BlazBlue: Chronophantasma Extend03.03.2016, Mathias Oertel
BlazBlue: Chronophantasma Extend

Im Test: Alte Prügelschule mit Titelambition

Als BlazBlue Chronophantasma Extend im Herbst letzten Jahres auf PS4 und One erschien, hat es terminlich für einen Test leider nicht gereicht. Angesichts des inhaltlich derzeit noch Wünsche offen lassenden Street Fighter 5, haben wir uns die jüngst erschienene PC-Version des Prüglers von ArcSystems geschnappt, in den stylischen 2D-Kampf begeben und die Gunst der Stunde genutzt, um auch den Test der Konsolen-Fassungen nachzuholen.

Die Story mit dem Prügler

Kampfspiele von ArcSystem Works zeichnen sich vor allem durch zwei Elemente aus: Eine saubere 2D-Kampfmechanik alter Schule sowie eine umfangreiche Story. Sowohl die BlazBlue-Serie als auch die aus der Persona-Rollenspielreihe stammenden Arena-Prügeleien oder die Guilty-Gear-Eskapaden sind dafür Beispiele. Doch bei Chronophantasma Extend, einer leicht erweiterten Version des 2013 in den USA sowie 2014 in Europa auf PS3 erschienenen BlazBlue Chronophantasma, scheint sich ArcSystem übertreffen zu wollen. Nicht nur, dass man hier noch mehr Geschichten zur Verfügung hat, deren minimal animierte Anime-Standbilder man zusammen mit der blitzsauberen englischen Sprachausgabe genießen kann. Bei dem neuen Remix Heart Gaiden z.B. gibt es nicht einen Kampf auszufechten. Und auch bei der im Kern stehenden Chronophantasma-Erzählung ist Geduld angesagt, wenn man eigentlich „nur“ kämpfen möchte.

Bis es innerhalb der langwierigen Geschichten zu Kämpfen kommt, kann viel Zeit vergehen.
Mitunter kann es 20 Minuten und länger dauern, bis man irgendwo in einem der Kapitel, in denen man auch ab und an Entscheidungen treffen kann, einen Kampf findet. Die Relation von Kampf zu Geschichte befindet sich damit am komplett anderen Ende des Spektrums als z.B. bei Street Fighter 5 - wobei dort die große Story-Erweiterung ja ohnehin erst im Juni kommen soll. Doch auch wenn man andere Prügler von Dead or Alive Last Round bis Mortal Kombat XL gewöhnt ist, kommt man sich hier wie im falschen Film vor. Dialog folgt auf Dialog, ein kampfloses Kapitel reiht sich an das nächste. Allerdings muss man Arc zu Gute halten, dass die Geschichte mit all ihren Klischees und Anspielungen und Verwicklungen durchaus überzeugen kann und eine stimmungsvolle Charakter-Riege aufbaut - allerdings nur mit englischer Sprachausgabe. Und wer sich partout damit nicht beschäftigen möchte, kann in den Optionen auch einen Schnellvorlauf einstellen, so dass man nicht mehr 20, sondern nur noch zwei Minuten wartet, bis einen das nächste Duell ans Pad ruft. Wer die Zeit komplett investieren möchte, sollte mindestens 20 bis 25 (!) Stunden einplanen, wenn man alle Kapitel mit allen Entscheidungen, sämtlichen Kämpfen sowie die Outtakes in voller Pracht genießen möchte.

Sauber, aber sperrig

Das Abrufen solcher Effektkombos wird einem mit der vereinfachten "Stylish"-Steuerung erleichtert.
Ebenfalls ein Eckpfeiler der ArcSystem-Prügler ist die Kampfmechanik. Prinzipiell ähnelt BlazBlue hinsichtlich des Abrufens der Spezialattacken sowie dem Blocken usw. Capcoms Street Fighter, setzt aber nur auf vier Angriffsknöpfe (schwacher Angriff, Medium, stark sowie Drive), die zu verheerenden Angriffen zusammengefügt werden können. Zusätzlich vermischt man dies aber mit dem Kombo-fokussierten Ansatz, den z.B. auch Killer Instinct auf der Xbox One verfolgt. Und damit werden Anfänger schnell überfordert - zumal jede Figur auch spezifische Eigenheiten hinsichtlich bestimmter Specials und deren Auswirkungen zeigt. Zwar kann man mit dem umfangreich konfigurierbaren Training, bei dem man sogar Bewegungsfolgen des Sparrings-Partners aufnehmen kann, um darauf reagieren zu können, den charakterspezifischen Tutorials sowie den 20 Kombo-Herausforderungen pro Figur alles Notwendige erlernen. Doch der Einstieg wird einem nicht so leicht gemacht wie bei Chun-Li & Co.

