Fire Emblem Fates24.05.2016, Jörg Luibl
Fire Emblem Fates

Im Test: Ein Epos, drei Blickwinkel

Die Fantasytaktik von Intelligent Systems stand immer etwas im Schatten von Advance Wars - zumindest in unserer Wertungshistorie. Aber 2013 konnte Fire Emblem: Awakening auf dem 3DS erstmals Gold erobern. Das war ein edler Zeitfresser mit motivierendem Management von Charakteren, Fähigkeiten und Beziehungen. Letztere spielen jetzt noch eine größere Rolle und Nintendo hat das Abenteuer in drei separate Kampagnen "Vermächtnis", "Herrschaft" sowie "Offenbarung" aufgeteilt. Die Story eines Konfliktes wird also aus mehreren Blickwinkeln erzählt. Eine gute Entscheidung?

Im Angesicht der Übermacht

Verteilt auf ein Gelände von 20 mal 25 Feldern warten knapp 40 Ritter, Magier und Schützen der finsteren Nohr auf meine kleine Heerschar. Das Ziel lautet: alle vernichten. Hey, ich bin doch drei zu eins unterlegen - ist das nicht unfair? Nein, das Jammern angesichts des numerisch überlegenen Feindes ist nicht nötig. Auch meine Ninja, Falkenritter, Skalden und Samurai haben eine Chance. Denn in Fire Emblem Fates (ab 44,99€ bei kaufen) entscheidet nicht die Masse, sondern die Klasse der Truppe. Sowohl, wenn man sich nach sechs Kapiteln für „Vermächtnis" als auch noch deutlicher, wenn man sich für das strategisch anspruchsvollere „Herrschaft“ als Kampagne entscheidet - wir empfehlen selbst Kennern auf Seiten der Hoshido mit Ersterer zu starten.

Ihr schlüpft in die Rolle von Gestaltwandler Corrin, der als Kind entführt wurde. In der Charaktererstellung kann man neben Geschlecht, Figur und Aussehen auch eine von acht Stärken wie etwa "Unbeugsam" oder "Glücklich" sowie eine von acht Schwächen wie "Ungelenk" oder "Langsam" wählen. Hinzu kommt eines von siebzehn Talenten wie "Ritter", "Wyvern", "Ninja" oder "Magier".
Auch wenn die Balance stark schwanken kann: Schon auf dem zweiten der drei Schwierigkeitsgrade wird man auch dort angenehm gefordert und kann sich mit den entscheidenden taktischen Mechaniken langsam sowie in vielen optionalen Gefechten vertraut machen.

Ganz wichtig ist nämlich: Diesen Luxus sporadischer Kämpfe für permanentes Leveln und Goldscheffeln bietet „Herrschaft“ auf Seiten der Nohr nicht. Hier geht es anspruchsvoller zur Sache, so dass in den knackigen Gefechten meist nur optimale Kombinationen von Einheiten sowie Routen den Sieg bringen. Schon in einer der ersten Schlachten, in der man 16 Ungesichter besiegen soll, wird man gnadenlos überrollt, wenn man seine Kämpfer nicht clever kombiniert. Denn die territorialen sowie persönlichen Beziehungen sind der Schlüssel zum Erfolg auf den Schlachtfeldern.

Nachbarschaftsbonus und Beziehungskiller

Zum einen profitieren Kämpfer nicht nur in Form erhöhter Werte davon, wenn sie neben- oder hintereinander stehen: Nur so können auch gefährliche Doppelschläge ausgeteilt werden, wenn man angegriffen wird! Es lohnt sich also, seine Figuren clever zu positionieren. Zum anderen kann man sie zu Partnern kombinieren, die dann auf einem Feld kämpfen – die Haupteinheit greift an, die Nebeneinheit verteidigt; diese Rollen darf und muss man dynamisch wechseln, wenn man z.B. einen Heiler und einen Krieger verbandelt. Je enger die Beziehung zwischen ihnen, desto besser kämpfen sie zusammen.

