Im Test: Wackliges Comeback
Das Online-Glücksspiel
Da sitzt man nach einem Day-One-Patch von über einem Gigabyte auf der Couch und schaut auf bunte Fußballschuhe von Nike & Co. Die Treter sind auch verdammt realistisch designt. Genauso wie übrigens die Menüs im Kacheldesign – alles wirkt frischer und aufgeräumter. Aber welche Rolle spielt das schon, wenn man gar nicht kicken kann? Ich habe seit Donnerstag bis über das Wochenende versucht, in die Online-Modi von Pro Evolution Soccer 2015 (PES 2015) abzutauchen, weil ich richtig Lust auf diesen Fußball hatte. Und immer dann, wenn es mal mit einer Verbindung geklappt hat, lief der Ball auch weitgehend solide. Schön auch, dass Matches ohne Punktverlust abgerechnet werden, wenn das Ganze zu ruckeln beginnt und die Qualität auf einen von drei Balken sinkt.
Noch ärgerlicher als diese Wankelmütigkeit ist es, wenn man das Spiel komplett neu starten muss, weil es während der erfolglosen Suche nach einem Matchpartner in manchen Modi manchmal keine Möglichkeit gibt, selbige
Flucht in die Offine-Wüste
Ja, man kann diesmal online kicken. Man erlebt also keine totale Katastrophe wie mit Pro Evolution Soccer 2014 letztes Jahr auf Xbox 360, wo man noch drei, vier Tage nach Release gar nicht online spielen konnte. Aber aktuell ist ein Online-Match fast Glückssache – und das darf nicht sein! Das kann auch nicht am digitalen „Ansturm“ liegen, denn in den Lobbys sind manchmal nur dreihundert Leute unterwegs. Schade ist auch, dass ich bisher kein Online-Match mit einem über Transfers editierten bzw. neu erstellten Team machen konnte, was laut Anleitung zumindest in der Lobby funktionieren sollte. Also habe ich mich vor allem in die Offline-Modi gestürzt. Und auch dort wird man erstmal komplett ernüchtert.
FIFA 15 musste bereits viel Kritik für seine sterile Karriere einstecken. Mal abgesehen davon, dass die Japaner ihre ewig gleiche „Meisterliga“ lediglich hinsichtlich des Menüdesigns aufgefrischt, aber nicht hinsichtlich der Herausforderungen und Regie modernisiert haben: Hier ist die eigentliche Karriere „Werde zur Legende“ sogar noch dröger als bei FIFA 15, denn es fehlt sowohl der Bezug zum aktuellen Fußballgeschehen als auch eine Regie, wenn man mit einem jungen Profi loslegt. „Erlebe den Fußball hautnah!“ – ja wo denn? In der Szene, wo man den Platz betritt? Wo sind Spielervorstellung, aktives Trainer- und Fanfeedback? Wo sind emotionale Momente oder situative Herausforderungen innerhalb der Matches oder im Training? Pressekonferenzen?
Warum passiert hier nicht mal etwas Kreatives? Ist doch kein Hexenwerk, denn das macht 2K Games seit ein paar Jahren. Und das wäre die Chance für PES, sich mal abzuheben! Electronic Arts wird hinsichtlich der Lizenzen vermutlich immer vorne liegen, also muss man sich doch mal auf andere Stärken besinnen. Die Japaner hätten gerade mit dieser Premiere auf PlayStation 4 und Xbox One nicht nur demonstrieren können, dass sie für frischen Wind in der Inszenierung sorgen können. Sie hätten die Konkurrenz von Electronic Arts auch an der Schwachstelle der Karriere überflügeln können!
