Resident Evil: Revelations 226.02.2015, Michael Krosta

Im Test: Mehr Horror, weniger Action?

Nach dem bescheidenen Auftritt von Resident Evil 6 hat Capcom viel Wiedergutmachung zu leisten. Hat Revelations 2 das Zeug dazu, den alten Survival-Horror neu zu beleben und die zuletzt abgeschreckten Fans zurückzugewinnen? Oder wird der Gruselfaktor wieder mit zu viel Action und Koop-Elementen über den Haufen geschossen? Wir haben uns durch die erste von fünf Episoden gekämpft und auch den Raubzugmodus unter die Lupe genommen...

Ein Déjà-vu

Ich könnte es mir jetzt sehr einfach machen. Denn die erste Episode mit ihrer durchaus stattlichen Kampagnen-Spielzeit von knapp drei Stunden umfasst eigentlich genau das, was ich bereits in meinen Eindrücken in der ersten und zweiten Vorschau festgehalten habe. Selbst bewegte Bilder vom Überlebenskampf auf der mysteriösen Insel haben wir schon in der Video-Vorschau aufgegriffen.

Deshalb an dieser Stelle nur die Kurzfassung: Während Serien-Veteranin Claire Redfield nach Code: Veronica schon wieder entführt und dieses Mal zusammen mit dem aufmüpfigen Neuzugang Moira Burton auf eine abgelegene Insel verschleppt wird, feiert in der zweiten Hälfte der besorgte Papa und S.T.A.R.S.-Ikone Barry Burton ein Comeback, um zusammen mit der kleinen Natalia nach der vermissten Tochter zu suchen.

Während sich das erste Duo auf der Suche nach einem Ausgang eher wie in alten Tagen mit knapper Munition sowie wenigen Waffen durch die dunklen und leider nur mäßig texturierten Gänge schlägt, hat Barry schon bei seiner Ankunft neben der Standardpistole eine fette Magnum und ein Sturmgewehr im Gepäck, mit denen er ordentlich austeilt. Im Gegenzug bekommen er und seine junge Begleiterin es dafür mit deutlich härteren Gegnern abseits der

Mit Schleichangriffen kann Barry seine Gegner ebenfalls überwältigen.
gewöhnlichen Standard-Infizierten zu tun, bei denen man die Schwachstelle erst identifizieren und anschließend unter Beschuss nehmen muss.

Der sechste Sinn

Hier kommen die übernatürlichen Fähigkeiten von Barrys kleiner Begleiterin sehr gelegen, denn sie spürt nicht nur die Präsenz von Feinden durch Wände hindurch, wenn sie sich in der Hocke bewegt. Nein, sie kann auch die besagten Schwachstellen erkennen, die nach dem Draufzeigen farblich hervorgehoben werden. Nicht übernatürlich, aber dadurch nicht weniger praktisch: Dank ihrer geringen Körpergröße kann Natalia auch durch kleine Öffnungen hindurch krabbeln, während sich ihre kleinen Hände super zum Knacken von Schlössern eignen. Dabei nutzen die Entwickler ein durchaus interessantes System, bei dem man sich durch ein Zusammenspiel von Controller-Vibrationen und Konzentrations-Mechanik langsam an die Zielzonen heran tastet.

Darüber hinaus teilt sich Natalia eine Fähigkeit mit Moira: Blinkt etwas in der Umgebung, können sie den dahinter verborgenen Gegenstand wie Munition oder Heilkräuter offenlegen, damit er eingesammelt werden kann. Daneben verbindet die beiden Begleiterinnen eine weitere Gemeinsamkeit, da beide auf den Einsatz von Schusswaffen verzichten. Trotzdem treten beide den fiesen Mutationen und Krabbelviehchern nicht wehrlos gegenüber: Während Natalia mit einem gezielten Steinwurf die Angreifer für einen Moment stoppen kann, blendet Moira sie mit der Taschenlampe oder hält sich die aufdringlichen Biester mit einem Brecheisen vom Leib, das sich auch beim Öffnen mancher Kisten und Türen als nützlich erweist.

