Truck Racer12.11.2013, Michael Krosta
Truck Racer

Im Test:

Aufregende Überholmanöver zwischen LKW? Damit dürften die meisten das „populäre“ Elefantenrennen verbinden – also die Art von Motorsport, die Brummifahrer gerne auf Autobahnen zelebrieren. Doch es gibt sie: Die echten Rennfahrer, die in tonnenschweren Zugmaschinen auf realen Rennstrecken um den Sieg kämpfen und sich packende Duelle liefern. Truck Race von Publisher Big Ben Interactive und Entwickler Kylotonn soll diese Faszination ebenfalls entfachen.

Schockzustand

Aufgrund der schwammigen Steuerung und rempelfreudigen KI kommt es oft zu Unfällen.
Aufgrund der schwammigen Steuerung und rempelfreudigen KI kommt es oft zu Unfällen.
Manchmal bin ich einfach sprachlos. Beim Blick auf den Fernseher versteinert sich meine Miene und ich versuche zu verstehen, was sich die Entwickler dabei gedacht haben oder in welch einer verzweifelten Lage sie sich befunden haben müssen, um ein Spiel wie Truck Racer (ab 9,94€ bei kaufen) zu entwickeln. Hier wurde immerhin wertvolle Lebenszeit in eine Produktion investiert, die es besser niemals gegeben hätte – selbst wenn das Ding vermutlich in wenigen Wochen zusammengeschustert wurde. Ich frage mich, wie man so etwas ernsthaft auf die Spieler loslassen kann. Dann kann ich nicht anders und fange laut an zu lachen: Truck Racer ist tatsächlich so unfassbar schlecht, dass es schon wieder lustig ist. Hätte ich allerdings selbst den dreisten Kaufpreis von knapp 50(!) Euro gezahlt, würde ich mich wahrscheinlich schwarz ärgern, denn selbst geschenkt ist dieser Schrott in Softwareform noch zu teuer.

Nachschub für die Müllabfuhr

Wo soll ich bloß anfangen? Vielleicht beim gigantischen Fuhrpark, der aus sage und schreibe sechs nicht lizenzierten Renn-Trucks besteht, die sich äußerlich kaum voneinander unterscheiden und an klobiger Hässlichkeit kaum zu übertreffen sind. Immerhin lässt sich mit eigenen oder vorgefertigten Designs die Optik verbessern, während diverse Upgrades von besseren Motoren über weicheres Fahrwerk bis hin zu Karosserieverstärkungen und Spoilern die Leistung sowie den Fahrkomfort pimpen. Das Fahrverhalten verbessert sich aufgrund der extrem schwammigen Steuerung allerdings nur marginal. Klar, LKW steuern sich generell etwas träge, aber von einem realistischen Ansatz ist Truck Race so weit entfernt wie von einem Gold-Award. Kein Ding, ist ja auch ein Arcade-Racer, bei dem man durch heftige Rempeleien und coole Drifts seine Turbo-Anzeige auflädt. Aber ohne Witz: Bei dieser viel zu niedrig angesetzten Innenansicht wäre Kylotonn besser damit gefahren, die Brummis durch Go-Karts zu ersetzen, denn ich hatte eher das Gefühl, in den kleinen Flitzern zu sitzen, deren generischer Motorensound im Ansatz wie ein LKW klingt. In der Außenperspektive verdeckt das Fahrzeug dagegen einen zu großen Teil des Bildausschnitts und verhindert auch hier eine gute Übersicht.

Bei Rennen am geteilten Bildschirm wird die Darstellung noch mehr zur Diashow, die Übersicht geht teilweise komplett verloren und die Steuerung wird noch schlimmer.
Bei Rennen am geteilten Bildschirm wird die Darstellung noch mehr zur Diashow, die Übersicht geht teilweise komplett verloren und die Steuerung wird noch schlimmer.
Aber es kommt noch schlimmer: Fährt man der rempelfreudigen KI hinterher, wird man früher oder später zwangsläufig Bekanntschaft mit einer dicken Staubwolke machen, die bei Unfällen oder Drifteinlagen entsteht und das Renngeschehen in einen Blindflug verwandelt. Gleiches gilt, wenn man zu viele Schäden einstecken muss: Diese wirken sich zwar mehr auf die Anzeige als auf das Fahrverhalten aus, sorgen aber kurz vor dem Motorentod für schwarze Rauchwolken, die ebenfalls die Sicht massiv behindern. Ich könnte genauso gut den Fernseher ausschalten.

