The Assembly29.07.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: VR-Ausflug in unteriridische Labors

“Wir haben die Motion-Sickness besiegt!” – mit diesem mutigen Statement bewarb der englische Entwicker nDreams sein VR-Adventure auf der vergangenen Gamescom. Eine verfeinerte Teleportations-Technik soll den Mystery-Thriller in einer unterirdischen Forschungsstation extrem komfortabel gestalten. Im Test haben wir uns auf die Suche nach gefährlichen Viren begeben.

Ethisch fragwürdige Experimente

Es stimmt tatsächlich: Während ich mich durch Labore beame, Schubladen nach geheimen Akten durchwühle und Experimente starte, denke ich nur noch selten darüber nach, dass mir irgendwann übel werden könnte. nDreams hat die Navigation im Vergleich zur letzten Gamescom sogar noch einmal gründlich überarbeitet. Auch anstrengende Momente wie die Entführungsszene von Madeleine Stone auf einer rollenden Sackkarre wurden deutlich verkürzt. Nachdem die hochbegabte Wissenschaftlerin in ihrem alten Job für nicht ganz einwandfreie Arbeitsmethoden bestraft wurde, wird sie von einer geheimnisvollen Organisation in eine unterirdische Station verschleppt. Dort muss sie sich an einer Reihe von Tests versuchen, um ihre Tauglichkeit für die Organisation zu beweisen, welche ohne störende ethische Bedenken den wissenschaftlichen Fortschritt vorantreibt. Auch Madeleines moralischer Wertekanon wird dabei abgeklopft.

Unterm Wüstensand gehen geheimnisvolle Experimente vor sich.
Einen Teil des Mystery-Abenteuers erlebe ich aus ihrer Perspektive, den anderen aus der von Virologe Cal Pearson, bevor sich ihre Wege im späteren Verlauf kreuzen. Cal stößt in seiner Abteilung auf Machenschaften, welche offenbar sogar für Verhältnisse der Geheimorganisation reichlich leichtsinnig oder sogar boshaft wirken. In seinen Abschnitten untersuche ich die überschaubaren Labore nach Hinweisen, Schlüsselcodes und diversen Chemikalien, die mir bei der Lösung von Rätseln nützlich werden.

Ausgefeilte Bedienung

Drücke ich den rechten Stick zur Seite, schaltet die Kamera ruckartig in die entsprechende Richtung um. Außerdem beame ich mich per Knopfdruck in die gewählte Richtung. Hinter Schreibtischen oder in engen Nischen kann ich außerdem mit dem linken Stick mein Position feintunen. Klack, klack, klack – und schon bewege ich mich schnell und ruckartig durch die Kulisse. Das wirkt zu Beginn natürlich reichlich ungewohnt und sorgt für weniger Immersion als eine flüssige Bewegung wie beim klassischen Gehen. Trotzdem haben die Entwickler einen sinnvollen Weg ausgetüftelt, wie man auch im Sitzen prima kleine Räume nach Indizien untersuchen kann. Schade ist es natürlich trotzdem, dass man nicht per Roomscale-Unterstützung persönlich durch das Adventure  schreiten darf – obwohl die HTC Vive unterstützt wird.

Auch für empfindliche Spieler geeignet: Die Navigation durch die Labore gestaltet sich sehr magenfreundlich.
Wer möchte, kann übrigens auch ohne VR-Headset spielen – mit einem etwas klassischeren Steuerungs-Schema, das normales Laufen durch die Flure ermöglicht. Da ich mich dabei zum Zielen nicht so viel umsehen muss, gestaltet sich das sogar bequemer. Mit einem Headset wird das Erlebnis und Mittendrin-Gefühl aber deutlich intensiver – vor allem mit dem großen Sichtfeld der Vive. Im Gegenzug kam es mit Valves Headset zu Beginn des Spiels manchmal zu Kalibrierungsproblemen oder Abstürzen, während das Spiel auf der Oculus Rift und dem Monitor problemlos lief.

