Disney Infinity 2.0: Marvel Super Heroes23.09.2014, Mathias Oertel
Disney Infinity 2.0: Marvel Super Heroes

Im Test: Superhelden in kreativer Spielkiste

Action-Figuren, die über ein "Portal" zu virtuellem Leben in einer Spielwelt erwachen. Nein, die Rede ist nicht von Activisions Skylanders, sondern vielmehr von Disney Infinity. Die Mischung aus kreativer Bastelei und Abenteuern in bekannten Filmwelten geht in eine neue Runde. Und die dreht sich vorrangig unter die mittlerweile ebenfalls unter Disney-Flagge segelnden Comic-Superhelden des Marvel-Universums. Was hat Disney Infinity 2.0 zu bieten?

Wo ist die Magie?

Ich erinnere mich gerne zurück an den Einstieg in das erste Disney Infinity. Wie aus einem Funken Fantasie eine ganze Disney-Welt wurde, in deren Finale man mit Micky auf das berühmte Schloss kletterte, das jeden Disney-Film kennzeichnet , gehört für mich immer noch zu den stimmungsvollsten Einleitungen der letzten Monate. Und man schaffte es mit den abwechslungsreichen Welten, die man mit dem Startset lieferte, sich vom sehr ähnlich gelagerten Skylanders abzusetzen. Nicht nur, dass die Disney-Welten wie Monster-Universität, Fluch der Karibik oder Die Unglaublichen automatisch einen gewissen Charme und das magische Etwas versprühen. Es wurde zugleich mehr Abwechslung geboten als in den linearen Welten der Skylands und der Zwang zu neuen Figuren wurde erstaunlich subtil versteckt.

Und hier? In Disney Infinity 2.0 - Marvel Super Heroes (DI2) ist alles etwas leiser, ja beinahe totenstill. Keine Funken, keine Fantasie, der Zauber scheint verflogen. Man bekommt kein Intro, sondern einen einfachen Startbildschirm, auf dem Comic-Bilder der Marvel-Helden gezeigt werden. Zudem bekommt man mit dem Starterset nur eine Welt, in der man sich herumtreiben darf: Das New York der Avengers. Dafür allerdings sind mit Iron Man, Thor und Black Widow gleich drei dazugehörige Figuren des enthalten. So kann man im Gegensatz zum ersten Infinity sofort kooperativ loslegen, um Loki die Stirn zu bieten, der versucht, New York zu vereisen, damit die Frostriesen für ihn die Bevölkerung unterjochen können.

Das typische Superhelden-Spiel?

Das technische Konzept funktioniert: Man stellt die Figur auf die "Infinity Base" und kann dann die Figur im Spiel kontrollieren.
Aber sobald man den "Weltenstein" sowie die Figuren auf die so genannte "Infinity Base" stellt und die Actionfigur als geschmeidig animierter und leicht zu kontrollierender Charakter in der Welt auftaucht, kehrt etwas von dem bekannten Infinity-Zauber zurück. Doch Staunen angesichts der Technik, die in ähnlicher Form auch aus Skylanders  etwas Besonderes macht hin oder her - durch den Fokus auf bekannte Superhelden, die größtenteils auch schon ihre eigenen Versoftungen hatten, setzt sich Avalanche mit der gesamten Horde an zuarbeitenden Entwicklern (darunter auch Ninja Theory oder Heavy Iron Studios) gewaltig unter Druck. Doch sie halten ihm zumeist stand - auch dank der guten Steuerung, die wie schon im Vorgänger punktgenau reagiert. Überhaupt hält man an sehr vielen Elementen fest, die auch schon in Teil 1 funktionierten: Man durchforscht eine offene Welt, die allerdings vor allem auch auf den neuen Konsolen belebter hätte sein dürfen. Man erledigt Missionen in mehr oder weniger lockerer Reihenfolge, die man von diversen Auftraggebern wie z.B. Nick Fury (im stimmlichen Original tatsächlich von Samuel Jackson verkörpert), Wasp oder Sif erhält. Man findet kleine Aufmerksamkeiten in Form von Kapseln, die entweder Lebensenergie enthalten, die Spezialfähigkeit aufladen oder Währung für die Spielzeugkiste zur Verfügung stellen, um dort Gimmicks oder Gegenstände freizuschalten. Man erledigt separate Herausforderungen wie Rennen, Zielschießen u.ä., um zusätzliche Erfahrung für die Figuren zu gewinnen.

