Drachenzähmen leicht gemacht 217.07.2014, Mathias Oertel
Drachenzähmen leicht gemacht 2

Im Test: Taffnuss, Raffnuss und die Ehre!

Die letzten guten Spiele zu Filmen liegen bereits weit in der Vergangenheit. Stattdessen hatte man in den letzten Jahren immer wieder das Gefühl, dass die wenigen Titel mit minimalem Entwicklungsaufwand den maximalen Ertrag einbringen sollten. Kann Drachenzähmen leicht gemacht 2 (ab 12,95€ bei kaufen) die Ehre der Filmumsetzungen wieder herstellen?

Vergesst den Film

Es steht zwar der gleiche Titel auf der Spielepackung wie auf dem Filmposter. Doch während der Film fünf Jahre nach den Geschehnissen aus Teil 1 spielt, ist man in Drachenzähmen leicht gemacht 2 irgendwann vor der Handlung im Luftraum über Berk unterwegs, dem aus dem Kino bekannten Wikinger-Dorf. Der Vorteil der inhaltlichen Auslagerung liegt auf der Hand: Man muss sich weder an der Filmhandlung entlang hangeln noch irgendwelche Spoiler-Richtlinien beachten. Und man kann sich seine eigene Geschichte stricken. Tja, wenn man dies wenigstens getan hätte. Doch abgesehen von einer kurzen englischen Einführung (es gibt nur deutsche Untertitel) von einer den Originalsprecher passabel nachahmenden Stimme gibt es erzählerisch... Nichts. Nada. Nüscht. Rein gar nix. Nicht den Hauch  von Zusammenhängen. Sind denn Rotzbakke,Taffnuss und Raffnuss keine Story wert?

Natürlich darf man auch mit Ohnezahn durch die Lüfte reiten.
Stattdessen gibt es eine offen befliegbare Inselwelt, deren Ausmaße vor allem in der Vertikalen stattlich sind und in der es zahlreiche sammelbare Geheimnisse sowie Landestationen gibt, auf denen man mit seinem Drachen andocken kann. Hier hat man nun zwei Optionen: Entweder man tauscht Reiter und Fluggetier, wobei die Änderungen kosmetischer Natur sind. Die Viecher fliegen sich alle gleich und haben keinerlei unterschiedliche Attribute. Oder aber man startet die Herausforderung, die mit dem jeweiligen Landepunkt assoziiert wird.

Fängt ordentlich an, lässt dann stark nach

In der ersten halben Stunde konnte ich mich sogar noch für die nur selten herausfordernden Mini-Spiele begeistern. Man kann versuchen, gegen die Zeit durch so viele ringförmige Markierungen (in Orange) zu fliegen wie möglich. Man kann versuchen, durch eine Reihe ringförmiger Markierungen (in Grün) zu fliegen,  bevor die Zeit abläuft, wobei jeder durchquerte Kreis nicht nur Geschwindigkeit, sondern auch Zeitzuwachs mit sich bringt. Man darf Schafe aufsammeln und diese ihrer Farbe entsprechend in einem Kreis

Inhaltlich setzt man auf eine viel zu geringe Anzahl von Minispielen.
abwerfen - bzw. darüber fliegen, die Laufwolle wird automatisch fallen gelassen. Und man darf mit einem viel zu lange aufladenden Drachenatem versuchen, die Papp-Wikinger umzuschießen, während man die Bier saufenden Walküren möglichst nicht treffen darf. Immerhin: Auf Wii U darf man den Berührungsschirm wie bei einem Gratis-Handyspiel nutzen, um direkt das Ziel anzutippen. Hat man all diese Aufgaben hinter sich gebracht, öffnet sich ein Turnier. Hier muss man eine Reihe kompetitiver Missionen gegen vier andere von der KI gesteuerte Drachenreiter erledigen. Dahinter verbergen sich größtenteils Rennen (durch orangefarbene Kreise), die mit Power-Ups aufgewertet werden, aber nur in den allerersten Momenten an Spiele wie Mario Kart 8 oder Sonic & All-Stars Racing Transformed erinnern. Gelegentlich darf man noch im Wettbewerb durch die Gegend fliegen und Ziele erledigen, bis eine bestimmte Punktzahl erreicht ist oder einen Rennparcours abgrasen und dabei Schafe einsammeln.

