HTC Vive15.04.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Das private Holodeck

Wir bringen das Premium-Erlebnis: Mit diesem Versprechen starten Hardware-Produzent HTC und Steam-Betreiber Valve ins VR-Zeitalter. Im Gegensatz zur Konkurrenz liegen von Beginn an Bewegungs-Controller und präzise Tracking-Würfel bei. Wie man die Technik installiert und wie sich die virtuelle Realität präsentiert, untersuchen wir im Test.

Das Zimmer als Spielwelt

Wenn schon, dann richtig und raumfüllend: Mit dieser Maxime ist das HTC Vive (ab 798,00€ bei kaufen) in der vergangenen Woche gestartet - zumindest theoretisch, denn ähnlich wie beim Konkurrenten Oculus Rift lief die Auslieferung der ersten Vorbestellungen eher schleppend an und litt unter Problemen bei der Abbuchung. Wer zu den frühen Empfängern gehört, muss erst einmal Platz schaffen. Die Einrichtung bietet auch eine Option für kleine Flächen vor dem Monitor an (z.B. für Spiele im Cockpit). Die interessantesten Titel legen ihren Fokus aber bereits auf das raumfüllende „Roomscale“-Prinzip: Es handelt sich also um Spiele, bei denen man durch größere Areale schreitet und sich immer wieder an andere Orte beamt. In The Gallery oder Windlands erforscht man rätselhafte Inseln, im Job Simulator schwingt man mit den präzisen Bewegungs-Controllern Küchenmesser und andere Arbeitsutensilien, in Space Pirate Trainer oder The Lab zielt man direkt mit Pistolen und Bogen auf Gegnerhorden. Mit Quar: Battle for Gate 18 gibt es sogar schon ein Rundenstrategiespiel, bei dem man direkt über die Karte spaziert.

In der großen Box stecken erstaunlich viel Hardware und viele Kabel. Nach Installation und Einrichtung bleibt aber kaum etwas davon im Karton übrig.
Im Gegensatz zu Oculus Rift und PlayStation VR hat Valve aber noch keine Spiele mit großem Namen oder gar Exklusivtitel im Aufgebot. Dafür deutet das Eintauchen ins Holodeck faszinierende Potenziale an. Es lässt sich nur schwer mit Worten oder Videos beschreiben, wie überraschend es sich anfühlt, wenn man plötzlich durch einen virtuellen Raum geht, sich frei umschauen kann und auch die Hände vor den Augen exakt das machen, was man von ihnen erwartet. Zumindest solange das Tracking mitspielt, denn ab und zu hatte die Erfassung auch ihre Zicken wie Kamerawackeln oder wegdriftende Controller. Die meiste Zeit über haben sich die optimierten Stiel-Controller aber als großartige Eingabemöglichkeit bewiesen. Sie liegen geschmeidig in der Hand, wirken robust, sind nicht zu schwer und bieten trotzdem genügend Gewicht, um z.B. in Hot Dogs, Horseshoes & Hand Grenades gefühlvoll Granaten zu werfen oder im Job Simulator mit Objekten zu jonglieren. Der Analog-Trigger mit zusätzlichem Klick eignet sich prima zum Greifen, das runde Touchpad mit Klick-Möglichkeit ist praktisch für Auswahlmenüs und auch die übrigen Eingabe-Elemente wie die drei Digi-Knöpfe wurden sinnvoll angebracht. Dank der neuen kreisrunden Wölbung lassen sich vor allem Pistolen und andere nach vorne gerichtete Objekte realistischer simulieren als mit dem Prototypen.

Platz- und Technikhürden bei der Einrichtung

Bevor es losgehen kann, müssen allerdings erst einmal Aufbau und Einrichtung bewältigt werden, was zumindest bei uns nicht ganz so schnell und unkompliziert ablief, wie HTC es gerne bewirbt. Zunächst haben wir das Büro umgeräumt, um genügend Platz zu schaffen. Schon zu Beginn ist gute Planung gefragt: Steht der PC-Schreibtisch im gescannten Bereich? Reichen die Steckdosenleisten bis zu allen nötigen Geräten oder liegen sie als Stolperfalle auf dem Spielfeld?

