FIFA 1525.09.2014, Jörg Luibl
FIFA 15

Im Test: Gefühle im Fußball?

Das Motto von FIFA 15 (ab 4,20€ bei kaufen) lautet „Feel the Game“. Es soll also auch um Gefühle gehen. Das System dafür nennt sich „Emotional Reactions“. Aber oft gleichen neue Features den besten Schwalbenkönigen – sie heben elegant ab, bevor sie schmutzig landen. Allerdings hat EA-Chef Andrew Wilson ausdrücklich betont, dass auch Sportspiele „kraftvoller erzählen“ und „glaubhaftere Charaktere“ zeigen könnten. Daher analysieren wir im Test nicht zuerst das Spielgefühl, sondern die Spielmodi, in denen sich Emotionen und Story zeigen könnten. Also raus aus der Marketing-Kabine, ab auf den Platz der virtuellen Tatsachen.

Feel the Game – auch in der Karriere?

Wie fühlt es sich an, wenn man als junger Fußballer so viel Talent entwickelt, dass man tatsächlich Profi werden kann? Wie reagieren Freunde, Familie oder Kumpel auf so einen Karriereschritt? Wie wird man im Verein aufgenommen? Wie läuft das Training ab? Welche Konkurrenten hat man? Was ist der Trainer für ein Typ? Wie wird man in der Kabine motiviert? Welche Berater wählt man? Wie reagiert man auf kritische Fragen der Presse oder enttäuschte Fans nach einem Vereinswechsel? Und was passiert mit einem, wenn es irgendwann nur noch um sechs oder zwölf Millionen Euro Jahresgehalt geht?

Im Karriere-Modus kann man entweder einen Spieler per Editor erstellen oder einen aus dem offiziellen Kader wählen.

All diese Fragen beantwortet FIFA 15 nicht. All diese Momente und Entscheidungen im Leben eines Profis, die auch emotional bewegen, simuliert FIFA 15 nicht. Wenn man hier eine Karriere startet, indem man einen eigenen Spieler erstellt oder einen realen Profi auswählt, fühlt man sich – mal wieder - wie in der Steinzeit der Sportspiel-Dramaturgie. Es ist unglaublich, auf welch schlechtem Niveau eine der meisterverkauften Spieleserien aller Zeiten hier stagniert. Wir bemängeln die sterile Karriere jedes Jahr, aber es ändert sich nichts. Stattdessen wird lediglich der Sammelkarten-Modus "Ultimate Team" weiter entwickelt, in dem es dieses Jahr u.a. Leihspieler, Legenden & Co gibt - alle Neuerungen hier im Video. Ist ja auch klar, denn an den Mikrotransaktionen verdient man ordentlich Geld. Zwar kann man sein Traumteam theoretisch auch ohne Zusatzkäufe erspielen, aber da muss man schon verdammt geduldig sein.

Zurück zur Karriere: Dass man diese Ansprüche hinsichtlich der Regie auch an Fußball stellen muss, liegt ja nicht nur daran, dass gerade EA die finanziellen Mittel hätte, um sie auch zu erfüllen. Dabei man muss sich schon wundern, wie fern der Realität der eigene Chef die aktuelle Qualität einschätzt: Welche Sportspiele aus eigenem Hause meinte Andrew Wilson nur, als er auf der GamesBeat Conference in San Francisco im Hinblick auf die erzählerischen Potenziale auf PS4 und Xbox One tatsächlich ausführte, dass man „(…) glaubhaftere Charaktere und immersivere Handlungen in den Spielen die wir machen - sogar in den Sportspielen - sehen würde.“  Oder war das ein Hinweis auf den Kauf von 2K Games?

Profidasein als sterile Pflichterfüllung

Die Ansprüche an eine bessere Dramaturgie entstehen nämlich nicht nur, weil EA es besser könnte, sondern vor

Die Präsentation der Karriere ist schrecklich steril - es gibt keine persönlichen Gespräche, keine Charaktere, keine Rivalen, keine Emotionen. Gerade im Vergleich zur lebendigen Regie in NBA 2K14 wirkt das dramaturgisch wie Steinzeit.

allem, weil sie von der Konkurrenz bereits erfüllt werden! Nein, nicht von Konami in Pro Evolution Soccer, die in Sachen Regie ähnlich steril rumwerkeln, sondern von 2K Games in NBA (Wertung: 88%). Dort hat man als junger Basketballer tatsächlich das Gefühl, dass man eine virtuelle Karriere erlebt – voller Entscheidungen und Konflikte, mit Freunden und Rivalen. Dort kann ich mich für den alten Kumpel oder einen aalglatten Berater entscheiden. Dort muss ich in der Kabine mit Anfeindungen umgehen, muss mir einen Stammplatz erstmal erspielen und werde zum Manager zitiert, wenn die Leistung nicht stimmt oder ich abends noch einen draufmache. Ich habe einen Ruf innerhalb des Teams und nach außen. Meine Karriere wird über soziale Netzwerke kommentiert. Und wenn ich richtig gut werde, schreiben sogar die Stars etwas über mein Spiel – wie cool ist das denn?

Im Vergleich zu diesem NBA 2K14 wirkt die Karriere in FIFA 15 immer noch wie eine sterile Tabellenkalkulation mit wahllos eingestreuten Transfer- und Sportnews, die mich absolut nicht interessieren. Was erlebt man denn da emotional? Nichts. Man beginnt in einem Verein ohne jegliche persönliche Kontakte, ohne Gespräche mit Trainer oder Sportdirektor. Stattdessen bekommt man Ziele anonym per Text aufgetischt und kurze E-Mails. Es gibt kein Training mit Herausforderungen. Es gibt weder eine individuelle Ansprache noch eine Taktikeinweisung für das Team vor einem Spiel. Und wenn man nicht spielt, gibt es keine Begründung. Dann heißt es einfach: „Du wirst in der heutigen Mannschaft nicht berücksichtigt.“ Zumindest die Gefühlskälte wird klasse simuliert. Man fühlt sich wie ein namenloser Roboter. Es kann sogar sein, dass man in den News als Talent aus Japan, auf das sich alle freuen, erst angepriesen und dann ohne ein einziges Spiel direkt wieder verliehen wird.

