Lego Jurassic World11.06.2015, Mathias Oertel
Lego Jurassic World

Im Test: Bauklotz-Dinos auf neuen Wegen?

Traveller's Tales hat gut zu tun: Lego Dimensions kommt im Oktober, Lego Marvel Avengers soll im Winter folgen und passend zum Kinostart des neuen Dinosaurier-Streifens wird Lego Jurassic World (ab 4,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) veröffentlicht. Lego wohin man schaut - und das schon seit Jahren. Ob unter dieser Bauklotz-Flut die Qualität leidet, klären wir im Test.

Immer nur dasselbe?

Lego Jurassic World (LJW) macht nichts neu. Und das ist gut so. Zum einen, weil sich das Konzept seit Lego Star Wars dem Zahn der Zeit widersetzt hat. Die familienkompatible Unterhaltung, bei der man aus den Plastik-Steinen gebaute Konstrukte zerstört, Noppen einsammelt und im Rahmen von Rätseln neue Bausätze zusammensetzt, hat bis heute nichts von ihrem Reiz verloren. Trotz teilweise vier bis fünf Lego-Spielen, die in manchen Jahren erschienen sind. Und es kamen immer neue Elemente hinzu, die sich auch teilweise hier wiederfinden. Die weitläufige sowie spätestens mit dem „Freien Spiel“ offene Welt z.B., die man auf der Suche nach insgesamt 275 goldenen Lego-Steinen, über 100 spielbaren Figuren, haufenweise freischaltbaren Fahrzeugen  sowie Dinosauriern durchforstet. Dass die Kulisse, die nach wie vor auf eine Mischung aus Lego-Bauten sowie "realistischer" Umgebung setzt, mittlerweile auf PS4 und One so gut aussieht wie noch nie, ist in erster Linie dem technischen Fortschritt bzw. Vorsprung der modernen Konsolen-Systeme zuzuschreiben.

Die Schlüsselszenen der Filme werden so nah am Original wie nie zuvor in Lego-Spielen inszeniert.
Auch der dynamische Splitscreen, der einen zum kooperativen Spiel (vornehmlich mit jüngeren Familienmitgliedern) drängt, ist wieder mit von der Partie, während man nach wie vor vergeblich auf einen Online-Modus hofft. Und man hat die offene Welt wie seinerzeit bei den Lego-Spielen zu Der Herr der Ringe mit Nebenmissionen gefüllt. Dazu gehören Hol- und Bringdienste ebenso wie Rennen. Und wie gehabt gibt es bestimmte Bereiche, die nur mit bestimmten Figuren zugänglich sind, da diese über die entsprechende Fähigkeit verfügen, die nötig ist, um Schalter zu betätigen, Türen zu öffnen, dunkle Gebiete betreten zu können usw. Sprich: Lego Jurassic World wird mit Sicherheit niemanden umstimmen, der mit den fantasievoll zum Leben erweckten Bauklotz-Welten bislang nichts anfangen konnte oder der angesichts der Legospiele-Flut der letzten Jahre irgendwann die Lust verloren hat. Zumal auch die in den letzten Jahren deutlich abgeschwächte Rätsel-Dynamik fortgeführt wird: Meist werden die Puzzles auf die richtige Personenwahl für die entsprechende Lösung reduziert.

Erfrischend rustikal und nah am Original

Der T-Rex ist nicht nur ein Gegner, sondern kann sogar als spielbare Figur freigeschaltet werden.
Trotz der typischen Legospiel-Mankos, die auch das Dino-Abenteuer mit sich herum schleppt, wurde ich von Jurassic World aber so gut unterhalten wie schon lange nicht von einem der Traveller's Tales'schen Bauklotz-Titel. Dabei mögen nostalgische Erinnerungen hinsichtlich der verwendeten Filmlizenz durchaus eine Rolle gespielt haben. Auch wenn ich mit Jurassic Park 3 bis heute nicht wirklich etwas anfangen kann. Doch es ist vielmehr die Art und Weise, wie sich das Spiel an die Filme heran wagt. Der typische Humor z.B. läuft deutlich subtiler ab. Man spürt den Schalk zwar visuell, wenn eine ganz deutlich an Steven Spielberg erkennbare Figur als Kameramann durchs Bild huscht oder die drei Bootsmänner aus "Der weiße Hai" einen Cameo-Auftritt feiern. Doch die Drehbuchautoren halten sich mit Schenkelklopfern angenehm zurück. Klar gibt es auch hier den einen oder anderen Running Gag, der sich sogar über alle vier integrierten Filme zieht. Doch meistens bevorzugt man hinsichtlich des Humors die leisen Töne. Und das steht den 20 Episoden, die einen durch die Schlüsselstellen der Kinostreifen führen, außerordentlich gut.

