The Raven: Vermächtnis eines Meisterdiebs - Mörder und Raben27.09.2013, Jan Wöbbeking
The Raven: Vermächtnis eines Meisterdiebs - Mörder und Raben

Im Test:

Das ging flott: Schon drei Wochen nach dem zweiten Kapitel beendet King Art sein Krimi-Abenteuer um den legendären Meisterdieb The Raven. Im letzten Teil sorgte die Eile für ärgerliche Bugs, diesmal wird es sogar noch schlimmer.

Moonwalk, Geisterstühle und Teleportation

Die egozentrische Autorin und das chronisch erfolglose Geiger-Talent werfen sich gleich zu Beginn herrlich bissige Komplimente an den Kopf.
Die egozentrische Autorin und das chronisch erfolglose Geiger-Talent werfen sich gleich zu Beginn herrlich bissige Komplimente an den Kopf.
Lust auf einen Moonwalk? Kein Problem! Der Protagonist der dritten Episode läuft bemerkenswert talentiert auf der Stelle – sogar wenn seine Füße ins Steinpflaster vorm ägyptischen Museum versunken sind. Das Hündchen vor dem Tor beherrscht noch coolere Tricks: Wie in Star Trek beamt sich der kleine Vierbeiner mehrmals blitzschnell durch die Kulisse. Auch Dr. Gebhardt beherrscht die hohe Kunst der Teleportation. Nachdem ich ihn in der Krankenstation allein gelassen habe, empfängt er mich Sekunden später oben am anderen Ende der Treppe. Unheimlich wird es auch anderswo: Ein Stuhl gleitet wie von Geisterhand durchs Zimmer, Charaktere verdrehen ihren Kopf auf gruselige Weise, andere verschmelzen miteinander oder verlieren zeitweise ihre Stimme, Musik und Synchro haben Aussetzer, usw. Ich könnte noch weitere Punkte von meiner anderthalb Seiten langen Bug-Liste aufzählen, aber ich denke mal, ihr wisst bereits jetzt, worauf ich hinaus will: Warum zum Kuckuck verkaufen King Art und Nordic Games eine derart fehlerhafte Alpha als finale Version?

Die meisten Bugs sehen zum Glück nur albern aus, einer hätte mir aber beinahe das Spiel

The Raven erscheint als Downloadtitel in drei Episoden. Die Kapitel können aber nicht einzeln erworben werden. Stattdessen gibt es nur die komplette Staffel zu kaufen, je nach Anbieter und Edition für 19,99 bis 26,99 Euro. Mittlerweile werden alle drei Kapitel nach dem Kauf mit einem automatischen Update hinzugefügt.
versaut. Bevor ich ein Lüftungsgitter zur Kabine der Baronin abschrauben kann, muss ich einen improvisierten Schraubenzieher basteln. Dazu kombiniere ich eine Salatzange mit dem Penny aus einer Halskette - zumindest theoretisch, denn immer genau dann hängt sich das Spiel auf. Nicht mal eine Neuinstallation und ein frischer Spielstand halfen weiter. Den Cloud-Service für Steam-Spielstände hatte ich schon zu Beginn deaktiviert, weil er bereits in Episode 2 für Probleme sorgte. Auf einem anderen Rechner konnte ich das Spiel im dritten Anlauf dann endlich beenden – natürlich nicht ohne ein paar kleine Fehler, die ab und zu dazwischenfunkten.

Das hat der Wachtmeister nicht verdient!

Was führt das mysteriöse Fräulein aus gutem Hause im Schilde?
Was führt das mysteriöse Fräulein aus gutem Hause im Schilde?
Es ist wirklich tragisch, dass ausgerechnet The Raven unter einem Wust von Bugs leidet, denn die Geschichte um den geheimnisvollen Meisterdieb und den sympathischen Wachtmeister Zellner ist trotz des gemütlichen Erzähltempos sehr unterhaltsam, charmant und fesselnd. Sogar im dritten Kapitel schafft es das Spiel, die Spannung aufrecht zu erhalten, indem einige Figuren eine unerwartete Identität offenbaren oder alte Rechnungen begleichen wollen. Zu sehr ins Detail gehen darf ich nicht, da es schon zu Beginn eine neue Wendung gibt.