Nur rudimentäres Feedback auf dem Platz

Und was passiert auf dem Platz innerhalb der Karriere? Wie sieht es im Spiel selbst mit Emotionen und vor allem taktischen Feedback aus, wenn man seinen Profi innerhalb des Teams steuert? Ganz schwach. EA schleppt das oberflächliche Gerüst der Karriere „Be A Pro“ einfach seit Jahren weiter, ohne es spürbar zu entwickeln. Wenn ich hier als Solist spiele, gibt es zwar für gute Pässe, Zweikämpfe oder Stellungsspiel auch Pluspunkte und für schlechte Aktionen tatsächlich Minuspunkte, was durch ein kurzes grünes oder rotes Aufleuchten bei der Spielernote dargestellt wird. Aber was ist das für ein oberflächliches Bewertungs-System im Vergleich zu NBA? Schon nach wenigen Einsätzen fallen zudem all die alten Fehler und Defizite auf.

Es gibt Markierungen für Laufwege und Deckungen. Aber  das Feedback-System der Karriere ist sehr oberflächlich und teilweise fehlerhaft.

Warum bekomme ich Pluspunkte, wenn ich einen Fehlpass spiele?  Warum werden in einem Spiel die Zweikampf- und Pass-Statistiken anderer Spieler eingeblendet - warum nicht meine? Warum gibt es nicht gezielte Aufgaben für mich als angehender defensiver Abräumer, als Sturmspitze oder Regisseur? Meine Rolle auf dem Platz ist vollkommen wurscht! Warum gibt es für ständiges Anfordern des Balles keine Abzüge und warum werden Fehlpässe mit anschließendem Tor genauso geahndet wir harmlose Fehler? Warum reagieren meine Mitspieler nicht auf den „Neuen“ – es gibt hier weder Aufmunterungen noch Kritik.

Da kommt nicht mal der Kapitän und klopft auf die Schulter oder staucht mich zusammen – da passiert rein gar nichts. Schlimmer noch: Selbst die einfachen „Emotional Reactions“, die man in normalen Matches sieht, finden in der Karriere nicht statt. Feel the Game? Ja wo denn, EA? Es gibt nicht einmal eine ordentliche Halbzeit- Analyse. Da spielt man eine Karriere und in der Pause wird keinerlei Feedback gegeben, keinerlei Taktik besprochen. Und der Trainer? Existiert nicht. Meine Einschätzung für diesen Spielmodus? Mangelhaft!

Sterile Karriere auch als Manager

Emotionen auf dem Platz in der Karriere? Fehlanzeige. Man fühlt sich nicht als Teil eines Teams, sondern wie ein namenloser Roboter . Warum man ausgewechselt, verliehen oder nicht eingesetzt wird, bleibt zudem vollkommen unklar.

Die Karriere als Manager leidet zwar nicht unter so vielen grundsätzlichen Problemen, zumal das Führen eines Vereins auch in FIFA 15 immer noch mehr Fleisch beinhaltet als die sterile Profikarriere. Aber egal ob Transfers mit Scouting oder Training: Es gibt keine wesentlichen frischen Elemente – bis auf die neuen Taktikeinstellungen, die aber nicht auf den Managermodus angepasst sind; man findet sie genauso bei jedem normalen Spiel vor. Man wählt also wie gehabt den Trainerposten für einen Club oder die Nationalmannschaft. Und man bekommt letztlich nichts Halbes und nichts Ganzes, was taktische Tiefe oder simulierte Clubstrategie angeht.

Dass dieser einzelne Spielmodus nicht an die Komplexität einer vollwertigen Simulation wie Segas Football Manager 2014 herankommen muss, steht außer Frage. Aber dass sich auch hier so wenig in der Inszenierung tut, ist damit nicht zu entschuldigen. Immerhin zeigt ein Spiel aus eigenem Hause, nämlich Madden NFL 15, dass man auch den Manageralltag zumindest mit etwas mehr Persönlichkeit auflockern kann – dort gibt es z.B. Spielergespräche. Hier muss ich mich nicht mit der Vereinsführung auseinander setzen, habe keinerlei Gespräche mit Spielern, keine Konflikte oder Reibereien. Man denke an das, was beim HSV passiert: Was könnte man nicht alles anbieten, wie viel Drama verschenkt EA auch an dieser Stelle!

Die Emotionen auf dem Platz

Nachdem die Karriere enttäuscht, zurück zum Spielgefühl in normalen Partien. Und da gibt es abgesehen von zig neuen Torjubelarten tatsächlich mehr „Emotional Reactions“ auf dem Platz: Die Spieler winken nach einer vertanen Chance verärgert ab, dem Torhüter wird nach einer Parade von allen Verteidigern gratuliert und nach einem Foul gehen die beiden Beteiligten wütend aufeinander los. Ihr wollt sehen wie Özil nach einem Fehlpass hadert, wie lamentiert und protestiert wird? Genau so etwas wird jetzt gezeigt. Es gibt zwar am Rande des Platzes bei den Trainern und - bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der Premier League - auf der Bank nahezu keinerlei emotionale Reaktion, aber im Spiel selbst wirken Mimik und Gestik lebendiger als in FIFA 14. Nur eines bleibt auf der Strecke – die akustische Reaktion: Es wäre klasse, wenn sich die Profis über die Außenmikrophone auch mal öfter zurufen oder gegenseitig anbrüllen würden.

Freude und Ärger einzelner Spieler sowie gegenseitige Aufmunterungen prägen die Wiederholungen in den normalen Matches von FIFA 15.