Denn stattdessen bemüht man sich, Stimmung, Tempo und Dramatik der Filme so akkurat wie möglich mit Lego-Darstellern und -Kulissen aufzubauen. Hinsichtlich der Beurteilung des Ergebnisses kann ich mich nur auf die Umsetzung von Jurassic Park, The Lost World sowie Jurassic Park 3 beziehen - Jurassic World habe ich zum Testzeitpunkt noch nicht gesehen. Doch was den Umgang mit dem restlichen Quellmaterial betrifft, hat Traveller's Tales noch nie einerseits so akribisch und andererseits so respektvoll gearbeitet. Auch bei den Spielen zu Indiana Jones oder Star Wars hat man nicht eine derartige Sorgfalt walten lassen. In vielen Momenten hat man das Gefühl, dass die Original-Sets verwendet, nachgebaut und mit Lego-Schauspielern und Requisiten gefüllt wurden, die Isla Nublar und Isla Sorna zum Plastik-Leben erwecken. Zudem wurden die mitunter hektischen Bauklotz-Zertrümmerungen wie beiläufig in die Filmszenerie integriert.

Filmlizenz oder Lizenzfilm?

Man darf in den Weiten der Parks auf Isla Nublar und Isla Sorna nicht nur vor Gallimimi fliehen, sondern auch die offene Welt erforschen.
Die Kameraeinstellungen sind häufig identisch. Die Schauplätze wurden mit viel Liebe zum Detail nachgebaut und dabei ein nahezu optimales Verhältnis von Legobauten und "echter" Landschaft gefunden. Es gibt nicht nur haufenweise stumme Statisten, sondern viele beiläufige Kommentare von Passanten und Arbeitern, die jedoch in den meisten Fällen gut zum Geschehen passen und die Szenerie mit Leben füllen - wenngleich sie sich auch zu häufig wiederholen. Doch der Geniestreich ist ihnen bei der restlichen akustischen Untermalung gelungen. Die Original-Filmmusik von John Williams verfehlt ihre Wirkung nicht und lädt einen vom ersten Ton ein, den Dino-Park zu besuchen. Und obendrauf gibt es viele drehbuchgetreu rezitierte Dialogausschnitte, für die in der deutschen Version teilweise die damaligen Sprecher genutzt wurden. Manchmal ist das Hörerlebnis so dicht am Film, dass man das Gefühl hat, man habe die Original-Sprachsamples verwendet. Doch egal ob neu eingesprochen oder aus der Konserve: Das Erlebnis ist eine filmreife Akustik, die in der deutschen Version allerdings mitunter unsauber abgemischt wurde, so dass manche Dialoge untergehen und Soundeffekte abgebrochen werden.