Auf technischer Augenhöhe mit Oculus Rift?

Die technischen Daten des Headsets unterscheiden sich kaum vom Konkurrenten Oculus Rift: Das Sichtfeld beträgt 110 Grad, die OLED-Displays haben 2160 x 1200 Bildpunkte, was pro Auge eine Auflösung von 1080 x 1200 ergibt. Ein Vorteil ist, dass nur ein USB-Anschluss benötigt wird. Wenn man die Wahl hat, soll man laut Anleitung sogar lieber USB2.0- statt 3.0-Anschlüsse nutzen, da diese seltener unter Kompatibilitätsproblemen leiden sollen. Zum Vergleich: Die Oculus Rift belegt zwei USB3.0-Ports. Das Bild wirkte stets angenehm hell, so dass wir auch in den schummrigen Höhlen von The Gallery: Episode 1 - Call of the Starseed genug erkennen konnten. Zusätzlich zum Headset müssen schließlich zwei kleine Tracking-Würfel in den Zimmerecken aufgestellt werden, die den Raum ununterbrochen mit unsichtbaren Laserstrahlen scannen. Sie können in einem Regal aufgestellt werden, welches allerdings nicht all zu stark durch Schritt-Vibrationen erschüttert werden darf. Wir haben uns für die Montage an den Rigipswänden mit den mitgelieferten Kugelgelenken entschieden, doch auch dabei gibt es Tücken. Weiter als fünf Meter sollen die Stationen laut Anleitung nicht voneinander entfernt sein. Man braucht also nicht nur viel Platz, sondern auch eine möglichst quadratische Fläche – oder zumindest (wie bei uns) ein Rechteck, bei dem sich die Länge nicht all zu stark von der Breite unterscheidet. Auch bei der Kalibrierung hatten wir mit kleinen Zicken zu kämpfen: Als der Boden und die Außengrenzen festgelegt werden sollten, brach immer wieder die Verbindung zu einem der Controller ab. Erst als wir die Firmware des Eingabegeräts mehrmals aktualisiert und das Programm neu gestartet hatten, klappte es endlich nach rund einer Stunde.

Endlich geht's los!

Nach erfolgreicher Einrichtung muss man nur noch das Headset überstülpen und landet sofort in seinem kleinen Steam-Holodeck, das von leuchtenden Gittern eingefasst wird. Deren Linien signalisieren dem Spieler, dass er zu nah an die echten Grenzen des Raumes tritt. Inmitten der nicht komplett geraden Außengrenzen erzeugt SteamVR ein ordentliches symmetrisches Rechteck, das von vielen Spielen genutzt wird. Auf Wunsch lässt sich auch die Frontkamera aktivieren, wenn man wieder einmal von den Kollegen geärgert wird oder schnell anderweitig mit der Außenwelt kommunizieren muss. Einfach einen Controller hochhalten und schon sieht man in einem kleinen Fenster das Kamerabild der frontalen Headset-Linse. Auch ein Steam-Bildschirm lässt sich aufrufen, so dass man unproblematisch durch VR-Titel browsen kann, sie startet oder die Lautstärke anpasst. Ähnlich wie auf den aktuellen Konsolen lässt sich dieses übergeordnete VR-Dashboard auch während laufender Spiele aufrufen. Oder man wechselt gleich komplett auf den Windows-Desktop, zielt mit den Controllern auf Icons und Programme oder gibt mit Hilfe einer virtuellen Tastatur Text ein.

Die Zukunft kann beginnen - auch für Mathias!
Viel spannender ist es natürlich, erst einmal ein wenig im seinem neuen „VR-Käfig“ herum zu wandern und den Blick über den Weltraum-Hintergrund schweifen zu lassen. Das erstaunlichste Erlebnis ist gleich zu Beginn, wie präzise die beiden Griff-Controller reagieren – und wie genau ihre reale Position mit der in der virtuellen Welt übereinstimmt.

Als ich die VR-Brille bereits aufhatte, streckte ich einfach meine Hände aus und hob die beiden Stäbe exakt an der richtigen Stelle auf. Als ich sie zusammenführe, berührten sie sich fast millimetergenau an den Kanten: klack, klack!

