Escape Dead Island26.11.2014, Mathias Oertel

Im Test: Blick zurück im Wahnsinn

Wahnsinn, Zombies und Südsee: Fatshark erzählt in Escape Dead Island (ab 4,99€ bei kaufen), wie es zu dem Ausbruch auf Banoi kam. Gleichzeitig soll mit dem Abenteuer eine erzählerische Brücke zu dem nächstes Jahr erscheinenden Dead Island 2 geschlagen werden. Ob die Cel-Shading-Kulisse und eine neue Perspektive für packende Unterhaltung sorgen, klärt der Test.

Die etwas andere Untoten-Insel

Keine Monster-Massen, kein Beutewahn, keine komplett offene Welt, keine realistische Kulisse: Mit Escape Dead Island (EDI) beschreitet das Team von Fatshark (Hamilton’s Great Adventure, Krater) neue Wege. Statt Hack&Slay  in Egosicht möchte man andere Elemente betonen: Schleichen, Levelerforschung, punktuelle Kämpfe, Rätsel - und Story. Die dreht sich um den Nachwuchs-Journalisten Cliff Calo, der mit seinen Freunden Linda und Davon auf der Insel Narapela nach den Ursprüngen der Zombie-Plage sucht, die Grundlage für die bisherigen Serien-Ableger ist. Allerdings wird er als Protagonist eher unsympathisch  gezeichnet. Er wirkt arrogant und selbstgefällig, wobei nicht einmal sein junges Alter entschuldigend einkalkuliert werden kann. Unter dem Strich keine Figur, mit der ich ums Überleben auf einer tropischen Insel kämpfen möchte. Trevor aus GTA 5 ist auch kein Kind von Traurigkeit und nicht immer sympathisch, aber als Figur vielschichtiger – dadurch habe deutlich viel mehr Lust, mit ihm durch Los Santos zu ziehen als mit Cliff durch die Comic-Welten Narapelas zu wandern.

Der Comic-Stil wird konsequent durchgezogen. Dennoch hat die Engine mit allerlei Problemen von Pop-ups bis Flimmern zu kämpfen.
Doch man hat erzählerisch einen Kniff eingebaut, der schon Spiele wie Eternal Darkness auf dem GameCube veredelte: Wahnsinn. Immer wieder begegnen einem Situationen, in denen Cliffs Geisteszustand ihm einen Streich spielt. Container regnen vom Himmel. Man findet sich auf einmal in einer gänzlich unbekannten Umgebung wieder. Urplötzlich verändern sich Lichtverhältnisse von freundlich zu bedrohlich. Es kann sogar wie in der Matrix die Zeit nach einem Blitzeinschlag stehen bleiben. Und ständig hat er Funkkontakt mit Personen, von denen man nicht genau weiß, ob sie echt sind oder nur in seiner Einbildung existieren. Wenn diese Elemente funktionieren, wird die Flucht von der Todesinsel spannend und interessant - zumal die erzählerischen Eckpunkte schließlich auch eine Brücke zu Dead Island 2 schlagen sollen. Und zweckmäßig werden sie eingesetzt, wenn man nach dem zwangsläufigen Ableben an einem der zahlreichen, meist gut gesetzten automatischen Speicherpunkte wieder aus der Wahnvorstellung mit Todesfolge erwacht. Das Problem: Anstatt sich kontinuierlich während des Abenteuers zu steigern, gibt es mittendrin immer wieder viel erzählerischen Leerlauf, der die Spannung nicht temporär eindämmt, sondern sie beinahe einschläfert. Trotz vielerlei Fundstücke, die über die Vorkommnisse auf Narapela zwar Aufschluss geben sollen, die aber mit ihren nach oben schnellenden Zählern letztlich kaum mehr sind als die Flaggen früher Assassin’s Creeds: Befriedigung des Sammelwahns.

