Im Test: Das blasse Ende
Turm voller Fragezeichen
Sho weiß nicht, warum er in den Turm gelangte – natürlich. Aus seinen Augen wird die Geschichte erzählt und wie üblich bietet seine Amnesie dem Spieler einen Grund, den Geheimnissen um The End und Shos Begleitern auf den Grund zu gehen. Warum will der Bösewicht die Welt zerstören? Wieso sollen ihn elf Kämpfer mit besonderen Begabungen aufhalten, indem sie die fünf Stockwerke seines Turms erklimmen? Und welche der Kämpfer sind die Verräter, auf die The End selbst hinweist?
Fünf angebliche Helden spielen nämlich falsch; ihre Identität wird vor jedem neuen Spielstart vom Zufall bestimmt. Sho und sein Team müssen also nicht nur rundentaktische Gefechte gegen mechanische Feinde bestehen, bevor sie zur jeweils nächsthöheren Etage gelangen, sie sollten auch die Übeltäter entlarven. In den Pausen zwischen zwei Kämpfen, erhalten sie deshalb nicht nur bessere Ausrüstung und verbessern ihre Fähigkeiten, Sho führt auch viele
Ein Verräter - dein bester Kumpel
Das Szenario um den plötzlich erschienenen Turm, den eigenwilligen Bösewicht und seine seltsam direkt ausgesprochene Herausforderung sowie der drohende Verrat wertvoller Kameraden: Verleiht das dem sozialen Gefüge innerhalb einer Heldengruppe eine neue Dimension? Immerhin sind die Verräter das Thema fast jeder Unterhaltung. Sho muss mögliche Falschspieler außerdem aktiv aufspüren und die Anderen anschließend davon überzeugen, ihre Finger auf den Richtigen oder die Richtige zu zeigen. Denn die Helden stimmen vor dem Betreten jeder neuen Etage in einer geheimen Wahl ab: Wer soll von The End „ausgelöscht“ werden? Es könnte jeden treffen, auch Unschuldige...
So vielversprechend die Idee, so klar schlittert die Umsetzung leider am Konzept vorbei. Tatsächlich plappern die Kollegen nämlich in einem Großteil ihrer Unterhaltungen davon, wie unangenehm die Sache mit den Verrätern ist, dass sie aber trotzdem die höchste Etage erreichen müssen – das war's. Darin erschöpft sich der Konflikt. Sho lernt in manchen Gesprächen zwar seine Begleiter kennen, interessante Charakterköpfe entdeckt er allerdings nicht. Und wenn er einen Verräter durch seine Begabung als solchen erkennt, wirkt sich das nicht einmal auf folgende Dialoge aus. Er spricht dann weiterhin ganz locker mit ihnen und festigt sogar die Freundschaft mit der entsprechenden Figur. Das kommt ihnen im Kampf zugute, ergibt an dieser Stelle aber keinen Sinn.
Die Verräter sind ein rein spielmechanisches, ansonsten vollkommen oberflächliches Element. Die Feinde in den eigenen Reihen geben sich sogar erst dann zu erkennen geben, wenn sie gerade enttarnt wurden. In derselben Szene verschwinden sie dann auch schon. Spannende Detektivarbeit verrichtet Sho ebenso wenig wie er in moralische Zwickmühlen gerät. Nicht einmal im Kampf spürt man die Nachlässigkeit möglicher Verräter.
Stimmen der Wahrheit
Als interessant im Sinne der Gruppendynamik empfinde ich nur das Manipulieren der Meinungen, die die Teammitglieder voneinander haben. Immerhin fragen sie Sho häufig, ob er bereits eine bestimmte Person verdächtigt und seine Antwort wirkt sich auf ihre Meinung voneinander aus. Im Kampf hilfreiche und erfolgreiche Helden gewinnen außerdem an Ansehen bei ihren Kameraden und das steigert wiederum ihre Chance nicht zum Verräter gewählt zu werden.
Einen Sho bekannten Verräter könnte ich also tatenlos sterben lassen, um seinem Ruf zu schaden. Nach mehreren Gefechten ist es mir so gelungen, einen allgemein beliebten Verräter kurz vor der Wahl doch zum unbeliebtesten Mitstreiter zu machen. Das schadet zwar der Dynamik der Gefechte, hat sich aber wie ein Erfolg angefühlt.Und immerhin muss ich im Gegenzug darauf achten, dass ein wichtiger Kämpfer nicht zu Boden geht: Tote können zwar wiederbelebt werden, drücken die Bewertung des Charakters aber enorm!