Fußballtechnik in Drei-Klassen-Gesellschaft
Nein, mit dreierlei Maß: Denn die PC-Version ist ja gar nicht erst auf dem neuesten Stand! Hier bekommt man eine Art Zwischenschritt mit sehr vielen technischen Altlasten von PES 2014. Man kann noch nicht mal aus dem Spielmenü heraus die Systemeinstellungen zu Vollbild, Auflösung & Co anpassen, sondern muss erst ins Steam-Menü - geht's noch umständlicher? Nicht nur, dass sich die Schattenbildung auf dem Rasen nicht der Tageszeit anpasst, dass das Publikum aussieht wie auf PlayStation 2 und dass sowohl die Profis als auch Trikots weniger Details zeigen. Auch die Animationen wirken im Vergleich zur PlayStation 4 steifer und statischer. Hinzu kommen immer wieder Ruckler sowie Eingabeverzögerungen, die es so nicht auf den Konsolen gibt. Das, was die angeblich so potente FOX-Engine leisten kann, ist auf dem potentesten System nicht zu sehen und liegt noch unter der Präsentation auf Xbox One. Auch hier verspielt Konami wertvolle Pluspunkte.
myClub – willkommen im Ultimate Team 0.5
Was tun sie stattdessen? Sie kopieren den - vor allem wirtschaftlich - erfolgreichen Ultimate-Team-Modus von FIFA 15. Sie bieten also auch ein Sammelkarten-Managerspiel an, in dem ich meine Traum-Mannschaft bilden und optional über Mikrotransaktionen virtuelles Geld erhalten kann. Was PES 2015 sogar etwas besser macht: Ich kann diese Punkte komfortabler erspielen, weil man sie für nahezu alles bekommt, nicht nur für Siege. So wird man zumindest bei regelmäßiger Spielweise kaum genötigt, echtes Geld in zu investieren.
Aber was steckt da an eigenen Ideen drin? Zu wenig! Selbst das Prinzip der Team-Chemie findet sich hier wieder, die zwischen einem und hundert Prozent liegen kann: Dabei werden die taktischen Vorlieben des Trainers mit denen des Spielers in mehreren Bereichen wie Formation, Offensiv- und Defensivverhalten verglichen – je mehr Übereinstimmung, desto besser die Chemie auf seiner Position. Aber warum muss die Profi- und Kadersteuerung dann so fummelig sein? Wieso gibt es nicht sofort Teamchemie-Vergleiche beim Anwählen? Wieso muss ich so umständlich aus Menüs raus, um neu
Online-Meisterliga gestrichen, KI-Schwächen
Konami macht mit myClub allerdings drei Fehler: Erstens wird die Online-Meisterliga dafür gestrichen. Wieso, weshalb, warum? Die ist doch wirtschaftlich komplexer und interessanter hinsichtlich der Spielerentwicklung! Zweitens rauben sie mir Freiheiten: Ich kann nicht gezielt auf einem Transfer- oder Auktionsmarkt nach Profis suchen, sondern sie nur indirekt über Agenten und deren Positions-Spezialisierung anwerben – da schafft nur die Ausleihe etwas Abhilfe. Drittens fehlt dem ganzen Modus aufgrund der wenigen Lizenzen natürlich die Anziehungskraft. Hier habe ich in meiner initialen Mannschaft z.B. keinerlei deutsche Erst- oder Zweitliga-Spieler, weil die Bundesliga gar nicht erst wählbar ist. Also startete ich z.B. mit Argentiniern. Ist auch okay, aber gerade für Sammler nicht so attraktiv wie bei der Konkurrenz, denn hier ziehe ich mit einem Agenten auch immer nur einen Spieler aus der Tombola. So wird nicht nur das Belohnungsgefühl eingeschränkt, sondern auch der Aufbau des Teams künstlich in die Länge gezogen.
