Doch natürlich besteht WWE 2K16 nicht nur aus Baukasten-Tools - die Ringaction kommt nicht zu kurz. Neben einer breiten Auswahl an Schaukampf-Optionen von simplen 1-gegen-1-Kämpfen in unterschiedlichen Schattierungen bis hin zum herrlich chaotischen Royal Rumble mit 30 Kämpfern stehen einem beinahe 50 Varianten zur Verfügung. Schade ist zwar, dass beim Rumble abermals nur maximal sechs Athleten gleichzeitig im Ring sind und z.B. Klassiker wie Sargmatches ebenso fehlen wie die Möglichkeit, im Backstage-Bereich zu kämpfen oder Streitereien anzufangen. Immerhin: Die meisten der auch offline zur Verfügung stehenden Matchtypen kann man auch online wählen. Allerdings hat der Online-Modus seine ganz eigenen Mankos. Die fehlende Lobby ist dabei nur das kleinere Übel. Problematischer sind da schon die Lags, die mitunter unvermittelt auftauchen und unter Umständen das Match entscheidend beeinflussen. Läuft der Kampf problemlos, kommt es auch online zu spannenden Duellen, in denen die Änderungen am Kampfsystem positive Auswirkungen zeigen.
Taktische Geplänkel
Autsch! "Heartbreak Kid" Shawn Michaels muss einstecken.
Bereits im letzten Jahr hatten sich die veränderte Spielgeschwindigkeit und ein überarbeitetes Ausdauergefühl bemerkbar gemacht und dafür gesorgt, dass Tempowechsel, die in den echten TV-Übertragungen für Dramatik sorgen, auch im Spiel zunehmend an Bedeutung gewinnen. Allerdings wurde der Kampf bei gleichwertigen Spielern irgendwann zu einem "Konter-Duell". Davon kann man sich dieses Jahr verabschieden. Jeder Kämpfer hat basierend auf seinen Werten eine bestimmte Anzahl an Konteroptionen (maximal fünf), die sich nur langsam wieder aufladen. Dementsprechend muss man sich die richtigen Momente aussuchen, um den Konter auszuspielen. Dabei braucht man übrigens keine Angst zu haben, dass man eines der wertvollen Segmente vergeudet: Nur erfolgreiche Versuche kosten etwas. Mit diesem kleinen Kniff bekommen die Kämpfe eine zusätzliche Dynamik sowie taktische Komponente. Denn unter Umständen kann es mittlerweile besser sein, den einen oder anderen Schlag bzw. Slam einzustecken. Denn im Gegenzug kann man versuchen, sein Gegenüber mit kleinen Aktionen zum Verschwenden der Konteroptionen zu bewegen. Und ist das letzte Segment erst einmal aufgebraucht, kann man mit seinem Gegner fast alles ohne großartige Gegenwehr machen. Eine zusätzliche Block-Funktion (gerne auch mit einer weiteren Energieleiste) würde den Gefechten aber dennoch gut zu Gesicht stehen - so fehlen mir im Kampf entscheidende Grautöne.
Die ACtion im Ring wogt meist dynamisch hin und her.
Doch nicht nur hier hat man angesetzt. Das Entkommen aus einer Pin-Position wurde visuell angepasst und wirkt nun harmonischer, während Aufgabegriffe mit einem neuen Minispiel versehen wurden, das die Knopfhämmer-Mechanik der Vorgänger ersetzt. Jetzt hat jeder Spieler einen Bereich in einem Ring, den er bewegen kann; der eine ist rot, der andere blau. Der Angreifer muss versuchen, seinen Bereich über dem des Verteidigers zu platzieren, der wiederum genau dies verhindern möchte. Prinzipiell ist dies ein gutes und auch bewährtes System - Yuke's hatte es seinerzeit auch bei UFC Undisputed 3 eingesetzt. Allerdings hat es schon damals nur einigermaßen funktioniert und war den Aufgabesystemen unterlegen, die EA erst für EA Sports MMA und dann für UFC entwickelte. Dennoch zeigt sich WWE 2K16 mit den Änderungen insgesamt auf einem guten Weg. Die Kämpfe sind taktisch angehaucht, durch die Bank dynamisch und auch hinsichtlich der Tempovariation eine ordentliche Umsetzung dessen, was man Woche für Woche im Fernsehen sehen kann. Kleine Unstimmigkeiten mit Kollisionsabfrage oder Physik von Ringseilen bzw. Gegenständen kann man zwar weiterhin bemerken, doch sie wurden im Vergleich zum letzten Jahr spürbar eingedämmt.