Wie Sho einen Verräter übrigens ausfindig macht? Nach jedem Gefecht (nur eine sechs Mann starke Auswahl zieht in jeden Kampf) hört er die Stimmen derjenigen, die daran beteiligt waren. Weil ich sehe, wie viele verdächtige Stimmen er nach jedem Kampf hört, kann ich bald schlussfolgern, wer als Verräter überhaupt in Frage kommt – in einem Minispiel läuft Sho dann Stimmen hinterher und entdeckt so, ob der dazugehörige Begleiter aufrichtig ist oder nicht. Ja, das ist furchtbar langweilig.
Wechselspiel
Es hilft der Rundentaktik auch nicht, dass ich die Zusammenstellung der aktiven Gruppe ständig ändern muss. Nichts gegen Abwechslung, doch in diesem Genre mag ich gerade den Aufbau eines „perfekten“ Teams. Abgesehen davon steckt in dem Taktieren allerdings die größte Stärke des Spiels, denn die sehr verschiedenen Begabungen der Helden
Ich habe nicht zuletzt die Möglichkeit, einen Zug an eine andere Figur weiterzureichen. Ein Schütze könnte sich also in Reichweite eines Feindes begeben und den Staffelstab an einen Nahkämpfer reichen, damit der den Gegner mit Hilfe seines Partners attackiert. Sollte ein Kämpfer seine Begabungen zu häufig nutzen, verliert er außerdem seinen "Verstand": Ohne Rücksicht auf Freund und Feind greift er dann einige Runden lang alles und jeden an, während seine Wunden geheilt werden. Geschickt eingesetzt kann das gegen starke Feinde ein wichtiges taktisches Mittel sein.
Wer mit wem?
Überhaupt muss ich den Raum geschickt nutzen, denn im Rücken Getroffene erleiden größeren Schaden und die Helden greifen gemeinsam an: Attackiert ihr befreundeter Kamerad einen Gegner in ihrer Schlagreichweite, dann schlagen sie automatisch mit zu. Nur so sind größere Feinde überhaupt besiegbar – richtiges Stellungsspiel richtet bis zu sechsfachen Schaden an.
Lohnenswert ist zwischen den Gefechten deshalb der Aufbau von Freundschaften. Umso bedauerlicher, dass der Ausbau einer Beziehung so funktioniert: Die ersten beiden Unterhaltungen, die Sho zwischen zwei Gefechten führt,
Echte Experten
Die Charaktere können schließlich zusätzliche Begabungen erlernen und ihre vorhandenen mehrfach erhöhen, so dass etliche Entwicklungen möglich sind. Mit besseren Waffen, verschiedenen Rüstungen und dem Verstärken von maximal zwei ihrer Eigenschaften spezialisiere ich die Figuren weiter. Ich kann ihnen sogar die Begabungen ausgeschiedener Verräter verleihen. Ärgerlich nur, dass deren Verlust dadurch eine noch unbedeutendere Rolle spielt als ohnehin schon.
Und apropos unbedeutend: Dass die kleinen Level-Rechtecke jedes Stockwerks stets aus den gleichen Versatzstücken bestehen, in denen vielleicht nur eine Hand voll verschiedener Gegner hausen, macht das Taktieren ausgenommen spröde. Ähnlich wie in Valkyria Chronicles oder Code Name: S.T.E.A.M. bewege ich die Helden zwar frei dorthin, wo es ihre Reichweite erlaubt – Deckung oder ähnliche Finessen bietet Lost Dimension allerdings nicht.
Fazit
Die Idee ist gut – das Spiel ist es leider nicht. So spannend das Konzept um das Aufspüren der Verräter und das Geheimnis um The End auch ist, so emotionslos wird es als reine Zahlenschieberei inszeniert. Das langweilige Geplapper der Unterhaltungen fängt weder glaubhafte Emotionen noch den Ernst der Lage ein und schlimmer: Verdachtsmomente oder gar das Erkennen eines Verräters spielen keine dramaturgische Rolle. Nur das aktive Verschieben der Sympathiepunkte ist spannend. Kleine Höhepunkte sind die Rundenkämpfe mit einem vielschichtigen Stellungsspiel. Die zahlreichen Fähigkeiten der Helden ergänzen sich auf unterschiedliche Art, gut Beziehungen zueinander ermöglichen mächtige Angriffsketten, eine geschickte Raumaufteilung ist das A und O. Weil sich die Gegner und belanglosen Levelstrukturen der kurzen Gefechte viel zu schnell wiederholen, holen die Gefechte allerdings nur wenige Kohlen aus dem Feuer.
Pro
Kontra
Wertung
PS_Vita
Die niedrige Bildrate ist ärgerlich. Allzu großen Schaden richtet das in diesem Spiel allerdings nicht an.
PlayStation3
Eine interessante Idee versandet im drögen Werteschieben: Dem Spiel um Verrat fehlen Emotionen und Dramatik. Die Rundentaktik dreht sich immerhin um eine geschickte Raumaufteilung.
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