Mimir ex machina
Noch besser wird es, wenn mit Mimir ein dritter Akteur und Erzähler hinzu kommt - damit ist Sony Santa Monica der für mich entscheidende Kniff gelungen, denn er sorgt genau in dem Moment für Abwechslung, als sich gerade etwas Monotonie einzuschleichen drohte. Die wurde bis dahin nur von den beiden Zwergen Brok und Sindri etwas aufgebrochen, die ebenfalls einen Konflikt austragen und für einige Lacher sorgen; auch sie sind als Charaktere gut entwickelt. Aber Mimir ist das erzählerische Bindeglied zwischen dem Schicksal der Götter und den beiden Gefährten. Er kennt alle Götter nur allzu gut. Vater und Sohn retten diesen neckischen Weisen aus einer misslichen Lage, der ja laut Edda jeden Morgen seinen Met aus einem Quell unter Yggdrasil trank. Daraufhin baumelt er als sprechender Kopf bei Kratos am Gürtel - auch rein spielhistorisch keine schlechte Idee, wenn man an
Planescape: Torment und den schwebenden Knochenkopf "Morte" denkt.
Wehe, wenn Kratos sauer wird...
Für Atreus geht mit diesem Gesprächspartner natürlich ein Traum in Erfüllung, denn endlich hat er jemanden, der ihm all die mythologischen Fragen beantworten kann. Jedesmal, wenn sie einen der alten Bildsteine mit den Götterzeichnungen finden, kann Atreus das Ganze nicht nur in sein Tagebuch eintragen (sehr schön ist übrigens, dass der Kodex aus seiner Sicht geschrieben wird), sondern bekommt von Mimir die passenden Hintergründe. Wenn sie ein altes Grab entdecken, erzählt Mimir etwas über den König. So entsteht auf der Reise eine unterhaltsame Dreiecks-Beziehung mit tollen Dialogen, bei der der kluge Kopf manchmal sowohl Kratos als auch Atreus kritisch hinterfragt. Und bei jedem der dutzenden Bootsgänge oder Erkundungen in Höhlen gab es über 30 Stunden kein einziges doppeltes Gespräch, keine einzige doppelte Geschichte!
Offene Fragen und deutsche Sprecher
Ich hoffe, ich konnte die erzählerische Besonderheit dieses Action-Adventures herausarbeiten. Man darf ja auch nicht vergessen, dass Triple-A-Produktionen dieser Art nur ganz selten so ein Niveau erreichen, das man in letzter Zeit häufiger bei
Immer wieder stoßen Vater und Sohn auf Hindernisse - auch in ihrer Beziehung.
reinen Storytelling-Experimenten wie
Firewatch oder
What Remains of Edith Finch beobachten konnte. Ich sehe God of War in der Art und Weise, wie man einen Sidekick integriert, mindestens auf einer Ebene mit
The Last of Us und
BioShock Infinite. Noch etwas Kurzes zum Finale: Das kann auch nochmal angenehm überraschen, führt wichtige Fäden zusammen, beantwortet zentrale Fragen, aber eben nicht alle, so dass ich ein wenig enttäuscht war - Sony Santa Monica will da vermutlich einige göttliche Hintertüren für eine Erweiterung offen halten.
Für mich gehören übrigens nicht nur Story und Regie zu den Kandidaten für das Spiel des Jahres, sondern auch die deutsche Lokalisierung: Die Sprecher sind durch die Bank richtig, teilweise außergewöhnlich gut. Wobei ich neben Kratos vor allem Atreus und Mimir hervorheben muss, die ebenfalls als neue Stimmen ausgezeichnet besetzt sind und schauspielerisch überzeugen. Ich habe an keiner Stelle das Gefühl gehabt, dass etwas künstlich oder hastig eingesprochen wurde. Dazu trägt auch bei, dass die Übergänge von Dialogsituationen auf dem See zu einem Strand oder einer Höhle harmonisch eingesprochen sind, so dass es keinen Bruch gibt. Mimir, der gerade eine Geschichte erzählt, sagt z.B. bei der Anlandung, dass er sie dann eben später fortsetzen wird, weil Atreus und Kratos gerade was anderes vorhaben. Das sorgt für ein angenehm natürliches Hörerlebnis. Es hat einfach Spaß gemacht, ihnen zuzuhören. Aber jetzt Schluss mit der Begeisterung für die Story, runter vom Gipfel der Euphorie, rein in die Erkundung, den Kampf, die Charakterentwicklung und die Aufrüstung. Kann God of War auch spielmechanisch abliefern?