Im Test: Superhelden in kreativer Spielkiste
Wo ist die Magie?
Ich erinnere mich gerne zurück an den Einstieg in das erste Disney Infinity. Wie aus einem Funken Fantasie eine ganze Disney-Welt wurde, in deren Finale man mit Micky auf das berühmte Schloss kletterte, das jeden Disney-Film kennzeichnet , gehört für mich immer noch zu den stimmungsvollsten Einleitungen der letzten Monate. Und man schaffte es mit den abwechslungsreichen Welten, die man mit dem Startset lieferte, sich vom sehr ähnlich gelagerten Skylanders abzusetzen. Nicht nur, dass die Disney-Welten wie Monster-Universität, Fluch der Karibik oder Die Unglaublichen automatisch einen gewissen Charme und das magische Etwas versprühen. Es wurde zugleich mehr Abwechslung geboten als in den linearen Welten der Skylands und der Zwang zu neuen Figuren wurde erstaunlich subtil versteckt.
Und hier? In Disney Infinity 2.0 - Marvel Super Heroes (DI2) ist alles etwas leiser, ja beinahe totenstill. Keine Funken, keine Fantasie, der Zauber scheint verflogen. Man bekommt kein Intro, sondern einen einfachen Startbildschirm, auf dem Comic-Bilder der Marvel-Helden gezeigt werden. Zudem bekommt man mit dem Starterset nur eine Welt, in der man sich herumtreiben darf: Das New York der Avengers. Dafür allerdings sind mit Iron Man, Thor und Black Widow gleich drei dazugehörige Figuren des enthalten. So kann man im Gegensatz zum ersten Infinity sofort kooperativ loslegen, um Loki die Stirn zu bieten, der versucht, New York zu vereisen, damit die Frostriesen für ihn die Bevölkerung unterjochen können.
Das typische Superhelden-Spiel?
Meine Welt, deine Welt
Andererseits: Das neue System der Figurenentwicklung war nach Abschluss der Kampagne noch lange nicht ausgeschöpft. Es waren bei weitem nicht alle Optionen des verzweigten Baumes freigeschaltet, und schon gar nicht alle Charakterstufen erreicht. Wie soll man das denn dann schaffen? Nun, zum einen kann man versuchen, mit der Figur in ein anderes Spielset zu gehen. Iron Man z.B. kann sich sowohl in der Spider-Man- als auch in der Welt der Guardians speziell auf ihn zugeschnittene Aufträge abholen. Nova aus dem Spider-Man-Set kann ebenfalls die Guardians heimsuchen, während Rocket Raccoon die Avengers unterstützen kann. Dieser Austausch von Figuren innerhalb der Playsets ist eine gute Erweiterung der Infinity-Idee, ist in der Praxis aber von einigen Problemen gepiesackt, von denen der Besitz der Figur noch das kleinste ist.
Denn man muss zum einen zehn Münzen mit dem Konterfei des jeweiligen Helden in der entsprechenden „Import-Welt“ sammeln, bevor man ihn auf die Infinity Base stellen und nutzen darf. Und zum anderen ist der Austausch weder wechselseitig noch garantiert. Wieso kann man keinen kompletten Transfer der Figuren nutzen? In den Comics arbeitet Spider-Man auch mit den Avengers. Und es gibt auch dort Überschneidungen der kompletten Guardians-Crew mit Iron Man, Nick Fury und Co. Wieso ist man hier so restriktiv? Diese Antwort kennen nur die Verantwortlichen von Disney. Wer auf Nummer sicher gehen will, ob seine Lieblingsfigur auch in anderen Playsets eingesetzt werden kann, sollte auf die Rückseite der Packung schauen und die entsprechenden Symbole beachten.
Da ist die Magie!
Dabei wurde die Bedienung deutlich vereinfacht. Die Menüs sind übersichtlicher, die Klickwege wurden deutlich entschlackt und das Platzieren bzw. Modifizieren von Elementen geht einfacher denn je. Man kann Auslöser setzen, Schalter platzieren und mit zahlreichen Optionen seine Kreationen aufpeppen. Auch im Hinblick auf klassische Genre-Schubladen sind nur wenige Grenzen gesetzt. Rennspiele sind ebenso möglich wie Quasi-Sidescroller, Schienen- bzw. Geschützballereien oder Prügler. Wie im Vorgänger kann man nicht nur Figuren, sondern auch Päckchen mit Münzen erstehen, die teilweise Buffs für die Figuren (überall einsetzbar), teilweise Grafiksets für die Toybox enthalten. Und es gibt neue lilafarbene Münzen, mit denen man Minispiele freischalten kann. Zwei Beispiele dafür sind im Basispack enthalten: Eine interessante Tower-Defense-Variante, die mit ihren aktiven Kampfmöglichkeiten entfernt an Orcs Must Die erinnert. Und ein isometrischer Dungeon-Crawler, der auch als Beispiel dafür dienen kann, dass es jetzt möglich ist, in der Toybox verschiedene Welten durch Nachladen miteinander zu verbinden – was übrigens auch in den Playsets passieren kann, wenn man bestimmte Gebäude betritt.