Schweißtreibendes Training für Weltraumpiraten

Vorsicht, Suchtgefahr: Dieter turnt im Redaktionsalltag immer mal wieder in Space Pirate Trainer herum, um seinen haushohen Highscore-Vorsprung unnötig auszubauen.
Die Kombination aus präzisem Tracking, niedriger Latenz und stabilen 90 Bildern pro Sekunde machen die Bewegungen derart schnell und verzögerungsfrei, dass die virtuelle Welt sich erstaunlich real anfühlt. Das macht sich vor allem in blitzschnellen Schusswechseln bemerkbar: In Space Pirate Trainer z.B. wird man wie auf einem Schießstand rundum von kleinen schwebenden Drohnen attackiert. Wenn Dieter mal wieder eine Runde einlegt, flitzt er tatsächlich wie beim Lasertag durch den Raum, geht in die Knie und weicht seitlich aus, damit kein Projektil seinen Körper trifft.

Gemessen wird seine Position durch die insgesamt 80 Photosensoren auf dem Headset und den Controllern, zu erkennen an den kleine Einbuchtungen. Da sie rundum angebracht sind, wird aus jedem Winkel die richtige Position erkannt. Die beiden Würfel des „Lighthouse-Systems“ feuern ununterbrochen fächerartig ihre Laserstrahlen ab und müssen nicht mit dem PC verbunden werden, sie nehmen drahtlos miteinander Kontakt auf. Wenn eine große Lampe dazwischen hängt oder die Würfel nur tief stehen können, kann man eine fehlerhafte Erkennung mit einem Verbindungskabel verbessern.

Renitente Tracking-Probleme

Zu Beginn flutschte die Erkennung bei uns erfreulich gut, doch irgendwann schlichen sich immer wieder kleine Probleme ein. Mal zuckte die Kamera, in anderen Momenten der Controller – manchmal driftete er sogar komplett vom Körper weg, weil die Stationen das Tracking verloren hatten. Vor allem das gelegentliche Kamerawackeln wirkte unangenehm - nicht wirklich dramatisch, aber renitent genug, um auf Dauer auf die Nerven zu gehen. Auch diverse Umbauaktionen und erneutes Kalibrieren der Umgebung konnten das Problem nicht lösen. Wir haben es mit einer Verringerung der Distanz zwischen den Tracking-Boxen versucht, die beiden Würfel mit dem optionalen Hilfs-Kabel verbunden, reflektierende Schreibtische und Kameraleuchten abgedeckt, den Raum abgedunkelt, die Frontkamera deaktiviert und vieles mehr. Auch andere Magazine wie Tested berichten von ähnlichen Problemen, die bereits beim Vorseriengerät Vive Pre auftraten. Kein Wunder, dass HTC das System auf Messen in abgedunkelten, nahezu komplett leeren Parzellen mit reflexionsfreien Filzwänden präsentiert.

VR-Geburtsstunde mit lästiger Nabelschnur

Ein anderer Nachteil ist natürlich die fette Strippe, die sich vor allem bei schnellen Bewegungen bemerkbar macht: Da sich die nötige Datenmenge laut HTC noch nicht verlässlich auf drahtlosem Wege übertragen lässt, muss das Headset stets mit seinem Kabel angeschlossen sein, das durch den Stoff am Hinterkopf nach unten geführt wird. Zu Beginn kann man es zwar halbwegs elegant nach hinten wegführen, nach ein paar Minuten und vielen Drehungen kommt es einem aber immer mal wieder in die Quere.

Die zwei Controller ermöglichen erstaunlich präzise Handbewegungen.
Nach ein paar Stunden hatte ich mich aber immerhin ein wenig daran gewöhnt, so dass ich es nur noch reflexartig zur Seite streifte und mich auch nicht mehr drum kümmerte, wenn ich ab und zu drauf trat. Falls der Fuß den robusten Kabelstrang mit zu viel Wucht erwischen sollte, flutschen die Stecker aus der entsprechenden Link-Box. Sie wird quasi als Stolperschutz mit den mitgelieferten Kabeln zwischen PC und Headset gestöpselt. Mit ihrem Klebekreis lässt sie sich das Kästchen einfach unter dem Tisch pappen, wo es keinen Platz wegnimmt. Nach ein paar Tagen hielt der Kleber aber nicht mehr – eigentlich müsste man die Box also von Anfang an auf andere Weise fixieren.

