Criminal Girls: Invite Only11.02.2015, Mathias Oertel
Criminal Girls: Invite Only

Im Test: Fetisch-Sklavinnen als Unterhaltung?

So sieht es also aus, wenn Manga-Fantasien auf Dante's Inferno treffen: In Criminal Girls ist man mit Verbrecherinnen auf der Suche nach Erlösung von Höllenqualen. Das ungewöhnliche Nippon-Rollenspiel wird aber nicht nur wegen seines ungewöhnlichen Kampfsystems für Diskussionen sorgen. Denn auch das dort zur Schau gestellte Frauenbild ist mitunter fragwürdig. Könnte darüber das eigentliche Spiel in Vergessenheit geraten? Die Antwort gibt der Test.

Manga Exploitation

Zwar bekommt man in der Rolle eines Gefängnis-Aufsehers von seiner überaus strengen Vorgesetzten erstmal eine geschmiert, doch abseits dieser Ohrfeige fängt in Criminal Girls alles vergleichsweise harmlos an - auch wenn man in der Nachwelt unterwegs ist. Man muss eine Gruppe weiblicher Sünderinnen helfen, vier Kreise der Hölle zu durchqueren, damit sie geläutert wieder in die lebende Gesellschaft eingegliedert werden können.  Die sieben Mädchen, die stellvertretend je eine Sünde darstellen, greifen dabei tief in die Klischeekiste. Von der vollbusigen, stets aggressiven Powerfrau bis hin zum schüchternen Mädchen mit hellseherischen Fähigkeiten wird alles abgegriffen. Durch die interessanten Dialoge (Japanisch mit englischen Untertiteln) wird das klischeehafte Erscheinungsbild zwar wieder deutlich relativiert. Doch auch die interessanten und mitunter witzigen Partydialoge (auf die man keinen Einfluss ausüben kann), täuschen nicht darüber hinweg, dass das klassische Frauenbild in diesem Nippon-Rollenspiel stark strapaziert wird.

Kampfsystem und Artdesign machen neugierig.
Denn um seinen Figuren z.B. neue Fähigkeiten anzutrainieren, muss man in den Touchscreen einsetzenden Minispielen seine Schützlinge "motivieren". Erzählerisch dadurch begründet, dass sie von Quälgeistern vom richtigen Weg abgebracht werden, was sich jedoch auf sexuelle Ablenkung reduzieren lässt, muss man über berührungssensitive Aktionen (sowohl auf der Front als auch der Rückseite der Vita) diese Verführungen verscheuchen. In der Praxis bedeutet dies, dass sich die Spielfigur im Rahmen des stimmungsvollen sehr gut gezeichnet Manga-Artdesigns leicht bekleidet räkelt und man mit einer Peitsche und ähnlichen Werkzeugen die auftauchenden Dämonen verscheuchen muss. Dass hier ein rosa Nebel die visuellen Reize verschleiert und verharmlosen möchte, hilft auch nicht viel. Denn der löst sich bei Erfolg immer weiter auf und erweckt dadurch den Eindruck, dass das "Entblättern" der leicht bekleideten  Pin-Ups die Hauptbelohnung für den Spieler darstellt und nicht das Freischalten der neuen Fähigkeiten. Verfolgt man die Dialoge im Spiel, wird deutlich, dass sich die Entwickler dessen durchaus bewusst sind und sie versuchen, das Thema der Misogynie satirisch anzugehen. Doch in der Art und Weise, wie sie dies umsetzen, konterkarieren sie den Ansatz – zumal man auch mit einem männlichen Wärter die Damen und Mädchen beaufsichtigt und auf den rechten Weg führen muss. Denn unter dem Strich werden die Figuren als S&M-Sexobjekte dargestellt und können auch nicht verschleiern, dass es bei den "Motivationen" eher um Bestrafung geht - einige Internet-Suchen offenbaren auch Bilder, auf denen tatsächlich "Punish" statt "Motivate" steht.

