Assassin's Creed Chronicles: Russia12.02.2016, Mathias Oertel
Assassin's Creed Chronicles: Russia

Im Test: Sin City und die Oktoberrevolution

Zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der Meuchelmörder-Chroniken lagen neun Monate. Auf den letzten Teil der Trilogie, der im Russland zur Zeit der Oktoberrevolution spielt, musste man hingegen nur vier Wochen warten. Gelingt Climax ein würdiger Abschluss für Assassin's Creed Chronicles? Im Test geben wir die Antwort.

Das Beste zum Schluss?

Die auf drei Teile angelegten Chroniken werden erzählerisch durch ein Artefakt verbunden und zusammen gehalten, das einst Ezio Auditore gehörte. Und damit wird eigentlich die einzige Verbindung zu den "großen" Assassin's-Creed-Spielen hergestellt. Denn wie bereits in China und Indien übernimmt man mit dem schweigsamen Nikolai Orelov ("Kolja") einen Meuchelmörder, den man nur aus dem erweiterten AC-Universum kennt: Er war die Hauptfigur in den Comic-Büchern "The Fall" und "The Chain". Man lernt ihn hier im Rahmen der Oktoberrevolution kennen, wo er einen letzten Auftrag durchführen soll, bevor er in den Ruhestand geht und mit seiner Familie das vom Kampf zerrissene Land verlassen möchte. Er muss das angesprochene Artefakt aus den Händen der Bolschewiken stehlen. Dabei wird er Zeuge an dem Mord der Zarenfamilie, kann jedoch die jüngste Prinzessin, Anastasia, retten.

Die Kulisse erinnert ebenso wie die Zwischensequenzen an die Filmumsetzung von Sin City.
Dies ist der erzählerische Unterbau, der ähnlich wie der gewählte Grafikstil deutlich düsterer ist als in China und vor allem dem farbenfrohen Indien. Hier dominieren Grau- und Rottöne, denen es gelingt, die beklemmende Atmosphäre der Revolution widerzuspiegeln. Zusammen mit dem körnigen Filter erinnert das Design stark an den Film Sin City, was per se ein interessanter Ansatz ist. Allerdings wirkt die 2,5D-Kulisse, in die man oder aus der man wie gehabt an bestimmten Punkten "rein" oder "heraus" laufen kann, unter dem Strich nicht mehr so beeindruckend - vor allem auch, wenn man die Räumlichkeiten betrachtet, die man betreten kann und die sich zu sehr ähneln.

Alles bleibt anders

Natürlich bleibt auch das Russland-Abenteuer der Chroniken in seinen Kernmechaniken unverändert: Es gibt weiterhin Parcours-Elemente, bei denen man über Hindernisse springen oder unter ihnen hindurch gleiten muss. Es gibt

Ein Held inmitten der Revolution: Nikolai Orelov.
viele Situationen, in denen man den weiterhin innerhalb ihres Sichtkegels sehr aufmerksamen Gegnern aus dem Weg gehen muss. Wie in China oder Indien kann man die Wachen oder Patrouillen durch einen Pfiff ablenken. Und jeder Zwischenabschnitt wird je nach Vorgehen bewertet, die Punkte am Ende akkumuliert und bei entsprechenden Schlüsselwerten werden Verbesserungen freigeschaltet. Doch es gibt in der Moderne zahlreiche neue Optionen, die Nikolai zur Verfügung stehen. Zum einen kann er mit einem Greifhaken Schaltkästen in der Umgebung lahmlegen. Dadurch werden z.B. Lichter ausgeschaltet, so dass der Kegel, der den sichtbaren Bereich markiert, deutlich kleiner ist. Später kann er damit sogar Gegner ausschalten, indem er Pfützen unter Strom setzt oder sich die Leitungsfähigkeit bestimmter Steckdosen zunutze macht. Mit seinem Gewehr, für das er anfangs allerdings nur drei Schuss besitzt, obwohl er in den Zwischensequenzen stets mit einem prall gefüllten Patronengurt gezeigt wird, kann er ebenfalls Lichtquellen ausschalten - und natürlich auch Gegner, wobei nur in Ausnahmefällen auf den Schuss reagiert wird.

Ebenfalls neu sind Optionen, Figuren aus einem Schacht heraus zu meucheln und sie anschließend direkt dort zu verstecken oder die Magnetminen. Diese lassen sich nur mit einem bestimmten Objekt ausschalten, was im Rückschluss bedeutet, dass man der entsprechenden Wache den Magnetschlüssel stiebitzt oder ihr so dicht folgt, dass die Mine nicht detoniert. Dass dies natürlich nicht im Sichtfeld eines Gegners passieren darf, versteht sich von selbst. Denn auf den direkten Kampf sollte man sich hier nur selten einlassen. Die Feinde sind sowohl hinsichtlich Bewaffnung als auch numerisch deutlich überlegen. Cleveres Vorgehen und taktisches Schleichen ist hier ungleich wichtiger als die direkte Konfrontation. Und alleine dadurch spielen sich die Russland-Chroniken angenehm anders als ihre in Asien angesiedelten Kollegen. Leider hat Climax es aber nicht verstanden, diese Mechaniken komplett auszureizen. Oder aber man hat nicht uneingeschränkt darauf vertraut.  