Überhaupt scheint EA mit den „Emotional Reactions“ noch in der Probierphase zu sein. Warum klatschen die Spieler nach dem ersten (!) Tor noch beim Weg zum Anstoß gen Zuschauer? Und warum laufen sie dabei so langsam, als würden sie schon zur Ehrenrunde nach einem Finale ansetzen? Das wirkt komplett unrealistisch. Warum macht selbst die zurückliegende Mannschaft fünf Minuten vor Schluss (!) keine Anstalten, mal schneller zum Anstoß zu kommen, obwohl es Unentschieden steht? Hier muss man viel zu oft mit dem Kopf schütteln, weil die Inszenierung zu künstlich wirkt.

EA hat u.a. versprochen, wenn "(...) ein Spieler beispielsweise wiederholt von seinem Gegner gefoult [wird], stellt er ihn  je nach der Schwere der Fouls und der Bedeutung des Spiels, eventuelle zur Rede." So authentisch mancher wilde Disput zwischen Foulendem und Gefoultem wirken mag, baute in unseren Spielen bisher nichts aufeinander auf – sprich: Es sammelt sich keine Wut oder Rivalität, es gibt nicht dieses Summieren von Kleinigkeiten, das viele Fußballspiele so kennzeichnet. Man beobachtet eher Brüche: Es kann sehr abstrus aussehen, wenn der aggressive Schubser von vorhin schon eine Aktion später ganz brav den Ball übergibt. Aber auf das Gezeter und Theater einzelner Spieler ist für das Spielgefühl ohnehin nicht so gravierend.

Die Emotionen im Stadion

Aber bei den Reaktionen der Zuschauer bin ich von FIFA 15 ein wenig enttäuscht. Gerade dieses mächtige Kollektiv der Fans müsste man endlich besser und emotional vielfältiger abbilden. Zwar hört sich vieles zunächst lauter und intensiver, aber unterm Strich nicht immer so authentisch an wie noch in FIFA 14. Zu oft wirken die Zuschauer-Reaktionen sogar komplett unpassend. Warum raunt das ganze Stadion bei einer einfachen Grätsche im Mittelfeld? Viele „Aaaahs“ und

Die Gesänge und Zuschauer-Akustik hinterlassen ein gemischtes Bild - man erkennt individuelle Fans und es gibt Choreographien vor Spielbeginn, aber man vermisst mehr authentische Gesänge und situative Reaktionen. Viele sehr laute "Aaaahs" und "Oooohs" passen nicht zur Spielsituation.

„Ooohs“ passen überhaupt nicht zum Spielablauf oder zur Situation der Heim- Auswärts-Fans. Manchmal kommt es regelrecht zu einer Grabesstille oder gediegenen Tennis-Court-Atmosphäre - sogar bei einem Derby: Wenn man BVB gegen den S04 antreten lässt, gibt es keinen Unterschied zu einem normalen Freundschaftsspiel!

Gerade die heimischen Fans hätten in diesem FIFA viel zur Emotionalität auf dem Platz beitragen können – hier hätte sich nach mehreren Fouls am eigenen Spieler die Stimmung anhand von immer lauteren Pfiffen zeigen können. Aber es fehlt, bis auf den Torjubel, immer noch an mehr situativen Fan-Reaktionen auf das, was auf dem Platz passiert.Nicht falsch verstehen: FIFA 15 hat immer noch ein gutes akustisches Fundament. Aber EA lässt als Spitzenreiter zu viel liegen, was Emotionen im Fußball angeht!

FIFA 15 macht nichtsdestotrotz viel richtig, was die Inszenierung  betrifft: Die Präsentation der Stadien und Fans sieht vom Einmarsch bis zum Spielende samt Wiederholungen auch etwas besser aus als in FIFA

Neu: Der Torwart hat zwei Befehle, um entweder die Mannschaft nach vorne zu treiben oder jemanden für kurzes Anspiel nach hinten zu beordern.

14. Man erkennt in allen Kameraeinstellungen individuelle Besucher, Ersatzspieler oder auch Kameraleute, so dass ein angenehm lebendiges Zuschauerbild entsteht. Was trotz vieler Fahnen und Trikotträger auf den Rängen fehlt, sind erneut Bereiche der Ultras. Da könnte man zumindest mal hüpfende Blöcke oder Vorsänger auf dem Zaun zeigen. Schließlich gibt man sich auch Mühe, Uniformierte mit lockerem Barett statt Vollmontur vor den Tribünen spazieren zu lassen. Statt der Realität wird hier ein sauberes Idealbild gezeigt.

Dass man sich da als offizieller Partner der Liga zurückhält und auch virtuell keine Bengalos zünden will, mag politisch verständlich sein, aber dieser Aspekt der Fußballkultur wird von FIFA 15 seit Jahren einfach ausgeblendet – obwohl das Motto „Feel the Game“ für eine Einbindung gesprochen hätte. Es ist ja auch nicht so, dass die Stadien leblos wirken würden. Denn es geht auch ohne Ultras auf den Rängen etwas lauter und emotionaler zu als noch in FIFA 14. Allerdings weniger passend, mit einigen Brüchen.

Zwei Klassen: Premier League hier, Bundesliga da

Zum einen gibt es eine Zweiklassen-Gesellschaft in diesem FIFA 15. Obwohl EA nahezu alle Lizenzen zur Verfügung hat, werden diese mit zweierlei Maß behandelt, wie schon die ersten Videos vermuten ließen. Es gibt quasi eine noch exklusivere Lizenz in der exklusiven Lizenz. Mal abgesehen davon, dass es nur in der englischen Premier League auch wirklich alle 20 originalen Stadien vom Emirates bis zum Upton Park gibt, dass nur das britische Kommentatoren-Duo die Aufstellungen kommentiert, dass man nur auf der Insel die Torlinientechnik einsetzt und offizielle Menü-Einblendungen des

Die englische Premier League wird deutlich besser isnzeniert als die Bundesliga.

