Starship Traveller17.03.2015, Jörg Luibl
Starship Traveller

Im Test: Abenteuer-Spielbuch für SciFi-Fans

1983 erschien Starship Traveller von Steve Jackson. Das Besondere daran: Dieses Abenteuer-Spielbuch in der Tradition der "Fighting Fantasy" entführte Leser nicht in die damals so populären Welten mit Magiern, Drachen und Dungeons, sondern zum ersten Mal in ein Science-Fiction-Universum voller skurriler Wesen und Zivilisationen. Jetzt ist allerdings bei Tin Man Games das gleichnamige Spiel für PC, iOS sowie Android erschienen. Lohnt sich die Lesereise durchs All?

Hypersprung zur Erde gesucht

Ein schwarzes Loch namens "Seltsian Void" hat ein Raumschiff in ein Paralleluniversum katapultiert: Wo ist man gelandet? Welche Planeten gibt es hier? Und wie kommt man bloß nach Hause? Man schlüpft in die Rolle eines Captains, um irgendwo auf bewohnten Planeten die Koordinaten für ein weiteres schwarzes Loch zu finden, das einen

Das Cover des Originals aus dem Jahr 1983.Die deutsche Version von 1998 hieß "Das Universum der Unendlichkeit".
samt Crew hoffentlich zurück zur Erde bringt - dazu gehört übrigens auch eine Katze sowie der Sohn eines Senators als Passagier.

Die Rückkehr ist gar nicht so leicht, denn im fremden Weltall gibt es neben drei Sonnensystemen auch viele Gefahren - vor allem, wenn man auf Außerirdische trifft. Aber nur über diese Kontakte lassen sich wichtige Hinweise für die Heimkehr finden. Interessant ist leider weniger die Geschichte der Gestrandeten, denn Story und Charaktere an Bord bleiben sehr blass, sondern vielmehr die intelligenten Wesen sowie seltsamen Zivilisationen, auf die man während der Reise trifft: von Insektoiden und Reptilien bis hin zu Robotern ist alles dabei.

Ein Captain, eine Crew

Man erstellt eine sechsköpfige Crew - auch eine Katze ist dabei.
Schön ist, dass man seine sechsköpfige Crew vor Spielbeginn nicht nur automatisch, sondern auch einzeln zusammen stellen kann - leider ohne Portraits, aber inkl. des Auswürfelns der Werte sowie der Namengebung. Neben einem "Science Officer", einem "Medical Officer" sowie  einem "Engineering Officer" hat man noch einen "Security Officer" samt zweier "Guards" an Bord. Sie alle haben neben ihren beruflichen Fähigkeiten auch Lebenspunkte sowie Kampfwerte.

Schade ist, dass deren Übersicht nicht komplett eingeblendet wird und dass die eigenen Leute erzählerisch nur Statisten bleiben. Man kann sich zwar in einigen Situationen entscheiden, wen man zur Landung auf einem Planeten mitnimmt - und das wirkt sich auch aus. Aber innerhalb des Teams wird nicht kommuniziert und dann gibt es manchmal einen

Wie im Abenteuer-Spielbuch gilt es Entscheidungen zu treffen und gegen seine Werte zu würfeln.
Bug, der einen dazu zwingt, immer alle statt bestimmter Leute mitzunehmen - trotzdem spricht der Text dann später davon, dass jemand noch an Bord ist; arghs.

Mit dem Alien verschmolzen...

Auch wenn die Geschichte selbst nicht besonders stark ist, kommt es immer wieder zu skurrilen Situationen: Da beamt man sich z.B. so unglücklich auf einen Planeten, dass man halb mit dem Körper eines Außerirdischen verschmilzt. Hört man auf den Rat seines Offiziers oder auf den der Aliens, um die beiden zu trennen?

Wie im klassischen Abenteuer-Spielbuch muss man sich immer für eine Aktion entscheiden, worauf es zur nächsten Szene geht - verhandelt man, fragt man nach oder zieht man sofort die Phaser? Meist hat man zwei bis drei Möglichkeiten, auf eine Situation zu reagieren. Und mitunter gibt es Würfelproben gegen die Fähigkeiten der Crew.

Klassische Lektüre - nur auf Englisch

Das horizontale Lesesystem bleibt der Buchvorlage treu: So blättert man sich quasi Seite für Seite von Szene zu Szene, wobei im Hintergrund eine Karte automatisch mitzeichnet, welchen Weg man bisher durchs All geflogen ist - da werden alle Planeten und Sonnen eingetragen. Zwar gibt es keine deutsche Übersetzung, aber wer gutes Schulenglisch beherrscht, sollte keine Probleme mit der Lektüre haben.

Eine Karte zeichnet den Weg durch das Paralleluniversum mit.
Dass ein Spieldurchlauf manchmal nicht mehr als zehn Minuten braucht, weil man entweder tot oder sogar schon fertig ist, ist angesichts der offenen Route und der vielen Alternativen nicht so tragisch. Und keine Bange: Da man virtuelle Lesezeichen setzen kann, würfelt man einfach nochmal, bis es klappt - wer das Glücksmoment gar nicht mag, kann statt klassisch auch auf leicht spielen.