Bei der Wahl des Schwierigkeitsgrades (Normal, Schwer, Extrem) sollten Einsteiger die erste und Kenner die zweite Stufe nutzen. Im Zweifel: Startet lieber eine Stufe höher, denn absenken geht immer.

Bei der Wahl des Spielmodus (Phönix, Anfänger, Klassisch) sollten nur Kenner Letzteren einstellen, denn hier verliert man Kämpfer permanent. Wer sie alle sammeln will, sollte auf "Anfänger" spielen, damit sie nach dem Tod wieder in der Basis auftauchen. Wer es noch undramatischer mag, darf seine Helden auf "Phönix" direkt nach dem Ableben auf dem Schlachtfeld auferstehen sehen. Ist dieses Duett öfter in einer Schlacht aktiv, gewinnt es Schildpunkte, die irgendwann eine Doppelverteidigung auslösen. Außerdem können Freunde oder Partner über Siegel die Klasse bei gleich bleibender Stufe wechseln – die Entwicklung von Beziehungen lohnt sich also auch perspektivisch.

Aber wann ist es klüger, seine Einheiten aufzuteilen und sie benachbart kämpfen zu lassen? Und wann sollte man möglichst viele Paare bilden? Das richtet sich nach den Anforderungen auf dem Schlachtfeld: Mal ist es besser, mit vielen Einzelkämpfern und schachbrettartig verteilt anzugreifen, mal lohnt sich gerade in engen Bereichen oder bei besonders starken Feinden die Paarbildung. Oder wenn man mal einen Heiler, Schützen oder Adligen schnell von A nach B bringen muss, ist das Aufsitzen auf einem Wyvern natürlich ideal - ganz unabhängig von der Bindung der beiden. Genau diese Balance bei ständig wechselndem Gelände und Karteninteraktionen zu finden, macht einen sehr großen Reiz des Spiels aus - vor allem in "Herrschaft" gibt es manchmal nur spezielle Lösungen, so dass man länger tüftelt. Es ist also bei weitem nicht so, dass man mit ein und derselben Taktik und hoher Teamchemie immer das Ziel erreicht.

Tödliche Konter und hilfreiche Unterstützer

Selbst die dicksten Kumpel oder Ehepaare, die mit A+ oder S bereits die höchste Beziehungsstufe erreicht haben, sind keine Überhelden. Auch sie müssen im Kampf auf das Waffen-Dreieck sowie tödlichen Bonusschaden achten. Je nachdem, welche Klinge man selbst sowie der Gegner führt, kann es ganz unterschiedliche Trefferchancen und anschließenden Schaden geben. Es gibt fatale Begegnungen, die man auch als hochstufiger Held dringend vermeiden muss: Wyrmtöter machen mit Drachen, Bögen mit Fliegern und Hämmer mit Rittern sofort kurzen Prozess. Eine große Rolle spielen auch Unterstützer wie

Bleibt man bei den Nohr, die einen über Jahre großzogen, oder kehrt man zu seiner leiblichen Hoshido-Familie zurück? Nach sechs Kapiteln muss man sich für eine etwa 20 bis 30-stündige Kampagne entscheiden. Man kann auf Seiten der Hoshido ("Vermächtnis") oder auf Seiten der Nohr ("Herrschaft") den Krieg erleben - und muss zwangsläufig gegen Geschwister antreten. Hat man eine der beiden Kampagnen beendet, lässt sich die dritte Kampagne "Offenbarung" runterladen, die das Ganze nochmal aus dritter Perspektive und damit das "eigentliche" Ende erzählt.
Mönche oder Skalden, denn Erstere heilen oder retten aus der Distanz mit ihren Stäben und Letztere können mit ihrem Gesang z.B. dafür sorgen, dass ein Held zweimal angreifen darf – ein sehr mächtiges Manöver, das ich zu Beginn unterschätzt habe. Es kann nämlich entscheidend sein, dass man die Skaldin optimal einsetzt!