Das wäre vermutlich eine sehr gute Entscheidung, denn in diesem Fall müsste ich meine Augen nicht länger mit dieser unfassbaren Ruckelorgie quälen. Das ist schon ganz große Kunst: Die grafische Qualität der zehn Pisten und ihrer diversen Recycling-Variationen ist mit schlimmen Texturen, sterilen Kulissen, Flimmerkanten und mäßig modellierten Trucks ja schon unter aller Kanone. Aber dass die „visuellen Zauberer“ bei dieser „Pracht“ nicht einmal eine flüssige Darstellung auf die Beine stellen können, legt die Vermutung nahe, dass man hier einfach einen Praktikanten angewiesen hat, die Engine an einem Tag in Turbo Pascal zu programmieren. Die PS3-Version läuft immerhin einen Tick besser und minimiert dank V-Sync das hässliche Tearing des 360-Pendants. Oh, Entschuldigung, das wollte ich so nicht schreiben. „Besser“ impliziert als Steigerungsform von „gut“ etwas Positives. Korrektur: Truck Racer ist auf der PS3 etwas weniger katastrophal ausgefallen als auf der Microsoft-Konsole! Richtig lustig wird es bei den Rennen am geteilten Bildschirm: Hier geht die Bildrate noch weiter in den Keller, die Übersicht wird noch schlimmer und die Boliden reagieren mit noch einer größeren Verzögerung auf die Lenkeingaben.

Nichts los - zum Glück!

Die klobig modellierten Trucks werden auch mit Anpassungen der Lackierung nicht schöner.
Die klobig modellierten Trucks werden auch mit Anpassungen der Lackierung nicht schöner.
Einen Onlinemodus für wahnwitzige vier Spieler gibt es übrigens auch noch. Den konnten wir allerdings nicht ausprobieren, da auf den Servern eine gähnende Leere herrschte. Das Positive: Es nährt die Hoffnung, dass bisher nur weniger Leute dieser Gurke zum Opfer gefallen sind. Huch, da fällt mir gerade ein, dass ich das Spiel gar nicht mit einem Lenkrad ausprobiert habe, aber da sich auf der Verpackung kein Hinweis zur Unterstützung findet und ich mein geliebtes Fanatec ohnehin nur widerwillig mit diesem Mist beschmutzt hätte, ist es wohl egal. Irgendwie habe mich meine Zweifel, dass sich dieses Machwerk durch die Verwendung eines Lenkrads plötzlich in ein Super-Duper-Über-Rennspiel verwandeln würde.

Dummheit siegt

Warum? Weil ein Wheel z.B. nicht die fürchterliche KI der bis zu neun anderen Truck-Piloten verbessern würde. Die rempeln sich nicht nur wie blöde Vollidioten durch das Feld und sorgen hin und wieder für Massenkarambolagen, sondern verkeilen sich auch in meinen Truck und nehmen mir dadurch die Möglichkeit, mein Gefährt weiter zu steuern. Manchmal fahren sie mir auch einfach mit so viel Schwung ins Heck, dass ich mich um 180 Grad drehe und plötzlich entgegen der Fahrtrichtung stehe. Zum Glück habe ich einen Großteil des Feldes schnell wieder eingeholt, da die Konkurrenz mit angezogener Handbremse weiterfährt, sobald ich hinten liege. Manchmal bewirkt das Gummiband aber auch das Gegenteil und der Führende zieht entweder von Anfang an uneinholbar davon oder minimiert auf magische Weise meinen Vorsprung – und das selbst dann, wenn ich die Leistung meines Trucks ordentlich aufgebohrt habe. Aufgrund dieser unausgeglichenen Balance verkommen manche Rennen zu einem reinen Glücksspiel und es kann tatsächlich passieren, dass einer der Dumpfbacken aufgrund des viel schnelleren Gefährts als Erster die Ziellinie überquert.

