Crossing Souls23.02.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Nostalgie-Mix in leuchtenden Farben

Nach dem allgegenwärtigen Neunziger-Revival wagt das Action-Adventure Crossing Souls (ab 2,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wieder einen nostalgischen Trip ins Jahrzehnt davor – mit Synthie-Mucke und allem, was dazu gehört. Im Sommer 1986 gehen fünf Freunde einer Regierungsverschwörung auf den Grund und wechseln mit Hilfe eines magischen Steins sogar in die Welt der Toten. Gelingt die Hommage an Filme wie die Goonies?

Ära der Goonies und Spielhallen

Passend zum Thema ist die Abenteuerreise natürlich im Pixel-Look gehalten, während immer wieder popkulturelle und Videospiel-Zitate auf den Spieler einprasseln. Verfehlt man dabei das richtige Maß, kann so etwas natürlich schnell peinlich werden, doch Entwickler Fourattic scheint die richtige Formel gefunden zu haben. Hier ein an Vigo den Karpaten angelehnter Geisterboss aus dem Gemälde, dort ein Krämerladen mit wasserscheuen Monstern im Programm: Die vielen Referenzen drängen sich nicht auf, so dass ich mich immer wieder über die Berieselung mit Erinnerungen gefreut habe. Auch der sägezahnig wabernde Synthie-Soundteppich lullt den Spieler angenehm ein, während auf dem Bildschirm die Fäuste fliegen.

Ein nicht gerade alltäglicher Fund...
Meist ähnelt das Gekeile alten Beat-em-up-Klassikern wie Streets of Rage; nebenbei gibt es paar Sprungpassagen und Rätsel zu meistern. In Letzteren verschiebt man Kisten oder macht sich eine der individuellen Fähigkeiten der Protagonisten zu Nutze. Obwohl theoretisch alle fünf Freunde gemeinsam unterwegs sind, steuert man immer nur einen davon und kann auf Knopfdruck frei wechseln. Matt besitzt als Technik-Nerd eine zielsuchende Laserkanone und knatternde Schwebeschuhe, Chris kann klettern und Projektile mit dem Baseballschläger zum Gegner retournieren. Der verfressene Biggie verschiebt Kisten wie in Sokoban und die rabiate Redneck-Tochter Charlie kloppt mit der Peitsche um sich oder startet einen schnellen Ausfallschritt.

Ungleiches Quintett

Bleibt nur noch Chris' kleiner Bruder Kevin, der nicht nur mit seinem albernen Klassenkasper-Humor eine Sonderrolle einnimmt. Zunächst ist er nur in der Lage, zu popeln, furzen oder eine Papiertüte platzen lassen. Nachdem er aber etwas zu lange mit der magischen „Duat-Maschine“ auf Tuchfühlung gegangen ist, kann er plötzlich in der Parallelwelt der Toten herumspuken und so durch Türen schlüpfen, die den übrigen Freunden verschlossen bleiben, um z.B. an versteckte Schlüssel zu gelangen. Selbst verstorbene Steinzeitmenschen und andere geisterhafte Gesprächspartner spuken darin herum. Der Story zu Liebe gehen wir lieber nicht näher auf die Details ein – die Macht der Maschine hängt aber mit einem seltsamen Artefakt und einer Leiche zusammen, welche die Kinder eines Tages im Wald entdecken. Auch der finstre Major Oh Rus ist auf der Suche nach dem Artefakt. Er hetzt den Helden Schergen mit martialischen Namen wie „Bronson“ oder „Heartless“ auf den Hals.

Willkommen beim wahrscheinlich arrogantesten Spielhallenbetreiber des Universums!
Ob er auch an einem plötzlichen Ausbruch eines Virus oder gar den Geistern Schuld ist, die plötzlich in der Welt der Menschen herumspuken? Mit Hilfe der Duat-Maschine werden die Untoten für alle Mitglieder der Gruppe sichtbar. Daher gerät man immer wieder in Keilereien mit Kapuzenmagiern, Totenkopf-Kreaturen oder blitzschnell über den Boden rasenden haarigen „Critters“-Wesen. Das Kampfsystem ist zwar einfach gestrickt, bleibt im Rahmen der kurzen Gefechte aber meist trotzdem unterhaltsam und wechselt sich mit anderen Mechaniken ab: Eine kleine Salve mit Biggies Fäusten, eine Ausweichrolle, ein paar Kisten verschieben - und schon wechselt man wieder zu Matt, um über einen weiten Abgrund zu schweben und mit der Laserkanone einen Schalter zu aktivieren.

Bronson lässt grüßen

In den meist gelungenen Bosskämpfen gegen Dämonen, Bronson & Konsorten kommen die Charakterfähigkeiten ebenfalls immer wieder zum Einsatz - sie sorgen auch im Rest des Spiels für ein wenig Abwechslung. Auf übertriebene Rollenspieleinflüsse wie das Leveln, Crafting oder Fleißarbeit verzichtet das Action-Adventure glücklicherweise. Stattdessen stößt man hier und da auf neue Fähigkeiten. Die Entscheidung für ein nicht selbstaufladendes Energie-System wirkt ebenfalls sinnvoll. Meist verströmt der mittlere Schwierigkeitsgrad des Spiels eine entspannte Atmosphäre. In kniffligen Kämpfen oder anderen haarigen Passagen wird man aber trotzdem dazu gezwungen, sich behutsam voranzutasten – um tunlichst keine Herzchen oder Energie-Bonbons zu verschwenden, die z.B. abseits des Weges in Kisten versteckt sind.

