bei jedem anderen Assassin's Creed. Es gibt immer noch ein viel zu leichtes Klettern auf Schienen, bei dem Aveline sogar unbeschadet aus größeren Höhen unbeschadet stürzen kann als ihre männlichen Kollegen. Und obwohl mit der Peitsche sowohl für den Kampf als auch für die Erforschung (man kann sich damit an Vorsprüngen festmachen und schwingen) ein neues Element eingebaut wurde, bekommt Liberation dadurch weder mehr Tiefgang oder Taktik.
Fazit
Auch wenn visuell und akustisch einiges gegenüber der Vita-Fassung verbessert wurde, kann Liberation seinen halbgaren Handheld-Hintergrund nicht verbergen. Denn auch inhaltlich lässt das Abenteuer um die weibliche Meuchelmörderin Aveline zu wünschen übrig. Zwar macht der Ausflug in die Bayous Louisianas kurzzeitig Laune, doch man wird serienuntypisch in beinahe jeder Hinsicht an die Leine gelegt, Experimente mit den Mechaniken oder Erforschen der Umgebung werden zu selten gefordert und noch seltener belohnt. Nur an der Oberfläche bringt Liberation alles mit, was ein Assassin's Creed haben muss - lediglich mit dem konzeptionell interessanten Kostümwechsel samt Auswirkungen auf Mechanik und Aktionsmöglichkeiten gibt es ein Element, das den "großen" Serienablegern fehlt. Das Potenzial bleibt nach wie vor ungenutzt und letztlich ist es nur der verbesserten Steuerung sowie der ansehnlichen Kulisse zu verdanken, dass Avelines Assassinen-Ausflug auf stationären Systemen eine Note besser abschneidet als in der Version für unterwegs.
Pro
Kontra
Wertung
360
Technisch und mechanisch aufgewertete HD-Version des Assassinen-Abenteuers. Basisprobleme hinsichtlich Design und Erzählung bleiben bestehen.
PC
Technisch und mechanisch aufgewertete HD-Version des Assassinen-Abenteuers. Basisprobleme hinsichtlich Design und Erzählung bleiben bestehen.
PlayStation3
Technisch und mechanisch aufgewertete HD-Version des Assassinen-Abenteuers. Basisprobleme hinsichtlich Design und Erzählung bleiben bestehen.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.