Man muss viel Zeit und Geduld investieren, wenn man Erfolgserlebnisse feiern möchte. Und man sollte am PC nicht mit einem Standard-Xbox-360-Gamepad spielen, dessen Digipad für Prügler nur suboptimal geeignet ist. Ein Fightstick oder zumindest ein Controller mit gehobener D-Pad-Klasse wie z.B. der Elite Controller für Xbox One (und PC) sollten es schon sein, um die geschmeidig animierten 2D-Sprites optimal kontrollieren zu können. Auf den Konsolen geht es auf den Standard-Pads so gut oder schlecht wie bei anderen Prüglern. Auch hier ist ein Fight Stick erste Wahl – und auf der Xbox One zumindest der Elite Controller, während auf der PS4 auch das Standard-Pad gute Dienste verrichtet.

Wenn man sich reinbeißt und sich die Zeit nimmt, wird man mit schicken Kombos und mitunter gleißenden Effekten belohnt, die die stilistisch an Marvel vs. Capcom erinnernde Kulisse mit ihren aufwändigen 2D-Sprites sowie dreidimensionalen Hintergründen aufwerten. Und das kann man als Solist in einem ganzen Haufen Spielmodi auch

Die Kämpferriege kann sich sehen lassen, sowohl hinsichtlich der Anzahl als auch der Variation.
abseits der Story genießen. Alternativ kann man  in diesen meist auch auf die vereinfachte "Stylish"-Steuerung schalten, die einem beim Erreichen der schick anzusehenden Kombos unterstützt. Neben dem Arcade-Spiel, bei dem man die Figur durch acht Kämpfe begleitet, die erzählerisch minimal miteinander verbunden sind, wartet z.B. die Score-Attack-Variante. Hier wird auf eine Erzählung verzichtet, sondern macht sich auf drei Strecken mit jeweils zehn Auseinandersetzungen auf die Jagd nach Höchstpunktzahlen. Wer sich, seine Fähigkeiten und seine Geduld auf die Probe stellen möchte, wählt den "Unlimited Mars Mode". Dahinter verbirgt sich eine Abwandlung der Score-Attack, bei der die KI mit extremer Aufmerksamkeit sowie Ausnutzung aller Fähigkeiten agiert.

Ab in die Tiefe

Etwas harmloser geht es zumindest anfänglich beim Abyss-Modus zu, der in Grundzügen als Inspiration für den Survival-Modus in Street Fighter 5 gedient haben könnte, sich aber deutlich facettenreicher präsentiert. Das Ziel: Man muss das Ende eines Abgrunds erreichen, dessen zu erreichende Tiefe bei zehn Abschnitten vorgegeben ist, der elfte ist quasi endlos. Man schreitet voran, indem man gegen die zufällig ausgewählten Gegner erfolgreiche Kombos setzt. Alle 20 "Stufen", was im Normalfall zwei bis drei Kämpfen entspricht, in denen man seine Lebensenergie nicht aufladen kann, schaltet sich ein Boss ein. Besiegt man ihn, kann man aus einem Quartett an Optionen Verbesserungen wählen (z.B. Angriffsverstärker, Energieauffrischung, höhere Geschwindigkeit, aber auch die Möglichkeit, sich 30 Stufen nach unten zu

BlazBlue zelebriert auch mit Chronophantasma Extend schicke Prügeleien alter Schule.
bewegen), die sich in diesem Modus im Falle der Werte permanent auf den Charakter auswirken. Zusätzlich kann man besondere Fähigkeiten wie "Lucky Puncher" oder "Silver Aura" (Verteidigungsbonus) freischalten und dann im Abyss-internen Store für die hart erarbeitete Spielwährung erstehen, bevor man sich an den nächsten Abstieg wagt.