Nicht zu vergessen die automatisch aktiven Fähigkeiten: Zu Beginn haben die meisten Helden nur zwei, aber bei bestimmten Levelstufen gewinnen sie - leider ohne manuelle Auswahl - weitere hinzu. Da geht es nicht nur um Zusatzschaden, Erstschläge, Positionswechsel, Defensivboni, sondern auch um Heilung naher Freunde, das Knacken von Schlössern oder Vergiften nach einem Treffer. Gerade Kenner berücksichtigen auch diese Fähigkeiten bei Wahl der Einheiten sowie der Routenplanung.

Es gibt also eine Vielzahl an taktischen Optionen, Abhängigkeiten, Unterstützungen und Kontern. Das Schöne an Fire Emblem ist, dass es kein sprödes Statistikmonster ist, sondern eine sehr anschauliche Rundentaktik inszeniert, die sowohl Einsteiger als auch Kenner mit zig einblendbaren oder aktivierbaren Optionen von simpel bis komplex abholt.

Menükomfort und Optionen

Aufgrund informativer Benutzeroberflächen

Sehr hilfreich für die Routenplanung: Man kann sich nicht nur anzeigen, bis wohin man selbst laufen (blau) und angreifen (rot) kann, sondern auch gegnerische Reichweiten einblenden,
kann man jeden Zug inklusive eingeblendeter Statistiken gemütlich planen – so macht es einfach Spaß, über die nächsten Schritte zu grübeln. Das weitgehend klassische, aber um Magie und Bögen erweiterte Waffen-Dreieck ist dank farbiger Markierungen (Rot schlägt Grün, Grün schlägt Blau, Blau schlägt Rot) schnell verinnerlicht und wenn man von Schwert auf Naginata oder Axt wechselt, erkennt man sofort, welchen potenziellen Schaden man selbst, ein benachbarter Kollege sowie der Feind macht.

Und es ist sehr motivierend, für jeden Kämpfer ein optimales Arsenal zu entwickeln - je variabler man zuschlagen kann, desto besser. Sehr hilfreich ist zudem das Einblenden der maximalen Angriffsreichweiten und Laufwege: Bis wohin darf ich meinen Kinshi-Ritter fliegen lassen, ohne dass er mit nur einem Pfeil abgeschossen werden kann? In welchen Bereich kann ich meinen Heiler zurückziehen? Manchmal muss man auch gezielt erst ein, zwei Feinde vernichten, um sich diese Freiräume zu verschaffen.

Drachenadern und Levelkomfort in "Vermächtnis"

Je nach Gelände kommt man schneller oder langsamer voran und genießt vielleicht Heil- oder Defensivboni in Wald oder Burg. Sehr schön sind auch die dynamischen Gelände, wenn z.B. drei Boote ständig hin und her navigieren und man in der richtigen Runde übersetzen sowie auf die plötzliche Trennung seiner Truppe achten muss. Außerdem sollte man die für die Serie neuen „Drachenadern“ in seine Routen- und Kampfplanung einbeziehen, denn nur auf diesen pulsierenden Feldern können Helden königlichen Geblüts territoriale Magie entfachen: Mal kann man ganze Flüsse austrocknen oder füllen, Eis schmelzen oder Heilzonen erschaffen, Blitze oder Regen rufen oder gar Berge einebnen. Cool ist, dass manchmal auch die feindlichen Helden darauf zurückgreifen, so dass man seine Soldaten möglichst nicht in die Trefferzonen dieser arkanen Macht schicken sollte – aber auch diese lassen sich einblenden.