Diese Bibliothekarin erhebt besonders schmerzhafte Mahngebühren!
Obwohl man theoretisch in einer offenen Welt unterwegs ist, leitet das Abenteuer den Spieler durch ein kleineres Gebiet: Mal sorgen Quarantäne-Zonen für die Grenzen – an anderen Übergängen erwähnt die Spielfigur, dass sie hier noch etwas Wichtiges zu tun hat. Für einen deutlichen Dämpfer sorgt allerdings der Mangel an Feinschliff: Vor allem in den Sprungpassagen flutscht man gerne mal vom Rand der Plattformen, weil sie unsauber gesetzt wurden. Auch perspektivisch falsch gezeichnete Wände sorgen immer wieder für Verwirrung oder schlechte Sicht. Während die Figuren und nostalgischen Anspielungen liebevoll designt und animiert wurden, fallen die blockigen Hintergründe mit ihrer seltsamen Farbgebung und übertriebenen Kontrasten stark ab.

Fiese Programmfehler

Auf der PlayStation 4 ist uns ein fataler Bug begegnet, der dafür sorgte, dass Kevin in Level 3 die „Geistertür“ eines Busses nicht wie vorgesehen öffnen konnte. Auf der Konsole konnten wir das Spiel deshalb zum Testzeitpunkt also nicht beenden, was gemäß unserer Wertungsphilosophie zu einer mangelhaften Wertung führte. Ein entsprechender Patch ist laut Hersteller in Arbeit, befindet sich aber noch in Sonys Zertifizierungs-Phase. Auf Steam dagegen ist das Update schon eine Weile verfügbar, so dass wir das rund acht Stunden lange Abenteuer dort nicht vorzeitig beenden mussten. Manchmal sorgen zudem vage formulierte Texte für zusätzliche Verwirrung, z.B. wenn Mitglieder der Waldgeister-Miliz nebulös von einem Aufnahmeritual faseln.

Nicht nur Dämonen suchen eine Abreibung...
Auch Kevins Kommentar beim Lesen eines nahe gelegenen Schildes brachte mich nicht weiter: „Wenn diese Geister die anderen sehen, müssen sie sehr schnell rennen. Ich bin raus!“ Nicht gerade aufschlussreich. Im Laufe der Geschichte erkundet man nicht nur den sich wandelnden Heimatort, seine Kanalisation und Gruselvillen, sondern landet in weiter abgelegenen Orten wie in einem idyllischen Waldstück oder Lavatempeln. Auch einfache Reaktionstests wie eine Verfolgungsjagd über einen BMX-Kurs stehen auf dem Programm. Die wendungsreiche Geschichte bedient sich zwar zu großen Teilen bei bekannten Versatzstücken zitierter Klassiker, hat aber einige gelungene emotionale Momente zu bieten, in denen sich das Grüppchen immer wieder zusammenrauft und die Freundschaft in den Mittelpunkt stellt. In brenzligen Situationen zwingen sich die eben noch herumalbernden Helden immer wieder dazu, Verantwortung zu übernehmen.

Fazit

Crossing Souls ist ein charmanter Abenteuer-Trip in die Achtziger, dessen Mix an Spielmechaniken es aber ein wenig an Feinschliff mangelt. Bei der Berieselung mit popkulturellen Anspielungen haben die Entwickler das passende Maß gefunden. Obwohl ich an allen Ecken und Enden mit Unmengen von Zitaten und kleinen Hinweisen auf Kino- sowie Spiel-Klassiker konfrontiert wurde, drängten diese sich trotzdem nicht auf. Stattdessen freute ich mich jedes Mal darüber, wenn ich Kleinigkeiten wie Spielhallenautomaten oder das umbenannte „Dolbe Stereo“-Logo am örtlichen Kino entdeckte. Auch der Story-Fokus auf die Freundschaft zwischen den Helden hat mir gefallen. Ein weniger glückliches Händchen hatten die Entwickler beim Feintuning: Vor allem die etwas hakeligen Sprungpassagen fühlen sich lange nicht so knackig und ausbalanciert an wie bei der Konkurrenz. Auch die ungünstige Perspektive sowie einige plump designten Hintergründe stören das eigentlich gelungene Design. Das größte Manko ist uns aber auf der PlayStation 4 begegnet, auf der ein fataler Bug in Kapitel 3 das Weiterspielen verhinderte. Die Kämpfe und Puzzle-Einlagen sorgen dagegen für solide Unterhaltung, die sich in einem angenehmen Rhythmus mit der Geschichte vermischt. Schade, dass Fourattick und Devolver dem Projekt nicht noch etwas mehr Zeit gegönnt haben. Trotz einiger Stolpersteine hat mich das Action-Adventure aber auch in seiner aktuellen Form auf einen entspannenden Ausflug in die Dekade meiner Kindheit geschickt.

Pro

sympathisches Helden-Grüppchen
rührender Story-Fokus aufs Thema Freundschaft
ausgewogener Mix aus Story und mehreren Spielmechaniken
gelungene Spiel-Zitate und popkulturelle Anspielungen
flächiger Synthie-Soundtrack fängt die Stimmung gut ein
liebevoll animierte Figuren

Kontra

Sprungpassagen oft hakelig und ungenau
einige karge, perspektivisch falsch gezeichnete Kulissen
Kampfsystem auf Dauer ein wenig zu einfach gestrickt
fieser Bug verhinderte im Test das Weiterspielen (PS4)

Wertung

PlayStation4

Unsere PS4-Fassung ließ sich aufgrund eines fiesen Bugs nicht beenden.

PC

Charmanter Abenteuer-Trip in die Achtziger, dem es allerdings an Feinschliff mangelt.

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