Ligasponsors sieht, hören sich auch die englischen Fans kerniger an. Man bekommt auch wesentlich mehr Gesänge als in der Bundesliga. Und es kann Zufall sein, aber ich habe Einblendungen der Ersatzbank wie links beim FC Chelsea bisher nicht in einem Bundesligaverein gesehen.

Dabei sieht es in der Realität so aus, dass sich gerade englische Fans viel von der lebendigen Stimmung in deutschen Stadien zurückwünschen. Ein Spiel in Liverpool oder Arsenal hört sich in FIFA 15 authentischer an als eines in Dortmund, Frankfurt oder Gelsenkirchen – hier fehlen fast immer Einlaufmusik & Co, hier erkennt man seine Arena zwar architektonisch, farblich, aber nicht hinsichtlich der Stimmung und Gesänge wieder.

Stimmung ja, aber wenig authentische Fankultur

Ja, es gibt natürlich noch viele originale Schlachtrufe, aber es fehlen viele neuere

Nur in der Premier League gibt es alle originalen Stadien, originale Einblendungen im TV-Stil und auch eine stimmungsvollere Akustik.

und es gibt immer noch einige, die nicht passen. Warum wird „Die Nummer eins im Norden sind wir!“ gesungen, wenn man mit Leverkusen gegen Frankfurt spielt? Und jetzt ganz stark sein: Was muss man im Westfalenstadion hören, wenn der FC Bayern  als Auswärtsmannschaft ein Tor schießt? Man muss sich anhören, wie der Stadionsprecher vor Freude ausflippt und in Herbert-Zimmermann-Euphorie ein „Toooor!Toooor! Toooor!“  in die Arena brüllt, als hätte Rahn gerade die WM entschieden. Was soll das denn sein, EA? Feel The Game? Fragt mal bei Norbert Dickel nach, wie er sich bei einem Gegentreffer fühlt.

Selbst ein Heimspiel von Real Madrid

Egal ob Premier League oder Bundesliga: Die Wiederholungen können sich sehen lassen.

wirkt im Vergleich zu einem vom BVB, S04 oder Frankfurt wie ein Rock-Konzert, weil der spanische Einpeitscher die ganze Zeit Alarm macht – und zwar egal, wie es steht. Operetten-Publikum nach einem hohen Rückstand? Nicht zu erkennen. Es gibt in den Stadien zwar teilweise tolle akustische Stimmung, aber keine glaubhafte Dramaturgie. Warum kann ich eigentlich nicht wie in der WM-Edition auch mal einstellen, wie die Stimmung sein soll – da könnte man von Freundschaftsspiel über Derby bis KO-Phase oder Finale auch mal unterschiedliche Intensitäten anbieten! Dass man nicht von Paderborn bis Leche einzigartige Stimmungen wiedergeben kann, ist verständlich. Aber dass man über all die Jahre die Lizenz für die Bundesliga hat und das Leben in den deutschen Stadien nicht authentisch weiterentwickelt, ist ärgerlich. FIFA 15 kann nur deshalb so toll in der Präsentation abschneiden, weil es einfach keine Konkurrenz hat – dabei wäre viel mehr möglich.

Auf dem Platz: Das offensivere Spielgefühl

FIFA 15 ist im Vergleich zu FIFA 14 das deutlich offensivere und unberechenbarere Spiel. Das liegt zum einen daran, dass man mit seinen schnellen Stürmern einfacher im Sprint an den Verteidigern vorbeiziehen kann – also ohne aktive Dribblings, nur über viel Tempo plus Richtungswechsel. Sogar die direkte Ballannahme nach einem hohen Zuspiel über den Analogstick wird fast immer in eine elegante Weiterleitung des Stürmers münden, manchmal sogar

FIFA 15 ist offensiv leichter, die Stürmer kommen öfter durch.

per Hacke im vollen Lauf. Das sieht cool aus, ist aber auch ein Automatismus, der den Angreifer bevorzugt. Man braucht also nicht unbedingt Tricks über die Skill-Moves einsetzen, sondern vor allem Raum, dann rasen Raketen wie Ronaldo, Aubameyang oder Welbeck fast unwiderstehlich davon, weil man seine Laufwege grundsätzlich feiner diagonal justieren kann, wenn man den Ball am Fuß hat.

Der Vorteil: Man hat das Gefühl, dass der moderne Tempofußball besser simuliert wird. Denn auch als Mittelfeldspieler kann man sicher eher über präzise Richtungswechsel mehr Raum verschaffen, um den entscheidenden Pass zu spielen.  Vor allem die Zuspiele in die Tiefe sind explosiver, so dass mehr rasante Kontersituationen mit wenigen Kontakten entstehen – man kann also in FIFA 15 den traditionell eher behäbigen Rhythmus im Mittelfeld mit Tempowechseln oder plötzlichen Pässen etwas besser aufbrechen. Und man kann mit seinem Pressing wesentlich mehr Druck auf die Viererkette ausüben, so dass die Innenverteidiger sich meist in letzter Sekunde den Ball zuspielen müssen. Es fallen auch mehr Tore, was Freunde der Offensive und des Spektakels freuen wird. Ergebnisse wie 3:3 oder 4:3 habe ich in FIFA 14 online sehr selten erlebt - jetzt gibt es derartige Torfestivals häufiger. Und Einsteiger, die mit allen Hilfe-Einstellungen spielen, werden auch ohne einen Blick auf die L2-Dribblingsteuerungen oder besondere Skills schneller spektakulär einnetzen als noch im Vorgänger. Veteranen mit mehr Realismusanspruch werden beklagen, dass ihnen diese Finessen im 1-gegen-1 immer zu wenig bringen und dass fast schon ein Hauch von Arcade auf dem Rasen weht. Ist das schlimm? Nicht unbedingt, denn offensive Spannung ist immer gut und mit mehr Erfahrung in der neuen Defensive kann man gegenhalten.

