Offworld Trading Company06.05.2016, Mathias Oertel
Offworld Trading Company

Im Test: Feindliche Übernahme statt Artillerie

Für die "große" martialische Echtzeitstrategie à la Total War fehlt mir die Geduld für die Einarbeitung. Bei der  traditionell geruhsameren Aufbau- und Wirtschaftsstrategie fühle ich mich besser aufgehoben. Offworld Trading Company (ab 8,99€ bei kaufen), das neue Spiel von Soren Johnson (Lead Designer bei Civilization 4), versucht diese Elemente zu mischen. Ob der ungewöhnliche Krieg unterhalten kann, bei dem nicht mit Artillerie oder Truppenstärken, sondern Gesetzen der Marktwirtschaft gekämpft wird, verraten wir im Test.

Elektronik statt Artillerie

Um auf der hartumkämpften Rohstoffquelle Mars überleben zu können, schickt man in Offworld Trading Company keine Truppenverbände gegen das feindliche Hauptquartier. Man versucht nicht, mit Artillerie, die Frontlinie zu verschieben. Stattdessen probiert man, möglichst kostensparende Produktionsketten und kurze Wege zu abgebauten Rohstoffen zu finden, um die daraus entstehenden Waren so gewinnbringend wie möglich auf den Markt zu werfen, während man versucht, die Preise der bevorzugten gegnerischen Verkäufe zu drücken. Und wieso das alles? Um die Aktien der Konkurrenz (man kann mit bis zu sieben anderen Parteien um Rohstoffe und Verkaufspreise streiten) so kostengünstig wie möglich aufzukaufen und sie aus dem Markt zu drängen.

Die Kulisse mit ihren Hexfeld-Karten ist ansehnlich, wenngleich die Zweckmäßigkeit überwiegt.
Das mag zwar trocken und nach Excel-Geschiebe klingen, doch Offworld Trading Company ist von Tabellenkalkulation in etwa so weit entfernt wie Hannover 96 von der deutschen Fußball-Meisterschaft. Und übermäßig komplex ist es oberflächlich betrachtet auch nicht. Auf den zufällig genierten Hexfeldkarten gibt es sechs Rohstofftypen, die entweder unverarbeitet oder in Kombination mit anderen insgesamt 13 unterschiedliche Handelsgütern ergeben. Das komplexeste Produkt „Elektronik“ benötigt vier Basisstoffe. Auch um optimierte Transportwege muss man sich nicht kümmern. Die Luftfrachter pendeln ständig automatisch auf dem kürzesten Weg zwischen Rohstoff-/Produktionsquelle und dem Hauptquartier – allerdings entscheidet die Wegstrecke über die dafür nötige Energie, die man sich über den Bau von Solar-, Wind- oder Planetenwärme-Generatoren besorgt. Dass trotz dieser überschaubaren Möglichkeiten dennoch eine angenehme Hektik aufkommt, die der in traditioneller Echtzeitstrategie nicht nachsteht, liegt an zahlreichen Faktoren.

Allein gegen alle

In der Kampagne kann man persistente Boni freischalten, um sich Vorteile im Kampf um den roten Planeten zu verschaffen.
Man ist nie alleine unterwegs, sondern hat entweder bei Scharmützeln gegen maximal sieben kompetent wie aggressiv vorgehende KI-Gegner oder den spannenden Online-Duellen für ebenfalls insgesamt bis zu acht Spieler harte Konkurrenz. Hier kann man das Spiel auf Freunde beschränken oder für alle öffnen, aus einer passablen Zahl von Karten unterschiedlicher Größe wählen und auch einstellen, ob die KI fehlende menschliche Mitspieler ersetzt. Ungeachtet der Spielerzahl steht man zudem von Beginn der jeweils etwa 20 bis 40 Minuten dauernden Wirtschafts-Schlachten unter Druck. Das beginnt bereits bei der Auswahl des Standorts für das Hauptquartier: Die Karte ist zu Beginn komplett verdeckt. Über Scans kann man diese nun Stück für Stück aufdecken und die dort ruhenden Rohstoffvorkommen einsehen, um den besten Startplatz zu evaluieren. Allerdings sollte man sich sputen, denn die Konkurrenz schläft nicht und sucht ihrerseits den idealen Standort – was im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass man am Ende mit einer ungünstigen Startposition da steht. Und ein guter Start ist bei Offworld Trading Company sehr wichtig. Denn wenn man feststellen sollte, dass das für die Weiterverarbeitung wichtige sowie evtl. knappe Wasser für den eigenen Standort weit entfernt liegt und dadurch die Transportkosten explodieren, sollte man sich überlegen, vielleicht sofort die Segel zu streichen und ein neues Spiel zu wagen.