In der Mitte links pulsiert eine blaue Drachenader: Wenn ein königlicher Held sie erreicht, kann er magische Kräfte entfesseln und den gefrorenen See schmelzen.
Wer diese Komfortfunktionen nutzt, wird auch mit einer dreifachen Übermacht fertig, zumal der Anspruch in der Kampagne „Vermächtnis“ auf Seiten der Hoshido recht moderat ist; manche von der Story dramatisch eingeleitete Karten kann man sogar in wenigen Zügen meistern. Zwar gibt es auch einige tückische Schlachten, gerade wenn man „Klassisch“ spielt und möglichst alle seine Helden retten will. Aber aufgrund der vielen optionalen Gefechte und Nebenquests, die man aus dem astralen Hauptquartier heraus bestreiten kann, lässt sich die eigene Truppe optimal aufrüsten – man kann gegen Gold sogar weitere Areale auskundschaften, um seine schwächeren Kämpfer dort gegen niedrigstufige Feinde zu trainieren. Meine Helden wurden über die 27 Kapitel der Kampagne „Vermächtnis“ hinweg immer effektiver, was Waffen, Fähigkeiten sowie das wichtige Vitamin B betrifft; auch an Gold gab es keinen Mangel - das geht, wie eingangs erwähnt, nicht so bequem in "Herrschaft".

Meistersiegel, Karrierewechsel & Gestaltwandler

Seine Veteranen kann man wie gehabt ab dem zehnten Level mit dem Meistersiegel in

Hauptheld Corrin kann sich in einen Drachen verwandeln - später kommen weitere Bestien und Gestaltwandler hinzu.
eine höhere Klasse hieven, wobei man die Wahl zwischen zwei Varianten hat – darunter interessante Ergänzungen: So kann aus einem Ninja z.B. ein „ein „Tüftler“ werden; dahinter verbirgt sich ein Puppenmacher, der neben Shuriken auch Bögen einsetzen und auf einem Holztier reiten kann. Auch hier ist Grübeln angesagt, denn man hat nicht genug Meistersiegel, um all seine erfahrenen Recken sofort weiterzubilden: Welche sind einem besonders wichtig? Sehr schön ist zudem, dass es je nach Kampagne bzw. Volk exklusive Klassen und Karrieren gibt.

Hinzu kommen auch Siegel, die Berufswechsel lediglich nach vorhandenen Talenten oder Beziehungen ermöglichen. Und es gibt natürlich erneut Bestien, die wie der Hauptheld ihre Gestalt wechseln können; neben Drachen sind z.B. Füchse und Wölfe dabei. Aber Vorsicht: Auch wenn sie sich spektakulär verwandeln und meist hohe Widerstände gegen normale Waffen besitzen, gibt es auch beim Feind Klingen, die nicht umsonst "Bestientöter" heißen.

Statische Bosse und Geländedefizite

Bei allem Lob für die taktische Vielfalt, gibt es auch einige Defizite. Fire Emblem setzt etwas zu oft auf das Spielziel „Alle vernichten“ und nur selten auf alternative Lösungen wie z.B. eine Flucht oder das Töten des Bosses. Gerade Letztere verhalten sich zudem recht statisch: Sie verharren häufig so lange in ihrem kleinen Bereich, ohne den Rest der Truppe zu unterstützen, bis man sie relativ einfach niedermetzelt. Immerhin gilt das nicht für alle feindlichen Story-Helden, die deutlich aktiver sind und auch mal eine Drachenader einsetzen. Unterm Strich ist die Gegner-KI der Bosse als auch jene des Kollektivs allerdings berechenbar; man kann die Karte lesen und wird nur selten von Flankierungen oder Manövern überrascht.  Aber das wird dadurch abgemildert, dass sie zumindest konsequent die schwächsten eigenen Einheiten

Auch wenn der Weg zum Ziel gut geplant sein muss: Manchmal ist es zu leicht, den finalen Boss zu vernichten.
angreifen – und auch das kann sehr weh tun. Außerdem muss man der KI zu Gute halten, dass sie Schätze plündert, Gebäude besetzt oder mit Beute zu fliehen versucht, so dass Perfektionisten einiges abseits der "normalen" Vernichtung aller Feinde zu tun haben.

Es gibt auch im Gelände einige offene Wünsche. Zwar spielt der Untergrund wie Straße, Wald oder Hügel meist eine Rolle für das Vorankommen und es gibt auch mal zerstörbare Wände für Abkürzungen, aber die Höhe bringt einem z.B. keinen Vorteil in der Reichweite. Außerdem ist es ärgerlich, dass Schützen mit ihren Pfeilen oder Ninja mit ihren Shuriken quasi durch Wände feuern dürfen, die als unpassierbar gelten. Auch die Effekte der Drachenadern wirken manchmal inkonsequent: Wenn ich schon einen vereisten See schmelzen kann, auf dem Feinde stehen, dann sollen sie bitte auch untergehen – oder zumindest großen Schaden nehmen. Nicht immer kann man diese arkanen Kräfte sinnvoll einsetzen.

