Splinter Cell: Pandora Tomorrow29.03.2004, Mathias Oertel
Splinter Cell: Pandora Tomorrow

Im Test:

Nachdem Splinter Cell seit Release Ende 2002 einen Award nach dem anderen in den Trophäenschrank stellen und neue Standards in punkto Stealth-Action setzen konnte, warten die Schleichfans auf eine Fortsetzung. Die ist mit Pandora Tomorrow nun erhältlich und bietet u.a. einen brandneuen Multiplayer-Modus. Doch kann auch das Einzelspieler-Erlebnis überzeugen und zumindest an die alte Klasse anknüpfen? Wir haben uns in den Tarnanzug gezwängt und Sam Fisher auf einem Testausflug begleitet.

Packend, aber plakativ

Dass bei einem Abenteuer im Clancy-Universum die Story eine große Rolle spielt, ist zwangsläufig. Vorangetrieben von guten FMV-Videos und Cut-Scenes in Spielgrafik bekommt ihr eine spannende Geschichte mit zahlreichen Überraschungen präsentiert. Um allerdings die Vielschichtigkeit eines MGS2 oder gar dessen cineastische Wirkung zu erreichen, fehlt Pandora Tomorrow doch einiges. Filmreif? Zweifellos.

Auch wenn das Hauptaugenmerk auf den Mehrspieler-Modus gelegt wurde, bietet die Einzelspieler-Kampagne spannende Unterhaltung mit zahlreichen Verbesserungen zum Vorgänger.

(Xbox)

Doch das "Gut-Böse-Schema" ist in Hollywood genau so facettenreich und abgegrast wie in der Softwarewelt. Und wen hat die Geschichte in "Die Stunde der Patrioten" wirklich vom Hocker gerissen? Eben! Spaß gemacht hat der Film trotzdem! Und genau in diese Kerbe schlägt auch Pandora Tomorrow: Plakativ, aber gut in Szene gesetzt!

Der Add-On-Faktor

Dass sich Pandora Tomorrow im spielerischen Kern nur unwesentlich vom ersten Sam Fisher-Abenteuer unterscheidet, wird die wenigsten überraschen. Immer noch seid ihr damit beschäftigt, als Einzelkämpfer der NSA (National Security Agency) in Krisengebieten auf der ganzen Welt nur mit der Dunkelheit als Freund terroristische Aktivitäten einzudämmen und dabei so unauffällig wie möglich zu bleiben.

__NEWCOL__Und vom ersten Einsatz in Osttimor an kommt umgehend wieder das bekannte Gefühl nervenaufreibender Spannung auf, das man schon aus dem Vorgänger kennt. Doch alle Intensität kann nicht verschleiern, dass das Team von Ubi Shanghai für Einzelspieler nur wenig mehr als ein Update produziert hat: nach acht Missionen ist der Spaß leider vorbei. Das ist deutlich weniger als bei Sams Einsatz vor gut eineinhalb Jahren – zumal das Tutorial in die erste Mission integriert wurde. Doch die zahlreichen Verbesserungen und Erweiterungen sorgen dafür, dass Pandora Tomorrow an einer "Update-Abwertung" entgeht.

Mehr drin

Nehmen wir z.B. die erweiterten Bewegungsmöglichkeiten: Neben den aus Teil 1 bekannten Optionen gibt es ein aufgestocktes Repertoire, das neue Taktiken ermöglicht. Die Möglichkeit, nach dem Spagatsprung mit einem weiteren Hüpfer höher gelegene Kanten zu erklimmen, nimmt dabei jedoch eine eher untergeordnete Rolle ein und ist nur im Hinblick auf das Leveldesign von Bedeutung.

Was nun? Den Gegner in Ruhe lassen oder den neuen Move benutzen, der euch auch das Schießen ermöglicht, wenn ihr an Rohren hängt?

(PC)

Dass man aber nun auch von Rohren hängend die Waffe anlegen kann und so nichts ahnende Gegner gezielt von oben ausschalten kann, ist für die Planung der Missionen genau so wichtig wie der SWAT-Move, bei dem ihr euch schnell und unbemerkt an Öffnungen vorbei mogeln könnt.

Nicht vergessen sollten wir auch den Pfiff, der neugierige Wachleute in die Irre leiten kann.

Das Leveldesign wurde dementsprechend auf die neuen Optionen abgestimmt und zudem mit einer stark verbesserten KI und einer deutlichen Tendenz weg vom "Trial-and-Error"-System des ersten Teiles ausgestattet.

Die Licht- und vor allem die Schatteneffekte sind nach wie vor sehenswert!

(PC)

Linear mit Variationen

Zwar bleiben die Level nach wie vor streng linear, doch die Bandbreite an Möglichkeiten, die Gegner auszuschalten, reizt zum Experimentieren. So könnt ihr z.B. bei einer feindlichen Übermacht versuchen, einen nach dem anderen wegzulocken, um ihn dann auszuschalten oder probieren, ob eine Vermeidung jeglicher Konfrontation mehr Erfolg verspricht. Und im Zweifelsfall habt ihr sogar ab und an die Möglichkeit, trotz Erkennung durch die Feinde mit Glück durch die nächste offen stehende Tür in den rettenden Schatten zu entkommen.

