Urzeitriesen im Anmarsch
Ein Hals ragt in den Himmel, eine blutrote Fahne flattert im Wind. In fünfzehn Metern Höhe sitzt ein Krieger auf einer Kreatur, die zunächst an eine titanische Giraffe erinnert: ein
Brachiosaurus, 23 Meter lang, 85 Tonnen schwer. Eigentlich ist seine Rekonstruktion nur im Berliner Naturkundemuseum zu sehen. Aber in
ParaWorld wird eines der größten Landtiere der Erde
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Willkommen im Viking Park: Dahinter verbirgt sich das Trainingsgelände für eure ersten Schritte in der ParaWorld. |
wieder lebendig. Und mit ihm gleich Dutzende weitere Dinosaurier vom Pflanzen mampfenden Stegosaurus bis zum Fleisch fressenden Tyrannosaurus rex. Lust auf bemannbare Kampfdinos mit peitschenden Schwänzen, schwerer Stampfattacke und schimmernden Rüstungen? Oder hitzige Raptoren an der Leine?
Dann übernehmt das Helden-Trio Anthony, Stina und Bela, das dem Geheimnis einer Parallelwelt auf die Schliche kommen will - und die sieht fantastisch aus: Die Kulisse beeindruckt von der ersten Sekunde an mit prächtigen Blumenwiesen und Licht durchfluteten Landschaften. Saurierherden grasen in der Steppe, Wolken ziehen über den Himmel, Nebel wabert in der Ferne. Das Figurendesign ist kreativ und enorm vielfältig - wie so ein Dinosaurier entsteht, könnt ihr
hier verfolgen. Hinzu kommt idyllisch glitzerndes Wasser und eine Sonne, die Wald und Wüste langsam in Abendrot taucht. Ihr könnt sogar beobachten, wie die Schatten um Bäume oder Gebäude wandern.
Prächtig und mysteriös
Die eigens kreierte PEST-Engine zaubert eine faszinierende Welt auf den Bildschirm, die sich locker mit allem messen kann, was da draußen an klassischer Echtzeit-Strategie geboten wird. Schade sind nur zwei Dinge: Erstens kann man nicht sehr
weit rauszoomen. Zwar immer noch weiter als etwa in
WarCraft 3 , aber man lechzt beim Spielen einfach nach einem Tick mehr Abstand. Zweitens kommt keine Physikengine zum Einsatz - sprich: Wenn ein Saurier stürzt, fällt er ohne Schaden anzurichten in Gebäude oder Truppen. Dadurch kann schon mal ein unübersichtliches Gewusel entstehen, weil sich quasi jeder auf den Füßen stehen kann. Wie grandios wäre es gewesen, wenn man Panik und Chaos durch Kollateralschäden ausgelöst hätte? Fliehende Arbeiter! Zermalmte Kolonnen! Berstende Mauern! Egal, vielleicht gibt's das ja in ParaWorld 2...
Aber auch ohne den letzten zerstörerischen Realismus, geht es mit Schmackes zur Sache. Das liegt vor allem an den Kampfanimationen: Zwar wirkt das urzeitliche Getümmel zunächst sehr bunt, da Treffer und Aufstiege von Lichteffekten begleitet werden, aber wer reinzoomt wird erkennen, wie Krieger weggeschleudert oder umgeworfen werden, wie Bäume von Dinos zerknickt werden. Hinzu kommen brachiale Finishing-Moves, die für frühe Tode sorgen: Im Fall des T-Rex wird das Opfer mit Schmackes zerbissen. Das erinnert an das herrliche Schlachtfeldgetümmel von
Warhammer 40.000: Dawn of War . Sprich: Es lohnt sich immer wieder, sich mit der Kamera ins Getümmel zu stürzen.
Das Geheimnis der Parallelwelten
Die Kulisse ist faszinierend, die Story gibt sich mysteriös: Gibt es tatsächlich zwei Erden? Oder mehr? Und falls ja: Wie lange schon? Haben sie sich beeinflusst? Sind die Saurier etwa keine Urzeittiere, sondern Einwanderer der anderen Erde? Und was hat es mit der Organisation SEAS auf sich, die sich scheinbar sehr gut mit dem Phänomen auskennt?
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Bela, Stina und Anthony vor ihrem großen Abenteuer. Ihr könnt schräg hinter eure Heldentruppe zoomen - die Kulisse ist prächtig. |
Fragen über Fragen, die allerdings nur kämpfend in klassischer Manier gelöst werden können: Basis aufbauen, Truppen ausbilden, Gegner zerstören - hier gibt sich auch ParaWorld konservativ und erfindet das Rad nicht neu. Das wissenschaftliche Team um den Geologen Anthony Cole, die Biologin Stina Holmlund und den Physiker Benedek wird in eine martialische Parallelwelt gelockt, in der sich drei Völker bekriegen: Nordvolk, Wüstenreiter und Drachen-Clan. Außerdem wissen sie bereits zu viel und deshalb sollen sie dort am besten nicht mehr rauskommen. Ein Hauch von Jules Verne, ein Schuss X-Men und natürlich eine starke Prise Jurassic Park: das sind die Storyzutaten, die das fantasievolle Szenario würzen.
ParaWorld erzählt eine Geschichte im Stile der guten alten Abenteuerfilme. Natürlich strotzt die Besetzung vor Archetypen: Das hübsche Babe mit Katzenfaible, der an Wolverine erinnernde Macho - nur der philosophierende Bogenschütze hebt sich frisch von den Klischees ab. Die Pointen treffen zwar nicht immer und der Witz wirkt manchmal aufgesetzt, aber die Story ist insgesamt sehr unterhaltsam. Hier gibt's in der Kampagne keinen 08/15-Rahmen, sondern einen straffen roten Faden mit Biografien, Intrigen & Co. Zwar erreicht man nicht ganz die erzählerische Qualität eines
Age of Mythology , aber das Epos macht mit seinen Wendungen immer wieder neugierig, die Helden wirken sehr lebendig.