Neben Thor und Iron Man gehört auch Black Widow zum Avengers-Starter-Pack.
Im Gegensatz zu Teil 1 wurde darauf verzichtet, Freischaltbares für die Toybox direkt in der Welt zu verstecken. Stattdessen kann man mit gemeisterten Meilensteinen neue Versatzstücke für den Editor freispielen – und mit dem Komplettieren der Kisten, die jedoch teilweise nur von bestimmten Figuren zu erreichen sind, mitunter auch solchen, die man nicht in seiner Sammlung hat.  Wenig geändert hat sich hingegen am überschaubaren Kampfsystem sowie dem Fahrzeugverhalten. Während Ersteres immer noch wenig Variation bietet (es gibt einen Knopf für Nahkampangriffe bzw. Kombos, einen für Ausweichaktionen und einen für Fernangriffe), aber dennoch dynamische und unter dem Strich befriedigende Gefechte auf den Bildschirm bringt, ist Letzteres immer noch zu schwammig und gewöhnungsbedürftig. Neu ist allerdings die Flug-Fähigkeit, die Figuren wie Thor oder Iron Man besitzen und die in der Spielwelt für eine neue Freiheit einerseits und eine Vertikalität andererseits sorgt. Neben allen positiven Entwicklungen wie z.B. den Bosskämpfen und insgesamt leicht angehobenen, aber für Erfahrene immer noch zu niedrigen Schwierigkeitsgrad, gibt es allerdings ein großes Problem: die Spielzeit. Im Vorgänger hat jede Welt zwischen vier und sieben Stunden unterhalten – je nachdem, wie komplett man alles abgegrast hat, um auch ja jedes Versatzstück für die Toybox sammeln zu können. Das machte mit allen drei Welten etwa zwölf bis 20 Stunden abwechslungsreiche Infinity-Unterhaltung. Hier ist der Aufwand für eine Welt nicht länger: Bis ich Lokis Riesenmonster besiegt hat, waren etwa sechs bis sieben Stunden vergangen – eine Ernüchterung im Vergleich zum ersten Infinity, zumal sich innerhalb des Playsets Missionen sehr häufig wiederholen.

Meine Welt, deine Welt

Andererseits: Das neue System der Figurenentwicklung war nach Abschluss der Kampagne noch lange nicht ausgeschöpft. Es waren bei weitem nicht alle Optionen des verzweigten Baumes freigeschaltet, und schon gar nicht alle Charakterstufen erreicht. Wie soll man das denn dann schaffen? Nun, zum einen kann man versuchen, mit der Figur in ein anderes Spielset zu gehen. Iron Man z.B. kann sich sowohl in der Spider-Man- als auch in der Welt der Guardians speziell auf ihn zugeschnittene Aufträge abholen. Nova aus dem Spider-Man-Set kann ebenfalls die Guardians heimsuchen, während Rocket Raccoon die Avengers unterstützen kann. Dieser Austausch von Figuren innerhalb der Playsets ist eine gute Erweiterung der Infinity-Idee, ist in der Praxis aber von einigen Problemen gepiesackt, von denen der Besitz der Figur noch das kleinste ist.

Denn man muss zum einen zehn Münzen mit dem Konterfei des jeweiligen Helden in der entsprechenden „Import-Welt“ sammeln, bevor man ihn auf die Infinity Base stellen und nutzen darf. Und zum anderen ist der Austausch weder wechselseitig noch garantiert. Wieso kann man keinen kompletten Transfer der Figuren nutzen? In den Comics arbeitet Spider-Man auch mit den Avengers. Und es gibt auch dort Überschneidungen der kompletten Guardians-Crew mit Iron Man, Nick Fury und Co. Wieso ist man hier so restriktiv? Diese Antwort kennen nur die Verantwortlichen von Disney. Wer auf Nummer sicher gehen will, ob seine Lieblingsfigur auch in anderen Playsets eingesetzt werden kann, sollte auf die Rückseite der Packung schauen und die entsprechenden Symbole beachten.

Da ist die Magie!  