Zwischen Kitsch und Kunst

Viel schwerer zu verdauen als diese kleineren Probleme im Gelände ist der anschließende Kitsch im Hauptquartier. Um

Die Filmsquenzen wirken elegant und episch, die meisten Dialoge und manche Interaktionen hingegen schrecklich kitschig.
Beziehungen aufzubauen, müssen Helden nicht nur zusammen kämpfen, sondern auch reden, baden und quatschen – so weit okay. Es kommt auch immerhin eine strategische Komponente hinzu, weil man nicht alle Charaktere so einfach verkuppeln kann: es gibt also Traumpaare und ich kann mir sogar eine Beziehungsprognose anschauen. Das Problem ist, dass die vielen Dialoge in ihrer Naivität kaum zu ertragen sind, so dass ich irgendwann heilfroh darüber war, dass man sie auf einen Knopfdruck überspringen konnte. Leider geht das mit den Touchscreen-Turteleien nicht, die sich nach "Einladungen" ins Privatquartier ergeben. Es ist schon vollkommen albern, dass man vom Gesicht auf das Dekolletee schwenken kann. Was soll der pubertäre Murks? Spätestens als ich meine Frau mit einem Fingerwischer aufwecken oder nach dem Bad trocken pusten sollte, war es mir zu viel an schwülstiger Romantik. Dass man seine (auf der Astralebene natürlich im Eiltempo heranwachsenden) Kinder aus finalen Heiratsbeziehungen mit in den Kampf nehmen kann, ist da schon etwas Handfesteres, zumal sie die Fähigkeiten der Eltern übernehmen.

Einstieg mit Widersprüchen, Präsentation auf höchstem Niveau

Zwar leidet der Einstieg auch daran, dass Gut und Böse so klar wie in einem Märchen erkennbar sind, so dass man sich zunächst fragt, warum man sich nach sechs Kapiteln überhaupt für eine Kampagne entscheiden soll: Die moralische Antwort

Die Hintergrundgeschichte ist mit ihren drei Blickwinkeln auf lange Sicht interessant. Aber zwischendurch muss man viel Kitsch und Schwarzweiß ertragen.
scheint angesichts eines Vaters und Erzbösewichts, der wie ein teutonischer Sauron auftritt und mordet, während seine Familie in kompletter Naivität gebannt zusieht, eigentlich klar. Warum sollte man sich für diesen Schlächter entscheiden? Gerade zu Beginn gibt es angesichts dieses zu offensichtlich Wahnsinnigen einige Widersprüche in den dümmlichen Gesprächen. Hinsichtlich der Dramaturgie und Gesprächsführung wirkt dieses Fire Emblem wie ein Kinderspiel im Vergleich zum wesentlich reiferen The Banner Saga 2.

Der Konflikt zwischen den „guten“, an die japanische Kultur angelehnten, Hoshiden und den „bösen“, an europäisches Mittelalter mit deutschem Einschlag angelehnten, Nohr entfaltet erst auf lange Sicht seine Reize – nicht nur, weil es Verrat und Überläufer sowie einige Überraschungen gibt, sondern vor allem aufgrund der verschiedenen Blickwinkel der drei Kampagnen, in denen man ja nicht nur identische Nebenquests aus anderer Sicht, sondern auch die Machtpolitik erlebt.