Vor allem schnelle Stürmer kommen auch ohne Skill-Moves besser in den Strafraum - man kann im vollen Lauf präziser die Richtung wechseln.

Und das ist der Knackpunkt, denn alle Verteidiger müssen sich wesentlich mehr konzentrieren, auch mal den Ball raushauen statt zu spielen: Der Stürmer tankt sich manchmal wie magisch durch die Reihen. Nicht nur Topstars wie Ronaldo sind schwieriger aufzuhalten als noch in FIFA 14. Man hat fast das Gefühl, dass im Zweikampf um den Ball immer der Angreifer im Vorteil ist - und das ist ärgerlich. Gerade online kann man erleben, dass auch mittelklassige Stürmer mit ihren Soli vom Mittelfeld in den Strafraum vordringen und abschließen.

Und das, obwohl man das Abschirmen, Pressing und Doppeln wie gehabt einsetzt. Es scheint so, dass EA das „Tactical Defending“, das ja noch im Steuerungsmenü als Option existiert, abgeschwächt hat - und zwar zu stark. Auch die Grätsche ist nicht wirklich eine physikalische Waffe, weil man damit in einem recht kleinen Radius fast immer sauber auf den Ball geht - dabei müsste sie auch effizienter als Blockade wirken. Es ist natürlich trotzdem möglich, eine effiziente Defensive aufzubauen, aber auch schwieriger als in FIFA 14 aus einer passiven Verfolgung an den Ball zu kommen. Selbst wenn man die neue totale Defensive aktiviert, also zwei Abwehrketten hinten in Busformation vor dem Tor aufbaut, muss man unheimlich aufpassen. Was natürlich auch die Spannung erhöht, schließlich kann das ständige Abfangen gerade den Fußballspaß im Keim ersticken.

Steuerung identisch, Standards verbessert

Das Spielgefühl ist also offensiver, aber die Spielmechanik bleibt leider nahezu identisch. Schade ist, dass man auf dem Platz nicht mehr Möglichkeiten hat, was die Steuerung angeht – hier gleicht FIFA 15 seinem Vorgänger wie ein Zwilling. Ja, man kann den Ball etwas effizienter über L2 mit dem Rücken zum Gegner abschirmen, aber das war's. Daher kann sich EA auch ein Trainingstutorial sparen. Wer FIFA 14 kennt, muss nichts hinsichtlich der Steuerung umstellen. Wer als Einsteiger dennoch alle Bewegungen lernen will, darf sich dafür in 14 Skill-Übungen austoben, in denen nahezu alles an Manövern in diversen Schwierigkeitsstufen abgefragt wird; inklusive einiger kreativer Parcours inklusive beweglicher Hindernisse oder gegen mehrere KI-Spieler.

Der bei allen aktivierten Hilfen mächtige Schlenzer scheint übrigens erneut abgeschwächt zu sein – jedenfalls wenn man mit denselben Semi-Einstellungen kickt wie im Vorjahr. Man vermisst als FIFA-Kenner aber endlich mal neue Schuss- oder Kopfballtechniken, obwohl da auch

Endlich hat man bei Standards mehr Auswahl und mehr Leben im Strafraum.

einiges möglich wäre, um den Automatismen im Abschluss entgegen zu wirken: Warum kann ich nicht gezielt einen Aufsetzer köpfen? Warum kann ich den wuchtigen Flachschuss nur beim Freistoß erzwingen? Wieso kann ich nicht manuell zu einem Flatterball ansetzen oder im Strafraum mal schnell mit der Picke draufhalten?

Die Ballphysik wurde zwar nicht spürbar bei Fernschüssen, aber zumindest in einigen Situationen verbessert. Endlich hat man diese überdrehten Flanken ausgemerzt, so dass die hohen angeschnittenen und scharfen Hereingaben authentischer aussehen. Außerdem gibt es Fortschritte bei den Standards: Ich kann bei einem Einwurf direkt den Abnehmer bewegen und bei Ecken hat EA u.a. die Features der WM-Edition integriert und auch für mehr Leben gesorgt. Man kann vor dem Schuss nicht nur festlegen, ob die Spieler z.B. an den kurzen oder langen Pfosten oder die Strafraumgrenze laufen oder den Torwart bedrängen sollen, man kann auch gezielt zum Abnehmer in den Strafraum wechseln und mit diesem über Knopfdruck erst eine Körpertäuschung einleiten und dann die Flanke anfordern. So entsteht mehr Gerangel und situative Spannung im Strafraum – sehr schön.

Elfmeter- und Torlinien-Bug

Sehr ärgerlich ist allerdings ein Elfmeter-Bug, der zum Beenden von Partien zwingt. Die Schützen der Gegner-KI verschwinden manchmal links aus dem Bildschirm oder stehen ohne Regung vor dem Ball - und weil nichts passiert, muss man abbrechen. Wir haben das in einem Match zwischen Bayern und HSV auf der PlayStation 4 mit Share-Funktion aufgezeichnet. Außerdem ist uns in einem Match bei Arsenal aufgefallen, dass ein Tor nach Lattentreffer gezählt wird, obwohl die eingeblendete Torlinientechnik deutlich zeigt, dass die Kugel nicht in vollem Umfang über der Linie war - das ist natürlich extrem peinlich und ärgerlich.