Wie in der zweiten Hälfte von Teil 2 schlüpfe ich wieder in die Rolle des Diebes und seiner Komplizen, welche die Geschichte des Wachtmeisters aus einem anderen Blickwinkel erleben. Immer wieder werden auf gelungen Weise altbekannte Szenen eingebunden, welche die Erinnerung auffrischen. Die Aufteilung in zwei unterschiedliche Perspektiven war eine gute Entscheidung. Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Erlebnisse und langsam offenbarenden Lebensgeschichten der Figuren so interessant miteinander verknüpfen lassen.

Nichts für Profi-Knobler

Gruseliger als die Mumien: Der Dieb und ein Hund vollführen dank diverser Glitches vor dem Museum übermenschliche Tricks.
Gruseliger als die Mumien: Der Dieb und ein Hund vollführen dank diverser Glitches vor dem Museum übermenschliche Tricks.
Ich erforsche das Kreuzfahrtschiff und spreche nur mit einigen Passagieren, um nicht unnötig aufzufallen. Später versuche ich natürlich, ins Museum in Kairo einzubrechen, um mir die legendären Edelsteine unter den Nagel zu reißen. Ich manipuliere die Alarmanlage, improvisiere mit der (absichtlich?) schlechten Ausrüstung eines Komplizen und auf dem Dach herumliegenden Utensilien wie einem Lappen. Diese Einbruchrätsel gehören zu den wenigen gelungenen Aufgaben, bei denen Gangsterfilm-Stimmung im Stil von Ocean‘s Eleven aufkommt.

Meist muss ich aber lediglich die Kulissen und Dialoge abklappern sowie wenige Inventargegenstände miteinander kombinieren. Grafisch wirken die Schauplätze – von ein paar kahlen Wänden abgesehen -  wieder ähnlich gelungen wie im Vorgänger. Auch die Vertonung passt dank professioneller Sprecher und dem zurückhaltenden aber stimmungsvollen Orchester-Soundtrack von Benny Oschmann gut zum Abenteuer.

Fazit

Es ist wirklich zum Heulen: Wieso bekommt eine derart gut geschriebene Krimi-Geschichte keine anständigen Rätsel oder zumindest eine funktionierende Technik verpasst? Was ist nur los mit King Art? The Book of Unwritten Tales hatte ja auch technische Wehwehchen, lief aber um Welten besser als dieses bugverseuchte dritte Kapitel von The Raven. Auch ins Rätsel-Design wurde nicht viel Mühe gesteckt: Oft gelangte ich bereits durch einfaches Ausprobieren der wenigen Objekte und Hotspots ans Ziel. Immerhin entschädigt die sympathische Ganoven-Geschichte für die Unannehmlichkeiten. Sie erhält die Spannung auch in Teil 3 erstaunlich gut aufrecht und wird um ein paar coole Wendungen und ein zufriedenstellendes Ende bereichert. Es wäre sinnvoll, alle drei Kapitel noch einmal fehlerfrei zu veröffentlichen – ähnlich wie bei Daedalics Neuauflage von Edna bricht aus. Solch einen Wust aus Bugs hat Wachtmeister Zellner nun wirklich nicht verdient!

Pro

entspanntes Krimi-Flair
unterhaltsame klassische Detektivgeschichte
passende, hübsch gestaltete Kulissen...
sympathische Hauptfiguren
interessantes Grüppchen verdächtiger Reisender
hervorragend besetzte und vorbildlich betonte Synchronisation
sehr dezent eingesetzter aber passender Soundtrack

Kontra

ein Wust nerviger Bugs verhindert mitunter sogar das Weiterspielen
abgehackte Animationsphasen und Grafikfehler
...manche 3D-Hintergründe wirken aber etwas karg
oft kommt man durch bloßes Probieren auf die zu leichten Lösungen
einige ungünstig gesetzte Hotspots

Wertung

PC

Spannend erzählter Adventure-Krimi mit zu leichten Rätseln und Unmengen ärgerlicher technischer Fehler.

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