Man kann natürlich auch versuchen, sich durchzubeißen und eventuelle Defizite auf dem preislich stets in Bewegung befindlichen Markt auszugleichen, der sich am simplen Prinzip von Angebot und Nachfrage orientiert. Natürlich kann man umgekehrt auf diesem Wege auch versuchen, seine Konkurrenz in Schach zu halten, so dass sie ggf. fehlende Rohstoffe teuer einkaufen muss, die daraus resultierenden Produkte aber nicht gewinnbringend verkaufen kann. Eine clevere Mechanik ist dabei, dass man über den Ankauf von Energie zwar Schulden anhäufen kann, die Einfluss auf die Firmenbewertung (sprich: den Aktienkurs) haben, dass man aber alle anderen Waren nur kaufen kann, solange man einen positiven Kontostand hat. Zusätzlicher Druck entsteht durch die limitierte Anzahl an Feldern, die man als "Claim" annektieren kann. Zwar kann mit jeder Ausbaustufe des Hauptquartiers die Zahl der möglichen Bauplätze aufgestockt werden, doch für jede Erweiterung sind bestimmte Rohstoffe oder Produkte notwendig, so dass ein vorausschauendes Bauen vonnöten ist, wenn man nicht irgendwann ohne Claim-Anspruch bei gleichzeitigem Rohstoff-Mangel dastehen will.

Da man den Abbau von Ressourcen sowie die Güterproduktion über das benachbarte Platzieren gleichartiger Fabriken optimieren kann, bekommt die taktisch clevere Bebauung eine weitere Nuance, die man beachten muss.

Freundliche Übernahme?

Mit 13 Rohstoffen bzw. Produkten am Markt, ist der wirtschaftliche Unterbau überschaubar. Trotzdem kommt es gegen bis zu sieben Kontrahenten zu spannenden Auseinandersetzungen.
Um sicherzugehen, dass man nicht das Opfer von feindlichen Angriffen wird, indem die Konkurrenz die in Zehnprozentpaketen verfügbaren Aktien kauft, sollte man also möglichst profitabel arbeiten und den Aktienkurs in die Höhe treiben. Dazu kann man einerseits bestimmte Produktionszweige über Forschung optimieren. Andererseits jedoch kann man versuchen, die Profitabilität der Konkurrenz über Aktionen am so genannten "Schwarzmarkt" temporär zu senken. Hier steht eine ganze Palette an Sabotage-Aktionen zur Verfügung, die von Manipulation der Bedarfserwartung bis hin zu Meuterei, unterirdischen Atomtestes (die den Rohstoffabbau einschränkt), angeheuerten Piraten oder EMP-Schlägen reichen, die ganze Anlagen außer Gefecht setzten. Man kann für viele dieser Aktionen auch kostspielig Gegenmaßnahmen ergreifen, wobei die Auswahl sowohl für die defensiven als auch offensiven Optionen pro Karte zufällig bestimmt wird. Man wird ständig auf Trab gehalten: Die Gegner müssen beobachtet, ihre Versorgungswege analysiert und behindert werden, während man sich selbst dauernd schützen und den Ausbau der eigenen Produktion vorantreiben muss. Es warten Entscheidungen: Lieber abwarten und ein bisschen Geld sparen, um die für den nächsten Ausbau benötigten Rohstoffe am Markt zu kaufen? Das Geld raushauen und die Preise für die beliebtesten Konkurrenz-Produkte in den Keller zu treiben? Oder vielleicht doch die kontrollierte Offensive suchen und die Aktienpakete einverleiben? Spätestens jetzt wird klar, dass hier keine beschauliche Wirtschaftssim wartet, sondern mitunter hektische Echtzeitstrategie mit marktwirtschaftlichem Hintergrund.