Koop und Nicht-Koop

Die kleine Natalia kann die Präsenz von Gegners spüren.
Man kann über die Koop-Elemente geteilter Meinung sein, die erstmals bei Resident Evil Zero innerhalb der Solo-Kampagne ausprobiert wurden und sich seit Resident Evil 5 als Mehrspieler-Option durch die Serie ziehen. Was mir hier gefällt: Im Gegensatz zu den letzten Vertretern spielen sich die Figuren hier angenehm unterschiedlich. Es wird schnell klar, dass Moira und Natalia mit dem Wegfall von Waffen eher die Rolle des Unterstützers zukommt. Es mag spielerisch nicht so interessant sein, vornehmlich mit der Taschenlampe zu leuchten, mit dem Finger zu zeigen oder als Nachthemd-Späher die Lage auszukundschaften, aber ich empfinde diese klare Rollenverteilung als Fortschritt gegenüber den letzten Koop-Einsätzen innerhalb der Serie. Denn es fördert noch stärker die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den beiden Spielern, die aktuell nur lokal am geteilten Bildschirm losziehen dürfen. Und das nur auf den Konsolen, denn für die PC-Umsetzung hat Capcom still und heimlich erst kurz vor der Veröffentlichung verkündet, dass genau diese Option fehlt.

Was hat es mit den Armbändern auf sich?
Geht's noch?! Für mich ist der Koop-Modus die einzige Existenzberechtigung für den ständigen Begleiter! Und nur deshalb nehme ich zähneknirschend in Kauf, dass mir auch im Solospiel immerzu dieser Atmosphäre-Killer in Menschengestalt hinterher dackelt und mich zum Wechsel zwischen den beiden Figuren zwingt. Als jemand, der gerade im Zusammenhang mit Resident Evil ein packendes Solo-Erlebnis immer noch jedem Koop-Gedöns vorzieht, finde ich es mehr als bedauerlich, dass man bei Capcom offenbar immer noch nicht dazu bereit ist, sich von einigen (Fehl-)Entwicklungen der letzten Jahre zu verabschieden. Ja, Revelations 2 tendiert vor allem mit Claire und Moira wieder stärker zum atmosphärisch starken Resident Evil 4 und schafft mit der gelungenen Balance aus Erkundung und Action einen angenehmen Spielfluss, den Veteranen wie ich aber immer noch als etwas zu forsch empfinden dürften. Zudem kommen Horror und Panik zu kurz: Zwar blitzen in manchen Momenten Spannung und Atmosphäre auf, doch genau wie bei The Evil Within will sich ein echtes Bedrohungs- oder Angstgefühl trotz der beklemmenden Klangkulisse mit verzweifelten Schreien, bedrohlichem Stöhnen und lautem Poltern nicht so recht einstellen. Selbst Schockmomente muss man mit der Lupe suchen.

Die Atmosphäre-Killer

Für diesen Mangel an Gänsehaut gibt es gleich mehrere Gründe: Zum einen schafft es die technisch veraltete Kulisse nicht, dem prinzipiell geeigneten Schauplatz den gewissen Horror-Touch zu verleihen. Das liegt weniger an den überwiegend groben Texturtapeten und der mangelnden Abwechslung innerhalb des Gefängnis-Komplexes, dem später zum Glück wesentlich ansehnlichere und atmosphärisch stärkere Außenareale folgen. Und auch über die etwas hölzernen Animationen und groben Übergänge könnte man noch hinwegsehen. Gleiches gilt für die vereinzelten KI-Aussetzer bei der Wegfindung oder der fehlerhaften Kollisionsabfrage. Doch vor allem bei der Beleuchtung verschenken die Entwickler zu viel Potenzial – gefühlt hatte selbst das alte Code Veronica mit seinem vergleichbaren Schauplatz in dieser Hinsicht mehr zu bieten. Es gibt zwar z.B.  kurze Passagen mit einer flackernden Lampe, aber ein verstärktes Spiel mit Licht und Schatten sowie eine stärkere Einbindung visueller Effekte hätten hier wahre Wunder gewirkt. Ziehe ich als Vergleich das kürzlich veröffentlichte Remaster von Resident Evil heran, wirkt Revelations 2 dagegen fast schon platt und billig.   

Schockmomente gibt es eher selten.
Das gilt auch für die deutsche Lokalisierung: Abgesehen von Rechtschreibfehlern, die sich schon beim Ladebildschirm ins Auge brennen, kann auch die Performance der deutschen Sprecher nur selten überzeugen, was teilweise der Übersetzung („Hallo, Frau Redfield“) geschuldet sein dürfte. Auf der anderen Seite variiert aber z.B. auch die Aussprache des Namens „Moira“ je nach Sprecher zwischen der englischen und einer „deutscheren“ Version. Zum Glück lässt sich die Sprachausgabe direkt im Spiel umstellen und obwohl Claire mittlerweile eine neue Synchronstimme hat, an die ich mich erst gewöhnen musste, ist die englische Variante der deutschen auf jeden Fall vorzuziehen.