Nach dem Turnier geht es wieder in die freie Welterforschung bzw. dem Erledigen der beschriebenen Standardmissionen (Schafe, grüne Kreise, Wikinger abfackeln, orange Kreise), danach wieder in ein Turnier. Undsoweiterundsofort. Und nein: Es kommen keine neuen Minispiele mehr hinzu. Man hat in den ersten 20 bis 30 Minuten wirklich alles an unterschiedlichen Inhalten gesehen. Ernsthaft? Der Zeitdruck war für das Entwicklungsteam so groß, dass sie nicht einmal zusätzliche Minispiele einbauen konnten?

Sauber und unspektakulär

Das ist umso bedauerlicher, da die Technik durchaus dazu beitragen könnte, zumindest mittelfristig Motivation aufzubauen. Das Geschehen läuft auf den getesteten PS3- sowie Wii-U-Versionen stets flüssig, die Sichtweite ist dabei anständig. Im Detail könnten manchen Texturen zwar aus der vorletzten (also der PS2-/GameCube-) Generation stammen und auf beiden Systemen neigen die Bäume oder Langschiffe im Hintergrund entweder dazu, an den Rändern zu flackern oder unvermutet spät ins Bild zu ploppen. Doch wenn man sich vom obersten Gipfel über Berk in die Tiefe stürzt, ist die Geschwindigkeit gelungen und sorgt für ein flaues Gefühl in der Magengrube.

Die offene Inselwelt ist frei erforschbar.
Die Steuerung geht auch in Ordnung, wobei ich bei beiden Systemen enttäuscht bin, dass es für den Spieler am Pad keine Option der Bewegungssteuerung gibt, die bei der Fliegerei sicherlich positive Immersions-Ergebnisse mit sich bringen würde. Auf Wii U kann sich ein zweiter Spieler per Remote wenigstens davon überzeugen, dass es Sinn ergeben hätte, diese Mechanik auch für den Protagonisten zur Verfügung zu stellen. Doch egal ob per Stick oder per Remote-Neigung spielt die Kamera einem gelegentlich einen Streich. In einigen Momenten, nämlich immer dann, wenn man sich zu eng an Felswände schmiegt, z.B. um das letzte Stück Geschwindigkeit aus einem Sinkflug herauszuholen, weiß sie nicht, wo sie sich positionieren soll. Das Ergebnis: Sie dreht sich vom Drachen weg, zeigt in den Himmel oder sonstwohin. Und dass man aus diesen Momenten nur selten unbeschadet entkommen kann und in einem Rennen z.B. vollkommen ohne eigenes Verschulden wertvolle Plätze einbüßt, ist ärgerlich.

Fazit

Nach den ersten 20 Minuten dachte ich noch "Gar nicht so schlecht". Die Steuerung geht größtenteils in Ordnung. Die frei erkundbare Inselwelt sieht nicht spektakulär aus, leistet sich aber auch keine groben Schnitzer. Und die Minispiele, die statt einer Geschichte die Motivation aufbauen sollen, um durch den Luftraum über Berk zu hetzen, sind bis auf eine Ausnahme auch okay. Doch wenn man in den zweiten, dritten oder vierten 20 Minuten feststellt, dass man in der Anfangsphase bereits alles gesehen hat, geht die Motivation in den Sinkflug und erholt sich auch dann nicht, wenn man mit einem zweiten Spieler durch den Himmel jagt. Letztlich kaum mehr als ein abgespecktes Pilot Wings mit Drachen, muss man schon ein hart gesottener Fan des Films sein, um an der Umsetzung auch nur mittelfristig Gefallen finden zu können.

Pro

ordentliche Steuerung der Drachen...
offene Inselwelt mit zahlreichen Geheimnissen
ordentliche Musikuntermalung
saubere Kulisse ohne Bildratenproblme...

Kontra

... die allerdings in manchen Situationen von der Kamera torpediert wird
Drachen/Reitergespanne fliegen sich alle gleich
viel zu wenige Minispiele bzw. Disziplinen vorhanden
... aber auch ohne Esprit
keine Story
wenig Abwechslung

Wertung

Wii_U

Die offene Welt macht Lust auf mehr, doch man hat nach etwa 20 bis 30 Minuten alle Inhalte gesehen.

PlayStation3

Die offene Welt macht Lust auf mehr, doch man hat nach etwa 20 bis 30 Minuten alle Inhalte gesehen.

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