Alte Figuren, neues Flair
Hinsichtlich eines anderen Aspekts hat Avalanche ebenfalls Fortschritte gemacht: Auf der 360 ist die Performance in der Toybox deutlich besser. Man scheint die Streaming-Technologie deutlich besser im Griff zu haben als noch vor einem Jahr - wobei es in Bereichen, in denen man viel vertikal baut und dazu noch Effekte verballert, als ob es kein morgen gibt, immer noch zu Bildrateneinbußen kommen kann. Dafür jedoch wird trotz theoretisch höherer Power die erstmals mit Infinity bedachte Nachfolgekonsole über die Maße belastet. Sprich: Hier kann man häufiger ein stockendes Bild beobachten, wenn viele Elemente in die Toybox nachgeladen werden. Das ist allerdings nur ein initiales Problem beim Laden von Abschnitten. Sobald alles im Speicher ist, läuft die Toybox auch auf der One (PS3/PS4 standen leider nicht zur Verfügung) ebenso flüssig wie die Playsets bzw. geraten nur selten ins Stocken. Lob verdient auch die deutsche Lokalisierung: Disney hat die bekannten Synchronsprecher hinter das Mikrofon gelockt, um den hinsichtlich des Designs mal an die Filme (Nick Fury), mal an die Comics (Thor) angelehnten Helden die Stimme zu leihen.
Fazit
Disney Infinity 2.0 hat vor allem hinsichtlich des kreativen Toybox-Baukastens einen Schritt nach vorne gemacht: Leichter zu bedienen und noch mehr Möglichkeiten zur Verfügung stellend, sind mit Geduld und Fantasie aufwändige Schöpfungen möglich, in denen man mit den Marvel-Superhelden, aber auch neuen und vor allem alten Disney-Stars sein Unwesen treiben darf. Hinsichtlich des Umfangs geht man allerdings einen Schritt zurück: Waren im Vorgänger noch drei Spielwelten à vier bis sieben Stunden enthalten, ist es hier nur noch eine - die man aber immerhin dank der drei mitgelieferten Helden umgehend kooperativ in Angriff nehmen kann. Und man bekommt zwei Bonusmünzen mitgeliefert, die Zugang zu interessanten, auch mittelfristig motivierenden Minispielen gewähren. Dass der Schwierigkeitsgrad der Superhelden-Kampagnen (damit schließe ich auch die Playsets zu Spider-Man und Guardians of the Galaxy ein) angehoben wurde, ist positiv. Dem steht jedoch eine Missionsredundanz gegenüber, die angesichts der kreativen Möglichkeiten innerhalb der Toybox nicht nötig gewesen wäre. Dafür wiederum darf man (leider nur eingeschränkt) Helden in anderen Playsets einsetzen. Unter dem Strich lebt Disney Infinty 2.0 vor allem vom grandiosen Toybox-Modus und der bereits vom Start weg verfügbaren Kreationen - die Kampagne(n) schwanken ständig zwischen einem befriedigenden und guten Erlebnis. Doch was hier fehlt, reicht Disney hoffentlich nächstes Jahr nach, wenn man den Start von Episode 7 vielleicht zum Anlass nimmt, um Disney Infinity 3.0: Star Wars zu präsentieren.
(Anm.d.Red.: Zum Test standen die Fassungen für One und 360 sowie die zusätzlichen Playsets Spider-Man und Guardians of the Galaxy zur Verfügung.)
Pro
Kontra
Wertung
360
Die Kreativ-Tools der Toy-Box sind mächtig, dabei aber einfach zu bedienen. Die Kampagne(n) der Superhelden können unterhalten, leiden aber unter redundantem Missionsdesign.
XboxOne
Die Kreativ-Tools der Toy-Box sind mächtig, dabei aber einfach zu bedienen. Die Kampagne(n) der Superhelden können unterhalten, leiden aber unter redundantem Missionsdesign.
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