Immerhin kann man in myClub sowohl online als auch offline gegen andere myClub-Teams antreten. Letztere werden dann vom Computer gesteuert. Und da beginnt das nächste Problem: Die KI ist unheimlich passiv, was Balleroberung und Pressing betrifft, so dass man selbst auf höheren Schwierigkeitsgraden all diese Spiele locker gewinnt. Das fühlt sich ganz komisch, fast schon lethargisch an, wenn man gegen diese fremdgesteuerten Mannschaften antritt. Man darf nicht vergessen: Es gab mal eine Zeit, das war PES schon auf der dritten Stufe ein anspruchsvoller Gegner! Nach all der Kritik an den Spielmodi und der Drei-Klassen-Präsentation kommen wir zur Spielmechanik. Was geht ab auf dem Platz?
Einmarsch und Fangesänge
Ein ganz großes Lob gibt es für die Akustik, denn die hat sich deutlich gesteigert: Endlich hat man das Gefühl, dass die Fans eine Rolle spielen und dass sie emotional mitgehen. Vor allem in Strafraumnähe und bei Torabschlüssen will man die Boxen aufdrehen, weil die Zuschauer so lautstark mitfiebern. Zwar hören sich einige der Aaaaahs und Oooohs manchmal etwas zu frenetisch an, außerdem hätte man noch etwas mehr offizielle Schlachtrufe implementieren
Wie an der Schnur gezogen
Das liegt auch daran, dass PES einen schon nach wenigen Ballkontakten in seinen Aufbaubann zieht – das fühlt sich unheimlich gut und reaktiv an, wenn man mit feinen Drehungen im Mittelfeld nach Anspielstationen oder gleich nach der Lücke für den tiefen flachen Pass zwischen die Abwehrkette sucht. Wenn diese Zuspiele in die Spitze funktionieren und das Stadion mitgeht, kommt nervöse Freude auf, bevor man den Schuss raushaut. Und es macht richtig Laune, diese Kracher aus der Distanz abzufeuern. Ansonsten hat sich hinsichtlich der Schusstechnik nichts getan: Es gibt zusätzlich den präzisen Schlenzer oder den Flatterball.
Das Highlight in diesem PES ist für mich die situative Eleganz. Wenn man sich ein wenig mit den vielen Finten beschäftigt, kann man sich die optimalen Momente für das spätere tödliche Durchstecken wunderbar im Spielaufbau mit Täuschungen, Ballannahmen und Drehungen erarbeiten – so entstehen tolle Momente. Schade ist, dass das Abschirmen des Balles nur noch kontextsensitiv passiert – jedenfalls habe ich keine Möglichkeit gefunden, wirklich aktiv den Körper zwischen Ball und Gegner zu stellen. Es gibt ansonsten für nahezu alle Steuerungsanweisungen ein Tutorial; nur kann man nicht gezielt diese Dribbelbefreiungen einstudieren. Aber man kann das Timing dafür im freien Training anhand der Befehlsübersicht einstudieren.
Die neue Balance
Wirkten die letzten Fußballspiele noch wie Pingpong, weil die Tempowechsel zu abrupt stattfanden, sorgt Konami jetzt für eine deutlich bessere Balance. Einerseits kann man recht geradlinig in die Offensive spielen, aber andererseits muss man sich die optimalen Momente taktisch besser erarbeiten als in FIFA 15. Aber es ist nicht alles optimal: Man wird angesichts der chirurgischen Pässe auch manchmal das Gefühl nicht los, dass da elf Mal ein Toni Kroos auf dem Platz steht, der nahezu alle Bälle sehr sicher an den Mann bringt; selbst mit der Zweitlig-Mannschaft kann man so brillieren. Hier hätte sich die Ausdauer vielleicht noch früher auf die Werte auswirken müssen.
Taktik zwischen Ballbesitz und Pressing
Taktisch bietet PES 2015 ein Füllhorn an Möglichkeiten zwischen 5-3-2 und 4-3-2-1. Man kann sein Umschalt- und Pressingspiel sowie das Laufverhalten sehr gut im Vorfeld einstellen. Sowohl für Situationen in der Offensive als auch Defensive lassen sich viele Teamanweisungen festlegen: Ballbesitz oder Konter als Offensivstil, kurzer oder langer Pass als Aufbaustil, weite oder mittige Angriffsbereiche sowie konservatives oder flexibles Stellungsspiel.
