The Flame in the Flood26.02.2016, Jörg Luibl
The Flame in the Flood

Im Test: Gnadenlose Floßfahrt

Was macht man, wenn man keine Lust mehr auf Triple-A-Produktion hat? Sein eigenes Spiel! Genau so ist The Flame in the Flood (ab 14,99€ bei kaufen) entstanden, das ehemalige Entwickler von Bungie, Harmonix und Irrational Games jetzt für PC und Xbox One veröffentlicht haben. Kann das Survival-Abenteuer mit seiner Floßfahrt frische Akzente setzen? Mehr dazu im Test.

Eine Floßfahrt, die ist lustig?

Lasst euch von der charmanten Präsentation und dem niedlichen Hundebegleiter nicht täuschen. Auch wenn die entspannte Folkmusik von Chuck Ragan nach einem Bierchen beim Abendrot ruft und der Zeichentrickstil gemütliche Unterhaltung für die ganze Familie suggeriert: The Flame in the Flood ist ein gnadenloses Biest. Wer die Kampagne oder den Endlosmodus auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad „Überlebenskünstler“ inkl. dauerhaften Tod startet, wird auch nicht lange auf ihn warten müssen. Kaum verlässt man Camp Pinewood mit seinem Vierbeiner bei idyllischem Flußpanorama, wird es ernst…

Kleines Mädchen, treuer Hund, leuchtender Stab: Wie weit kann man auf dem Fluss kommen?
Die Floßfahrt selbst ist nicht das Problem: Hier kann man zwar auch kollidieren, aber bewegt das Gefährt doch recht einfach zwischen Strömungen und Hindernissen, indem man auf Knopfdruck gegensteuert und quasi die Spur wechselt. Man sammelt nebenbei zufällig Vorräte und hält Ausschau nach einem Landeplatz. Nur wenn es mal direkt in Stromschnellen geht, muss man Hand und Auge etwas schneller koordinieren. Ansonsten kann man sehr komfortabel an all den aus der Distanz markierten Anlegestellen von Camps über Angelstationen bis Wildnis stoppen. Kurzum: Die Floßfahrt ist noch recht gemütlich und wird in zehn Regionen ansehnlich inszeniert.

Rucksack voll und die Nacht droht

Darin betritt man dann allerdings recht kleine Zufallsareale, um das Floß zu reparieren oder z.B. mit einem Zelt aufzurüsten, um zu sammeln, zu arbeiten, zu schlafen – oder zu sterben. Die

Idyllisch und gut zu steuern: Die Flussfahrt ist das stimmungsvolle Highlight.
Erkundungsreize halten sich dort stark in Grenzen, aber die Zeit tickt, bald wird es Nacht und der Rucksack ist schnell voll. Für meinen Geschmack gibt es auch viel zu früh Einblendungen und Hinweise zu all dem, was man machen kann – man fühlt sich wie in einer Slotmachine, die durchrattert. Etwas mehr Ruhe und Gemütlichkeit hätte dem Spiel im Einstieg oder zumindest der Kampagne nicht geschadet.

Die bietet kleine Quests und Begnungen mit anderen Reisenden, aber hebt sich hinsichtlich Regie und Dramaturgie leider kaum vom Endlosmodus ab. Sie beginnt damit, dass man ein Radio auf einer Anhöhe anbringen soll, aber kann später erzählerisch kaum Akzente setzen. Ihr könnt übrigens alles auch auf Deutsch spielen. Leider sprengen die mitunter fehlerhaften oder irre führenden Texte („Hasefelljacke“, „Neuer Persönlicher“) immer wieder die Menüs.

Zu Beginn hat man nur zwölf Plätze plus sechs für den Hund; außerdem kann man am Dock einen Vorrat anlegen, auf den man immer zugreifen darf - aber weil man noch keine Prioritäten beim Sammeln zu setzen weiß, ist man schnell mit Krimskrams überfüllt. Hinzu kommt, dass das Verschieben und Tauschen von Gegenständen recht fummelig ist. Hilfreich ist der Hund zu Beginn, weil er auf Sammelbares hinweist oder den Wolf wütend anbellt, aber auch hier vermisst man Überraschungen oder Entwicklungen. Man kann zwar Krähen mit dem leuchtenden Stab verscheuchen und auch den Wolf kurz irritieren, aber kämpfen kann das Mädchen nicht und sollte lieber fliehen - man kann Wolf & Co erst später in Fallen locken.

Gegen Hunger, Durst, Kälte und Krankheiten

Am Anfang steht ein Steinmesser - es folgen komplexe Fallen gegen Wölfe, Bären & Co.
Schon nach einer Stunde kann man allerdings dehydriert auf einem Steg dahinkriechen, bevor einem der böse Wolf oder vielleicht ein Bär den Rest gibt. Das liegt nicht unbedingt immer daran, dass man schlecht spielt: Es kann daran liegen, dass man erstens aufgrund der zufälligen Schauplätze richtig Pech hat und z.B. kaum Wasser findet; dass man zweitens die wichtigen Rohstoffe und Handwerksfähigkeiten noch nicht hat; oder dass man drittens einen der relevanten Todesbringer, nämlich Hunger, Durst, Temperatur, Ruhe oder Floß, nicht genügend beachtet hat oder versorgen konnte. Recht früh kann man in Situationen geraten, die wie Sackgassen anmuten. Und recht früh muss man ein stressiges Mikromanagement meistern, bei dem selbst das Trinken per Knopfdruck aktiviert werden muss.