Zwar finden sich nach wie vor auch die berühmt-berüchtigen "Alles-oder-Nichts"-Sequenzen, in denen ihr den von den Entwicklern vorgegebenem Weg folgen müsst, um Erfolg zu haben, doch die angesprochenen Optionen können von diesem Manko schnell ablenken.

Ebenso wie die in mehreren Stufen gestaltete Sicherheitsvorkehrung der Wachen, die in einigen Abschnitten zu finden ist. __NEWCOL__Anstatt wie bislang beim Entdecktwerden oder Unvorsichtig sein sofort einen Missionsabbruch in Kauf nehmen zu müssen, gibt es ein mehrstufiges System, bei dem die Gegner nach und nach mehr Rüstung anlegen. Einmal verdächtig reagieren und es werden schusssichere Westen angelegt. Beim zweiten Mal folgt ein Helm, der gezielte Kopfschüsse unmöglich macht usw. Erst an bestimmten geskripteten Punkten bzw. wenn ihr es schafft, lange genug unentdeckt zu bleiben, geht die Alarmstufe wieder nach unten.

Auch im Steuerungsbereich gibt es Fortschritte zu vermelden: Sowohl Inventarbenutzung als auch Interaktion mit Objekten wir Türen laufen deutlich intuitiver ab als im Vorläufer und orientieren sich am Steuerungsschema, das mit den PS2- und GameCube-Fassungen von Splinter Cell eingeführt wurde. Bei einer Tür müsst ihr nicht erst großartig das Fiberglaskabel aktivieren, sondern könnt sofort den entsprechenden Befehl im Menü auswählen.

Neben Nachtsichtgerät hat Sam Fisher natürich auch seine Infrarotbrille wieder im Gepäck!

(Xbox)

Innovativ, spannend, zeitraubend

Dass das Ubi Studio Shanghai in der Einzelspieler-Kampagne nur mit dezenten, aber sinnvollen Detailverbesserungen immer wieder "Add-On"-Charakter durchscheinen lässt, wird durch den neuen Multiplayer-Modus spielend einfach wettgemacht.

Denn hier wartet nicht nur eine erfrischend neue Idee auf die breite Schleicherfront – sie wurde auch technisch und spielerisch nahezu perfekt umgesetzt.

Die Grundvoraussetzung ist denkbar einfach: das Shadownet-Team (die Spione) tritt gegen das Argus-Team (die Terroristen) an und muss je nach Spielmodus andere Aufgaben erfüllen, während die Argusaugen alles in ihrer Macht stehende tun, um dies zu verhindern.

Der Multiplayer-Modus ist schlichtweg genial und die Investition alleine wert. Leider ist das Optimatch-System mit einem Bug verseucht!

(Xbox)

Der Clou: Jedes Team spielt sich nicht nur durch die Perspektive komplett anders. Shadownet wird in der bekannten Ansicht gespielt, während die Terrors in lupenreiner Ego-Perspektive die Jagd eröffnen.

Zusammen mit ihren vollkommen unterschiedlichen Gadgets und spielerischen Möglichkeiten kommt auf den zahlreichen, clever designten Maps unheimlich schnell ein spannendes "Jäger-und-Gejagter"-Gefühl auf, das man in dieser Form im Mehrspieler-Bereich bislang vergeblich gesucht hat.

Dass die Spieleranzahl sowohl auf Xbox als auch PC auf maximal vier begrenzt wurde, schreckt zwar anfangs ab, doch der Vorteil der kleinen Teams wird schnell deutlich. Im Idealfall ist es schlichtweg einfacher, mit nur einem bzw. zwei Mitspielern kommunizieren zu müssen (ja: auch 3-gegen-1 ist möglich), um die Aktionen zu koordinieren. __NEWCOL__So kommt es, wie es kommen muss: Ehe man sich versieht, zieht eine Stunde nach der anderen ins Land, während man sich als Spion mit Tazer und zahlreichen Gadgets bewaffnet von Schatten zu Schatten bewegt oder sich als Terrorist ins Fäustchen lacht, wenn der Bewegungsmelder die Shadownet-Schergen ausgemacht hat und man ihnen eine Granate um die Ohren jagt.

Alleine der Multiplayer-Modus ist das Geld für die Anschaffung wert, zumal die Geschwindigkeit auf beiden Systemen keine Wünsche offen lässt.

