The Solus Project12.07.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Bruchlandung

Selten, wirklich ganz selten habe ich mich in einem Survival-Abenteuer so gelangweilt! Sollte es hier nicht ums Überleben gehen? Sollte das nicht fesselnd sein und wollte dieses Spiel nicht eine spannende Geschichte erzählen? Nichts davon habe ich im Test von The Solus Project erlebt.

Alles egal

Irgendwann hatte ich fünf Flaschen Wasser und ähnlich viele Büchsen Nahrungsmittelkonserven geschleppt – mein Rucksack war fast voll damit. Denn Survival heißt in The Solus Project nur: “Beiß gelegentlich mal ab, trink was, weiter geht's!” Zusammenstellen muss man nichts, zubereiten schon gar nicht.

Später sollte ich ein Rätsel lösen – Steine müssen auf Platten gelegt werden, um eine Tür zu öffnen. Doch anstatt eine clevere Lösung zu fordern, verlangte The Solus Project lediglich das Anschleppen kleiner Felsbrocken und kümmert

Einladend - aber langweilig. The Solus Project ist spielerisch viel zu oberflächlich.
sich einen feuchten Kehricht darum, in welcher Reihenfolge ich die Gewichte auf irgendwelche Platten lege. Ein dröges Gerenne war das, mehr nicht. Die Steine waren ja im direkten Umfeld der Rätseltür drapiert.

Gute Fragen

Profanes Sammeln und Einstecken statt aufwändigem Suchen, Puzzeln, Kombinieren oder gar mit Widrigkeiten fertig werden: The Solus Project ist eine Sammlung spielerischer Oberflächlichkeiten. Es fragt: “Wie lange kannst du 'W' gedrückt halten, ohne einzuschlafen?”, anstatt ein fesselndes Abenteuer zu inszenieren. Meine Antwort: Nicht sehr lange! Dabei habe ich in den vergangenen Jahren etliche fantastische  Momente beim bloßen Umherlaufen erlebt habe – in Gone Home, Firewatch, Everybody's Gone to the Rapture und anderen.

Auch The Solus Project fängt vielversprechend an! Das moderne Erzählspiel in einem Survival-Abenteuer: Die Macher von The Ball wollten zwei junge Genres verbinden und lassen ihre Spieler deshalb in einer fernen Zukunft auf einem fernen Planeten abstürzen. Warum das Alter Ego dorthin geflogen ist? Weil

Erkundet man in eine offene Welt?

Man ist zwar auf weitläufigen Inseln unterwegs, diese sind aber durch geradlinige Höhlen verbunden und im Wesentlichen folgt man stets einem Pfad von A nach B. Manchmal ist ein Tor lediglich so lange verschlossen, bis man den Schlüssel gefunden hat. die Menschheit ein neues Zuhause sucht. Weshalb sein Raumschiff über dem vermeintlich unbewohnten Himmelskörper abgeschossen wurde? Gute Frage!

Zumal wunderschön verpackt: Am Horizont ziehen riesige Trabanten vorbei und das Knurren eines anscheinend großen Raubtiers oder ein metallenes Säuseln hauchen der fremdartigen Umgebung eine geheimnisvolle Seele ein. Zieht ein Wirbelsturm auf, hört man ein geradezu angsteinflößendes Kreischen, und in einer der vielen Höhlen scheint es sogar zu spuken. Wenn Dutzende Gesteinsbrocken glühend durch die Atmosphäre fallen, ist das nur einer von zahlreichen Momenten, in denen ich mir wünschte, The Solus Project wäre mehr als einschläferndes Umherlaufen.

Dauerlauf

In den Höhlen gibt es zwar kaum gute Rätsel, diese sind aber – ohne die wenigen Höhepunkte vorweg zu nehmen – oft in halbwegs spannende Situationen ein- oder an interessante Orte gebunden. Außerhalb der Gesteinsgänge wird das Abklappern der überall gleich aussehenden Planetenoberfläche allerdings zur Wachprobe: Zahlreiche

Vor allem akustisch machen solche Moment verdammt viel her.
Gegenstände muss man dort finden und ihr Entdecken fühlt sich nicht wie ein Erfolg an, sondern das Abhaken einer lästigen Einkaufsliste. Von meist belanglosen Notizen, ein wenig Proviant und einem benötigten Gegenstand abgesehen findet man ja nichts Interessantes; die Mühe wird nicht belohnt.

