Im Test: Atmosphärische Schneewanderung
Akte X im Eis
Es liest sich tatsächlich ein bisschen wie das Drehbuch für eine Episode von Akte X: Leichen, die äußerlich keine Kampfspuren aufweisen, aber deren innere Verletzungen auf Kräfte hindeuten, deren Intensität mit denen eines Autounfalls vergleichbar sind. Abseits der Fußabdrücke der Opfer keine weiteren Spuren im Schnee. Und wovor sind die Wanderer so panisch und nur knapp bekleidet aus ihren Zelten in die Kälte geflüchtet? Was hat es mit der Strahlung auf sich, die in späteren Untersuchungsberichten zum Vorfall erwähnt wurden? Aliens, geheime Regierungsexperimente, das Tor zur Hölle: Das mysteriöse Ereignis bildet auch heute noch genug Stoff für Verschwörungstheoretiker und Wahrheitssuchende. Selbst Hollywood hat den Vorfall mit dem auf Pseudo-Doku getrimmten Horrorstreifen Devil's Pass erst im Jahr 2013 verwurstet. Und seit Juli 2015 dürfen wir auch als Spieler
Der Kompass als bester Freund
Doch die gilt es in dem weitläufigen Areal überhaupt erstmal zu finden. Gar nicht so einfach, denn ihr seid lediglich mit einer Taschenlampe, einer Karte und einem Kompass ausgestattet. Man sieht sich bzw. die eigene Position weder auf der Karte, noch darf man irgendwelche Zielpunkte setzen oder sich bequem an die gewünschte Stelle navigieren lassen. Und genau das macht in Zeiten von übertriebenen Komfortfunktionen im Stil von Dragon Age 3 den größten Reiz des Spiels aus. Man stapft durch den Schnee und versucht, ein Gefühl für zurückgelegte Entfernungen und den Maßstab zu entwickeln. Man hält die Augen offen, um sich in dieser Schneewüste an markanten Objekten, Formationen, Bauten und sogar dem Mond zu orientieren. Zusätzlich zückt man den Kompass, der sich bei all den verwinkelten Pfaden schnell als neuer bester Freund in dieser eisigen Einsamkeit entpuppt. Gewissermaßen wird man gefühlt selbst zu einem der Wanderer, deren Schicksal man eigentlich aufklären möchte. Die ersten übernatürlichen Ereignisse lassen nach dem kurzen Einführungskapitel ebenfalls nicht lange auf sich warten: Wer ist diese seltsame Lichtgestalt, die hin und wieder auftaucht? Und wo will sie mich hinführen? Was hat es mit der schwarzen Kreatur auf sich, die sich mit flammenden Fußspuren im Schnee ankündigt und aus dem Nichts erscheinen kann, um mich zu jagen?
Bedrohliche Einsamkeit
Atmosphärisch kann die Schnee-Wanderung vor allem am Anfang überzeugen: Zwar ist die Spielwelt erschrecken leer und etwas eintönig gestaltet, doch sorgen Wettereffekte wie mitunter heftiger Schneefall oder das Wiegen der Bäume im Wind immerhin für etwas Bewegung und Leben auf dem Bildschirm. Mit zugefrorenen Seen, verwinkelten Höhlen, engen Felsvorsprüngen und finsteren Wäldern holt man sogar noch relativ viel Abwechslung aus dem Szenario heraus, auch wenn man sich irgendwann an der weißen Pracht sattgesehen hat, die von der Unreal Engine 4 angetrieben wird.
Enttäuschender präsentiert sich der übernatürliche Gegner, der manchmal aus dem Nichts erscheint und mich schon bei der kleinsten Berührung tötet. Nicht nur das dämonische Design wirkt billig, auch Bedrohung und Gruselfaktor kommen viel zu kurz. Zum einen deutet sich das Erscheinen meist schon durch leuchtende Fußspuren im Schnee an
In der Ruhe liegt die Kraft
Auch zugunsten der Immersion war es eine gute Entscheidung, den Bildschirm nicht mit irgendwelchen Anzeigen vollzustopfen. Stattdessen beschränkt man sich abseits eines dezenten Hinweis-Blinkens und kontextsensitiven Tasteneinblendungen nur darauf, was die Figur des Spiels mit ihren eigenen Augen sieht. Deshalb würde sich Kholat auch exzellent für die Verwendung von Oculus Rift & Co anbieten, doch gibt es aktuell leider immer noch keine offizielle VR-Unterstützung. Aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden...
Fazit
Kholat mag es zwar an Horror und Schrecken mangeln, doch trotzdem hat die Schnee-Wanderung durch das Ural-Gebirge durchaus einige atmosphärische Momente zu bieten. Vor allem die etwas anspruchsvollere Orientierung mit Karte und Kompass und damit ohne die üblichen Komfortfunktionen hat mir richtig gut gefallen. Hier wird nicht nur das Gefühl von Einsamkeit prima eingefangen, sondern auch eine angenehme Freiheit suggeriert, um diese abgelegene Bergregion mit rudimentärer Ausrüstung auf eigene Faust zu erkunden. Leider schränken die begrenzen Aktions- und Bewegungsmöglichkeiten den Forscherdrang oft künstlich ein oder es kommt zu einem langweiligen Leerlauf, weil insgesamt zu wenig passiert. Echte Spannung will sich angesichts der schwachen Einbindung der Bedrohung nur selten entfalten und die anfängliche Faszination für den eisigen Schauplatz schwindet mit jedem weiteren Fund, der mich der Wahrheit rund um die mysteriösen Ereignisse aus dem Jahr 1959 ein Stück näher bringen soll. Und so war ich trotz der geringen Spielzeit von nur knapp fünf Stunden am Ende froh, nicht noch länger in dieser Einöde festzusitzen, deren Erkundung anfänglich zwar von einem schönen Soundtrack und der stimmungsvollen Landschaft profitiert, sich aber zu schnell totläuft und nur eine recht uninspirierte Erklärung für das findet, was sich am Djatlow-Pass zugetragen haben könnte.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Kholat überzeugt mit atmosphärischer Einsamkeit in weiten Arealen, die Orientierungs-Talent verlangen. Horror und Spannung können sich bei dem kurzen Trip aber kaum entfalten.
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