Whiplash15.03.2004, Jens Bischoff
Whiplash

Im Test:

Dass die Jungs von Crystal Dynamics originelle Spielideen haben, muss man bei Whiplash (ab 49,99€ bei kaufen) eindeutig zugeben. Oder seid ihr schon einmal in die Rolle eines unter Strom stehenden Wiesels geschlüpft, um mit einem cholerischen Karnickel als unfreiwilliger Waffe ein Genlabor zu sabotieren, das mittels Tierversuchen so skurrile Produkte wie Hühnerkanonen, Fettmatratzen, Hamsterkatapulte oder Do-it-yourself-OP-Stühle entwickelt?

Flucht in Ketten

Willkommen bei Genron, der Firma die herren- und mittelosen Vierbeinern neue Perspektiven beschert - wenn auch nur als sadistisches Spielzeug gelangweilter Wissenschaftler oder sinnloses Studienobjekt unterbelichteter Forscher. Denn bei Genron werden keine Heilmittel für schwere Krankheiten entwickelt, sondern groteske Apparaturen und Wesen, die eigentlich kein Mensch braucht. Auch Wiesel Spanx und Kaninchen Redmond sollte dieses Schicksal ereilen, und zwar in Form einer genetischen Verschmelzung zu einem "Karwiesel" oder "Wiesinchen". Doch in buchstäblich letzter Sekunde können die beiden aneinander geketteten Versuchskaninchen entkommen. Und jetzt beginnt ein tierisches Remake von Flucht in Ketten…

Ungleiche Helden: Während Langohr Redmond ständig herumnörgelt und alles besser weiß, kriegt der durchgeknallte Spanx kein Wort über die Lippen. (PS2)

Freiheit und Rache

Ähnlich wie im Filmklassiker könnten die beiden Flüchtlinge gegensätzlicher kaum sein und müssen doch zusammenhalten. Dazu zählt auch das Erbringen zahlreicher Opfer, die jedoch zu 99 Prozent auf Redmonds Konto gehen. Denn der ständig nörgelnde Hase muss aufgrund seines bei einem fehlgeschlagenen Haarlack-Experiment steinhart gewordenen Fells als wandlungsfähige Allzweckwaffe herhalten. Und tatsächlich: Mit so einem angeketteten Hasen samt Betonpelz lässt sich nahezu alles in kürzester Zeit in Schutt und Asche legen! Kein Wunder also, dass Spanx und Redmond nicht nur einen Weg in die Freiheit suchen, sondern auf ihrer Flucht auch noch den ganzen Genron-Konzern in die Pleite randalieren wollen.

Getriebeschaden: Um Maschinen zu stoppen und Schlösser zu knacken, stopft Spanx seinen Gefährten einfach in die entsprechenden Apparaturen hinein. (Xbox)
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Blinde Zerstörungswut

So wetzt ihr unzertrennlich durch insgesamt neun weitläufige Abteilungen, verprügelt Wissenschaftler und Wachpersonal, meidet schmerzhafte Fallen, befreit gefangene Artgenossen und schlagt alles kurz und klein, was irgendwie wertvoll aussieht. Doch leider verliert die stupide Zerstörungsorgie auf Dauer an Reiz. Auch die dämlichen Gegner sind nur selten eine Herausforderung und das Befreien anderer Versuchstiere, die euch anschließend tatkräftig zur Seite stehen und fleißig auf ihre Peiniger eindreschen, geschieht eher beiläufig - Gehirnschmalz braucht ihr für das Lahmlegen diverser Sicherheitssysteme oder Lösen primitiver Schaltersuchrätsel jedenfalls nicht. Trotzdem hält euch das urkomisch animierte Chaos-Duo immer wieder mit bissigen Sprüchen und schrägen Aktionen bei Laune, die im echten Leben jeden Tierfreund ins Koma fallen ließen.

Aufstand in der Mensa: Als die Köchin Kaninchen-Burger auf die Speisekarte setzen wollte, war Redmond nicht mehr zu halten. (Xbox)

Gelungene Vertonung

Die deutsche Übersetzung wirkt dabei sehr ordentlich und auch die meisten Synchronsprecher machen einen guten Job - vor allem Dauernörgler Redmond sticht positiv heraus, auch wenn sich die Sprüche mit der Zeit wiederholen. Wer will, kann über die Systemsteuerung seiner Konsole aber auch jederzeit auf die englische Originalvertonung umschalten, die im Schnitt ein noch hochwertigeres Sprecherniveau bietet. Die Soundkulisse setzt sich aus knackigen Slapstick-FX à la Looney Tunes und unaufdringlichen Hintergrundmelodien zusammen. Heimkino-Fans freuen sich dabei über eine Pro-Logic-II-Kodierung und Xbox-Besitzer über einen 60Hz-Modus.

Sicher über jeden Abgrund: An manchen Objekten bleibt Redmond auf Knopfdruck wie ein Magnet haften. (PS2)

Kleine Unterschiede

Ansonsten sind beide Versionen technisch nahezu identisch. Zwar präsentiert sich das Spielgeschehen auf der Xbox dank höherer Bildfrequenz etwas flüssiger, aber auch auf der PS2 sind Slowdowns oder Ruckler die Ausnahme und die PAL-Balken minimal. Hinzu kommt, dass das PS2-Original eine bessere Helligkeitsabstimmung bietet, während die von Nixxes ansonsten tadellos portierte Xbox-Umsetzung teils so düster ist, dass man manchmal wirklich Probleme hat, den richtigen Weg zu erkennen. Extreme Clipping-Fehler und merkwürdige Schattenwürfe gibt‘s hingegen auf beiden Plattformen. Die zudem recht polygon- und texturarme Optik besticht daher vor allem durch hübsche Effekte und skurrile Animationen. Schließlich könnt ihr Redmond nicht nur als eine Art tierischen Morgenstern benutzen, sondern auch in Brand und unter Strom setzen, einfrieren, vergiften, aufblasen sowie in Abflüsse, Schlösser und Getriebe stecken...

