Dabei sind die grundsätzlichen Mechaniken überschaubar. Die Rätsel sind bis auf wenige Ausnahmen sehr intuitiv und nahtlos in die Umgebung integriert, aber manchmal zu leicht. Das Klettern ist unkompliziert. Es gibt keine Sprintoption, mit der man kurzzeitig den Verfolgern ein Schnippchen schlagen kann. Und doch wird beinahe jede Szene zu einem Erlebnis, das mitunter bizarre Formen annehmen kann – wie z.B. in der Anfangsphase: Nachdem der Junge ein Schwein von einer Art Parasit befreite, der das Tier gesteuert hat, kann man auf dem Vieh zu einem Seil reiten und von dem Rücken des Schweins danach greifen. Nur hatte ich den Denkfehler gemacht, dass es sich um ein Tau handelte, an dem der Junge evtl. zu einer weiteren Position hätte schwingen können. Denn tatsächlich handelte es sich um eine Art "Denkkappe", die sich der Junge über den Kopf stülpte und an der er nun hing. Mit dem Ergebnis, dass sich seine Bewegungen auf eine Horde willenloser "Hüllen" übertrug, so dass er mit Ihnen nun Schalter oder Türen betätigen konnte, die vorher unerreichbar waren.
Ein kleines Meisterwerk?
Die Rätsel sind zwar manchmal zu leicht, aber durchweg harmonisch in die Spielwelt eingebunden.
Doch Playdead macht nicht den Fehler, den Spieler mit einem Stakkato aus Verfolgungssequenzen und Umgebungsrätseln zuzuschütten. Das Spieltempo wird stets wunderbar variiert. Auf eine teils Nerven zerfetzende und im Negativfall herzzerreißende Verfolgungsjagd oder Schleichsequenz folgt Ruhe. Ein Rätsel wird abgelöst von einer neuen Szenerie, in der man die entstehende Atmosphäre wie in einem Wandersimulator (die ich eigentlich nur mit negativen Assoziationen verbinde) aufsaugt. Auf aufkeimende Hoffnung, nachdem man geflohen und damit der Freiheit einen Schritt näher gekommen ist, folgt bereits die nächste aussichtlose Bedrohung, die nur eines zu schreien scheint: "Gib auf! Du kannst nicht entkommen!" Auch wenn Inside komplett auf Sprache oder Texte verzichtet, entwickelt sich im Kopf auch dank der sparsam, aber sehr effektiv eingesetzten Musik schnell eine Geschichte und ein Gespür für diese das Leben verachtende Welt voller Gefahren. Dass dabei viele Fragen offen bleiben, die Interpretationsspielraum lassen und daher für jeden zu einer anderen Erfahrung führen, ist gleichermaßen bemerkenswert wie verstörend. Wieso werden Menschen am Anfang wie zur Zeit des Holocaust wie Tiere in einen LKW verfrachtet und abtransportiert? Wieso können sich die grauen, nur noch durch den aufrechten Gang an Menschen erinnernde Hüllen auch noch bewegen, wenn sie mehrere Meter auf den Boden aufprallen oder Arme und Beine verlieren? Wieso ist die Hauptfigur das einzige Kind weit und breit? Dass sich Inside standhaft weigert, auch nur ansatzweise Antworten preiszugeben, rechne ich Playdead hoch an.
Die düster-dystopische Welt von Inside steckt voller Geheimnisse und offener Fragen.
Dass die Kulisse ihren Teil als Erzähler beiträgt, ist dem von Anfang bis Ende gelungenen Artdesign zu verdanken. Statt wie bei Limbo auf ein Schattenspiel mit klaren Schwarz-Weiß-Strukturen zu setzen, baut Inside auf die Zwischentöne. Dabei setzt man natürlich auch auf die Wirkung, die das Grau-in-Grau mit nur wenigen Lichtblicken und noch weniger Farbsprengseln wie dem roten Pulli des Jungen auf die Gemütsstimmung hat. Doch Licht-, Partikel- und sonstige Effekte sorgen zusammen mit den sorgsam modellierten Levelstrukturen stets für eine überzeugende Grundstimmung. Und darüber liegen die fantastischen und mit viel Liebe erstellten Animationen des Jungen. Egal ob er sich panisch umschaut, stolpert, abrollt, schwimmt, taucht, wartend versucht seine Puste wiederzubekommen, klettert, Schalter umlegt oder schleicht: Immer wieder entdeckt man lebensnahe kleine Bewegungen, die dafür sorgen, dass man ihn noch mehr ins Herz schließt, die den Beschützerdrang noch mehr verstärken. Einzig das etwas steife Treppensteigen wirkt angesichts der enorm hohen visuellen Qualität etwas unpassend, die nach fünf Jahren Entwicklungszeit ein intensives Plädoyer dafür ablegt, dass eine stimmige und kohärente Atmosphäre immer noch wichtiger ist als jegliches Polygonprotzen.