It's getting hot in here!

Ein weiteres kleines Problem ist auch die Hitzeentwicklung. Das Gerät wird nach etwa einem Viertelstündchen zwar nur handwarm, doch da man unter dem flauschigen Augenaufsatz ziemlich abgeschottet bleibt und sich auch durch die vielen Bewegungen ein wenig aufheizt, kommt man vor allen im Roomscale-Spielen schnell ins Schwitzen. Manche meiner Kollegen hatten nach dem Spielen sogar eine leichten Abdruck wie bei einer Taucherbrille im Gesicht. Nach längerer Zeit wird es also unbequem, in kurzen Sessions bleibt die Vive aber relativ komfortabel. Die vor allem den Hinterkopf umschließenden Riemen fühlen sich deutlich angenehmer an als die des Oculus DK2, erreichen aber nicht ganz den Komfort der locker auf dem Kopf liegenden PlayStation VR. Ein Vorteil am festen Sitz ist, dass die Vive auch bei schnellen Ausweichbewegungen in Space Pirate Trainer sicher sitzt, ohne zu verrutschen – ein wichtiger Aspekt in den bewegungsintensiven Spielen des Systems. Trotz stundenlanger Spielsitzungen hatte ich übrigens die komplette Woche über nicht ein einziges mal Nackenschmerzen. Das Gewicht beträgt ohne Kabel zwar 555 Gramm (Oculus Rift CV: 470 Gramm), wird vor allem durch die seitlichen und hinteren Riemen erstaunlich gut ausbalanciert. Zum Vergleich: Beim Spielen von InCell mit dem DK2 der Rift hatte ich schon nach rund einer Stunde einen verspannten Nacken plus Muskelkater.

Die Klappe über dem Kabelstrang lässt sich abziehen, um die Strippen vom Headset abzustöpseln oder zukünftiges Zubehör an den noch freien USB-Port anzuschließen.
Was Neulingen sofort ins Auge springt, sind die kleinen Streifen der Fresnel-Linsen - die Technik kommt übrigens auch bei Oculus zum Einsatz. Sie werden vor allem bei hellen Bildern sichtbar, nach einer Weile gewöhnt man sich aber daran, so dass sie nur noch selten bewusst auffallen. Vorteile sind ein geringeres Gewicht und weniger Platzbedarf. Außerdem helfen die Fresnel-Linsen dabei, den Screendoor-Effekt zu verringern: Da in der Bildmitte mehr Pixel zu sehen sind, fällt das Raster nicht mehr so stark auf. Der Unterschied zum DK2 von Oculus Rift bleibt auf den ersten Blick nur klein, trotzdem sind in diesem Bereich auch kleine Fortschritte nützlich - vor allem, wenn man in Spielen wie The Gallery Textdokumente untersucht. Ein „Fliegengitter“ hat man also auch weiterhin vor Augen, allerdings fällt der Effekt nicht mehr so negativ auf wie auf älteren Prototypen der aktuellen VR-Ära. Besonders wichtig für eine gute Bildqualität ist es, die drei Klettverschluss-Riemen gewissenhaft an die Kopfgröße anzupassen und die Brille mittig vor den Augen zurechtzurücken. Schon wenige Millimeter bewirken Wunder bei der Schärfe in der Bildmitte.

Auch für Brillenträger geeignet?

Für ein optimales Ergebnis lässt sich wie an der Oculus Rift oder am alten Virtual Boy der Pupillenabstand einstellen. Nur die Vive besitzt aber zusätzlich die Möglichkeit, die Bildschirme mit zwei Drehschrauben auch vom Auge wegzubewegen, indem man den Frontbereich des Headsets praktisch ein wenig ausfährt. Normalerweise lässt man die Screens so nah wie möglich vor den Augen – für ein möglichst großes und scharfes Sichtfeld. Brillenträger können das Headset aber etwas ausfahren und so mehr Platz zu schaffen. Auch eine kleine Ausbuchtung an den Seiten lässt immerhin genügend Raum für schmale Brillen. Manche Kollegen ließen sie beim Vive-Spielen einfach auf, andere setzten sie lieber ab.