Das duale System

Das Artdesign kann anfänglich noch faszinieren, wird aber schließlich zu gleichförmig.
Denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass man im Gegensatz zu Indien und China hier immer wieder mit der geretteten Anastasia eine zweite Figur steuern kann, die eine ganz spezielle Verbindung zu den Assassinen hat. Leider werden sämtliche  interessanten erzählerischen Aspekte nur oberflächlich angeschnitten. Unter dem Strich bleiben sowohl Nikolai als auch Anastasia als Figuren so blass wie Arbaaz Mir oder Shao Jun. Prinzipiell ist die Idee der zweiten Figur immer ein probates Mittel, um starre Mechaniken aufzubrechen. Das versucht man hier, indem man der unfreiwilligen Heldin nahezu alle Fähigkeiten nimmt. Sie kann das Pfeifen zur Ablenkung und das Meucheln der Gegner nutzen - und sie ist in der Lage, die aus dem Vorgänger bekannten Helix-Glitches zu verwenden. Einerseits unterstreicht dies den gern gesehenen Fokus auf Schleichen und unbemerktes Töten. Auf der anderen Seite jedoch sind die Abschnitte mit Anastasia größtenteils Trial-and-Error in Reinkultur. Und sie werden überstrapaziert.

Erzählerisch fokussiert sich der Abschluss der Trilogie auf die Zeit der russischen Oktober-Revolution.
Das gilt übrigens auch für die "Verfolgungssequenzen" bzw. Abschnitte, die man unter Zeitdruck lösen muss, bevor z.B. eine bestimmte Figur ihr Ziel erreicht. Bei den ersten Chroniken haben diese sparsam verwendeten Aufgaben für Abwechslung vom Assassinenalltag gesorgt. In Indien war es schon grenzwertig - auch weil es nicht mehr neu war. Und hier ist gefühlt jede zweite Sequenz irgendeine Verfolgung. Mitunter sind sie zwar ansehnlich verkleidet wie z.B. die Flucht auf einer Trambahn. Doch letztlich sind sie auch ein Indiz dafür, dass Climax gegen Ende die Ideen ausgegangen sind. Gleiches gilt übrigens für die Sniper-Sequenzen, die beim ersten Mal noch für spannende Abwechslung sorgen; beim zweiten Mal auch noch irgendwie. Doch dann hat man auch genug davon gesehen. Wer trotz der stärker als in den Vorgängern aufkommenden Wiederholungserscheinungen nicht genug vom Meucheln bekommen kann, kann nach dem Ende mit zwei Plus-Schwierigkeitsgraden sowie ein paar Herausforderungs-Räumen weiter dem Assassinen-Dasein nachgehen.

Fazit

Es fängt eigentlich alles sehr viel versprechend an: Der an Sin City erinnernde Grafikstil mit seinen wenigen auf Grau- und Rottöne fokussierten Farben liefert einen stimmungsvollen Hintergrund für das Revolutionsdrama. Der schweigsame Assassine Kolja als Hauptfigur mit einem letzten Auftrag vor dem Ruhestand macht neugierig genug, um die Aufmerksamkeit zu halten. Und er bekommt einige neue Fähigkeiten spendiert, die das Abenteuer in Russland mechanisch deutlich von denen in China und Indien abheben. Doch dann läuft irgendwie alles aus dem Ruder: So interessant der Einbau einer zweiten spielbaren Figur in Form der Zarentochter Anastasia ist, die letztlich nur auf Meucheln, Helix-Glitches sowie Pfeifen als Ablenkung zurückgreifen kann, sorgt leider genau sie dafür, dass das Potenzial der neuen Mechaniken nicht ausgeschöpft wird. Stattdessen verlässt man sich zu sehr auf die schon in Indien überstrapazierten Verfolgungen, die auch dadurch nicht besser werden, dass sie hier in unterschiedlicher Verkleidung auftauchen. Auch die Snipermissionen tauchen eine Spur zu häufig auf, während Climax es auch in Russland nicht schafft, die mitunter frustrierenden Trial-and-Error-Sequenzen auszuräumen. Schade, denn der Abschluss der Chroniken hatte das Potenzial für den besten Teil.

Pro

Grafikdesign à la Sin City vermittelt eine düstere Atmosphäre...
interessante neue Mechaniken
angenehm fordernder Schwierigkeitsgrad...
erzählerischer Bogen zum ersten Teil wird geschlossen
zwei spielbare Figuren
solide 2,5D-Action mit Fokus auf Schleichen

Kontra

... ist aber nicht so eindrucksvoll un abwechslungsreich wie in den Vorgängern
Figuren bleiben blass
... der allerdings zu häufig auf Trial-and-Error und zu viele Verfolgungen setzt
Potenzial der neuen Mechaniken wird nicht ausgeschöpft

Wertung

PlayStation4

Irgendwo hat Climax sich verzettelt. Die guten neuen Mechaniken werden nicht ausreichend genutzt, die alten überstrapaziert. Unterm Strich bleibt solide Schleich-Unterhaltung.

XboxOne

Climax hat beim Abschluss der Trilogie leider den Faden verloren. Das Potenzial der neuen Elemente wird nicht genutzt, die bekannten Mechaniken werden überstrapaziert.

PC

Der Abschluss der Chroniken-Trilogie hat Luft nach oben. Die gelungenen neuen Mechaniken werden nicht ausgereizt. Stattdessen werden alte überstrapaziert.

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