Die Laufgeschwindigkeit ist zu allem Überfluss nicht die höchste, während das Sprinten noch dazu von vielen Unebenheiten sowie der knappen Ausdauer ständig unterbrochen wird. Mehr gehetzt als neugierig latscht man deshalb jede Ecke ab, um ja kein Objekt zu übersehen und sich zu ärgern, wenn mal wieder kein Platz im Rucksack ist. Die eigentlich praktischen Ortungsgeräte lasse ich schon liegen, damit sie keine wichtigen Slots wegfressen – ein merkwürdiges Spiel, das ein solches Vorgehen forciert.

Ähnlich sinnig ist das Aufwerten verschiedener Eigenschaften meines charakterlosen Alter Ego, denn stoße ich beim Durchkämmen des Planeten auf bestimmte Gegenstände, erhöhe ich seine Gesundheit oder Laufgeschwindigkeit.Weil es nur darum geht, alle Wege abzuklapern, fühlt sich ihr Entdecken nicht wie ein Erfolg an. Schlimmer noch: Die Verbesserungen erfüllen im Grunde keinen Zweck, denn man kommt ohne sie genau so gut voran. Unsinnig sind die Upgrades spätestens dann, wenn man nach dem Einsacken eines Flugschreiber weniger Schaden bei Stürzen aus großen Höhen nimmt. Ein solche Diskrepanz zwischen beschriebenem und erlebtem Inhalt steht weder dem Erzählspiel noch einem Überlebenskampf gut zu Gesicht.

Überleben minimal

Dabei wirken gerade die Anzeigen des Biorhythmus' auf dem ständig präsenten PDA so zentral, dass die ersten Minuten auf dem fremden Planeten einen vielversprechenden Eindruck hinterlassen. Dass sich das nervige Gerät bald all paar Minuten ins Bild schiebt, um auf Unterernährung, Unterkühlung oder Schlafmangel hinzuweisen – und dasselbe ein paar Sekunden später gleich noch mal, und dann noch mal, tut – das weiß man da noch nicht. Man

Wer die wichtige Fackel vergisst, wäre viel zu lange so unterwegs, bis er eine neue findet. Abhilfe hilft nur ein kompletter Neustart.
schläft dann eben ein paar Stunden, verzichtet auf Spaziergänge im Regen oder öffnet die nächste Konserve, indem man sie erst aus dem Inventar entfernt, dann mit einem spitzen Stein öffnet, dann wieder aufnimmt und endlich isst. Nein, auch die Handhabung ist keine Stärke des Spiels.

Ich könnte noch erwähnen, dass man das Abenteuer besser von vorne beginnt, falls man aus Unwissenheit eine Fackel liegen lässt (Stichwort: unnötig kleiner Rucksack), ohne die an ein Weiterkommen in den dunklen Höhlen in keiner praktikablen Form zu denken ist. Auch das mögliche Steckenbleiben zwischen manchen Teilen der Kulisse erfordert zumindest das ärgerliche Laden eines Speicherstands. Nicht zuletzt ist es möglich, wichtige Gegenstände einfach zu übersehen, weil das Spiel in keiner Weise ihren Bedarf hervorhebt. Ich will nicht an die Hand genommen werden! Wichtige Zusammenhänge, die sich nicht aus dem bisherigen Spielverlauf heraus ergeben, sollten aber erkennbar sein.

Der erste Kontakt

Würde das Wachbleiben wenigstens mit einer guten Erzählung belohnt werden... doch die Geschichte wirkt wie eine aus vertrauten Notizen zusammengesteckte Mär. Neugierig war ich zwar darauf, was auf dem Planeten vorgeht, aber die Notizen anderer verunglückter Astronauten sind viel zu belanglos, tragen den roten Faden oft nicht voran und nur die schwach inszenierte Auflösung hätte mir zumindest ein „nett!“ entlockt.

Wenn mir da nicht schon die Augen zugefallen wären.

Eine neue Welt?

Immerhin: Für Besitzer eines Virtual-Reality-Headsets, genauer gesagt von Rift oder Vive, ist The Solus Project zumindest einen Blick wert – falls sie es mal, vielleicht im Rahmen eines Humble-Bundles günstig abstauben. Entwickler Teotl Studios hat nämlich interessante Konzepte um das knifflige Navigieren aus der Ego-Perspektive umgesetzt, die zwar noch nicht ausgereift und mitnichten einzigartig sind, aber durchaus ein Schritt in die richtige

So stilvoll Teotl Studios den fremden Planeten auch inszeniert, so ermüdend ist das Spiel.
Richtung. So teleportieren sich Vive-Besitzer ähnlich wie in The Vanishing of Ethan Carter von einem Punkt zum nächsten, was viel dazu beiträgt die gefürchtete Übelkeit zu verhindern.