Ausgewogener Zufall

Das Thema der "Erlösung" von Höllenqualen hätte die stark frauenfeindlichen Ansätze in den Minispielen nicht nötig gehabt.
Das ist insofern bedauerlich, da das Wandern durch die höllischen Dungeons mit seinen konservativ rundenbasierten Kämpfen diese Diskussion gar nicht nötig hätte. Es steckt ein ordentliches Spiel mit interessanten Mechaniken dahinter. Zwar wird das Höllenthema, das im ersten Abschnitt mit seinen kargen, düsteren Umgebungen überzeugt, später von farbenfroheren Fantasy-Arealen abgelöst, bevor es wieder düsterer und damit thematisch passender wird. Doch es ist vor allem das auf den ersten Blick konventionelle Kampfsystem, das neugierig macht und bei den Nippon-Rollenspiel-Haudegen in der Anfangsphase für ein kleines Umdenken sorgen dürfte. Denn man kann nicht für jede seiner höllischen Heldinnen eine Aktion auswählen - und schon gar nicht die, die man möchte oder die der Situation gerade angemessen wäre. Stattdessen stellt einem die Gruppe vier Aktionen zur Verfügung von denen man eine auswählen darf. Das kann eine der vorher angeeigneten Spezialfähigkeiten sein, ein Solo-Angriff oder eine Attacke, bei der mehrere der Figuren zusammenarbeiten - natürlich hat man keinen direkten Einfluss, wer jetzt mit wem kooperieren soll oder wird, bekommt dies aber angezeigt, so dass man den potentiellen Erfolg dieser Aktion abschätzen kann.

Dieses Zufallsprinzip klingt merkwürdig und kontraproduktiv, wurde aber gut umgesetzt und sorgt in dieser Form für ein Überraschungs- und Spannungsmoment. Und das können die Auseinandersetzungen auch brauchen. Denn bedingt durch die Zufälligkeit der Kampfbefehle sind auch die sporadischen Bosskämpfe des Namens eigentlich nicht würdig. Man muss nur auf die Warnsignale achten, die auf einen aufgeladenen Angriff hindeuten - der Rest läuft wie ein Standardkampf. Mit dem abwechslungsreichen Gegnerdesign bekommt man immer wieder neue Herausforderungen vor die Nase gesetzt und mit ein bisschen Gewöhnung lernt man die Zufälligkeit einzuschätzen, so dass letztlich doch wieder ein Hauch Taktik in die Rundenkämpfe Einzug hält.

Fazit

Auf den ersten Blick ist Criminal Girls ein typisches Nippon-Rollenspiel mit Anime-Look und Rundenkämpfen. Doch auf den zweiten Blick offenbart sich ein Frauenbild, das selbst für die mitunter extremen Fetisch-Vorlieben in Fernost harter Tobak ist. Die Figuren aus der Klischeekiste werden in einem eigentlich vollkommen unnötigen Minispiel zu Sexobjekten einer S&M-Fantasie degradiert - auch wenn sich Criminal Girls Mühe gibt, die misogynischen Ansätze zu karikieren. Das Konzept geht aber in dieser Form einfach nicht auf. Was insofern bedauerlich ist, da das Kampfsystem nach anfänglicher Gewöhnung tatsächlich für Spannung und Überraschung sorgt. Leider werden aber alle mechanisch interessanten Elemente sowie das interessante Artdesign von dem primitiven Frauenbild überschattet, das Criminal Girls zeichnet.

Pro

interessantes Kampfsystem
viele erlernbare Fähigkeiten ...
interessante Party-Dialoge
gelungenes Artdesign

Kontra

kaum Höhepunkte in den Kämpfen
... die jedoch alle mit unpassenden Minispielen zusammenhängen
zufällige Kampfkommando-Wahl lässt Taktik zweitrangig werden
misogynische Ansätze sind unnötig

Wertung

PS_Vita

Das ungewöhnliche Kampfsystem sowie das interessante Artdesign werden von dem primitiven Frauenbild überschattet, das Criminal Girls vermittelt.

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