In den so genannten Roomscale-Spielen bewegt sich der Spieler oft durch das komplette Rechteck.
Für schmale Gesichter liegt außerdem ein kleineres Polster bei. Theoretisch lassen sich diese gepolstertern Gesichtsaufsätze einfach per Klettverschluss austauschen, in der Praxis gestaltet sich das aber etwas knifflig: Achtet darauf, dass ihr mit dem Fingernagel unter den (sehr festen) Klettverschluss greift. Sonst kann es passieren, dass ihr das (zu locker befestigte) Polster vom Klettverschluss abreißt und euren Aufsatz zerstört.

Raumklang und Abschottung

Die mitgelieferten In-Ear-Kopfhörer liefern etwa einen ähnlich guten Klang wie gängige Marken-Ohrstöpsel für Einsteiger. Sie besitzen einen dicken, ausgebeulten Basstreiber, an dessen Form man auch mit aufgesetztem Headset fühlt, welcher Stöpsel in welches Ohr gehört. Das ist durchaus wichtig, denn auch in Stereo funktioniert die räumliche Ortung erstaunlich gut: Als ich in The Gallery ein kleines Radio um mein Kopf herum bewegte, kam der Klang exakt aus der entsprechenden Richtung. Die zum Glück sehr kurz gehaltenen Kopfhörerkabel sind kaum ein Störfaktor: Manchmal kitzeln sie am Hals oder kommen dem großen Kabelstrang in die Quere, meist fallen sie aber nicht weiter auf. Mit Hilfe unterschiedlich großer Gummi-Stöpsel schottet man sich also völlig von der Außenwelt ab, was selbstverständlich Gefahren birgt - z.B. wenn die vermeintlich erwachsenen Kollegen einem mal wieder „freundschaftlich“ auf den Bauch klatschen oder einen Zettel auf den Rücken kleben. „Ich lebe für VR!“ - irrsinnig komisch... Die fest verbauten On-Ear-Kopfhörer des Oculus Rift dürften deutlich weniger abschirmen, es stellt sich natürlich die Frage, ob dabei die Soundqualität ähnlich immersiv bleibt. Austauschen lassen sich die Kopfhörer übrigens bei beiden Geräten: Beim Vive stöpselt man einfach blitzschnell um, beim Rift dauert es offenbar etwas länger.

Ein flotter Spiele-PC ist Pflicht

Am Hinterkopf sorgen geschickt aufgeteilte Bänder für einen sicheren Sitz und gleichmäßige Gewichtsverlagerung.
Neben der Technik im Headset spielt bekanntlich auch die der Spielemaschine eine entscheidende Rolle. Wie Valve bereits vorgewarnt hat, sollten nur Besitzer eines aktuellen PCs zur Vive greifen. Laut den Mindestvoraussetzungen reicht eine GTX 970. In manchen grafisch aufwändigen Spielen wie The Gallery mussten wir allerdings einige Effekte und Qualitätseinstellungen herunterschrauben, um mit einer GTX 980 noch die dringend notwendigen 90 Bilder pro Sekunde zu halten. Um die Kulisse dort optimal darstellen zu können, braucht man offenbar eine 980 Ti, eine Titan X oder vergleichbare Karten von AMD.

Oder man wartet mit dem Aufrüsten auf die noch für 2016 geplanten Pascal- bzw. Polaris-Karten, welche für einen gehörigen Leistungssprung sorgen sollen. Der Großteil der Spiele lief allerdings auch mit unserer GTX 980 stets flüssig, darunter das grafisch beeindruckende The Lab von Valve. Vor allem das verwitterte Metall und feine Spiegelungen in den Laboren des Portal-Universums sorgten immer wieder dafür, dass wir staunend die Umgebung der Minispiel-Sammlung erkundeten.

Was steckt in der Box?