Halten, ziehen und kollidieren

Sehr gut wird zudem das Abdrängen, Halten und Ziehen inszeniert: Man erkennt nicht nur klar, wie der Stoff des Trikots gezogen wird, auch das Verlangsamen und Umfallen sieht richtig natürlich aus. Hinzu kommt, dass jetzt allgemein mehr Körperlichkeit im Spiel ist – die Physis  ist nicht nur ein neuer theoretischer Wert in der Spielerstatistik, sie wirkt sich auch praktisch auf dem Platz aus. Es gibt mehr Gerangel und Geschiebe im Zweikampf. Außerdem bemerkt man sofort, dass sich ein Sturmtank wie Lasogga nicht so einfach von einem kleinen Flügelflitzer wie Durm aus der Balance bringen lässt – der prallt fast ab. Spieler mit hoher Physis halten auch länger ihre Balance und setzen sich im Kopfball öfter durch.

Darstellungsfehler wie diese sind seltener geworden. In den Zeitlupen kollidieren die Spieler authentischer als noch in FIFA 14.

Hier haben auch die Innenverteidiger an Wert gewonnen. Dafür sind kleinere Spieler auch deutlich wendiger.

Nach zwei Jahren hat man die Ignite-Engine hinsichtlich der Kollisionen besser im Griff. Es gibt zwar noch Clippingfehler hier und da, aber es wird deutlich weniger in Zeitlupen durch Körper gelangt. Aber auch wenn vieles harmonischer aussieht und physikalisch authentischer wirkt, gibt es noch einige Baustellen. Ab und zu kann das Geschehen auf dem Platz noch wie Slapstick aussehen. Selbst wenn es nur zu leichten Berührungen kommt, liegen die Beteiligten manchmal wie nach einem schweren Knockout auf dem Rasen. Oder sie zeigen spektakuläre Purzelbäume ohne Vollkontakt.

Gesichter, Rasen & Lattenkracher

Man muss schon genau hinsehen, um klare grafische Fortschritte gegenüber FIFA 14 zu erkennen – hier unser Vergleichsvideo. Es gibt einige Verbesserungen bei den Gesichtern der Profis, vor allem bei jenen aus der Premier League, die in der Breite

Auch Manuel Neuer wirkt etwas blass - dabei hätte er nach der WM allen Grund für mehr Farbe.

realistischer aussehen als ihre Kollegen aus anderen Ligen; mal ausgenommen die europäischen Topclubs wie Juve, Barcelona oder Paris. Was allerdings negativ auffällt: Die Gesichter der Profis sind oftmals viel zu bleich, nicht nur in den Wiederholungen sehen sie aus wie Vampire; da fehlt die natürlich Farbe.  

Ein klarer Fortschritt ist vor allem die dynamische Rasen- sowie Trikotabnutzung: Der grüne Teppich wird von jedem Sprint und jeder Grätsche so beansprucht, dass mit der Zeit viele Abdrücke und Furchen zu sehen sind. Schade ist allerdings, dass die feinere Darstellung des Rasens nicht konsequent durchgezogen wird – in manchen Einstellungen sieht das Grün aus wie Tiefgras, dann sind plötzlich gar keine Halme mehr zu erkennen und die Profis scheinen auf einem grünen Hartplatz zu schweben.

Lobenswert, aber auch nichts Neues im Sportspielbereich ist, dass sich auf den Trikots im Laufe der Partie immer mehr Schmutz bildet. Trotzdem sind es auch diese Kleinigkeiten, die das Gesamtbild verfeinern: Die Eckfahnen haben jetzt z.B. eine Physik und kippen. Hinzu kommt, dass auch das ganze Tor mal wackelt, wenn es kracht. Apropos: Das blecherne Scheppern bei Latten- und Pfostentreffern hört sich klasse an! Und bei aller Kritik an der fehlenden Dramaturgie in der Karriere, muss man die Kamera-Regie in diesem FIFA 15 nochmal besonders hervorheben, denn die Wiederholungen im Spiel und vor allem die Highlights danach erreichen fast TV-Niveau. Es macht einfach Spaß, sich die Tore nochmal anzuschauen.

Positionseinstellungen bereichern Taktik

Die Benutzeroberfläche im Hauptmenü ist mit ihrem Kacheldesign und den Analogstick-Schaltungen in den Menüs identisch zum Vorjahr, aber im Team- und Formationsbereich freut man sich über ein neues Design für die Startelf, Auswechslungen  und Taktik. Apropos: Hier hat EA einige interessante Neuerungen abseits von 4-2-3-1 & Co im Angebot, denn man kann seine Mannschaft endlich feiner einstellen. Man kann für jeden Spieler einzelne Anweisungen festlegen – und zwar gesondert für Stürmer, Mittelfeldspieler, Innen- oder Außen-Verteidiger.

Die neuen Taktiken erlauben das Erstellen und Speichern von individuellen Verhaltensweisen.

So kann ich z.B. einem Stürmer je drei Verhaltensweisen für „Defensiv-Pressing“, „Unterstützende Läufe“ oder „Offensivläufe“ zuweisen: Bei Letzteren habe ich die Wahl zwischen „Ausgewogen“, „Abwehr überlaufen“ oder „Anspielstation“.  Ich kann einem Außenverteidiger also gezielt ansagen, dass er stets offensiv die Linie lang sprinten oder bei Angriffen hinten bleiben soll; ich kann Innenverteidiger bei drohender Niederlage in den Sturm beordern oder Stürmer am Rand des Strafraums lauern lassen. All das sind lobenswerte Zusätze, denn man kann einzelne Positionen innerhalb einer Formation besser gewichten. Und weil man zusammen mit der Aufstellung theoretisch zig Kombinationen erstellen kann, lässt sich auch ein kleines Archiv anlegen, wenn man die Taktiken speichert. Ärgerlich nur: Diese Vorlagen sind scheinbar nicht überall auswählbar - wenn man online spielt, kann man sie nicht abrufen.

Comeback des Turniermodus

Neu: Man kann die totale Defensive oder die totale Offensive einstellen. Mit allen Nebenwirkungen...