Vater oder Dämon? Der Erzbösewicht macht es einem sehr schwer, sich für die Ziehfamilie der Nohr zu entscheiden.
Man gewinnt Einblicke in das jeweilig andere Volk, lernt auch den Widerstand kennen oder fremde Mächte, so dass es dann doch nicht so eindeutig gut oder böse zur Sache geht. Entscheidend ist, dass man erst nach Vollendung von "Offenbarung", also nach 60 bis 90 Stunden Spielzeit, ein komplettes Bild dieses Krieges mitsamt seiner Fraktionen bekommt. Unterm Strich ist das durchaus ein lobenswerter erzählerischer Ansatz. Nur leider ist der Weg zur finalen Erkenntnis mitunter eher albern als dramatisch und aufgrund des dreifachen Ansatzes letztlich auch zäh: Natürlich stellt sich eine gewisse Routine ein, wenn man zum zweiten oder dritten Mal antritt.

Rechtfertigt der Perspektivwechsel die Aufteilung in drei Spiele? Nein, absolut nicht. Selbst wenn sie unterschiedlich konzipiert sind, was Anspruch und Fraktionen betrifft, wiederholen sich wie gesagt viele Spielmechaniken. Für treue Fans ist das natürlich auch eine teure (40 Euro pro Kampagne) und verwirrende Aufteilung: Was bekommt man wann? Was spielt man am besten zuerst? Wieso gibt es "Offenbarung" nur digital ab Juni?

Nicht vergessen darf man bei aller Kritik an der Regie sowie Distribution, dass Fire Emblem Fates trotz dieser Kitschanflüge und Aufstückelung überaus hochwertig präsentiert wird. Der dramaturgische Kontrast zwischen kindlicher Naivität in Dialogen & Co und dem heroischen Pathos in den kunstvoll arrangierten Zwischensequenzen ist groß. Intelligent Systems zeigt die ansehnlichsten Cutscenes, die ich bisher auf einem Handheld gesehen habe – voller Eleganz und Ausdruckskraft entfaltet sich ein Fantasystil, den man auch als Erwachsener westlicher Prägung genießen kann. Schon das Intro ist klasse, was die Regie sowie das Art-, Sound- oder Figurendesign betrifft. Ich habe mir später in der „Ruhmeshalle“ sehr gerne all die archivierten Filmszenen wie „Lied am See“ oder „Unwirksamer Fluch“ nochmal angeschaut. Last but not least: Die Kampfanimationen. Das

Die Kampfanimationen sind klasse choreografiert.
sind einfach tolle Choreographien, die man aus allen möglichen Perspektiven von Ego bis Schulter ansehen kann. Die Produktionsqualität ist für ein Handheld-Spiel außergewöhnlich.

Sammelwahn und Aufbauspiel

Fire Emblem hat sich traditionell auch über Sammelreize definiert: Man wollte immer möglichst viele Helden in seinen Reihen haben und sie optimal ausrüsten. Intelligent Systems treiben es diesmal auf die Spitze – man fühlt sich fast wie in einem Harvest Moon mit Communityfunktionen. Aber diese Ernte- und Aufbauelemente können nicht mal ansatzweise so gut unterhalten wie die Kämpfe. Ich habe natürlich nichts dagegen, dass sich die neun Ausrüstungskategorien von Schwert über Axt und Bogen bis hinzu Schriftrollen, Steinen und Stäben auch aufgrund der Läden so schnell füllen. Es bleibt übrigens dabei, dass es keine Rüstungen oder Schilde für die Kampagne gibt und dass bei einem Aufstieg bestimmte Werte von Stärke über Magie bis Glück automatisch steigen. Allerdings kann man einzelne Werte über Artefakte nicht nur temporär für eine Schlacht, sondern auch permanent erhöhen.

Das eigene Hauptquartier kann u.a. im Hoshido-, Windklan- oder Izumo-Stil gebaut werden.
Hinzu kommen im astralen Hauptquartier nicht nur diverse Musiken sowie Stile für das allgemeine Aussehen, sondern über 40 Gebäude, die man errichten und in mehreren Stufen aufwerten darf: Von kleinen Statuen, die Maximalwerte des namengebenden Helden erhöhen, bis hin zu Bad, Gefängnis, Schmiede, Kasino, Arena mit ganz eigenen Funktionen wie Glücksspiel, Zweikampf etc. So entsteht mit der Zeit eine kleine Stadt voller Nebenaktivitäten, in der nach einem Gefecht zig Ausrufezeichen aufpoppen, die zu Gesprächen oder Sammelei animieren. Man kann sogar von der Draufsicht in die Schulterperspektive wechseln und seine Siedlung erkunden oder Schlösser von Freunden besuchen.