Eine Anmerkung für die Xbox-User: Während Pandora Tomorrow grundsätzlich mit allen Funktionen spielbar ist, sorgt ein Bug im Optimatch-System für Abstürze. Wer also gezielt nach einer bestimmten Karte suchen will, auf der ein Spion gebraucht wird, sollte abwarten, bis das Spiel gepatcht wird. Und auch wenn ich persönlich der Überzeugung bin, dass gepatchte Konsolen-Titel der Anfang vom Ende sind, erhält Pandora Tomorrow auf der Xbox die gleiche Multiplayer-Wertung wie auf dem PC.

Das Fiberglaskabel lässt sich jetzt noch komfortabler einsetzen als im Vorgänger.

(PC)

Denn öffnet ihr ein eigenes Spiel bzw. steigt über die normale Anzeige aller noch offenen Games in eine Partie ein, eröffnet sich das gleiche packende Spielerlebnis wie auf dem PC.

Besser, aber kein "Wow-Erlebnis"

Der erste Teil von Splinter Cell hat grafisch für neue Standards sorgen können: grandiose Animationen, lebendige Umgebungen und phänomenale Lichteffekte hievten die Standards seinerzeit auf ein neues Niveau.

Egal ob Innenräume oder Außenlevel: Pandora Tomorrow lässt grafisch kaum Wünsche offen.

(PC)

Da viele dieser Features natürlich auch in Pandora Tomorrow zu finden sind, bleibt das "Aha-Erlebnis" aus. Das heißt jedoch nicht, dass man mit PT stagniert oder gar einen Rückschritt gemacht hat. Ganz im Gegenteil: Das Zusammenspiel von Licht, Schatten, klasse Animationen und absolut stimmiger Umgebung sieht besser aus als je zuvor und sorgt vom ersten Moment an für Spannung.

Nur: es haut einen nicht mehr so vom Hocker. Bedauerlich, wie schnell man sich an grafische Qualität gewöhnt.

Auf dem PC solltet ihr allerdings hardwaretechnisch gut ausgestattet sein. __NEWCOL__Um das Spiel in ansprechender Geschwindigkeit und passabler Auflösung genießen zu können, solltet ihr mindestens einen 2 GHz-Prozessor samt aktueller Grafikkarte sowie so viel RAM wie möglich euer Eigen nennen.

Gewohnt gute Lokalisierung

Vor allem auf der Xbox, bei der ihr wahlweise auch die englische Sprachausgabe einschalten könnt, fällt auf, dass die deutsche Fassung fast schon erschreckend gewohnt gut ist. Die bekannten Sprecher wurden wieder engagiert und hauchen den Figuren wie schon im Vorgänger erstklassiges Leben ein – allen voran Martin Kessler (Synchronstimme von Nicolas Cage) als Sam Fisher.

Ein Hilfsmittel für das Argus-Team im Multiplayer: der Bewegungsdetektor, der euch die Aktivitäten der Spione zeigt!

(Xbox)

Die sparsame Musikuntermalung sorgt immer wieder für den spannenden Kontrapunkt zur tödlichen Stille, die nur von Gesprächen und sauberen Soundeffekten unterbrochen wird.

Fazit

Kann man ein klasse Spiel noch besser machen? Pandora Tomorrow zeigt, wie es auszusehen hat! Bei Einzelspielern stellt sich zwar hin und wieder der Verdacht ein, dass die acht Missionen auch im Rahmen eines Add-Ons hätten veröffentlicht werden können, doch die zahlreichen neuen Features und Verbesserungen rechtfertigen auch den Vollpreis. Grafik, KI, Atmosphäre, Bewegungsmöglichkeiten, Steuerung: überall wurde gefeilt und geschraubt. Mit dem Ergebnis, dass Splinter Cell Pandora Tomorrow der derzeit beste Schleicher am Markt ist. Besonders lohnenswert ist PT jedoch wegen des sehr gut umgesetzten und innovativen Multiplayer-Modus, der dem Spiel eine neue Dimension gibt und der ein ums andere Mal ans Pad bzw. an die Maus bittet. Die Karten sind abwechslungsreich, das Balancing zwischen Spionen und Söldnern fast perfekt und nur die Limitierung auf vier Spieler nagt geringfügig am Spaß. Dafür jedoch könnt ihr auch mit 3-gegen-1 antreten, wenn jemand glaubt, er könne alleine überleben. Es bleibt aber zu hoffen, dass der Optimatch-Bug schnellstmöglich behoben wird. Alles in allem eine mehr als würdige Fortsetzung eines herausragenden Spieles, die der folgenden Konkurrenz in Form eines Schlangenfressers schon jetzt einiges zu knabbern gibt.

Pro

grandiose KI
hervorragendes Leveldesign
intuitive Steuerung
abwechslungsreiche Missionen
zahlreiche neue Bewegungen
neue Gadgets
weg vom Trial-and-Error-System des Vorgängers
klasse Multiplayer-Modus
gute Lokalisierung

Kontra

recht hohe Hardware-Anforderungen (PC)
„nur“ acht Missionen
keine Item-Aufnahme von Gegnern
Optimatch-Bug (Xbox)

Wertung

PC

XBox

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