Sehr schön ist, dass man in FIFA 15 endlich wieder eigene Turniere und Ligen mit bis zu zwanzig Mannschaften aufsetzen kann - allerdings nur offline. Bis zu 50 Arten stehen in mehreren Ländern zur Verfügung, vom DFB-Pokal bis zum F.A. Cup, von der 1. und 2. Bundesliga bis zur Premier League. Und auch hier wird übrigens England bevorzugt, denn neben zig Pokalen gibt es z.B. auch eine spielbare dritte Liga.

Ihr wollt kein offizielles, sondern euer eigenes Turnier aufziehen? Das geht mit bis zu 64 Mannschaften: Ihr könnt u.a. Liga, Gruppen und/oder KO-System einstellen, Hin- und Rückspiel festlegen und einen Pokal auswählen. Nervig ist allerdings, dass einem im Offline-Turnier mit Freunden dieser Kalendermodus aufgezwungen wird, so dass man tatsächlich festgelegte Termine hat und die Tage weiterschalten muss, anstatt frei zwischen den Partien wählen zu können.

Die große Online-Stärke

Auch wenn FIFA 15 in den Offline-Modi und vor allem in der Karriere für Solisten ernüchtert, bietet es einen ausgezeichneten Online-Service. Mal abgesehen vom sauberen Netzcode, der meist saubere Partien ermöglicht und mich einstellen lässt, mit welchen Filtern ich nach welchen Gegnern suchen will (inklusive Steuerungstyp, Abbrecherquote, Verein oder Nationalmannschaft etc.), gibt es viele interessante Spielmodi und Statistiken.

In Freundschaftsspielen gegen die KI haben wir einen Elfmeter-Bug gefunden - manchmal schießt der Gegner einfach nicht, Spiel muss abgebrochen werden.

Allerdings fehlt das Online-Teamplay zwei gegen zwei oder drei gegen drei seit FIFA 14. Neu ist lediglich die Kooperation mit dem Online-Sportmagazin GOAL, so dass man bis zu fünf Nachrichten zu seinem Club unter "Match Day Live" bekommt - nicht nur eine kurze Schlagzeile mit Bild, sondern den kompletten Text zu einem Spieltag, mit Zitaten von Trainern, Analyse & Co. Nimmt man die Highlights der Woche, die ständig aktualisierte Teamform sowie den spielbaren Ausblick auf die nächste Partie seines Vereins hinzu, ist man mit FIFA 15 wirklich sehr nah dran am realen Sportgeschehen.

Ansonsten gibt es wenig Frisches, dafür allerdings sehr viel Bewährtes: Neben dem auch kooperativ spielbaren Saison-Modus, in dem man von Liga 10 in Liga 1 aufsteigen, aber eben auch absteigen und Pokale gewinnen kann, gibt es lockere Online-Freundschaftsspiele inklusive Statistik und natürlich die "Pro Clubs" - hier kann man einen eigenen Verein gründen, mit seinem selbst erstellten Virtual-Pro-Spieler einem bestehenden beitreten und sich dann im 11 gegen 11 austoben. Und man muss auch Ultimate-Team erwähnen, denn das Sammeln und Tauschen von Profis, um sich ein Dreamteam mit effizienter Teamchemie zu erstellen, findet natürlich vor allem online statt.

FIFA 15 auf PlayStation 3 und Xbox 360

Electronic Arts serviert auf den alten Konsolen nicht dasselbe Spiel. Dass FIFA 15 dort grafisch nicht mithalten kann, ist natürlich verständlich. Allerdings wirkt der Kick auch alles andere als optimiert: Es gibt Fragmente rund um die Köpfe der Torhüter, wenn man beim Abstoß die Kamera dreht, die Spielermodelle auf dem Platz wirken sehr dunkel und aus der Distanz kaum zu unterscheiden; außerdem gibt es in den Wiederholungen viele Fan-Klone, die man so nicht auf PS4 und Xbox One erkennt. Und was ebenfalls fehlt: Die Abnutzung des Rasens sowie das Verschmutzen der Trikots. Auch erkennbare Halme gibt es nicht.

Selbst das Taktikmenü ist nicht dasselbe: Mal abgesehen von einem etwas anderen Design vermisst man schmerzlich die individuellen Einstellungen für die Spieler (also Verhaltensweisen je nach Position in Sturm, Abwehr etc.), die das Highlight auf PS4 und Xbox One sind. Außerdem gibt es kein Kräfte-Polygon, das die einzelnen Werte wie "Physis" anzeigt - dieser neue Wert, der die körperliche Präsenz widerspiegelt, exisitert überhaupt nicht auf PS3 und 360 - zumindest nicht als definierter und angezeigter Wert.

Was ebenfalls fehlt: Bei einer Ecke kann der ausgewählte Spieler keine Finte bzw. Körpertäuschung auf Knopfdruck hinlegen. Last but not least fehlt auch der Spielmodus "Pro Clubs" auf den alten Konsolen, so dass man keinen Verein gründen oder elf gegen elf online kicken kann. Das Einzige, was auf PS3 und 360 gegenüber den neuen Konsolen erhalten geblieben ist: die Spiel-Lobbys.