Oft verkeilen sich die Fahrzeuge ineinander. Der eigene Truck lässt sich in diesem Fall nicht mehr kontrollieren.
Oft verkeilen sich die Fahrzeuge ineinander. Der eigene Truck lässt sich in diesem Fall nicht mehr kontrollieren.
Und dann gibt es noch die Momente, die endgültig belegen, dass hier ein Haufen Schrott auf die DVD gepresst wurde – nämlich dann, wenn die KI sich selbst in eine ausweglose Situation manövriert, aus der es kein Entkommen mehr gibt und selbst die automatische Rücksetzfunktion versagt. Unser Video-Fazit liefert ein paar köstliche Einblicke in die Welt dieser KI-Bugs. Gibt es sonst noch etwas zu sagen? Ja, ganz kurz: An Modi stehen schnelle Rennen und eine mäßige Anzahl an Meisterschaften zur Auswahl. Letztere sind nicht nur schnell rum, sondern tischen mir auch immer wieder die gleichen Pisten auf – kein Wunder, bei dieser riesigen Auswahl. Naja, zumindest sorgt man mit Variationen wie Zeit- und Eliminierungs-Rennen für einen Hauch von Abwechslung. Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch die grandiose Fahrstuhlmusik im Hauptmenü und die sagenhafte Sample-Schleife, die den Jubel der Zuschauer abbildet. Aber wenn es schon keinen Applaus von den Spielern gibt, muss man ihn sich eben schnell selbst zusammenbasteln. Ach, eins noch: Für Achievement- und Trophäenjäger zeigt sich Truck Racer dann doch noch von seiner Schokoladenseite, lassen sich viele der lukrativen Belohnungen doch ohne großen Aufwand erreichen.

Fazit

Ei, ei, ei, was haben Kylotonn und Big Ben Interactive mit Truck Racer da nur verbrochen? Hätte man dieses Machwerk kostenlos als Download-Titel angeboten, wäre diese Ruckelorgie mit ihrer katastrophalen KI, den hässlichen Kulissen und der schwammigen Steuerung vielleicht noch als ein guter Witz durchgegangen. Dass man es sich aber tatsächlich wagt, für so einen Mist 50(!) Ocken zu verlangen, lässt den Arcade-Racer wie einen schlechten Gag erscheinen, den man teuer bezahlt. Immerhin ist mir jetzt klar, warum unsere Anfrage nach einem Testmuster von der zuständigen PR einfach mal ignoriert wurde, getreu dem Motto: Truck Racer = LKW, LKW = Lieber keine Wertung. Doch da hat man die Rechnung ohne uns gemacht und so bekommt dieser Schund das, was er verdient! Immerhin: Bei dieser Leistung wird Truck Racer sicher ein gewichtiges Wörtchen in der Kategorie „Gurke des Jahres“ mitreden dürfen...

Pro

Upgrades für die Trucks
(Ruckel-)Rennen am geteilten Bildschirm möglich
Onlinemodus...
Schadensmodell...
leicht verdiente Trophäen & Achievements

Kontra

strunzdumme Rempel-KI
unfassbares Gummiband (auf manchen Strecken)
...den niemand wirklich braucht (oder nutzt)
...das sich kaum auswirkt
krasse Slowdowns
schwammige Steuerung
keine lizenzierten Trucks
völlig veraltete Kulisse
Flimmerkanten
kleiner Fuhrpark und wenige Pisten
meist sehr kurze Strecken
kurze Meisterschaften
keine Cockpitansicht
ungünstig positionierte Kameras
starkes Tearing (360)

Wertung

360

Truck Racer ist so spaßfrei wie Elefantenrennen auf der Autobahn!

PlayStation3

Technisch minimal weniger katastrophal als auf der 360 - trotzdem ist Truck Racer auch auf der PS3 ganz nah am Totalschaden dran.

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Kommentare

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