Splinter Zombie of Us Yaiba Evil

Kämpfe werden mechanisch solide inszeniert, bieten aber nur wenige Optionen. Im Vordergrund stehen Schleichen, Inselerforschung und die Geschichte.
Immerhin: Escape Dead Island spielt sich dank geänderten mechanischen Fokus ganz anders als seine actionorientierten Cousins und kann punktuell immer wieder Akzente setzen. Allerdings hat man nahezu alles in anderen Spielen besser gesehen. Man schleicht ein wenig so wie in Splinter Cell oder The Last of Us, wobei die Untoten mit einem Aufmerksamkeits-Ausrufezeichen über dem verwesten Haupt einen Metal-Gear-Indikator besitzen, der anzeigt, ob und wie intensiv sie einen wahrgenommen haben oder nicht. Der Nahkampf läuft beinahe so wie in Tecmo Koeis Yaiba - Ninja Gaiden Z, wobei dessen Eleganz ohnehin nie erreicht wird, aber wenigstens recht spät im Spiel mit dem Katana einigermaßen emuliert wird, die Keule oder Axt sind bei den punktuell eingesetzten und von den Entwicklern platzierten Kämpfen, die nur ganz selten so etwas wie Strategie oder Taktik verlangen, wesentlich weniger grazil. Wobei ohnehin die unterschiedliche Wucht der wenigen Nahkampfwaffen eine untergeordnete Rolle spielt: Letztlich ist das Trefferverhalten der wenigen Gegnertypen identisch - es flatscht, die Zombies fallen irgendwann zu Boden und verschwinden nach kurzer Zeit.

Mit dem erwähnten Schleichelement bekommt die Dead-Island-Welt eine neue Dynamik. Allerdings bleibt auch hier vieles oberflächlich. Ein aktives Deckungssystem gibt es z.B. nicht. Aber Sichtlinien spielen immerhin insofern eine Rolle, da Zombies einen nicht wahrnehmen, wenn man in Schleichstellung hinter einer Kiste verweilt. Und gerade gegen mächtigere Gegner, die im offenen Kampf eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellen, ist die Motivation, sie ungesehen mit einem Meuchelangriff auszuschalten, größer als anfänglich angenommen. Doch gegen die Standard-Zombies, die in den relativ offenen, aber dennoch weitgehend linearen Abschnitten warten, hat man es viel zu leicht. Sobald man ein Gefühl dafür bekommen hat, wie man sich ihrer Aufmerksamkeit entziehen kann, hat man mitunter sogar die Möglichkeit, mehrere direkt nebeneinander stehende Untote meuchelnd auszuschalten. Immer mit dem gleichen Angriff, immer einen zynischen (und schnell nervenden) Spruch von Cliff nach sich ziehend. Damit beraubt sich Escape Dead Island immer wieder der aufkeimenden Spannung. Und wenn es schließlich doch zum offenen Gefecht kommt, machen die (ebenfalls wenigen) Nahkampfwaffen schnell reinen Tisch.

Sieht doch gut aus

Die interessantesten Momente gibt es, wenn der Wahnsinn die Oberhand gewinnt.
Ich gebe zu: Spiele, die auf Comicstil setzen, sind mir prinzipiell sympathisch. Ubisofts Shooter XIII hat mir auch wegen seiner Kulisse Spaß gemacht. Das Zombiegeschnetzel Yaiba hat erst durch die visuelle Umsetzung an Fahrt aufgenommen. Und nicht zuletzt hat auch The Legend of Zelda: The Wind Waker nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell überzeugt. Insofern begrüße ich es, dass Fatshark nicht auf Realismus setzt, sondern mit dem Cel-Shading deutliche Comic-Akzente setzt und sogar akustische Merkmale wie das "Bang" der Pistole usw. visuell durch einen Schriftzug anzeigt. Die werden in den teils aufwändig gezeichneten halb-animierten Zwischensequenzen sogar noch stärker betont. Und nicht zuletzt hat man sich durch die Ausrichtung des Artdesigns die Hintertür offen gelassen, ggf. technische Defizite der Engine durch die verringerte Farbpalette oder gröbere Texturen zu kaschieren. Oder anders: Auch wenn es im Animationsdetail oder der Mimik Defizite gibt, ist der erste Eindruck des farbenfrohen Eilands ein ansprechender. Man bekommt Lust, sich umzuschauen und auf der Insel auf Entdeckungstour zu gehen.