Unabhängig von der Sprachwahl erweisen sich aber auch manche Dialoge als Atmosphäre-Killer, mit denen die Szenen fast schon ins Lächerliche abdriften. Ein Beispiel: Nachdem ein LAUTER Frauenschrei samt Grunzen des Verfolgers durch die Boxen dröhnte, meint Claire „Hast du das gehört?“. Liebe Leute, selbst ein Tauber hätte diesen Schrei vermutlich gehört! Aber anstatt einfach nur ängstlich zu nicken fragt Moira allen Ernstes „Ist noch jemand hier drin?“. Nein, liebe Moira, wie kommst du denn darauf? Das ist stellenweise eine Dialog-Regie zum Davonlaufen. Und auch beim Einstieg der Barry-Kampagne sollte man nicht allzu lange darüber nachdenken, wie und warum die Partnerschaft mit der kleinen Natalia überhaupt zustande gekommen ist. Da trifft also ein S.T.A.R.S.-Veteran auf ein kleines fremdes Mädchen im Nachthemd auf einer Insel, auf der an jeder Ecke der Tod lauern kann. Doch anstatt sie an einem sicheren Ort zu verstecken, wie z.B. auf dem Boot, mit dem er gerade ankam, schleppt er sie lieber mit von einer gefährlichen Situation zur nächsten. Und wieder ein Grund mehr, für die Abschaffung des überflüssigen Sidekicks zu votieren – vor allem, wenn die Zusammenarbeit so hanebüchen begründet wird und eigentlich gar keinen Sinn ergibt!

Mehr Fragen als Antworten    

Anstatt Natalia an einem sicheren Ort zu verstecken, nimmt Barry sie lieber mit auf die gefährliche Suche nach seiner Tochter.
Doch sieht man über diese Umstände hinweg, erkennt man zumindest Potenzial für die Geschichte, die in der ersten Episode aber noch mehr Fragen als Antworten aufwirft: Was hat es mit den übersinnlichen Fähigkeiten der kleinen Natalia auf sich? Wer verbirgt sich hinter der ominösen Aufseherin der Insel, die jeden Winkel des Komplexes mit Kameras beobachtet? Welchem Zweck dienen die Armbänder an den Handgelenken von Claire und Moira, die ihre Angstzustände erfassen sollen? Was wurde den beiden bei ihrer Entführung gespritzt? Und was wurden auf der Insel mit ihrem gewissen Lost-Flair für Experimente durchgeführt?

Auch die gut gesetzten Cliffhanger tragen dazu bei, dass ich nach den ersten knapp drei Stunden wissen will, wie es weitergeht. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch für das Episoden-Konzept aussprechen, das in dieser Form auch schon im ersten Revelations hervorragend funktioniert hätte, das inhaltlich leider keinen Bezug zum zweiten Teil aufweist. Klar würde ich auch Revelations 2 lieber in einem Stück genießen, wie es nach dem Erscheinen der letzten Episode am 18. März der Fall sein wird. Doch im Gegensatz zu den Episodenspielen von Telltale mit ihrer Fahrt ins Ungewisse hat Capcom zumindest einen festen Releaseplan – genau wie Square-Enix bei Life Is Strange. So lasse ich mir episodische Spiele gefallen! Und auch die Spielzeit empfinde ich für den Auftakt als durchaus angemessen und es darf gerne so weitergehen.

Arcadespaß bei Raubzügen

Weniger glücklich bin ich über das Perk-System, das man der Kampagne übergestülpt hat. Dass man im Spiel Waffenteile findet, mit denen man an Werkbänken die Wummen mit Verbesserungen wie höherer Magazinkapazität, schnellerem Nachladen und mehr Durchschlagkraft pimpen kann, ist völlig okay. Aber das Sammeln von Edelsteinen, die später zum Freischalten von Fertigkeiten wie einer besseren Begleiter-KI, erhöhten Heilungsfähigkeiten oder erweiterten Angriffs-Mechaniken investiert werden, halte ich für völlig deplatziert. Warum? Weil sie der Kampagne zusammen mit versteckten Medaillen & Co für meinen Geschmack einen zu starken Arcade-Touch verpassen.