Konservative Modernisierung

Ich finde es grundsätzlich klasse, dass dieses Abenteuer-Spielbuch von Steve Jackson jetzt wieder erhältlich ist. Aber es wurde nur leicht modernisiert: Es gibt etwas über zwanzig hübsche Zeichnungen der Aliens  - tolle Animationen oder

Es gibt gegenüber dem Original frische Zeichnungen von Aliens und Umgebungen.
grafische Highlights sucht man vergeblich. Man kann lediglich das Schriftbild einstellen und zusätzliche Statistiken anzeigen. Während die frisch komponierte Hintergrundmusik mal mit lieblichen, mal mit wuchtigen Tönen überzeugt, enttäuschen auch die schwachen Soundeffekte.

Unterm Strich hinkt die Produktionsqualität weit hinter ähnlichen Spielen wie Lone Wolf oder Sorcery! hinterher - auch was kreative Ideen betrifft, die das Lese-Erlebnis oder die Kämpfe bereichern könnten. So fühlt sich Starship Traveller trotz neuer Bilder und Musik über weite Strecken recht bieder an.

Statisches Kämpfen und Würfelphysik

Das sporadische Kämpfen wird recht statisch inszeniert.
Zwar kann man die komplette Story auch ohne ein Gefecht mit Phaser am Boden oder Laser im All beenden. Aber die sporadischen Kämpfe werden nur  statisch inszeniert und verlangen weder besondere Taktik noch Reaktionsschnelligkeit. Das eigene Raumschiff besitzt einfach Werte für Waffen sowie Schilde, die in den Würfelproben eine Rolle spielen.

Das Würfeln wird immerhin "physikalisch" simuliert: Es schaut also so aus, als würden die W6er über den Bildschirm rollen - und wenn man mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, kann man kurz darauf das Tablet schütteln, um es zu korrigieren. Das klappt tatsächlich verblüffend oft, so dass aus einer miesen 1 oder 2 vielleicht eine 5 oder 6 wird. Aber das ist natürlich weniger eine Simulation des echten Würfelns als vielmehr eine kleine Schummelei.

Fazit

Ich mag Abenteuer-Spielbücher. Ich mag Science-Fiction. Und ich finde es klasse, dass Tin Man Games diesen Klassiker von Steve Jackson wieder aufleben lässt. Aber Starship Traveller übt auf mich mehr bibliophile als spielerische Reize aus. Das liegt daran, dass es mittlerweile wesentlich kreativer designte Umsetzungen der "Fighting Fantasy" gibt. Wie man sie besser inszeniert, haben z.B. Forge Reply und vor allem die inkle Studios demonstriert: Lone Wolf kann z.B. mit seinem Artdesign und dem interaktiven Kampfsystem punkten; Sorcery! sowie Sorcery 2! begeistern mit dem tollen Karten-, Zauber- sowie dem vertikalen Text-Design. Hier beschränkt sich die Modernisierung auf ein paar Standbilder, eine automatische Karte sowie Hintergrundmusik und Statistiken. Unterm Strich sorgt aber selbst diese leichte Modernisierung noch für solide Unterhaltung. Auch wenn Story und Charaktere nicht gerade das Niveau einer Space Opera erreichen, machen skurille Situationen und fremde Zivilisationen immer wieder neugierig.

Pro

basiert auf dem originalen Abenteuer-Spielbuch
interessante Alien-Zivilisationen & Situationen
Crew manuell/autom. erstellen und benennen
automatisch aktualisierte Sternenkarte mit Route
einblendbare Statistik zur Crew
aktives Würfeln inkl. Physiksimulation
neue Zeichnungen von Simon Lissaman
neuer Soundtrack von Ryan Grogan
Lesezeichen setzen, Schriftbild anpassen
schwierigerer Klassik-Modus oder einfache Lektüre
Nachwort von Steve Jackson

Kontra

sehr konservative Umsetzung
kaum kreative digitale Verbesserungen
Story & Charaktere nur oberflächlich ausgearbeitet
grafisch sehr bieder, magere Soundeffekte
teilweise sehr kurze Abenteuer
sehr statisch inszenierte Kämpfe
Bug bei der Crew-Zusammstellung & Storybezügen
bisher nur auf Englisch

Wertung

PC

Unterm Strich sorgt aber selbst diese leichte Modernisierung noch für solide Unterhaltung.

iPad

Starship Traveller übt mehr bibliophile als spielerische Reize aus. Es gibt wesentlich kreativer designte Umsetzungen der "Fighting Fantasy" gibt.

Android

Auch wenn Story und Charaktere nicht gerade das Niveau einer Space Opera erreichen, sorgen skurille Situationen und fremde Zivilisationen immer wieder für Abwechslung.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.