The Walking Dead 2 - Episode 5: No Going Back09.09.2014, Benjamin Schmädig
The Walking Dead 2 - Episode 5: No Going Back

Im Test: Kein Weg zurück

Ich hatte nie ein Problem damit, dass die junge Clementine stärker im Mittelpunkt des Geschehens steht als es die Vernunft gebietet. Denn es war richtig ihre Geschichte zu erzählen, nachdem sie der emotionale Anker in diesem The Walking Dead wurde. In einer Welt, in der jeder Tag ein Test des Lebenswillens ist. Die mal zärtlich und mal so grausam ist, dass ein Teenager fluchen, schießen und töten muss. Davon erzählt die zweite Staffel, davon erzählt ganz besonders die vorerst letzte Episode: von den Bestien, die Clementine in dieser Welt bedrohen.

Woher kamen wir?

"No Going Back", so der Titel – kein Weg zurück. Clementine hat ihre letzte Wahl getroffen. Und nachdem ich mich so entschieden habe, schleppt sich mein Herz mühsam die Straße entlang. In den bewegenden letzten zwei Stunden habe ich lange Abschied nehmen können von Bonnie, Luke und den anderen. Schweren Herzens habe ich miterlebt, wie sich ein Konflikt zuspitzt, den ich nicht verhindern konnte. Ich konnte mich darauf einstellen, darauf vorbereitet war ich nicht. Wie konnte es so weit kommen?

Für die Antwort gilt dasselbe wie für diesen Bericht: Wer Einzelheiten der Geschichte nicht erfahren möchte, sollte ihn nicht lesen.

Das zweite Kapitel

Bis es so weit kommen konnte, hat sich Telltale schwer getan mit der zweiten Staffel. Vielleicht war die Erwartungshaltung zu groß, vielleicht wollten die Geschichtenerzähler auch zu viel. Auf jeden Fall haben sie sich übernommen, als sie im knappen Stakkato mehrere große Geschichten in fünf kleine Episoden packten. Das Ergebnis war ein holpriger Ritt, der unnötig schnell übermäßig viele Figuren einführte und viele von ihnen schnell wieder vergessen ließ. An Nick, Walter oder Reggie hatte ich bis gerade eben kaum noch einen Gedanken verschwendet.

Die Autoren Nick Breckon und Andrew Grant stolperten über Klischees des apokalyptischen Überlebenskampfes, anstatt sich in Ruhe ihren Figuren zu widmen. Die zugespitzte Gewalt wirkte über weite Strecken so vertraut, dass sie zum Selbstzweck verkam. Brenzlige Situationen schienen nur der Vollständigkeit halber vorhanden. Vielen Momenten fehlte der Biss – diese unbarmherzige Hoffnungslosigkeit, die in Staffel eins den Ton angab.

Viele Gefahrensituationen der zweiten Staffel wirkten zum Selbstzweck konstruiert.
Telltale verließ sich zu sehr auf eine routinierte Inszenierung, anstatt in einzigartigen und persönlichen Augenblicken Spannung zu erzeugen. Das Nähen von Clementines Wunde in Folge eins der zweiten Staffel oder die knisternde Spannung auf dem zugefrorenen See in der letzten Episode waren Ausnahmen.

Die Konkurrenz rückt nach

Es ist auch die Inszenierung an sich: The Walking Dead wirkt altbacken. Es geht nicht um Polygone und Texturen. Es geht um Animationen, Kameraarbeit, Regie. Oft bewegen sich die Figuren hölzern oder wechseln unvermittelt von einem beruhigenden Lächeln zu schmalen angespannten Lippen. Die Lautstärke ändert sich zwischen zwei Sätzen derselben Person und die Musik übertönt schon mal die Unterhaltung. Es geht nicht um Technik. Es geht um aufmerksame Feinarbeit mit den Figuren.

Und es geht um die spielerische Inszenierung, denn Telltale verzichtet in der zweiten Staffel komplett auf Rätsel. Nur wenige kurze Szenen, in denen Clementine ihre Umgebung frei erkunden kann, erinnern noch an ein klassisches Adventure – ein richtiger Schritt. Doch jetzt fehlen Momente, in den man sich nach Belieben mit Begleitern unterhalten, sie kennenlernen kann. Ich vermisse das ruhige Entdecken eines Schauplatzes, um ein Gefühl für die Umgebung zu entwickeln. Mir fehlt das Kennenlernen von "Land und Leuten", das mich zu einem Teil der interaktiven Welt macht.

Telltale muss sich vorsehen: Zwar stellten die Entwickler von Dontnod bislang nur eine Szene aus ihrem Life is Strange vor. Das Spiel, dem The Walking Dead als Inspirationsquelle diente, wirkte dabei allerdings schon spielerisch umfangreicher und auch dramaturgisch ebenbürtig.