Denn dafür ist eigentlich der Raubzugmodus da, der schon im Vorgänger für spaßige Runden gesorgt hat und hier noch weiter ausgebaut wurde. So säubert man entweder alleine oder als Zweier-Team im Koop die Level, stellt sich immer neuen Gegnerwellen und sammelt Zugangsschlüssel für neue Bereiche sowie Waffen-Platten für die Jukebox,

Der Raid-Modus ist noch stärker auf Action getrimmt.
mit denen man sein Arsenal erweitern kann. Cool: In den Abschnitten trifft man neben Standard-Infizierten nicht nur auf fette Zwischenbosse, sondern z.B. auch Feinde, die von einem Schutzschild umgeben sind oder bei ihrem Ableben explodieren und so andere Fieslinge mit in den Tod reißen – oder aber den Spieler.

Zwischendurch macht der Modus vor allem mit einem weiteren Mitspieler immer wieder Spaß. Doch eine Sache stößt mir sauer auf: Neben der Tatsache, dass die Koop-Option auch in diesem Modus am PC fehlt, reicht der Munitionsvorrat oft nicht aus, um ein Level erfolgreich im ersten Durchlauf abzuschließen. Und das ist besonders deshalb ärgerlich, weil sich Capcom nach dem Verbrauch aller Leben weitere „Wiederbelebungen“ in Form von Mikrotransaktionen bezahlen lässt. So kommt beim Raubzug im Ansatz eine Spielhallen-Mentalität durch, die ich hier genauso wenig sehen will wie in jedem anderen Spiel abseits der Free-to-play-Pfade.

Fazit

Die erste Episode von Resident Evil: Revelations 2 hinterlässt bei mir gemischte Gefühle: Auf der einen Seite bin ich froh, dass man sich nach dem grausigen Resident Evil 6 hier wieder stärker auf die alten Tugenden besinnt und größeren Wert auf Atmosphäre und Erkundung legt. Rätsel kommen mir allerdings zu kurz. Neben der angestaubten Präsentation mit groben Texturen, einer schwachen Beleuchtung und mitunter grenzwertig geschriebenen sowie mager lokalisierten Dialogen steht aber vor allem der Koop-Aspekt der endgültigen Rückkehr zu den Wurzeln im Weg. Klar: Zu zweit macht diese Kampagne mehr Spaß als alleine, denn das ständige Umschalten zwischen den Figuren beim Solospiel ging mir schon nach kurzer Zeit auf die Nerven. Deshalb ist es auch eine Schande, dass PC-Spieler nach der Streichung des Koop-Modus gar keine andere Wahl haben, als sich alleine dem Survival-Horror zu stellen, der leider noch den Angstschweiß und das Herzklopfen von damals vermissen lässt. Der an sich spaßige Raid-Modus muss durch diese unsinnige Entscheidung am PC ebenfalls deutlich Federn lassen. Die größte Stärke von Revelations 2 liegt derzeit im angenehmen Spielfluss zwischen Erkundung und Action sowie der Story, die mich trotz manch holpriger Momente neugierig gemacht hat und Cliffhanger clever platziert. Für die weiteren Episoden wünsche ich mir trotzdem mehr Horror, Gruselatmosphäre, Rätsel und Schockmomente...

Pro

mitunter stimmungsvolle Momente
überzeugende Klangkulisse
gute Balance zwischen Action und Erkundung
Wiedersehen mit bekannten Charakteren
gut gesetzte Cliffhanger
spaßiger Raubzug-Modus (vor allem im Koop)
Story macht neugierig...
spielerischer Unterschied zwischen Haupt- und Nebenfigur
Waffen-Upgrades
ordentlicher Episodenumfang
Koop am geteilten Bildschirm (Konsolen)

Kontra

durchwachsene deutsche Lokalisierung (Übersetzung, Sprecher)
Wechsel zwischen Figuren nervt und raubt Grusel-Atmosphäre
kein Koop-Modus (PC)
mitunter schlimme Dialoge und abstruse Situationen
eintönige, langweilig gestaltete Innenräume
Fertigkeiten
und Währungssystem wirkt deplatziert
...hat bisher aber noch nicht viel zu bieten
kaum Rätsel
detailarme Texturen
schwache Beleuchtung
ätzende Mikrotransaktionen (Raid-Modus)

Wertung

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