Diesem Triceratops muss wie im ersten Film geholfen werden.
In der englischen Version ist nicht nur die Abmischung deutlich sauberer. Auch das Gefühl, das mit Samples direkt aus den Filmen gearbeitet wurde, ist deutlich höher - es lässt sich in vielen Szenen kein Unterschied zwischen Original und Spiel feststellen. Und dadurch wird der Eindruck verstärkt, dass Traveller’s Tales die Lizenz nicht nur nutzt, um eine klassische Bauklotz-Zerstörung (immerhin mit Dinos) zu zelebrieren, sondern vielmehr, um den Film mit Lego-Figuren als Hauptdarstellern nachzuerzählen. Und das ist ihnen hier so sehr gelungen wie nie zuvor. Mit den frühen Lego-Abenteuern zu Star Wars, bei denen noch keine Sprachausgabe verwendet wurde, oder Indiana Jones  war man auf einem ähnlichen Weg. Doch der Spagat, der Filmvorlage hinsichtlich Dramaturgie, Tempo usw. gerecht zu werden, während man ein Bauklotz-Spiel drum herum baut, ist noch nie so gut gelungen wie hier. Und das ist ein Schritt, den ich sehr begrüße und der dafür sorgt, mein Interesse an zukünftigen Lego-Spielen wieder verstärkt zu wecken. Insofern ist es sehr bedauerlich, dass mittlerweile alle wesentlichen in Frage kommenden Lizenzen schon benutzt scheinen. Obwohl: Es gibt eine Filmreihe, zu der es bereits eine Baustein-Serie gibt, die wie Jurassic Park von Universal ist und die auch in Lego Dimensions integriert wurde: Zurück in die Zukunft. Die Abenteuer von Marty McFly und Doc Brown wären mit der neu gefundenen und hier erstmals praktizierten Ausrichtung ein ideales Thema. Also, Traveller's Tales: Wie wäre es damit?

Fazit

In den letzten Jahren kamen mit jedem Lego-Spiel neue Elemente hinzu: große Gebiete, Gegenstandsherstellung, Nebenaufgaben etc. Einiges davon, wie die offen erforschbare Welt, die sich hier über die beiden Dino-Inseln Isla Nublar und Isla Sorna erstreckt, findet man auch in Lego Jurassic World. Doch der Rest wurde angenehm auf die Kernelemente reduziert: Die Zerstörung von Bauklotz-Gegenständen, das Sammeln von Noppen und das leider immer noch nicht freie Bauen neuer Elemente, die meist in Rätsel eingebunden sind. Dass diese Rätsel unter dem Strich schwach bleiben, ist bedauerlich. Doch im Gegenzug hat Traveller's Tales es wie noch nie geschafft, die Atmosphäre der Filmgrundlage einzufangen - auch bei den Ablegern zu Indiana Jones oder Star Wars ist es ihnen niemals so gelungen wie hier. Untermalt von der Original-Musik wurden sogar Teile der echten Filmdialoge unter die Lego-Akteure geschnitten, um erfolgreich Atmosphäre zu genieren. Die Umgebungen wurden ebenfalls sehr nah an die echten Schauplätze angelehnt. Zudem lassen sich die insgesamt 20 Abschnitte wie die Zelluloid-Werke immer wieder Zeit, um die schicken Landschaften und die Dinosaurier zu genießen, die  man sogar bis hin zum T-Rex als steuerbare Figuren freischalten kann. In dieser Form kann Traveller’s Tales gerne weitere Lizenzen umsetzen. Wie wäre es z.B. auch abseits von Lego Dimensions mit Zurück in die Zukunft?

Pro

zahlreiche Dinos spielbare
über 100 spielbare Figuren
Originalsprecher (Englisch, Jurassic World)
teilweise mit Sprachsamples bzw. Original-Dialogen aus den Filmen (JP 1 bis 3)
dynamischer Splitscreen
Isla Nublar und Isla Sorna als Spielplatz zur freien Erforschung
so sorgsam wie noch nie mit Lego-Darstellern nachgestellte Filmsequenzen
Bauklotz-Zerstörung sehr gut in die Filmhandlung eingebunden
Original-Soundtrack sorgt für Atmosphäre
angenehme Reduktion auf die Kernelemente
gute Steuerung

Kontra

Lego bleibt Lego bleibt Lego
egal, welche Lizenz aufgestülpt wird
kein Online-Modus
bis auf wenige Ausnahmen schwache Rätsel
gelegentlich Probleme mit der Soundabmischung (deutsche Version)

Wertung

PlayStation4

Spielerisch ein angenehmer Schritt zurück auf das Wesentliche, liegt der Fokus auf der filmnahen Inszenierung, die so gut wie noch nie gelungen ist.

XboxOne

Spielerisch ein angenehmer Schritt zurück auf das Wesentliche, liegt der Fokus auf der filmnahen Inszenierung, die so gut wie noch nie gelungen ist.

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