Tageszeiten, Ernte und Astraldrache

Mir war das als Feldherr alter Schule ehrlich gesagt zu viel. Es gibt ja nicht nur vier

Man kann seine Siedlung nicht nur aus der Draufsicht, sondern auch aktiv erkunden.
Tageszeiten, die unterschiedliche Ernten oder Aktionen hervorrufen, sondern zwölf Rohstoffe wie Lapis oder Rubine, die man immerhin in der Schmiede einsetzen kann, damit aus zwei ähnlichen eine bessere Waffe entsteht. Es gibt allerdings auch zehn Nahrungsmittel von Reis bis Fisch, die man für temporäre Fähigkeitenboosts zu Gerichten für seine Truppe verarbeiten oder dem Astraldrachen verfüttern kann, damit er stärker wird. Oder anders: Man kann sich hier bei jedem Besuch erstmal einen Wolf sammeln. Und nicht alles an Nebenaktionen macht Laune: Gerade bei den Arenaduellen ist mir zu viel Zufall im Spiel, wenn man z.B. Rubine auf seine Kämpfer setzt - man kann sie nicht nach Gegner auswählen, keinerlei Taktik einstellen, sondern muss blind setzen.

Ein Ziel dieser Aufbauspirale ist, dass man sich für Belagerungen wappnet, die man

Viel mehr Spaß als dieser Aufbau machen aber weiterhin die Kämpfe: Gelingt die schnelle Flucht?
offline gegen die KI oder online gegen Invasoren austragen kann – dafür kann man auch Ballisten und Kanonen errichten oder Gebäude, die die Kampfkraft der Verteidiger erhöhen. Wird man attackiert, stehen die Feinde an drei offenen Flanken und es gilt sie schnell zu vernichten, denn sie können Gebäude zerstören oder den eigenen Thron besetzen. Gegen den Computer macht das ehrlich gesagt nur leidlich Spaß, weil die KI sehr vorhersehbar agiert und der ewig aufgepeppelte Astraldrache als neutrale Figur einfach nur da steht und nicht eingreift. Wofür hab ich den die ganze Zeit gefüttert? Der Reiz soll natürlich im PvP liegen, der hier eine Premiere feiert. Schließlich gibt es sogar einen Zubehörladen, in dem man auch noch Accessoires wie Broschen oder Gewänder erwerben kann, die lediglich Boni für diese Multiplayerduelle liefern.

Und ja, die Kämpfe gegen unberechenbare menschliche Gegner sind natürlich reizvoller, zumal man jetzt erstmals lokal oder online auch im 2-vs-2 gegeneinander antreten kann, wobei jeder bis zu fünf Einheiten ins Feld führt. Zu Beginn wählt man zusammen eine Karte oder lässt den Zufall entscheiden. Allerdings ist gerade die Beschränkung auf lediglich fünf Helden natürlich ein Dämpfer für alle, die mal etwas komplexer auf dem PC rundentaktisch im Netz gekämpft haben. Außerdem ist die Balance abhängig vom Level des Gegners: Wer seine Kampagne bereits beendet hat, kann natürlich mit deutlich stärkeren Kriegern auftreten. Immerhin kann man den Kontrahenten auch unter seinen Freunden suchen, falls man denn Codes ausgetauscht hat.

