Hitman28.04.2016, Michael Krosta

Im Test: Klon-Killer im Italien-Urlaub

In der zweiten Episode von Hitman (ab 15,80€ bei kaufen) verschlägt es Agent 47 ins beschauliche Sapienza. In dem Städtchen an der italienischen Amalfiküste gilt es nicht nur, zwei weitere Primär-Ziele zu liquidieren, sondern auch ein Geheimlabor zu infiltrieren, um dort die Forschungsarbeiten an einer biologischen Bedrohung zu zerstören. Wie schon beim Auftakt, kann man seiner Kreativität beim Lösen der Aufgaben freien Lauf lassen und viel entdecken...

Ein riesiger Spielplatz   

Obwohl schon der Abstecher nach Paris auf die Modenschau viele Freiheiten bot und die Party-Location samt Außenanlagen üppig ausgefallen ist, setzt IO Interactive mit der zweiten Episode noch einen drauf und präsentiert das bisher größte Areal der gesamten Hitman-Reihe. Im Mittelpunkt steht zwar erneut ein riesiges Anwesen mit mehreren Gebäuden, Außenbereichen und Stockwerken, doch abseits dieser durch Mauern und Wachen gesicherten Anlage gibt es noch so viel mehr zu sehen und zu entdecken. Die Dänen haben hier tatsächlich eine kleine Stadt erschaffen, die mit vielen verwinkelten Gassen, der Kanalisation sowie einem Marktplatz samt Strandpromenade, Kirche und Friedhof zur Erkundung einlädt. Dabei sind viele Häuser, Läden und Apartments nicht nur reine Fassade, sondern können mit gefundenen Schlüsseln oder dem rabiaten Einsatz der Brechstange sogar betreten werden. Dort findet man oft nicht nur nützliche Ausrüstung, sondern auch wertvolle Hinweise, alternative Verkleidungen oder es eröffnen sich völlig neue Wege, um ins Anwesen zu schleichen oder die Zielpersonen auszuschalten.

Warum nicht einfach mal durch die engen Gassen des gemütlichen Städtchen spazieren?
Dieses Mal haben es 47 und die ICA auf den verstörten Bio-Ingenieur Silvio Caruso sowie dessen Laborchefin Francesca De Santis abgesehen, die gemeinsam an einer biologischen Waffe mit einem erschreckenden Vernichtungspotenzial arbeiten. Wie schon bei der Erkundung genießt man auch hier alle Freiheiten, wie man die beiden Ziele eliminieren will: Wer es gerne klassisch mag, erledigt sie kurz und schmerzlos mit der schallgedämpften Pistole oder greift zur Klaviersaite, um die Opfer zu strangulieren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Optionen, wie man die Zielpersonen möglichst kreativ ausschalten oder alles wie einen Unfall aussehen lassen kann. Einige Methoden sind bereits aus den Vorgängern und dem Auftakt bekannt, darunter z.B. ein herabfallender Kronleuchter, Gift-Cocktails, ein kleiner Schubser oder das Ertränken. Mit entsprechendem Aufwand darf man in Sapienza aber u.a. auch mit Hilfe einer mittelalterlichen Kanone oder einem explosiven Golfball seine Mission erfüllen, sich als verkleideter Golftrainer in eine tödliche Affäre stürzen oder gezielt einen mentalen Zusammenbruch für eines der Ziele herbeiführen. Es ist einfach herrlich zu sehen, was man hier alles anstellen und entdecken kann. IO Interactive lädt mit Sapienza nach Paris auf einen noch viel schöneren, interessanteren und größeren Spielplatz ein! Die Story will allerdings immer noch nicht so recht in Schwung kommen, denn das das kurze Video am Ende  liefert wieder mehr Fragen als Antworten, weckt aber zumindest das Interesse daran, was der kaltblütige Antagonist genau im Schilde führen könnte. Wem die nötigen Eingebungen fehlen oder wer sich lieber an der Hand nehmen lassen will, darf sich von den optional markierten Gelegenheiten erneut unter die Arme greifen lassen kann, die Schritt für Schritt zum Ziel führen. Ohne diese Hilfe empfiehlt es sich, Gespräche zu belauschen, die sich ebenfalls oft als gute Ideengeber erweisen. Eskalations-Missionen und weitere Aufträge sind abseits der Story-Mission selbstverständlich ebenfalls wieder an Bord, um die Motivation aufrecht zu halten.    