In der "Toy Box" kann man nicht nur seiner Fantasie freien Lauf lassen, sondern auch gemeinsam mit Figuren spielen, die sonst keine Verbindung haben. Charaktere aus dem Vorgänger sind hier ebenfalls willkommen.
Doch die Kampagne, die sich letztlich auf dem schmalen Grat zwischen gut und befriedigend präsentiert und je nach Laune mal hierhin, mal dorthin tendiert, ist ja nur eine Seite der Infinity-Spaßmedaille. Die andere ist die sogenannte Toybox, in deren Kreationen man selbstverständlich auch Erfahrung zum Aufpäppeln seiner Figuren finden kann. Avalanche hat sich hinsichtlich der weiter entwickelten Spielzeugkiste gewaltig ins Zeug gelegt. Und auf einmal ist auch die Magie wieder zurück. Wenn man z.B. in der Einführung zur Toybox erst mit Aladdin, dann mit Merida und schließlich mit Experiment 626 (aka Stitch) durch die Gegend läuft und einführende Abenteuer erlebt, wird der Geist des ersten Infinity-Intros erfolgreich heraufbeschworen. Mit umfangreichen Tutorials bekommt man einen Eindruck all der enormen Möglichkeiten, die dieser Editor bietet, erlebt erste kleine Abenteuer in verschiedenen Disney-Welten und lässt die Zeit wie im Fluge vergehen. Vom Start weg gibt es eine breite Auswahl an von der Community erstellten und von Disney Interactive empfohlenen Kreationen, die zusätzlich verdeutlichen, was man alles mit der Toybox bei entsprechend vorhandener Fantasie und Geduld auf die Beine stellen kann.

Dabei wurde die Bedienung deutlich vereinfacht. Die Menüs sind übersichtlicher, die Klickwege wurden deutlich entschlackt und das Platzieren bzw. Modifizieren von Elementen geht einfacher denn je. Man kann Auslöser setzen, Schalter platzieren und mit zahlreichen Optionen seine Kreationen aufpeppen. Auch im Hinblick auf klassische Genre-Schubladen sind nur wenige Grenzen gesetzt. Rennspiele sind ebenso möglich wie Quasi-Sidescroller, Schienen- bzw. Geschützballereien oder Prügler. Wie im Vorgänger kann man nicht nur Figuren, sondern auch Päckchen mit Münzen erstehen, die teilweise Buffs für die Figuren (überall einsetzbar), teilweise Grafiksets für die Toybox enthalten. Und es gibt neue lilafarbene Münzen, mit denen man Minispiele freischalten kann. Zwei Beispiele dafür sind im Basispack enthalten: Eine interessante Tower-Defense-Variante, die mit ihren aktiven Kampfmöglichkeiten entfernt an Orcs Must Die erinnert. Und ein isometrischer Dungeon-Crawler, der auch als Beispiel dafür dienen kann, dass es jetzt möglich ist, in der Toybox verschiedene Welten durch Nachladen miteinander zu verbinden – was übrigens auch in den Playsets passieren kann, wenn man bestimmte Gebäude betritt.

Alte Figuren, neues Flair

Auch Yasmin und Aladdin gehören zur erweiterten Figuren-Riege, die für Disney Infinity 2.0 veröffentlicht wird - allerdings ohne eigenes Playset.
Wer noch Figuren der ersten Infinity-Ausgabe zur Verfügung hat, wird sich freuen, dass diese auch hier in der Toybox einsetzbar sind – und das über alle Systeme hinweg. Sehr schön: Sie schalten nicht nur weitere Bau- und Verschönerungsoptionen frei. Denn Avalanche hat sich die Mühe gemacht, die Figuren bzw. deren Entwicklungsbaum an die Marvel Superhelden anzupassen. Dadurch spielen sich die Charaktere zwar nicht grundsätzlich anders als im Vorgänger, dennoch rechne ich es dem Team hoch an, dass ich mit meinen alten Figuren auch die eine oder andere neue Finesse lernen kann. Man kann sogar eine leicht veränderte Version der alten Heldenhalle entdecken, in der man wie in der neuen Variante die Figuren kennenlernen und Videoclips von ihnen betrachten kann.