Zerbrechliche Brücken

Das ist viel Kritik – hinterließ die zweite Staffel einen schlechten Eindruck? Mitnichten. Das Gegenteil ist der Fall. Denn so ärgerlich es ist, dass sich Breckon und Grant auf die bewährte Formel ihrer Vorgänger verlassen (Staffel eins entstammt den Federn von Garry Whitta, Sean Vanaman und Mark Darin), so sind die bekannten Versatzstücke noch immer hervorragende Stilmittel. Gut geschriebene Dialoge kommen ohne Plattitüden aus, die Figuren sind immer glaubwürdig. Ihre Motive sind nicht sofort durchschaubar, aber immer nachvollziehbar. Kleine Gesten schlagen emotionale Brücken und weil selbst zentrale Charaktere jederzeit sterben können, wohnt dem Spiel eine aufwühlende Unruhe inne: The Walking Dead spielt trotz Schwächen immer auf einem hohen Niveau.

Und es gibt Höhepunkte, die auch diesmal in Erinnerung bleiben: die Geiselnahme in der Berghütte etwa oder die knisternden zwischenmenschlichen Konflikte der dritten Episode. Am stärksten ist die Serie immer dann,

Emotional zieht Telltale in "No Going Back" noch einmal alle Register.
wenn erhitzte Gemüter aufeinander prallen. Sobald es um Leben und Tod geht umso mehr. Und das gelingt Telltale auch in der zweiten Staffel über weite Strecken richtig gut, stellenweise gar hervorragend.

Wohin führt der Weg?

Tatsächlich ist es gerade die letzte Folge, die mich mit Staffel zwei versöhnt hat. Denn hier zieht Telltale alle Register. Den brillanten Showdown und feinsinnigen Widersacher von vor zwei Jahren übertrifft das Studio zwar nicht. Dafür dreht sich "No Going Back" ausschließlich um die Figuren: Schnörkellos ziehen Breckon und Grant die Fäden zusammen, die sie so bemüht ausgelegt haben und wie selbstverständlich fügen sich die Puzzleteile zu einem bewegenden Finale.

Wenn sich Kenny am Lagerfeuer zum ersten Mal öffnet und vom Verlust seines Jungen spricht, wenn Clementine im einem Traum in der Zeit zurück reist und wenn der Kampf gegen die Untoten auf einem zugefrorenen See etwas anders als in den zehn vorangegangenen Episoden, mitreißend persönlich inszeniert wird, dann findet The Walking Dead auf einmal zu alter Stärke. "No Going Back" ist ein starker, logischer, warmherziger Abschied.

Und dann inszeniert Telltale ein Finale, das vielleicht die Frage nach der Bestie beantwortet. Und nach dem ich nicht mehr verzeihen konnte.

Fazit

Die erste Staffel The Walking Dead gehört zum Besten, das ich je gespielt habe – so stark ist die zweite Staffel nicht. Zu sehr verlassen sich die Autoren auf Bewährtes, zu routiniert zitieren sie die Klischees des Zombiealbtraums. The Walking Dead hätte sich entwickeln müssen, um spielerisch und erzählerisch an die ersten fünf Episoden anzuschließen – ich vermisse mehr Sorgfalt im Detail der Regie sowie ein umfassenderes spielerisches Eingreifen, damit ich mich stärker als Teilnehmer des Dramas fühle. Und dennoch: Wie in keinem anderen Spiel nehme ich hier an Gesprächen teil, in die ich mich auf meine ganz eigene Weise einbringe, in denen ich die Reaktionen auf mein Tun auf den Gesichtern meiner Begleiter ablese. Durch die Augen von Clementine habe ich Freundschaften geschlossen und alles daran gesetzt, sie in einem zerbrechlichen Gerüst verletzlicher Gefühle am Leben zu erhalten. Die Stärken der Serie liegen nach wie vor in der knisternden Inszenierung zwischenmenschlicher Konflikte. Nein, die zweite Staffel gehört nicht mehr zum Besten, das ich je gespielt habe. Zumindest in ihren letzten Minuten ist sie aber wieder nah dran.

Pro

spannendes, emotionales Finale
sinnvolles Zusammenführen aller Handlungsstränge
glaubwürdige Charaktere
gut geschriebene Unterhaltungen
viele und abwechslungsreiche Gesprächsmöglichkeiten

Kontra

oberflächliches spielerisches Eingreifen
kleine technische Ungenauigkeiten bei Animationen und Klang

Wertung

360

Sehr guter Abschluss einer schwächeren zweiten Staffel. Dialoge und menschliche Konflikte sind nach wie vor die große Stärke der Serie.

PS_Vita

Sehr guter Abschluss einer schwächeren zweiten Staffel. Dialoge und menschliche Konflikte sind nach wie vor die große Stärke der Serie.

iPad

Sehr guter Abschluss einer schwächeren zweiten Staffel. Dialoge und menschliche Konflikte sind nach wie vor die große Stärke der Serie.

iPhone

Sehr guter Abschluss einer schwächeren zweiten Staffel. Dialoge und menschliche Konflikte sind nach wie vor die große Stärke der Serie.

PlayStation3

Sehr guter Abschluss einer schwächeren zweiten Staffel. Dialoge und menschliche Konflikte sind nach wie vor die große Stärke der Serie.

PC

Sehr guter Abschluss einer schwächeren zweiten Staffel. Dialoge und menschliche Konflikte sind nach wie vor die große Stärke der Serie.

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