Fazit

Fire Emblem Fates ist ein episches Biest. Ich verabscheue seine alberne Fratze, aber ich liebe es, wenn es die rundentaktischen Krallen ausfährt. Auch wenn die Aufspaltung in drei Kampagnen unnötig verwirrt und treue Fans mehrmals zur Kasse bittet: Der Reiz der drei Blickwinkel auf diesen Krieg erschließt sich am Ende der Reise. Der Weg dahin war für einen westlich geprägten Taktiker wie mich manchmal steinig, weil die Dialoge und das Geturtel schrecklich dämlich, das Betatschen oder Bepusten von Figuren einfach nur peinlich und der Aufbau einer Siedlung mit zu viel Ballast überladen ist. Aber neben dem Kitsch gibt es viel Kunst, sowohl im Spiel- als auch Artdesign. Da sind nicht nur die fantastisch inszenierten Filmszenen, die dieser Fantasy die nötige Eleganz verleihen, sondern auch richtig coole Kampfanimationen. Die Produktionsqualität ist für ein Handheld-Abenteuer enorm, die Spielzeit ebenfalls und nach der anfänglichen Schwarzweißmalerei kann die Story auch machtpolitische Grautöne zeigen und mit Wendungen überraschen. Das komplexe Figuren- und Beziehungsmanagement wird Rollenspieler und Feldherren begeistern, es gibt neue magische Gelände-Funktionen sowie vor allem tolle Kämpfe. Auch wenn es in der Geländetaktik oder KI kleinere Defizite gibt, entspinnen sich abwechslungsreiche Gefechte, die Einsteigern sinnvolle Hilfen anbieten und Perfektionisten alter Schule clevere Planung abverlangen, um alle Helden zu retten und Boni abzustauben. Aufgrund vorbildlicher Menüs und Anzeigen kann man sich in aller Ruhe in anspruchsvolle Scharmützel stürzen, um das Beste aus seinen Truppen und der Karte herauszuholen. Last but not least kann man sich erstmals auch mit bis zu vier Freunden online bekämpfen - leider nur mit jeweils fünf Kriegern. Auch wenn Intelligent Systems mit den Community- und Aufbaufunktionen sowie der Veröffentlichungspolitik überdreht, ist der rundentaktische Kern dieser Fantasysaga ein sehr guter.

Pro

epische Kriegssaga mit drei Blickwinkeln
"Vermächtnis" mit vielen Nebengefechten
"Herrschaft" zieht den taktischen Anspruch an
"Offenbarung" überrascht mit neuer Perspektive
Story zeigt später Grautöne und Überraschungen
angenehm vielfältige Rundentaktik
je nach Position tolle Konter, Schadensboni etc.
Gegner-KI greift schwächste Einheiten an
feindliche KI-Generäle nutzen Drachenadern
neue magische Interaktionen im Gelände
komplexes Beziehungsmanagement
Heirat und Kinder kriegen, die mitkämpfen
motivierendes Figuren- und Karrieremanagement
viele Subklassen und markante Volksunterschiede
ausgezeichnete Filmszenen
hervorragendes Menüdesign, vorbildliche Optionen
drei Schwierigkeitsgrade und Spielmodi
zig Waffentypen, dazu Magie und Verwandlungen
Dialoge auf Knopfdruck überspringbar
Siedlungsaufbau mit über 40 Gebäuden
optionale Belagerungen, andere Siedlungen ansehen
Spielzeit für alle Kampagnen bei 60 bis 90 Stunden
befriedigendes Ende nach "Offenbarung"
Arenakämpfe lokal und online 2-vs-2

Kontra

viele dümmliche Dialoge
peinliches Touchscreen-Geturtel
zunächst nur Schwarzweißmalerei in der Story
KI und v.a. Bosse reagieren meist zu statisch
nicht immer konsequente Drachenader-Effekte
Pfeile und Shuriken durch Mauern
nur fünf Einheiten pro Online-Kämpfer
einige überflüssige Siedlungsaktionen (Arena etc.)
etwas zu oft "Alle vernichten" als Kartenziel
viele Wiederholungen im Verlauf der drei Kampagnen

Wertung

3DS

Fire Emblem Fates ist ein episches Biest. Ich verabscheue seine alberne Fratze, aber wenn es die rundentaktischen Krallen ausfährt, liebe ich es.

N3DS

Fire Emblem Fates ist ein episches Biest. Ich verabscheue seine alberne Fratze, aber wenn es die rundentaktischen Krallen ausfährt, liebe ich es.

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