SteamVR läuft beim Betrieb immer im Hintergrund. Spiele lassen sich aber auch direkt aus dem normalen Steam-Client starten.
In der geräumigen Box liegen neben dem Headset, den Controllern, den Tracking-Würfeln, jeder Menge Kabel und Montagehilfen auch drei Spiele bzw. Anwendungen: Die Minispielsammlung Job Simulator: The 2050 Archives, das großräumige Mechanik-Puzzlespiel Fantastic Contraption und das dreidimensionale Malprogramm Tilt Brush. Außerdem lässt sich aus dem Steam-Store kostenlos „The Lab“ von Valve herunterladen – ein Mix aus nützlichen Tutorials im Universum von Portal, das wir in einem eigenen Test näher unter die Lupe nehmen. Der Job Simulator macht es einem herrlich einfach, mit Küchenutensilien, Papierfliegern und anderen Objekten zu jonglieren oder anderweitig herumzualbern. Das mag nach einem öden Minispiel klingen – wenn man erst einmal mittendrin in der Welt steht, ist es aber erstaunlich unterhaltsam, die Roboter oder Kollegen in anderen Büro-Parzellen mit Objekten zu torpedieren.

Auch andere Konzepte sind derart toll auf die Vive abgestimmt, dass man schon nach Sekunden intuitiv durch die Welt hüpft: Dazu gehört z.B. der im Early-Access erhältliche Weltraum-Schießstand Space Pirate Trainer, in dem man mit vollem Körpereinsatz wie beim Lasertag durch feindliche Projektile taucht. Spiele im Sitzen, so genannte „Seated Experiences“, funktionieren ebenfalls bestens: Im einfach gestrickten Geschütz-Shooter Gunjack zielt man z.B. hochpräzise und blitzschnell mit Kopfbewegungen.

Software in den Kinderschuhen

Obwohl es also schon toll auf die Möglichkeiten der Vive abgestimmte Titel gibt, solltet ihr euch darauf einstellen, dass manche Spiele sich vor allem zu Beginn noch ziemlich ungeschliffen anfühlen. Im Adventure Windlands und dem Strategiespiel Quar: Battle for Gate 18 fühlte ich mich zunächst ziemlich verloren, bis ich ansatzweise die Steuerung verstand. Meist gibt es Tutorials, manch ein für unterschiedliche Headsets konzipierter Titel erfordert zu Beginn aber ein ein wenig Gefrickel, Konfiguration und Geduld. Vergesst also nicht, in neu gestarteten Spielen erst einmal ins Menü zu schauen: Manchmal sind die Titel noch nicht ideal auf die Spezifikationen der Vive zugeschnitten, so dass ihr z.B. erst einmal den Detailgrad erhöhen solltet. Das hilft vor allem beim Lesen von kleinen Menütexten und Schriftstücken in Adventures. In den meisten Roomscale-Spielen hatten wir nur selten Probleme mit aufkommender Übelkeit. In Titeln mit Kamerabewegungen wie Hover Junkers z.B. wurde Dieter allerdings derart schlecht, dass er es erst einmal nicht mehr anfassen will. Mir wurde dagegen lediglich beim sanften Schweben der Gefährte ein wenig „kribbelig“ im Bauch.

Kotztüten bereithalten?

Fürs Auge nicht sichtbar, aber mit der Kamera lassen sich die Lichtquellen des Lighthouse-Systems einfangen.
Bei schnellen VR-Rennspielen mit abrupten Lenkbewegungen wie InCell oder Radial G wird mir allerdings generell ein wenig flau in der Magengegend – vermutlich zwangsläufig, weil das Gleichgewichtsorgan im Ohr keinerlei Bewegung wahrnimmt und andererseits, weil mir die Gewöhnung fehlt. Mehr zum Thema Simulation-Sickness in VR findet ihr übrigens in unserer Reportage zum Thema. Das Programm SteamVR läuft beim Betrieb stets im Hintergrund. Dort lassen sich alle Einstellungen vornehmen, Spiele starten und mehr. Meist lief es einwandfrei, wir haben allerdings das bereits erwähnte Problem beim Firmware-Update der Controller erlebt. Manchmal weigerte sich das Programm außerdem, auf Knopfdruck das virtuelle Dashboard zu öffnen.