Und selbst Rift-Träger sind besser geschützt als klassische Gamepad-Läufer, weil sie sich nicht durch eine gleichmäßige Bewegung des rechten Analogsticks umsehen. Das gleichzeitige Laufen und Schauen ist in der virtuellen Realität nämlich eins der magenerschütterndsten Elemente – das hier verwendete stückweise Umsetzen des Blickwinkels unterbindet das Unwohlsein hingegen verblüffend effektiv. Die Laufgeschwindigkeit ist in der Virtual Reality zudem deutlich geringer, was dem Wohlbefinden ebenfalls gut tut. Leider hält die Spielfigur ihren PDA stets zentral vorm Körper, wo er mir nach wenigen Sekunden schon im Weg war. Insgesamt experimentieren dir Entwickler aber recht erfolgreich mit der kniffligen Kombination VR und Ego-Perspektive, auch wenn ihr Spiel dadurch lediglich einige Schauwerte gewinnt. Spielerisch verbessern sie ihr Abenteuer damit nicht.

Zusätzlich unterstützt Teotl das EyeX von Tobii, erfasst also die Blickrichtung des Spielers und markiert so u.a. das Objekt, auf das er oder sie gerade schaut – ein folgender Klick und man benutzt den Gegenstand oder hebt ihn auf, ohne die Spielfigur, also das Fadenkreuz extra darauf zu richten. Auch den PDA schaut man an, indem man... ihn einfach anschaut. Beides ist wirklich praktisch, fühlt sich glaubwürdig an und ist eine natürlich unwesentliche, aber sehr gelungene Ergänzung des Abenteuers.

Fazit

Erzählspiel und Überlebenstrip will The Solus Project sein – und ist so richtig keins von beidem. Auf der einen Seite ist das Abklappern der weitläufigen Inseln so ermüdend, sind die Rätsel so belanglos, dass man die ohnehin in Textmitteilungen und auf Steintafeln schleppend erzählte Geschichte kaum genießen kann. Auf der anderen Seite ist das nach Uhr notwendige Essen, Trinken und Schlafen dermaßen eindimensional und anspruchslos, dass von echtem Survival keine Rede sein kann. Im Gegensatz dazu werden einige wichtige Zusammenhänge nicht erklärt, weshalb die Gefahr etwas zu übersehen, ständig verunsichert. Eine knappe, gut vorgelesene Geschichte ohne Interaktion mit der Umgebung würde heute natürlich nicht die Begeisterung eines Dear Esther auslösen – sie wäre allerdings spannender als das maßlos in die Länge gezogene, spielerisch im Grunde sinnfreie Herumlatschen auf diesem Planeten. Ich bin mir sicher, dass Survival und Erzählspiel hervorragend harmonieren können – The Solus Project wirkt jedoch wie eine konzeptlose Anhäufung nicht zusammengehörender Versatzstücke.

Pro

zauberhauftes Panorma auf Planetenoberfläche
einige überraschende und gruselige Momente
eindrucksvoller Klang vermittelt starkes Gefühl der Fremde
Setzen eigener Markierungen...
durchdachtes Einbinden von Rift und Vive

Kontra

ermüdende Suche nach Schlüsseln und anderen Gegenständen
langweiliger und bemühter Überlebenskampf ohne spielerische Tiefe
geheimnisvolle, aber träge erzählte Geschichte
... die allerdings wichtigen Platz im Rucksack fressen und deshalb im Grunde überflüssig sind
überflüssige Verstecke und sinnloses Aufleveln durch unlogische Gegenstände
eintönige Umgebungsgestaltung ebenso notwendiges wie ermüdendes Absuchen ständig gleich aussehender Kulissen
nicht alle wichtigen Zusammenhänge werden ausreichend erklärt
mögliche Sackgassen, die zum Laden eines Speicherpunkts, als Ausnahme sogar zum kompletten Neustart zwingen können
nervende Hinweise statt dezenter Anzeigen etwa zum Gesundheitszustand

Wertung

OculusRift

Trotz einer an VR angepassten Steuerung gewinnt das Erleben des Abenteuers mit Oculus Rift bis auf einige eindrucksvolle Ansichten nichts hinzu.

PC

Wunderschönes, aber spielerisch belangloses Ablaufen eines fremden Planeten. Auch die Erzählung trägt das Science-Fiction-Abenteuer nicht.

VirtualReality

Vive-Spieler profitieren mit der Teleportation von einer zusätzlichen Steuerungsart - besser macht auch die das Erlebnis allerdings nicht.

HTCVive

Vive-Spieler profitieren mit der Teleportation von einer zusätzlichen Steuerungsart - besser macht auch die das Erlebnis allerdings nicht.

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