Öde Gewaltmärsche: Um von Level zu Level zu gelangen, müssen Spanx und Redmond ständig gleich aussehende Luftschächte und Korridore passieren. (PS2)

Praktisches Universalkaninchen

Redmonds Veränderungen dienen dabei sowohl zum Bewältigen zäherer Widersacher als auch bestimmter Hindernisse. So lernt Spanx im Lauf des Spiels Redmond als energiegeladenen Greifarm oder kreisenden Rotor zu benutzen, um vormals unzugängliche Abschnitte zu erreichen. Auch auf eine genauso detaillierte wie unübersichtliche 3D-Karte könnt ihr während eurer Flucht zurückgreifen. Aufgrund des linearen Spielverlaufs und meist eindeutiger Hinweise kann man sich aber ohnehin kaum verlaufen. Der Schwierigkeitsgrad ist abgesehen von ein paar hakeligen Hüpfpassagen sogar fast schon zu einfach. Zudem halten großzügig verteilte Kontroll- und Speicherpunkte eure Fortschritte automatisch fest, die ihr jederzeit auf Festplatte bzw. Memory Card sichern könnt. Die Lade- und Speicherzeiten sind dabei auf der PS2 übrigens erheblich länger, auch wenn Ladepausen im Spiel selbst sehr selten sind und meist durch aktives Liftfahren, Schlossknacken, Lüftungsschachtkrabbeln oder Standardkorridorpassieren kaschiert werden.__NEWCOL__

Herbe Spielspaßbremsen

Das Leveldesign wirkt durch die ständig gleichen Levelverbindungen allerdings sehr eintönig und mancher Sturz kann einen mit einem Mal mehrere Spielabschnitte zurückversetzen, weshalb man regelmäßig Speichern sollte. Neben der Gestaltung der Spielwelt haben aber auch Kollisionsabfrage und Kameraführung teils erhebliche Mängel, die nicht einmal durch ständiges Nachjustieren des Blickwinkels ausgebügelt werden können. So verpatzt ihr oft aus unerklärlichen Gründen sicher geglaubte Greifarmsprünge, Propellerflüge, Drahtseilrutschen und Geländer-Grinds oder bleibt wie eingefroren in der Luft hängen. Ansonsten ist die Steuerung aber recht präzise und direkt, wobei das Zurücksetzen der Kamera auf der PS2 aufgrund des Pads einfacher zu handhaben ist.

Ladehemmungen: Um diesen Robo-Boss zu besiegen, müssen seine Attacken erst einmal zur Stromgewinnung genutzt werden. (PS2)

Motivierende Charakterpflege

Für zusätzliche Motivation sorgen Rollenspielelemente wie Erfahrungspunkte, die ihr in Snackform von erledigten Gegnern erhaltet, sowie individuelle Boni, die ihr euch am Ende eines Levels für besondere Leistungen aussuchen dürft. Dazu zählen Levelkarten, zusätzliche Level-Ups und diverse Spezialangriffe und Kombos. Die gesammelten Erfahrungspunkte dürft ihr übrigens je nach Geschmack auf Spanx und Redmond verteilen, wobei Spanx bei jedem Levelaufstieg mehr Lebenspunkte und Redmond mehr Angriffskraft erhält. Zudem verwandelt sich Redmond bei mehreren erfolgreich aneinander gereihten Treffern in einen wahren Berserker-Hasen, der alles platt macht, was ihm in die Quere kommt. Lediglich bei manchen Boss-Gegnern kommt ihr nur mit der richtigen Taktik weiter. Wirklich Innovatives hat Whiplash auf spielerischer Seite allerdings nicht zu bieten.

Auch das noch! - Diese drei Herren sehen nicht so aus, als würden sie Spanx und Redmond bei der Flucht behilflich sein... (Xbox)

Fazit

Das hat Crystal Dynamics doch schon besser gekonnt: Erinnert man sich an die Jump&Run-Wurzeln der Kalifornier, wie Gex oder Pandemonium, wirkten diese spielerisch wesentlich origineller und ausgereifter. Whiplashs Gameplay beschränkt sich hingegen auf altbewährte Zutaten mit deutlichen Defiziten bei Kameraführung, Kollisionsabfrage und Leveldesign. Auch technisch hinkt der Titel Konkurrenten wie Ratchet & Clank -abgesehen von den witzigen Animationen- deutlich hinterher. Gerettet werden das tollpatschige Wiesel und das geschundene Karnickel in erster Linie vom schrägen Humor der tierischen Flucht in Ketten, der sich im Lauf des Spiels zwar etwas abnutzt, aber mit seinen verrückten Ideen, Animationen, Sprüchen und Sequenzen immer wieder das Zwerchfell reizt. Versionsunterschiede halten sich übrigens in Grenzen: Zwar läuft das Geschehen auf der Xbox dank 60Hz-Modus etwas flüssiger und bietet deutlich kürzere Ladezeiten. Aber dafür punktet die PS2-Fassung mit besserer Kamerajustierung und Beleuchtung.

Pro

derber Humor
60Hz-Modus (Xbox)
einfache Handhabung
faires Speichersystem
gelungene Animationen
ordentliche Lokalisierung
motivierende RPG-Elemente

Kontra

mäßige Technik
schwache Gegner-KI
ungenaue Kollisionsabfrage
unausgegorenes Leveldesign
teils sehr üble Kameraführung
teils sehr dunkle Levels (Xbox)
extrem lange Ladezeiten (PS2)

Wertung

XBox

PlayStation2

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