Zu grob für Cineasten

Mit Hilfe des normalen, vor den Augen schwebenden Windows-Desktop lassen sich natürlich auch Youtube-Videos, Spielfilme und 3D-Filme auf dem Headset schauen. Dedizierte Kino-Apps wie bei Oculus werden aber nicht mitgeliefert. Auch für 360-Grad-Videos gibt es bereits Dienste wie Whirligig. Interessierte Cineasten sollten aber bedenken, dass man durch die im Vergleich zu einem TV niedrige Auflösung nach wie vor ein grobes Pixelraster vor Augen hat. Laut einer AMD-Studie ist für ein fotorealistisches Bild ein Display mit 16K nötig. Bis sich solch eine Pixeldichte kostengünstig auf derart kleinem Raum unterbringen lässt, dürften also noch viele Jahre vergehen.

Fazit

Was für ein Trip: Wer sich HTC Vive zum ersten Mal über den Kopf stülpt und mit vollem Körpereinsatz durch fremde Welten schreitet, taucht tatsächlich in eine völlig andere Welt ab. In meinen 16 Jahren als Spiele-Journalist wurde mein Büro noch nie so massiv von Kollegen belagert, die fast ausnahmslos mit einem verklärten Blick wieder heraus marschierten. „Wahnsinn!“, „Unglaublich!“ „Ach du Scheeeeeiße!“, „Ich wollte doch eigentlich noch einkaufen!“, „Soll ich jetzt doch ein Zimmer frei räumen?“ sind nur eine winzige Auswahl der Kommentare, die bei den beeindruckenden Demos von The Lab & Co. durch den Flur schallten. Sogar Skeptiker wie Mathias oder Jörg konnten zumindest die Faszination der Immersion nachvollziehen. Die niedrige Latenz, eine hohe Bildrate, das (meist) präzise Tracking und vor allem die feinfühligen Controller besitzen riesiges Potenzial für neue oder umkonstruierte Spielkonzepte – das beweisen erste Demos und viele kleine Spiele schon jetzt. Leider gibt es für Hardcore-Spieler aber noch nichts im Angebot, was auch über eine längeren Zeitraum satt macht. Es bleibt meistens bei simplen Actiontiteln, Minispielen oder kleinen Puzzles. Sie machen mit vollem Körpereinsatz aber immerhin deutlich mehr Spaß, als man es mit Text oder Videos vermitteln kann. Ein weiteres Problem sind die Tücken der noch in den Kinderschuhen steckenden Technik: Viel Platz und eine teure Grafikkarte sind Pflicht, ein Pixelraster bliebt nach wie vor deutlich sichtbar, immer wieder gerät das Kabel in den Weg und auch das Tracking hatte vor allem bei Spielen in großen Arealen seine Tücken. Immer mal wieder zuckte die Kamera oder ein Controller herum, selbst nachdem wir viel zur Problembehebung herumexperimentiert und ummontiert hatten. Nach rund einer Woche wurde unser anfänglicher Enthusiasmus also deutlich gebremst - zum Start ins neue VR-Zeitalter haben HTC und Valve aber trotzdem ein tolles Produkt abgeliefert, welches bereits andeutet, welches Potenzial in der Technik und seinen Anwendungsmöglichkeiten steckt. Ich freue mich schon auf all die neuen Spiele, die sich schon aus technischen Gründen stark von klassischen Konzepten abheben werden.

Einschätzung: gut

Wertung

PC

Die enorme Immersion macht HTC Vive zu einem faszinierenden Spielplatz für raumfüllende VR-Spiele - allerdings leidet die junge Technik noch unter einigen Problemen.

HTCVive

Die enorme Immersion macht HTC Vive zu einem faszinierenden Spielplatz für raumfüllende VR-Spiele - allerdings leidet die junge Technik noch unter einigen Problemen.

VirtualReality

Die enorme Immersion macht HTC Vive zu einem faszinierenden Spielplatz für raumfüllende VR-Spiele - allerdings leidet die junge Technik noch unter einigen Problemen.

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