Anspruchslose Aufnahmetests

Die Rätsel beschränken sich oft leider auf einfaches Zusammenklauben von Informationen: Bin ich nach dem Durchwühlen von Schränken und E-Mails auf einen Zugangscode und neue Pläne zu gefährlichen Experimenten gestoßen, bekomme ich Zugriff zu neuen Büros verschwörerischer Kollegen. Manchmal muss Cal auch diverse Zutaten sammeln, um z.B. technische Anlagen zu sabotieren und so Kollegen abzulenken. Oder ich muss im Tierlabor logische Hinweise wie „Jene, die im Nest bleiben“ deuten, um eine Schlüssel-Code herauszufinden.  Meist bleibt es aber beim anspruchslosen Abklappern der Umgebung. Sehr sinnvoll wirkt dabei allerdings die Einbindung von Monologen als Ersatz für das fehlende Inventar: Per Knopfdruck sehe ich stets eine Liste grob umrissener Aufgaben, benötigter Objekten oder Informationen, während Cal bei meinen Aktionen oft nützliche Hinweise von sich gibt: „Das brauche ich nicht!“, „ein Gang in die Bakteriologie hilft mir momentan auch nicht weiter“, „Es fehlt noch Zutat xy für die Versuchsanordnung“ usw.

Für eine fast jederzeit flüssige Darstellung reicht eine GeForce GTX 970.
So wirkt die Suche immerhin authentisch und komfortabel. Madeleines Aufgaben haben mich dagegen meist gelangweilt: Bei einem Intelligenztest z.B. bekommt sie lediglich ein dreidimensionales Schiebepuzzle vorgesetzt. Auch das Lösen eines inszenierten Mordfalls mit Puppen an einer großen Dinner-Tafel gestaltet sich kinderleicht, weil die Motive nach der Befragung aller Zeugen zu offensichtlich waren. Unverständlich ist auch, dass der Fortschritt nur zu Beginn eines Kapitels abgespeichert wird. Es gibt aber immerhin mehrere Spielstände für unterschiedliche Nutzer.

Professionelle Vertonung

Des Weiteren plätschert die Geschichte meist zu ruhig vor sich hin, da trotz der interessanten Ausgangslage nicht wirklich ein Spannungsbogen aufgebaut wird. Moralische Entscheidungen mit einschneidenden Auswirkungen sind trotz alternativer Enden Mangelware. Die professionelle deutsche Synchronisation sorgt aber immerhin für ein gewisses Kinogefühl – was im Bereich von VR-Abenteuern noch eine Seltenheit darstellt. Auch grafisch hinterlässt das Spiel einen hochwertigen Eindruck: Die ansehnlichen Kulissen wirken dank Dunst und spiegelnder Oberflächen angenehm räumlich. Weniger gelungen sind die etwas steifen Animationen und der Umstand, dass man in den verlassen wirkenden Räumen nur selten mit anderen Figuren spricht und interagiert.

Fazit

Schade – ähnlich wie Pollen lässt mich auch The Assembly mit einem unbefriedigten Gefühl zurück. Warum trauen so viele VR-Entwickler ihren Spielern nicht mal etwas anspruchsvollere Rätsel und Aufgaben zu?  Meist bleibt es leider beim Abklappern von Versuchslaboren nach verschwörerischen Hinweisen, was immerhin ab und zu von Umgebungs- und Kombinationsrätseln aufgewertet wird. Madeleines Aufnahmetests haben mich noch stärker gelangweilt, zumal auch die Story meist vor sich hinplätschert. Schade um die spannende Grundstimmung, die professionelle technische Umsetzung und das ausgefeilte Steuerungs-Schema. nDreams sollte ruhig noch weitere, spielerisch gehaltvollere Abenteuer in dem gelungenen Grundgerüst entwickeln – oder es an andere Entwickler lizenzieren. Ihr erster VR-Thriller konnte mich trotz gelungener Ansätze aber kaum fesseln.

Pro

mysteriöses Ausgangsszenario weckt Neugier
durchdachte VR-Navigation
sehr geringes Übelkeitspotenzial
ansehnlich designte, detailreiche Forschungseinrichtung
professionelle deutsche Synchro

Kontra

nur einfach gestrickte Rätsel und Tests
Geschichte plätschert spannungsarm vor sich hin
Forschungsstation wirkt meist leer und unbelebt
steife Animationen
manchmal Bugs und Abstürze (HTC Vive)
speichert nur am Anfang von Kapiteln

Wertung

HTCVive

Hochwertige Technik und ein durchdachtes Steuerungs-Schema gestalten das Mystery-Abenteuer komfortabel, doch Story und Rätseln mangelt es an Anspruch.

PC

Hochwertige Technik und ein durchdachtes Steuerungs-Schema gestalten das Mystery-Abenteuer komfortabel, doch Story und Rätseln mangelt es an Anspruch.

OculusRift

Hochwertige Technik und ein durchdachtes Steuerungs-Schema gestalten das Mystery-Abenteuer komfortabel, doch Story und Rätseln mangelt es an Anspruch.

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