Ich gegen Steve Austin
Im 2K3:16-Showcase trifft man auch auf ältere Versionen von Steve Austin.
Deutlich aufgebohrt hingegen wurde die Karriere. Zwar fängt man wie letztes Jahr als Nachwuchs-Wrestler im Performance-Center an und muss sich über die NXT-Shows mühsam hocharbeiten. Doch der Weg in die Hall of Fame ist gepflastert mit Entscheidungen. Nach nahezu jedem wichtigen Match wird man kurz interviewt, wobei die gegebenen Antworten nicht nur beeinflussen, ob man Heel (böse) oder Face (gut) ist, sondern auch die Reaktion und das Verhältnis anderer Wrestler beeinträchtigen oder verbessern können. Zusätzlich kann man in nahezu jedes Match der jeweiligen Show eingreifen und sich so Respekt verschaffen bzw. neue Freundschaften oder Feindschaften pflegen. Man kann natürlich auch Rache üben, falls der gerade gültige Hauptfeind sich bereits beim Einmarsch oder im Match eingemischt und einen z.B. den Sieg gekostet hat. Weitere Entscheidungen betreffen u.a. die Pflege der Charakterwerte in über 30 Kategorien, die Wahl eines Managers oder besonderer Fähigkeiten. Und man darf sogar schließlich für oder gegen die "Authority" mit Stephanie McMahon-Helmsley und Triple H antreten, wodurch die Karriere in jeweils andere Richtungen gelenkt wird. In diesem Zusammenhang ist es schade, dass ausgerechnet Stephanie McMahon zu den etwa 20 Prozent der Spielfiguren gehört, deren Wiedererkennungswert nicht berauschend ist - wobei dies nicht nur der weiterhin problematischen Darstellung von langen Haaren geschuldet ist, mit der die Engine einfach nicht fertig wird. Auch Gesicht und Kopfform sind bei ihr wie auch Roman Reigns, The Rock und einigen anderen nicht in den akkuraten Proportionen abgebildet. Doch davon abgesehen hat die Karriere im Vergleich zum letzten Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht - auch wenn sie immer noch nicht an das Pendant der NBA-Kollegen herankommt. Unter anderem auch deshalb, weil die Interviews nach den Matches schwach inszeniert werden und darüberhinaus mit Ladezeiten und einer vollkommen unkenntlichen Renee Young als Interviewerin auffallen.
Der zweite große Modus ist eine Fortsetzung der bewährten Showcases. Das Konzept mit seinen vorgegebenen Zielen, daraus folgenden freigespielten Belohnungen oder Objekten sowie einer cleveren Mischung aus Original-Videos, echten Soundschnippseln und Szenen in Spielgrafik ist zwar nicht neu. Aber die über 20 Episoden, die man nachspielt, drehen sich um niemand Geringeren als den Coverstar "Stone Cold" Steve Austin. Natürlich ist mir bewusst, dass Austin im Rahmen des Attitude-Modus von WWE '13 als Quasi-Mitbegründer der Attitude-Ära eine große Rolle gespielt hat. Doch da dieser Showcase auch weiter in die Vergangenheit von Steve Austin reicht und Stone Cold in seiner illustren Karriere gegen mehr als nur eine Hand voll namhafter Stars gekämpft hat, habe ich sehr gerne diese Reise in die Vergangenheit unternommen.