Stranger of Sword City12.04.2016, Jens Bischoff

Im Test: Düstere Parallelwelt im Nordpazifik

Nach Demon Gaze und Operation Abyss: New Tokyo Legacy hat Experience Inc. mit Stranger of Sword City (ab 35,32€ bei kaufen) schon wieder einen Dungeon-Crawler am Start. Wir haben den auch hierzulande erhältlichen Xbox-One- und PlayStation-Vita-Adaptionen im Test auf den Zahn gefühlt.

Irgendwo im Nirgendwo

Nach einem Flugzeugabsturz zwischen Japan und Alaska, findet man sich in einer verwüsteten Einöde wieder, von den anderen Passagieren keine Spur. Stattdessen wird man von riesigen Monstern empfangen, deren Begrüßung man nur dank des beherzten Eingreifens einer Fremden überhaupt überlebt. Wie sich später herausstellt, gehört das Mädchen zu einer Gruppe Gestrandeter, die diesem unwirtlichen Ort mit vereinten Kräften zu entfliehen versuchen. Dazu sei es nötig, spezielle Kreaturen unschädlich zu machen und die von ihnen erbeuteten Blutkristalle einem von drei Auserwählten zu vermachen.

Auch eure Retterin ist eine dieser sehr unterschiedlich veranlagten Auserwählten, die jedem Spender einzigartige Kräfte verleihen können. So kann man seine Wahl sowohl von persönlichen Sympathien, geteilten Gesinnungen als auch bevorzugten Fertigkeiten abhängig machen. Die durch das Spenden von Blutkristallen erworbenen Spezialkräfte erlauben oft entscheidende Eingriffe in kämpferische Auseinandersetzungen wie z. B. das Beschwören regelmäßiger Heilwellen, das gezielte Abwehren drohender Statusbeeinträchtigungen oder eine garantiert erfolgreiche Flucht in brenzligen Situationen.

Auf der Lauer

Um diese Kräfte nutzen zu können, muss allerdings erst ein entsprechender Moralpegel erreicht sein, der während der rundenbasierten Kämpfe kontinuierlich ansteigt. Das Ausmaß ist jedoch begrenzt und die gesammelten Moralpunkte sind auch anderweitig nützlich.

Neben dem hier gezeigten Originalstil von Yoko Tsukamoto kann man die Charaktere auch in einem mehr auf Anime getrimmten Grafikstil von Oxijiyen darstellen lassen (Bild: Xbox One).
So kann man sich z. B. an manchen Orten auf die Lauer legen, um feindliche Transporte abzufangen. Was nach nettem Zeitvertreib klingt, wird schon bald zur primären Beschaffungsmaßnahme neuer Ausrüstung, da gewöhnliche Gegner fast nur Kleinkram hinterlassen und auch die Einkaufsmöglichkeiten der als Basis fungierenden Siedlung Escario alias Sword City recht überschaubar sind.

Allerdings müssen alle Beutestücke zuerst identifiziert werden, was unterwegs auch mal in die Hose gehen kann, bei der Rückkehr in die Stadt aber automatisch erfolgt. Trotz späterer Reiseportale und Rückkehrmöglichkeiten ist die Erkundung der Spielwelt aber mit vielen Gewaltmärschen durch immer dieselben Gruften, Kerker und Labyrinthe verbunden. Vor allem, wenn man das Risiko draufzugehen und wichtige Beute oder gar Charaktere zu verlieren, möglichst gering halten will. Spielstände lassen sich nämlich nur in Sword City speichern, während mehrfach hintereinander verunglückte Gruppenmitglieder dauerhaft zu verschwinden drohen.

Riskante Verletzungen

Wird eines der bis zu sechs aktiven Gruppenmitglieder im Kampf bewusstlos, verliert es eines seiner wenigen Herzen. Der Verlust des letzten Herzens führt unweigerlich zum Verschwinden des Charakters. Um dies zu verhindern, sollte man geschwächte Gefährten erst auskurieren, bevor man sie wieder in den Kampf schickt. Dazu sind seltene und vergleichsweise teure Verbrauchsobjekte nötig. Das Gleiche gilt für Wiederbelebungen, für die man vor allem zu Beginn des Abenteuers immer wieder nach Sword City zurückkehren muss, wo man Betroffene entweder schnell und kostspielig ins Leben zurückholen oder durch eine längere, aber kostenfreie Auszeit genesen lassen kann.

Die Rassen:

Mensch  - Elf - Zwerg - Migny - Ney

Die Klassen:

Kämpfer - Ritter - Samurai - Zauberer - Kleriker - Waldläufer - Ninja - Tänzer Entscheidet man sich für letztere Methode, sollte man sich allerdings um einen vorübergehenden Ersatz bemühen. Den kann man sich wie zu Spielbeginn das eigene Alter Ego selbst kreieren. Dazu stehen fünf Rassen, acht Klassen sowie eine Reihe angeborener Talente zur Auswahl. Mit der Wahl des Alters nimmt man sogar Einfluss auf Lebens- und Bonuspunkte. Auch Stimme, Name, Geschlecht, Anfangsattribute und Aussehen lassen sich manuell festlegen. Letzteres aber lediglich in Form von über 80 handgemalten Portraitbildchen. Auch die Story-Charaktere sind handgemalt. Gegenüber dem japanischen Orignal hat man hier sogar die Wahl zwischen zwei Grafikstilen verschiedener Künstler (Yoko Tsukamoto & Oxijiyen).