Hinsichtlich eines anderen Aspekts hat Avalanche ebenfalls Fortschritte gemacht: Auf der 360 ist die Performance in der Toybox deutlich besser. Man scheint die Streaming-Technologie deutlich besser im Griff zu haben als noch vor einem Jahr - wobei es in Bereichen, in denen man viel vertikal baut und dazu noch Effekte verballert, als ob es kein morgen gibt, immer noch zu Bildrateneinbußen kommen kann. Dafür jedoch wird trotz theoretisch höherer Power die erstmals mit Infinity bedachte Nachfolgekonsole über die Maße belastet. Sprich: Hier kann man häufiger ein stockendes Bild beobachten, wenn viele Elemente in die Toybox nachgeladen werden. Das ist allerdings nur ein initiales Problem beim Laden von Abschnitten. Sobald alles im Speicher ist, läuft die Toybox auch auf der One (PS3/PS4 standen leider nicht zur Verfügung) ebenso flüssig wie die Playsets bzw. geraten nur selten ins Stocken. Lob verdient auch die deutsche Lokalisierung: Disney hat die bekannten Synchronsprecher hinter das Mikrofon gelockt, um den hinsichtlich des Designs mal an die Filme (Nick Fury), mal an die Comics (Thor) angelehnten Helden die Stimme zu leihen.

Fazit

Disney Infinity 2.0 hat vor allem hinsichtlich des kreativen Toybox-Baukastens einen Schritt nach vorne gemacht: Leichter zu bedienen und noch mehr Möglichkeiten zur Verfügung stellend, sind mit Geduld und Fantasie aufwändige Schöpfungen möglich, in denen man mit den Marvel-Superhelden, aber auch neuen und vor allem alten Disney-Stars sein Unwesen treiben darf. Hinsichtlich des Umfangs geht man allerdings einen Schritt zurück: Waren im Vorgänger noch drei Spielwelten à vier bis sieben Stunden  enthalten, ist es hier nur noch eine - die man aber immerhin dank der drei mitgelieferten Helden umgehend  kooperativ in Angriff nehmen kann. Und man bekommt zwei Bonusmünzen mitgeliefert, die Zugang zu interessanten, auch mittelfristig motivierenden Minispielen gewähren. Dass der Schwierigkeitsgrad der Superhelden-Kampagnen (damit schließe ich auch die Playsets zu Spider-Man und Guardians of the Galaxy ein) angehoben wurde, ist positiv. Dem steht jedoch eine Missionsredundanz gegenüber, die angesichts der kreativen Möglichkeiten innerhalb der Toybox nicht nötig gewesen wäre. Dafür wiederum darf man (leider nur eingeschränkt) Helden in anderen Playsets einsetzen. Unter dem Strich lebt Disney Infinty 2.0 vor allem vom grandiosen Toybox-Modus und der bereits vom Start weg verfügbaren Kreationen - die Kampagne(n) schwanken ständig zwischen einem befriedigenden und guten Erlebnis. Doch was hier fehlt, reicht Disney hoffentlich nächstes Jahr nach, wenn man den Start von Episode 7 vielleicht zum Anlass nimmt, um Disney Infinity 3.0: Star Wars zu präsentieren.

(Anm.d.Red.: Zum Test standen die Fassungen für One und 360 sowie die zusätzlichen Playsets Spider-Man und Guardians of the Galaxy zur Verfügung.)

Pro

offene Spielwelten
sehr gute deutsche Lokalisierung
2.0-Figuren können in anderen Playsets eingesetzt werden...
umfangreicher Fähigkeitenbaum
Toybox als Kreativtool massiv aufgewertet und besser bedienbar
2.0-Fähigkeitenbaum auch für 1.0-Figuren verfügbar
sehr sympatisches Artdesign
neue Playsets schalten neue Gebiete frei
spannende Minispiele per "Bonus-Münzen" (zwei enthalten)
Heldengalerie als sich ständig verändernde visuelle Fortschritts-Anzeige
von Beginn an viele ansehnliche Toybox-Inhalte zum Herunterladen vorhanden

Kontra

nur ein Playset enthalten
redundantes Missionsdesign
... sind aber unnötigen Beschränkungen unterworfen
mitunter Perfomance-Probleme (vorranging One, Toybox-Modus)
trotz Anhebung des Schwierigkeitsgrades immer noch sehr leicht

Wertung

360

Die Kreativ-Tools der Toy-Box sind mächtig, dabei aber einfach zu bedienen. Die Kampagne(n) der Superhelden können unterhalten, leiden aber unter redundantem Missionsdesign.

XboxOne

Die Kreativ-Tools der Toy-Box sind mächtig, dabei aber einfach zu bedienen. Die Kampagne(n) der Superhelden können unterhalten, leiden aber unter redundantem Missionsdesign.

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