Hier ist die Welt noch in Ordnung: Cliff und seine Freunde auf dem Weg nach Narapela.
Allerdings sollte man dies nicht zu ausgedehnt tun. Denn je länger man geht und schaut, umso mehr Problemen begegnet man: Pop-ups, ausgerollte oder erst spät in vollen Details eingeblendete Fauna, grobe Schatten, Kantenflimmern und noch einiges mehr verursachen Sorgenfalten. Natürlich kann man auch Clipping-Probleme beobachten, unter die auch die Momente fallen dürften, wenn man mit einer Taschenlampe kauernd hinter einer Ecke sitzt und das Licht durch die Geometrie hindurch auf das nächste Hindernis strahlt. Da die Zombies aber ohnehin nicht auf Lichtquellen reagieren, wird dies wenigstens kein spielerisches Problem. Dennoch ist die Kulisse die konsequente Fortsetzung der Defizite, die sich wie ein roter Faden durch Escape Dead Island ziehen: Man wollte viel, Fatshark war bzw. ist in vielerlei Hinsicht auf dem richtigen Weg, hat aber entweder zu wenig Ressourcen oder nicht ausreichend Zeit gehabt, um aus dem Spinoff ein richtig gutes Spiel zu machen. Nicht von ungefähr schienen dem Team hinsichtlich Leveldesign die Ideen auszugehen. Denn anders lässt sich das vor allem im Mittelteil nervige Backtracking, also das weitgehend sinnfreie Durchlaufen bereits besuchter (und im schlimmsten Fall sogar geräumter) Abschnitte kaum erklären, nur um eine Schlüsselkarte irgendwo anders einsetzen zu können - wobei das Strecken der Spielzeit auch in Frage kommen dürfte.

Fazit

Konzeptionell hat Fatshark seine Hausaufgaben gemacht: Mit dem Perspektivenwechsel sowie der Änderung des Grafikstils hin zum Cel-Shading wird ein solides Fundament gelegt. Und der Schritt weg vom Monstermetzeln sowie Beutesammeln, das aus den bisherigen Dead Islands quasi Egosicht-Diablos machte, hin zum Mystery-Action-Adventure mit Zombie-Hintergrund, ist in Ansätzen gelungen und erinnert in seinen Grundzügen an ein Comic-Resident-Evil. Doch das Spiel schafft es nicht, diese Elemente optimal zu vereinen. Die Kulisse offenbart Schwächen von Pop-Ups bis Flimmern. Das Schleichen bleibt oberflächlich und funktioniert nur deshalb, weil die Gegner-KI meist sehr marode reagiert. Das Kampfsystem ist zwar sauber, hängt aber ebenso an der Oberfläche fest wie die Stealth-Elemente und bietet nur wenig Abwechslung - auch innerhalb der Gegnerriege. Die Spielzeit wird durch nerviges Backtracking unnötig gestreckt. Einzig die Geschichte hält auf Dauer bei der Stange. Sowohl die Ursprünge der Zombieplage werden erklärt als auch ein Übergang zum nächsten Jahr erscheinenden Dead Island 2 geschaffen. Und rund um den leider unsympathischen Protagonisten sorgt die Visualisierung des schleichenden Wahnsinns mit seinen Auswirkungen auf die Spielwelt für Spannung sowie Verwirrung auf dieser Seite des Bildschirms. Allerdings schafft man es auch hier nicht einmal ansatzweise, an Klassiker eines Kalibers wie Eternal Darkness heranzukommen.

Pro

gut eingesetzter Cel-Shading-Comicstil...
interessantes Storyfundament
erzählerisches Element des schleichenden Wahnsinns wird gut eingesetzt...
passabel umgesetztes Schleichen...
brachial inszenierte Kämpfe
Schalterrätsel

Kontra

... der von Pop-ups bis Flimmern viele Probleme offenbart
unsympathischer Protagonist
... kommt aber insgesamt zu kurz
... das allerdings oberflächlich bleibt und von KI-Macken profitiert
wenige Waffen, Gegnertypen oder Nahkampf-Kombos
Strecken der Spielzeit durch das unnötige Hetzen von A nach B durch leere Abschnitte ("Backtracking")

Wertung

360

Interessante Nebengeschichte der Untoten-Serie mit Fokus auf Stealth und Erkundung, die allerdings mehr mit technischen Problemen als Zombies kämpft. Es fehlt in jeglicher Hinsicht der Feinschliff.

PlayStation3

Interessante Nebengeschichte der Untoten-Serie mit Fokus auf Stealth und Erkundung, die allerdings mehr mit technischen Problemen als Zombies kämpft. Es fehlt in jeglicher Hinsicht der Feinschliff.

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