Selbstverständlich kann man sich auch mit menschlichen Gegnern duellieren, wobei man in diesem Bereich sowohl on- als auch offline nur das Nötigste anbietet. Keine Turniere, keine Ligen, sondern nur puristisches 1-gegen-1, das online immerhin die Unterscheidung zwischen Ranglisten- und Test-Matches macht und ein halbwegs vernünftiges Lobby-System mit Chat-Funktion etc. anbietet. Auf Konsolen (und hier vor allem auf Xbox One) braucht man allerdings Geduld, bis man in irgendeinem Online-Modus einen Gegner findet. Hier ist deutlich spürbar, dass diese Versionen bereits im Herbst letzten Jahres veröffentlicht wurden. In der jüngst veröffentlichten PC-Fassung findet man schneller einen Gegner und kann sich hier auf ein ebenso meist problemlos ablaufendes Online-Vermöbeln freuen wie auf den Konsolen.

Fazit

Gibt es tatsächlich so etwas wie zu viel Story in einem Prügler? Das liegt im Auge des Betrachters. Aber Chronophantasma Extend positioniert sich als Extrem auf der einen Seite eines Spektrums, an dessen anderem Ende die mickrige Interpretation eines Story-Modus von Street Fighter 5 steht. Wenn man nicht den Schnellvorlauf nutzt, scheint die Relation von erzählerischem Zeitaufwand zu den vergleichsweise wenigen Kämpfen komplett disporpor tional. Doch auch abseits der facettenreichen, aber vor Klischees strotzenden Geschichte(n) ist das bislang letzte BlazBlue-Abenteuer ein Inhaltsmonster: Solisten und Duellanten finden reichhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten von Training bis hin zu weitgehend sauberen Online-Kämpfen samt Retro-Lobby. Auch technisch liefert ArcSystems wieder einmal auf gehobenem Niveau ab. Kollisionsabfrage, Steuerung oder Figurenvielfalt lassen zudem kaum Wünsche offen, während die typische 2D-Kulisse sich farbenfroh und durch die Bank sehr gut animiert präsentiert. Allerdings zeigt sich BlazBlue hinsichtlich des Zugangs von seiner sperrigen Seite: Wer sich nicht mit dem Erlernen von Kombos und den jeweiligen Fähigkeiten der Figuren beschäftigen möchte, bekommt auch von der KI schnell seine Grenzen aufgezeigt. BlazBlue Chronophantasma Extend mag trotz der vereinfachten "Stylish"-Steuerung die Massen-Tauglichkeit eines Street Fighter 5 fehlen. Doch so lange Capcom damit beschäftigt ist, Inhalte nachzureichen, bekommen Prügelfans hier ein prall gefülltes Beat-em-up alter Schule.

Pro

fantastisches 2D-Artdesign
akkurate Steuerung...
saubere Kollisionsabfrage
farbenfrohe Kulisse
ausufernde Geschichten voller Klischees und Absurdität
über 25 abwechslungsreiche, ausgewogene Figuren
größtenteils saubere Online-Kämpfe
umfangreiche Modi auch für Solisten
"Stylish"-Modus mit vereinfachter Steuerung
große DLC-Sammlung inklusive (PC)
Chronophantasma-Mode mit "alter" Balance (PC)

Kontra

leichte Kanten bei einigen Zwischensequenzen
... die bei Nutzung eines Standard-Xbox-Pads leidet
sperriger Zugang
in den Geschichten gehen die disproportional wenigen Kämpfe fast unter
puristische Versus-Optionen (keine Ligen, keine Turniere)

Wertung

XboxOne

ArcSystem zeigt sich von seiner besten Seite und zelebriert einen sauberen Prügler alter Schule mitsamt spartanischer Versus-Optionen.

PC

Unterhaltsames Gesamtpaket für Prügelfans alter Schule, bei dem nur die Modusarmut für Mehrspieler-Duelle die Freude trübt.

PlayStation4

ArcSystem zeigt sich von seiner besten Seite und zelebriert einen sauberen Prügler alter Schule mitsamt spartanischer Versus-Optionen.

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