Ein Mord und das Leben geht weiter

Agent 47 versteht sich eher als Gourmet des Tötens.
Eigentlich bringt die Sapienza-Episode so viel mit, um sogar am Gold-Award bzw. einem sehr guten Eindruck zu schnuppern. Dass es dafür aber noch nicht reicht, liegt abseits kleiner technischer Probleme wie der fehlerhaften Kollisionsabfrage oder den ewigen Ladezeiten auf den Konsolen vor allem am Figurenverhalten: Oft stellt sich die KI einfach zu schusselig an, auch wenn sie ihr Umfeld genau beobachtet und agiert, sobald sie Verdacht schöpft. Trotzdem lässt sie sich bereits in dieser Phase oft zu leicht austricksen. Im Alarmzustand bzw. bei der Jagd wirken die Wachen sogar oft wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen, der ziemlich planlos durch die Gegend rennt.

Was ebenfalls negativ auffällt, sind die Reaktionen nach einem Attentat. Ja klar gibt es unmittelbar nach dem Mord einen Aufschrei, doch danach gehen Akteure wie Gärtner, Bedienstete, Wachen oder Köche und sogar andere Zielpersonen wieder viel zu schnell in ihren einfachen Tagesalltag über. Ich hätte es z.B. gerne gesehen, wenn die eigenen Aktionen noch stärkere Reaktionen nach sich ziehen würden. Ein Beispiel: Wenn ich die Laborleiterin öffentlich eliminiere und Zeugen den Anschlag beobachten, wäre es klasse, wenn als Folge dessen die Sicherheitsvorkehrungen im Labor erhöht würden und auch Silvio Caruso von seiner normalen Route abweichen würde. Das würde nicht nur die Variationsvielfalt noch weiter erhöhen, sondern auch die unauffälligen Kills fördern oder stärker dazu motivieren, beim nächsten Anlauf die Reihenfolge der Attentate bzw. Aktionen zu verändern.

Fazit

Hui, dieser Ausflug nach Sapienza hat richtig Spaß gemacht! Und ich bin immer noch dabei, weitere Wege in diesem riesigen, wunderschön gestalteten Areal zu entdecken und nach alternativen Methoden Ausschau zu halten, um die Ziele möglichst kreativ und cool aus dem Weg zu räumen. Das kleine Städtchen an der italienischen Amalfiküste ist ein großartiger Spielplatz, der den Ausflug auf die Pariser Modenschau in jeder Hinsicht übertrifft, auch wenn sich einige Optionen für Attentate oder Ablenkungsmanöver bereits wiederholen. Die größten Kritikpunkte des Einstiegs bleiben aber auch in der zweiten Episode bestehen: Zum einen stört weiterhin das KI-Verhalten das Gesamtbild, das sich nicht immer nachvollziehen lässt und damit die Glaubwürdigkeit des Szenarios beeinträchtigt. Zum anderen werden vor allem auf den Konsolen die Neuversuche angesichts langer Ladezeiten zur Geduldsprobe, während die Story zwar neugierig macht, aber immer noch nicht richtig vorangeht. Beim bevorstehenden Trip nach Marokko liefert IO Interactive hoffentlich nicht nur einen ähnlich faszinierenden Schauplatz, sondern sollte auch langsam etwas mehr Schwung in die Handlung bringen.

Einschätzung: gut

[Einschätzung der ersten Episode: Ein guter Einstieg, der angenehm viele Freiheiten beim Meucheln bietet und dank Online-Aufträgen trotz des knappen Umfangs zum Weiterspielen motiviert - gut.]



[Ab diesem Jahr werden wir bei Episoden-Spielen für die ersten Teile im Test zunächst nur Schulnoten vergeben; erst mit dem finalen Teil und Test werden wir auch eine abschließende Prozentwertung für die komplette Reihe vergeben. Anm.d.Red.]

Pro

viele Möglichkeiten für (kreative) Eliminierungen, Ablenkungen und Verstecke
enorm großes, sehr weitläufiges Areal mit vielen Routen
Verkleidungen als wichtiges Spielelement
Gelegenheiten liefern wertvolle Hinweise auf alternative Anschlag-Methoden
gute Auswahl an konventionellen und ausgefallenen Mordwerkzeugen
angenehme Schleichmechanik
KI agiert oft aufmerksam bei verdächtigen Aktionen
überzeugende (englische) Sprecher
Instinkt- und Verdachtsanzeigen abschaltbar
mehrstufige Escalation-Aufträge und zeitlich begrenzte Jagd auf Zielpersonen
motivierende Online-Herausforderungen zum Selbsterstellen und Teilen

Kontra

vereinzelte KI-Aussetzer
Körper hängen manchmal fest und lassen sich nicht mehr ziehen
Story kommt nur langsam in Gang
sehr lange Ladezeiten (Konsolen)
schwankende Bildrate (Konsolen)
nur deutsche Untertitel

Wertung

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