Fazit

Wenn man das Motto "Feel The Game" genauso ernst nimmt wie den Chef von Electronic Arts, der ausdrücklich auch den eigenen Sportspielen glaubhafte Charaktere und eine packende Regie attestierte, dann wird man von diesem FIFA 15 enttäuscht. Denn genau da, wo es um Emotionen und Story gehen könnte, nämlich im Karriere-Modus, erlebt man immer noch eine schrecklich sterile Tabellenkalkulation aus der Steinzeit der Sportspiel-Dramaturgie. Für einen Publisher mit diesen Mitteln und diesem Selbstverständnis, ist das einfach peinlich. Wie es nicht zwei, sondern drei Klassen besser geht, zeigt ja NBA 2K14. Die neuen Emotionen beschränken sich bei FIFA 15 auf die Mimik und Gestik auf dem Platz. Sie sind ansehnlich, aber entwickeln sich nicht so glaubhaft wie man das angekündigt hatte - vermutlich ist das wie mit der Ignite-Physik, die einfach zwei Jahre reifen muss. Die klasse Präsentation und das Publikum bleiben zwar eine Stärke, zumal man viele tolle neue Animationen sieht, aber lediglich in der von EA bevorzugt behandelten Premier League erlebt man tatsächlich eine Stimmungssteigerung gegenüber FIFA 14. Es gibt sogar Rückschritte: Im Kollektiv ernüchtert die Fanakustik mit teilweise nicht zur Szene passenden Unmuts- oder Jubel-Ausbrüchen. All das zeigt auf, warum FIFA 15 dieses Jahr keinen Award erobern kann. Aber, aber, aber: Auf dem Platz ist das immer noch ein richtig gutes Fußballspiel, das sich auch anders anfühlt. Man erlebt einen schnelleren, offensiveren und unberechenbareren Kick als noch im Vorjahr - allerdings bei identischer Steuerung. Die Stürmer halten den Ball selbst im Vollsprint nicht nur eng am Fuß, sondern wechseln ohne Dribbling fein die Richtung. Der Nachteil: Man fühlt sich in der Defensive künstlich geschwächt, es weht angesichts deutlich höherer Torausbeute fast ein wenig Arcadeflair. Trotzdem inszeniert EA nicht nur das Tempo, das Halten und Ziehen sehr gut, zumal die Physis eines Spielers im Gerangel spürbarer ist. Hinzu kommen auch viele kleine Verbesserungen bei den erweiterten Standards, den individuellen Taktiken, der Rasen- und Trikotabnutzung sowie einzelnen Modi. Last but not least darf man das beeindruckende Online-Fundament nicht vergessen, das einfach ausgezeichnet ist, was die Technik, die Statistiken, den Service, die Einbindung des realen Fußballgeschehens sowie die verfügbaren Modi angeht. FIFA 15 macht gerade online Laune, aber das unausgewogene Gesamtpaket kann keine Euphorie entfachen.

Pro

hervorragende Online-Technik & Online-Modi
offensiveres, unberechenbareres Spielgefühl
Pressing und Gegenpressing ist spürbarer
Liga- und Turniermodus wieder dabei
Rasen nutzt sich ab, Trikots verschmutzen
ansehnliche emotionale Mimik und Gestik
tolle neue Akustik bei Lattenkrachern
Physis ist neuer Wert und im Spiel spürbar
klasse Bewegungen beim Abdrängen & Halten
viele neue Animationen bei Kollisionen
neue individuelle Taktiken je nach Position
eine weitere offensive und defensive Spielstufe
mehr Leben und Optionen bei allen Standards
Torwarte hat zwei Befehle an die Mannschaft
Ultimate Team mit neuen Funktionen wie Leihe
eigenen Club gründen, 11 gegen 11 spielen
kreative neue Skill-Spiele
englische Kommentatoren wählbar
MatchDay mit vereinsbezogenen Fußballnews
zig offizielle Lizenzen, türkische Liga dabei
klasse Stadien-Inszenierung
Premier League mit allen Arenen und Torlinientechnik
starker Editor, zig Optionen, gute Match-Filter
Online-Lobbys (PS3, 360)

Kontra

komplett steriler, langweiliger Karrieremodus
Zweiklassen-Präsentation bevorzugt Premier League
neue Emotionen nicht immer nachvollziehbar, fast nie aufbauend
ob Derby oder Freundschaft: Stadionkulisse gleich
Stürmer mit viel Tempo haben es sehr leicht
totale Ballkontrolle macht Dribblings fast überflüssig
"Tactical Defending" wurde zu stark geschwächt
Grätsche als Waffe in der Defensive entschärft
keine neuen Schuss/Kopfballtechniken, identische Steuerung
oft unpassende Fanakustik, brüchige Atmosphäre
manche Kollisionen wirken wie Slapstick
viel zu blasse, fast vampirhafte Profigesichter
Online-Teamplay 2vs2, 3vs3 fehlt
wenig neue Fangesänge, keine Ultras/Vorsänger
gespeicherte Taktikvorlagen nicht überall wählbar
Buschi und Breucki geht die Luft aus
Rasendarstellung nicht konsequent detailliert
Ruckler während der Skill-Spiele in Wartephasen
keine Online-Lobbys
Elfmeter-Bug: KI verweigert den Schuss
Torlinien-Bug: Ball nicht voll hinter der Linie, Tor zählt
kein Pro-Club-Modus (PS3, 360)
keine Rasen/Trikotabnutzung (PS3, 360)
keine individuellen Taktikfinessen (PS3/360)
keine Körpertäuschung bei Ecken (PS3, 360)
Fragmentbildung, Fanklone (PS3, 360)
"Physis" fehlt, kein Fähigkeitenpolygon (PS3, 360)

Wertung

360

Auf PS3 und 360 ist FIFA 15 nicht dasselbe Spiel: Es fehlen die neuen Taktikfinessen, Pro Clubs als Spielmodus sowie andere Kleinigkeiten.

PlayStation3

Auf PS3 und 360 ist FIFA 15 nicht dasselbe Spiel: Es fehlen die neuen Taktikfinessen, Pro Clubs als Spielmodus sowie andere Kleinigkeiten.

XboxOne

Trotz steriler Karriere und Inkonsequenzen in der Akustik: FIFA 15 ist offensiv, torreich und macht richtig Laune!

PC

Sieht klasse aus, macht Laune: Endlich auch auf dem PC richtig guter Fußball ohne inhaltliche oder technische Abstriche.

PlayStation4

Trotz steriler Karriere und Inkonsequenzen in der Akustik: FIFA 15 ist offensiv, torreich und macht richtig Laune!

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