Böse Überraschungen

Man sollte seine Kämpfe sowie die Gruppe gut vorbereiten: Der Verlust des letzten Herzens führt unweigerlich zum Verschwinden des Charakters.
Auch beim Schwierigkeitsgrad kann man sich zu Beginn für eine von zwei Stufen entscheiden. Nachträgliche Wechsel sind nur mit speziellen Items möglich. Die von Formationen, Reichweiten, Treffwahrscheinlichkeiten und Resistenzen geprägten Auseinandersetzungen sind allerdings nicht ohne.Vor allem, wenn man angeschlagen oder mit niedrigem Morallevel von größeren Gruppen oder hochstufigen Gegnern überrascht wird, wird's oft brenzlig. Trifft man auf bisher unbekannte Kreaturen, steigt die Spannung ebenso. Auch beim Überfallen feindlicher Transporte riskiert man mit jedem Trupp, den man passieren lässt, selbst in einen Hinerhalt zu geraten. Zudem sind die erbeuteten Truhen oft mit Fallen gesichert, die, wenn man beim Entschärfen versagt, verheerende Schäden anrichten oder andere Überraschungen heraufbeschwören können.

Darüber hinaus gibt es neben vorab sichtbaren Kampfschauplätzen hin und wieder auch klassische Zufallskämpfe - wenn auch in einem sehr erträglichen Rahmen. Schön auch, dass die Kämpfe Aktionswiederholungen und -beschleunigungen bieten. Dafür kann es besonders am Anfang sehr nervig sein, wenn Gegner über extrem hohe Ausweichraten verfügen oder immer wieder Verstärkung herbeirufen. Das Aufspüren und Bewältigen von Fallen und Hindernissen wie Fallgruben, Bodenstacheln, Drehfelder oder Geheimwände steht ebenfalls immer wieder auf dem Programm - oftmals sogar im Dunkeln. Hier und da können auch kleine Nebenquests bestritten werden.

Licht und Schatten

Zur Navigation dient eine jederzeit aufrufbare Auto-Map, die zwar keine manuellen Ergänzungen, aber dafür automatische Märsche zu angewählten Zielpunkten erlaubt. Auf der PlayStation Vita navigiert es sich dank Touch-Funktionalität sogar besonders komfortabel. Abseits der Karte wird auf dieses Feature aber leider komplett verzichtet. Auch bei Gegnern, Schauplätzen und Optionen gibt es kleinere Versionsunterschiede wie z. B. die Xbox-exklusive Schnellverkaufsfunktion für Handelsobjekte, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen.

Erwähnen sollte man aber die trotz ansehnlicher Charaktergrafiken reichlich angestaubte Technik und Inszenierung, die ganz schön an der Stimmung zehren kann. Auch die Soundkulisse präsentiert sich durchwachsen und glänzt einerseits mit einfühlsamen Kompositionen, die dann aber immer wieder von Soundeffekten aus der Videospielsteinzeit unterbrochen werden.

Die teils vorhersehbaren, teils zufällig initiierten Kämpfe laufen rundenbasiert ab (Bild: PS Vita).
Sprachausgabe gibt's leider auch nur sporadisch und ausschließlich auf Japanisch, Untertitel in durchwachsenem Englisch, wichtige Erklärungen oft nur über sperrige Hilfsmenüs.

Wiedergutmachung leistet jedoch die angenehm flexible Charakterentwicklung, die einen nicht nur Attributspunkte bei Stufenaufstiegen manuell verteilen, sondern später auch bis zu fünf Mal die Klasse wechseln und einen Teil der zuvor erlernten Fertigkeiten weiternutzen lässt, um irgendwann sein ganz persönliches Dreamteam durch die Katakomben zu dirigieren. Der Weg dorthin ist allerdings unglaublich zäh und steinig, das Drumherum zum Teil fast schon museumsreif.

Fazit

Während die Demon-Gaze-Macher die Xbox-One-Pforten ihres jüngsten Dungeon Crawlers bereits geöffnet haben, wird die von NIS America vertriebene PlayStation-Vita-Fassung erst Ende April in unseren Breiten erhältlich sein. Gravierende Unterschiede konnten wir jedoch keine ausmachen, so dass Interessenten ihren Kauf ganz davon abhängig machen können, ob sie lieber zuhause oder unterwegs auf Monsterjagd gehen wollen. Allerdings sollte man auf jeden Fall viel Zeit und Geduld sowie eine hohe Toleranz gegenüber altbackener Technik und Inszenierung mitbringen. Denn in diesen Bereichen kocht Stranger of Sword City trotz neu hinzugefügter Portrait-Stilwahl auf extrem kleiner Flamme. Zudem gibt es nur eine Tonspur (japanisch) und lediglich englische Untertitel. Auch Neueinsteigern wird es nicht gerade leicht gemacht, sich in das angenehm flexible und facettenreiche Gruppenmanagement einzuarbeiten. Wer durchhält, kann sich aber auf spannende Kerkerausflüge mit fordernden Rundenkämpfen, fiesen Überraschungen und motivierender Beutehatz freuen.

Pro

flexible Charakterentwicklung
motivierendes Moral- & Gruppenmanagement
zwei wählbare Portraitstile

Kontra

zäher Einstieg & Spielfluss
angestaubte Technik & Inszenierung
nicht lokalisiert

Wertung

XboxOne

Solider, aber sehr zäher und antiquiert wirkender Dungeon-Crawler der Demon-Gaze-Macher.

PS_Vita

Solider, aber sehr zäher und antiquiert wirkender Dungeon-Crawler der Demon-Gaze-Macher.

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