Die Karten werden ebenso zufällig generiert wie die Bestückung des Schwarzmarktes.
Wer auf den Schwarzmarkt verzichten möchte (zumindest auf die Offensivaktionen), hat ebenfalls weitere Möglichkeiten, seinen Profit zu steigern. Die sinnvollste ist die Errichtung einer Raketenstation, die in regelmäßigen Abständen Waren in außermarsianische Bereiche exportiert, wo massive Gewinne generiert werden können. Doch Vorsicht: Diese Basis wird natürlich zur perfekten Zielscheibe für Sabotageaktionen. Dass Offworld Trading Company auf den schnellen, kurzweiligen Spaß ausgerichtet ist, merkt man nicht nur an den überschaubaren Inhalten, sondern auch an der trotz Schwarzmarkt-Variation sowie zufälliger Karten (die im Multiplayer nach zahlreichen manipulierbaren Parametern generiert werden) aufkommende Redundanz. Wie bei herkömmlicher Echtzeitstrategie bleiben bestimmte Grundkreisläufe in jedem Spiel gleich. Und leider schaffen es die vier wählbaren Fraktionen nicht, dieses Manko aufzuweichen. Zwar gibt es hier und da Unterschiede wie z.B. die Fabriken der New Meridiens, die direkt auf Rohstoffquellen platziert werden können. Doch unter dem Strich wirken sich diese Differenzen nicht so gravierend auf den Spielverlauf aus wie es z.B. Blizzard mit den Unterschieden von Terranern, Zerg und Protoss vorgemacht hat.

Nett, aber belanglos

Man wird immer wieder Opfer von Sabotage-Aktionen - auch gegen die kompetente KI.
Auch die Einzelspieler-Kampagne bleibt oberflächlich. Zwar kann man sich nach jeder erfolgreichen Mission über persistente Boni oder zusätzliche Geldmittel freuen, mit denen man sich weitere Vorteile verschaffen kann. Doch die Defizite, die sich in den Scharmützeln und Online-Spielen zeigen, gelten auch hier: Die Zufälligkeit der Karten lässt einem manchmal vor Frust in die Maus beißen. Und die Entscheidung, Aktienpakete zugunsten von stets teurer werdenden Ausbaustufen der Marskolonie fallen zu lassen, die dazu beitragen, dass man die dominante Wirtschaftsmacht auf dem roten Planeten wird, hilft ebenfalls nicht, um mittelfristig für Abwechslung zu sorgen. Doch für ein Spielchen zwischendurch – und sei es nur, um sich auf das nächste Online-Spiel vorzubereiten und seine Klickwege zu optimieren, kann man mit der schwach erzählten Kampagne durchaus ein paar vergnügliche Stunden verbringen.

Fazit

Das Experiment von Civilization-4-Leaddesigner Soren Johnson ist gelungen: Statt mit Patronen und Truppen wird hier mit Rohstoffen, Produkten und harter Währung um die Vormachtstellung auf dem roten Planeten gekämpft – knallhart, hektisch und unnachgiebig. Dabei folgt die Preisentwicklung realistisch wirkenden Gesetzen von Angebot und Nachfrage, wobei die Auswahl mit gerade mal 13 Waren überschaubar bleibt und der Aufbau von cleveren Kreisläufen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dafür hat man auf den zufällig generierten Karten zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die sich fast immer auf die Marktsituation und stets auch langfristig auf den eigenen Kontostand auswirken. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem Schwarzmarkt zuteil, der mit seinen pro Karte zufällig ausgewählten Sabotageaktionen ein enormes Spannungs- und Überraschungsmoment aufbaut. So sorgen vor allem die Scharmützel oder Mehrspielerduelle gegen bis zu sieben kompetente KI-Kontrahenten oder menschliche Gegner (auch gemischt) für spannende Zwischendurch-Unterhaltung. Schade, dass die Kampagne trotz non-linearer Missionsabfolge oberflächlich bleibt und die vier Fraktionen zu geringe Unterscheidungsmöglichkeiten haben. Denn andernfalls hätte aus einer richtig guten vielleicht sogar eine sehr gute Echtzeitstrategie mit exotischer Ausprägung werden können.

Pro

vier Fraktionen
spannende "Kämpfe" um Rohstoffe und Wirtschaftsmacht
zufällig generierte Karten
zufällig generierte "Schwarzmarkt"-Auswahl sorgt für Überraschungs-Moment
kompetente KI
kurzweiliger Mehrspieler-Spaß für bis zu acht Spieler
Markt orientiert sich an Angebot und Nachfrage
ordentliche Tutorials
tägliche Herausforderungen

Kontra

deren Eigenheiten differenzierter ausfallen könnten
Kampagne wird trotz diverser Startbedingungen schnell redundant
starker Zufallsabhängigkeit bei Spielaufbau sowie Schwarzmarkt-Aktionen
mit 13 Rohstoffen bzw. weiterverarbeiteten Waren überschaubare Kreisläufe

Wertung

PC

Interessante Echtzeit-Strategie, bei der nicht mit Waffen und Truppen, sondern mit Rohstoffen und Marktpreisen gekämpft wird.

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