PES hat auch im Spiel selbst einige tolle taktische Finessen im Angebot. Dazu gehört die Abseitsfalle auf Knopfdruck oder das direkte Verschieben der Viererkette im Match. Und zu einem großen Teil wirkt das Laufverhalten der Profis auch so wie man es taktisch vorgibt. Mit einer für die Spieldynamik ärgerlichen Ausnahme: Selbst wenn ich auf Konter spiele, spurtet ein Flügelflitzer manchmal nicht von alleine die Linie lang, wenn mein Mittelfeldstratege in seine Nähe kommt – hier fehlen offensive Automatismen. Man muss also sehr oft über die manuelle Laufanweisung (L1 plus rechter Stick) dafür sorgen, dass der Vordermann auch tatsächlich in den freien Raum rennt – was dann auch gut funktioniert.
HSV, VFB, BVB?
Dann kann man zum Editor greifen, um diese Spieler zu erstellen, wobei man auch Vorbilder als Basismodell wählen kann. Da man neben Körper inklusive Gewicht und Definierung auch Gesicht, Bewegungsarten und Fähigkeiten anpassen kann, lassen sich sehr gute Klone bilden. Schließlich darf man auch Trikots in zig Varianten anpassen und eines der zwölf Stadien umbenennen. Schade ist nur, dass man mit seinem HSV, VFB oder BVB dann lediglich offline loslegen kann. Bisher ist es mir zumindest auf PlayStation 4 nicht gelungen, die Schwarzgelben online auflaufen zu lassen. Selbst wenn ich den Kader um alle selbst erstellten Profis streiche nicht.
Fazit
Warum ist der Online-Modus auf allen Systemen so verdammt wacklig - und das mehrere Tage nach Release? Da muss ich ja teilweise zwanzig, dreißig Versuche starten, bis angepfiffen wird und kann manche Modi gar nicht spielen! Warum enttäuschen die Offline-Modi entweder mit totaler Statik oder komplett steriler Regie? Da hätte man FIFA 15 doch mal an einer Schwachstelle packen können – stattdessen ist man sogar noch dröger. Das einzig Neue: Man kopiert das blöde Sammelkartenprinzip à la Ultimate Team mit seinem myClub und streicht dafür die Online-Meisterliga. Und warum wird der Fußball in drei Varianten auf den Markt gebracht? Modern nur auf PlayStation 4, grafisch mit Defiziten auf Xbox One und technisch abgespeckt auf dem PC. All das regt mich umso mehr auf, weil dieses Pro Evolution Soccer 2015 auf dem Platz endlich wieder eine Stabilität im Spielaufbau und eine situative Eleganz erreicht, die ich sehr lange vermisst habe. Bis auf das lethargische Laufverhalten in der Offensive und die Flachschussblindheit der Torhüter gibt es so wenig zu meckern, dass locker eine gute Wertung drin gewesen wäre! Konami hat auch endlich die Fankulisse auf ein Niveau gebracht, das zum Aufdrehen der Lautstärke animiert. Und deshalb spiele ich dieses Jahr wieder sehr gerne eine Partie. Aber das ist trotz lobenswerter Verbesserungen nicht das kreative, technisch beeindruckende und hinsichtlich Online-Service endlich mal konsequente Comeback, das diesen Fußball wieder an die Spitze gebracht hätte.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Die grafisch beste Version von PES 2015. Ärgerlich: Wackliger Online-Modus, sterile Karriere.
PC
Ein technisch abgespecktes PES 2015, das mitunter Ruckelanfälle hat. Ärgerlich: Wackliger Online-Modus, sterile Karriere.
XboxOne
Auf Microsofts Konsole muss man mit grafischen Defiziten leben. Ärgerlich: Wackliger Online-Modus, sterile Karriere.
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