Die fünf Statistiken muss man genau im Auge behalten und so ausruhen, essen, trinken, sammeln und basteln, dass man dem fatalen Absinken entgegen wirken kann –  nicht nur Bisse sorgen für Folgeschäden wie Krankheiten, selbst der Regen hat üble Folgen für die Gesundheit. Es gibt einige sinnvolle Kombinationen: Wasser muss gefiltert, Wunden und Krankheiten unterschiedlich versorgt, Fallen für verschiedene Tiere vom Hasen bis zum Bären aufgestellt werden, aus denen man wiederum Nahrung als auch wichtige Kleidung anfertigen kann.

Kaum Erkundungsreize, wenig Entwicklungspotenzial

Je nach Anlegestelle kann man andere Dinge erledigen oder Vorräte finden.
Einsteiger sollten auf jeden Fall auf dem ersten Schwierigkeitsgrad „Reisender“ loslegen, damit sie ein Gefühl für die wichtigen Abhängigkeiten sowie Rohstoffe und Handwerk bekommen. Und selbst auf dieser niedrigsten Stufe ist das kein Survival-Abenteuer light, sondern eine sehr anspruchsvolle, manchmal auch unfair anmutende Angelegenheit. Immerhin: Startet man neu, befinden sich im Rucksack des Hundes bereits einige Rohstoffe. Je öfter man scheitert und neu beginnt, desto mehr lernt man die wesentlichen Mechaniken kennen und kommt immer weiter vorwärts. Aber das große Problem ist, dass das Spiel dann kaum noch etwas zu bieten hat - alles ist bekannt und erforscht.

Parallel mit dieser Erfahrung sinken die Erkundungsreize rapide, denn die kleinen Areale bieten zu wenig Überraschungen. Hinzu kommt, dass das Entwicklungspotenzial im Vergleich zu Don't Starve recht bescheiden ist: An die 70 Sachen kann man herstellen, vom geflochtenen Seil über Steinmesser bis hin zu Bogen, Speerfalle oder Wildschweinlederhose. Die Kleidung ist wichtig und kann für fünf Körperteile hergestellt werden – quasi von Kopf bis Fuß. Hat man aber erstmal alles Wesentliche gebaut, vor allem die Fallen für Wölfe und Bären, gibt es kaum noch interessante Dinge. Am Ende einer Fahrt wird übrigens der Rekord in Tagen und zurückgelegten Meilen angezeigt. Schade, dass es irgendwann an einem Ziel fehlt, das man unbedingt erreichen möchte oder an einer Region, die man noch nicht kennt.

Fazit

The Flame in the Flood hat mich sehr neugierig gemacht. Ein Survival-Abenteuer in der amerikanischen Wildnis, dazu ein Hund als Kumpel, den idyllischen Fluss vor Augen und Folk im Ohr - klingt wie ein gemütliches Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Aber so idyllisch dieses Abenteuer anmutet: Es ist ein gnadenloses Biest, selbst auf dem niedrigen Schwierigkeitsgrad. Schade ist, dass man auch in der Kampagne so früh in ein knallenges Mikromanagement-Korsett gezwungen wird. Hat man die Mechanismen erstmal verinnerlicht, kann man endlich stressfreier loslegen. Aber selbst dann werden die Erkundungsreize und das Überleben hier nicht so clever verzahnt wie z.B. in Don’t Starve, das eine wesentlich bessere Einspielphase, eine freiere und überraschendere Welt sowie mehr Entwicklungspotenzial bietet. Unterm Strich ein solides und hübsch inszeniertes Survival-Abenteuer mit toller Musik, das zu Beginn zu hektisch und langfristig leider nicht sehr motivierend ist.

Pro

freier Modus und Kampagne
anspruchsvoller Überlebenskampf
Zufallskarten sorgen für Überraschung
Sammeln, Handwerk, Reisen
interessante Floß-Mechanik
stimmungsvolles Artdesign
angenehme Musik
zwei Schwierigkeitsgrade
optional deutsche Texte

Kontra

wirkt mitunter unfair, kein guter Einstieg
zu viele Statistiken und Listen schon zu Beginn
nur kleine Areale, kaum Erkundungsreize
später zu wenig Bau
& Entwicklungspotenziale
Kampagne ähnelt zu stark Endlosmodus
Inventar-Management recht fummelig
fehlerhafte Übersetzungen; Texte sprengen Menüs
gelegentlich Abstürze, Pop-ups

Wertung

XboxOne

Unterm Strich ein solides und hübsch inszeniertes Survival-Abenteuer mit toller Musik, das zu Beginn etwas zu hektisch und langfristig leider nicht sehr motivierend ist.

PC

Unterm Strich ein solides und hübsch inszeniertes Survival-Abenteuer mit toller Musik, das zu Beginn etwas zu hektisch und langfristig leider nicht sehr motivierend ist.

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