Forza Zweiradsport
Erinnert sich noch jemand an Tourist Trophy? Richtig: Das war das PS2-exklusive Motorrad-Rennspiel von Polyphony Digital, bei dem die Macher von Gran Turismo das Konzept ihres Real Driving Simulators einfach von Vier- auf Zweiräder übertragen haben, wenn auch in sehr abgespeckter Form. Einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgt Milestone bei Ride, denn auch hier startet man zunächst auf den handelsüblichen Straßen-Bikes und füllt sich die eigene Garage erst Schritt für Schritt, bis man sich nach vielen Siegen innerhalb der umfangreichen Karriere schließlich auch die teuren Rennmaschinen leisten kann.
Dabei prescht man in der überschaubaren Auswahl nicht nur über lizenzierte Kurse wie etwa Imola, Donington oder die Road America, sondern dreht auch in Städten wie Mailand oder Miami seine Runden oder genießt mit Abstechern in den Stelvio National Park, die Sierra Nevada oder zu den japanischen Kanto-Tempeln die wunderschönen Naturlandschaften. Wobei „wunderschön“ hier relativ ist, denn was Technik und grafische Detailfreude angeht, bleibt sich Milestone leider treu: Auf der PS4 gibt es bis auf den erfreulich scharfen Asphalt nichts, was man mit etwas
So dicht ist das Fahrerfeld nur selten zusammen.
Aufwand nicht auch auf der PS3 realisieren könnte – vor allem manche Texturen und das hässliche, kaum vorhandene Publikum am Streckenrand wirken zusammen mit den meist kargen Landschaften sehr altbacken. Zwar bleibt die Darstellung auf beiden Sony-Konsolen selbst bei hohem Verkehrsaufkommen überwiegend flüssig, doch mehr als die 30 Bilder pro Sekunde kann oder will die Engine den Grafikchips nicht entlocken. Auf der PS3 muss man trotzdem Kompromisse eingehen, denn dort wurde das Starterfeld von 16 auf zwölf Fahrer leicht reduziert. Am besten kommt wieder der PC weg: Mit Bildraten bis zu 120fps bei 1080p kommt das Geschwindigkeitsgefühl am Rechner am besten rüber und die Bildqualität ist dank 1080p, Kantenglättung und V-Sync am höchsten, auch wenn die Hardware-Anforderungen im Verhältnis zur Gezeigten sehr hoch ausfallen. Zudem verbuchen PC-Piloten riesige Vorteile hinsichtlich der Ladezeiten. Denn die fallen auf den Konsolen schlichtweg katastrophal aus! Wie kann man nur auf die blöde Idee kommen, dem Spieler vor jedem (!) Rennen erst eine ewige Ladezeit für die Darstellung eines drehbaren Hi-Res-Modells aufzubrummen und ihn danach gleich wieder mit einem Ladebildschirm zu vertrösten? Das ist etwa so, als würde man beim Arzt im Wartezimmer sitzen, dann in sein Büro gebeten, um von ihm gesagt zu bekommen, man solle doch bitte wieder im Wartezimmer Platz nehmen.
Die Suche nach der Balance
Mailand gehört zu den wenigen Stadtkursen innerhalb der überschaubaren Streckenauswahl.
Abgesehen von den technischen Mankos hapert es auch auf der inhaltlichen Seite: Zwar weiß der generelle Aufbau der Karriere mit ihrer üppigen Auswahl an Veranstaltungen zu gefallen, doch habe ich schnell die Erfahrung machen müssen, dass der Erfolg auf der Rennstrecke weniger von den fahrerischen Fähigkeiten, sondern viel mehr von der Maschine unter meinem Hintern abhängt. Schon die Auswahl zwischen den ersten drei Modellen stimmte mich skeptisch, denn das Leistungsunterschied zwischen der Triumph Street Triple mit ihren 106PS und der Yamaha MT07 mit gerade mal 74,8 PS erschien mir ungewöhnlich groß. Und schon beim ersten Rennen stellte sich schnell heraus, dass ich mich besser nicht für das letztere Bike entschieden hätte: Ich konnte noch so gut und fehlerfrei fahren, den Gaszug bis zum Anschlag drehen – die Konkurrenz zog vor allem auf den Geraden problemlos an mir vorbei und machte einen Sieg unmöglich. „Okay“, dachte ich mir, „vielleicht sind deine Zweirad-Fähigkeiten ein bisschen eingerostet“. Also stellte ich die KI auf die niedrigste der insgesamt fünf Stufen. Doch selbst hier konnte ich trotz vollem (und fehlerfreiem) Einsatz nicht einmal am Podest schnuppern. Warum zum Teufel bietet mir Milestone überhaupt so eine Krücke an, mit der ich überhaupt nicht konkurrenzfähig sein kann?
Okay, es gibt ja noch Tuning. Aber selbst mein verzweifelter Abstecher in die Werkstatt brachte nur mäßige Erfolge: Zum einen ließ der leere Geldbeutel kaum Spielraum für große Leistungs-Upgrades wie Renn-Luftfilter, ein Renngetriebe, eine Zylinderkopf-Bearbeitung oder einen fetten Auspuff. Zum anderen zeigte sich später, dass ich selbst mit der maximal aufgepimpten Yamaha-Maschine nicht den Hauch einer Chance auf den Sieg im Duell gegen die Standard-KI (oder höhere Stufen) hätte. Was für eine frustrierende Erkenntnis! Also entschied ich mich für einen kompletten Neustart, stellte mir zu Beginn anstatt der Yamaha aber die Street Triple von Triumph in die Garage. Und siehe da: Plötzlich wendete sich das Blatt und raste ich aus dem Stegreif in die vorderen Ränge, verbuchte sogar erste Siege. Nachdem ich kurze Zeit später ins Tuning investierte, fuhr ich sogar ganz gemütlich mit einem riesigen Vorsprung über die Ziellinie und ließ später mit voll getunten Maschinen in manchen Veranstaltungen sogar die KI-Piloten der höchsten Stufe hilflos zurück.